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Schadensersatz bei Beschädigung von Denkmälern

AG Wertheim, Az.: 1 C 24/17

Urteil vom 27.06.2017

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.500,31 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.01.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 4.500,31 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Schadensersatz bei Beschädigung von Denkmälern
Symbolfoto: Piotr Adamowicz/ Bigstock

Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls am 05.02.2016 in W.-R. auf der A.-Straße in Richtung Ortsmitte. Die Beklagte zu 1 war Fahrerin des unfallbeteiligten Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen (…), der zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert war. An der Kreuzung zur L. mißachtete die Beklagte zu 1 das dortige Stoppschild und fuhr – ohne anzuhalten – in die Kreuzung ein. Hierbei übersah sie ein von rechts kommendes bevorrechtigtes Fahrzeug und kollidierte in der Kreuzung mit diesem. Infolge der Kollision stieß das Fahrzeug der Beklagten zu 1 gegen den dort befindlichen und im Eigentum der Klägerin stehenden Bildstock, wodurch dieser schwer beschädigt wurde. Dem Grunde nach ist die Haftung der Beklagten für die Folgen des Unfalls unstreitig.

Der beschädigte Bildstock stammt mutmaßlich aus dem 18. Jahrhundert. Er besteht aus einem Sockel aus rotem Sandstein, welcher auf ein Fundament im Boden gründet. Auf dem Sockel befindet sich eine Säule, ebenfalls aus roten Sandstein, die mit einem Kapitell abschließt, auf welchem sich eine Ädikula aus rotem Sandstein in Form eines Tabernakel befindet. Hierin befindet sich ein Abbild der Muttergottes.

Durch den Unfall wurde der Sockel des Bildstocks mitsamt dem Fundament teilweise aus dem Boden gehoben. Die Säule brach ab und zerbrach. Auch das Kapitell mit dem Tabernakel brach ab.

Das Regierungspräsidium S. erteilte am 07.04.2016 die denkmalschutzrechtliche Genehmigung für die Restaurierung und Neuaufstellung des Bildstocks nach dem Unfall, wobei die Genehmigung mit einigen Auflagen versehen war. So enthält die Genehmigung ein Verbot, die Inschrift steinmetzmäßig zu ergänzen oder zu berichtigen.

In der Folge wurde der Bildstock repariert, wozu unter anderem ein neues Fundament gegraben und betoniert, die Einzelteile des Bildstocks gereinigt und von Mörtelresten befreit, die Säule zusammengesetzt und restauriert, Bruchstücke verklebt und Fehlstellen mit Steinersatzmörtel ausgebessert und nachgearbeitet wurden. Der mit der Reparatur beauftragte Natursteinbetrieb A. stellte der Klägerin hierfür den Betrag von 11.342,81 Euro in Rechnung (Rechnung vom 29.11.2016, As. 39/41).

Die Beklagte zu 2 erstattete der Klägerin hiervon einen Teilbetrag in Höhe von 6.842,50 Euro, wobei sie geltend machte, daß an dem Denkmal ein Totalschaden eingetreten und deshalb lediglich der Zeitwert erstattungsfähig sei (Schreiben vom 28.12.2016, As. 29). Mit Schreiben vom 09.01.2017 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2 auf, den Restbetrag von 4.500,31 Euro umgehend zu überweisen.

Die Klägerin bringt vor, daß durch die Reparatur des Bildstocks lediglich der Zustand vor dem Unfall – so gut, wie es eben ging – wiederhergestellt worden sei. Ein Abzug „neu für alt“ bzw. eine Zeitwertberechnung seien nicht vorzunehmen. Bildstöcke wie der streitgegenständliche Bildstock stünden viele hundert Jahre lang, wobei die natürliche Verwitterung regelmäßig nicht durch Erhaltungsreparaturen ausgeglichen werde. Regelmäßige Unterhaltungsarbeiten fielen nicht an.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin den Betrag von 4.500,31 Euro nebst gesetzlicher Zinsen hieraus seit 10.01.2017 zu bezahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bringen vor, daß durch die Reparaturarbeiten sowohl die Standfestigkeit des Bildstocks verbessert bzw. erhöht als auch insgesamt die Haltbarkeit des Bauwerks verbessert worden seien. Dies ergebe sich u. a. daraus, daß der Bildstock mit einem neuen Fundament versehen worden sei. Hierdurch erspare die Klägerin sich zukünftig anfallende Instandhaltungskosten, so daß hinsichtlich der gesamten Bausubstanz nicht nur der vormalige alte Zustand, sondern ein besserer Zustand hergestellt worden sei.

Das Gericht hat über die Klage mündlich verhandelt. Insoweit wird auf das Protokoll vom 20.06.2017 Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf restlichen Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe.

Die Haftung der Beklagten für die Folgen des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls nach §§ 7, 18 StVG und §§ 115, 116 VVG ist dem Grunde nach unstreitig.

Die Höhe des Schadensersatzes bemißt sich nach § 249 BGB. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat, wer zum Schadensersatze verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist – wie hier – wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Vorliegend ist der gesamte aus der Rechnung der Firma A. Natursteinbetrieb vom 29.11.2016 ersichtliche Betrag als erforderlich in diesem Sinne anzusehen. Insbesondere ist kein Abzug „neu für alt“ bzw. keine Zeitwertbetrachtung vorzunehmen.

