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Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung

Anlagevermittlungs- bzw. Auskunftsvertrag

LG Siegen – Az.: 2 O 211/18 – Urteil vom 08.03.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots auf Übertragung der Ansprüche der Kläger gegen die xxx (eingetragen im Handelsregister des Amtes für Justiz des Fürstentums xxx unter Registernummer xxx) aus der GKA Vereinbarung Nr. 0749 vom 04.01.2017.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Abtretung der Ansprüche der Kläger gegen die xxx aus der GKA Vereinbarung Nr. 0749 vom 04.01.2017 im Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.822,96 EUR freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Beklagte ist Finanzfachwirtin FH und ausweislich ihres Internetauftritts als „Finanzberaterin und Unternehmensberaterin“ tätig. Auf ihrer Homepage „www.xxx.de“ bietet sie u.a. „Goldprodukte“ an. Sie bezeichnet sich als „Goldexpertin aus Leidenschaft“. In der Beschreibung ihres Unternehmens heißt es:

„Getreu dem Motto „Sachwert schlägt Vermögenswert“ stehen wir für Vermögenskonzepte rund um das Thema Gold.Ob physisches Gold oder Betongold, mit beidem sind Sie auf der sicheren Seite.Sachwert gestützt und Inflations