Wird eine gebrauchte Sache durch eine neue Sache ersetzt oder durch den Einbau von Neuteilen repariert, so kann dies im Einzelfall zu einer Werterhöhung führen, die unter bestimmten Voraussetzungen die Schadensersatzpflicht mindern kann, da der Geschädigte durch die Ersatzleistung nicht besser gestellt werden soll, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Der Geschädigte soll durch die Ersatzleistung weder ärmer noch reicher gemacht werden (BGH, NJW 1959, 1078).

Voraussetzung für die Vornahme eines Abzuges „neu für alt“ ist zunächst der Eintritt einer meßbaren Vermögensvermehrung, die sich zudem für den Geschädigten wirtschaftlich günstig auswirken muß (Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, vor § 249, Rdnr. 97 ff.).

Daran fehlt es hier.

In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, daß es als ausgesprochen schwierig, wenn nicht unmöglich erscheint, den wirtschaftlichen Wert des beschädigten Bildstocks zu beziffern. Ein Bildstock dient der Besinnung und religiösen Verehrung, etwa als Ziel einer Prozession. Weiter soll ein Bildstock den Vorübergehenden einen Anstoß zum Innehalten und zum Gebet geben. Insoweit kommt einem Bildstock ein immaterieller Wert zu, der jedoch nicht als Marktwert beziffert werden kann.

Denkbar ist aber unter kunsthistorischen Gesichtspunkten durchaus auch ein objektiver Marktwert, der jedoch nur schwer eingeschätzt werden kann.

Unter diesen Gesichtspunkten hat die durchgeführte Reparatur mit Sicherheit nicht zu einer Steigerung des Wertes des Bildstocks geführt. Soweit dem Bildstock unter kunsthistorischen Aspekten überhaupt ein Marktwert zugemessen werden kann, dürften die Beschädigung und nachfolgende Reparatur eher noch zu einem merkantilen Minderwert geführt haben.

Denkbar ist allerdings eine Vermögensvermehrung auf Seiten der Klägerin im Hinblick darauf, daß die Klägerin in Folge der Reparatur zukünftig anfallende Kosten für die Instandhaltung des Bildstocks erspart haben könnte. Auch dies ist im Ergebnis jedoch zu verneinen.

Eine Verbesserung des Zustands des eigentlichen Bildstocks vom Sockel aufwärts im Vergleich mit dem Zustand vor dem Unfall hat unstreitig nicht stattgefunden. Im Gegenteil hat das Regierungspräsidium S. als zuständige Denkmalschutzbehörde eine steinmetzmäßige Ergänzung oder Berichtigung von Inschriften gerade untersagt. Auch ist nicht erkennbar, daß die Reparaturarbeiten an Sockel, Säule, Kapitell und Tabernakel zu einer erhöhten Stabilität geführt und der Klägerin hierdurch entsprechende zukünftig anfallende Kosten erspart haben sollten. Es ist nämlich keineswegs so, daß ein Bildstock wie der streitgegenständliche regelmäßig auseinander genommen und neu zusammengesetzt werden müßte.

Am ehesten denkbar ist noch eine erhöhte Standfestigkeit bzw. Stabilität des Bildstocks als Ganzem dadurch, daß dieser mit einem neuen Fundament versehen wurde. Aber auch insoweit bleibt die angenommene erhöhte Standfestigkeit letztlich spekulativ. Das im Boden liegende Fundament ist der haltbarste Teil eines Bauwerkes wie des streitgegenständlichen Bildstocks, da es nicht im selben Maße wie Sockel, Säule, Kapitell und Tabernakel der Verwitterung ausgesetzt ist. Bei historischen Bauwerken und Baudenkmälern kann ein Fundament über viele Jahrhunderte tragen, ohne daß es in regelmäßigen – und seien es auch größere – zeitlichen Abständen erneuert oder ausgetauscht werden müßte. Reparaturbedarf entsteht dabei allenfalls infolge außergewöhnlicher Ereignisse wie etwa Überschwemmungen, Erdrutsche oder – wie vorliegend – gewaltsamen Einwirkungen durch Verkehrsunfälle. Daß das Fundament des Bildstocks vorliegend zum Zeitpunkt des Unfalls außergewöhnlich sanierungsbedürftig gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Insgesamt bleibt daher schon fraglich, ob der Bildstock durch die Reparatur überhaupt an Standfestigkeit gewonnen hat.

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Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben. Die Klägerin hat nachvollziehbar dargelegt, daß ihr für die Unterhaltung des Bildstocks keine regelmäßigen Kosten anfallen. Mangels regelmäßig anfallender Unterhaltskosten kann hier eine meßbare Vermögensvermehrung, die sich für die Klägerin günstig auswirken würde, nicht festgestellt werden.

Auch das Amtsgericht München hat in einer ähnlichen Fallkonstellation die Annahme einer meßbaren Vermögensvermehrung und die Durchführung eines Abzuges „neu für alt“ abgelehnt (AG München, NJW 2008, 767 – Ersatz einer durch einen Verkehrsunfall beschädigten und zum Unfallzeitpunkt etwa 40 Jahren alten Säule aus Tuffstein mit darauf angebrachter Skulptur des Heiligen Franziskus).

Nach alledem waren die Beklagten antragsgemäß zu verurteilen.

Der Zinsanspruch ergibt sich unter Verzugsgesichtspunkten aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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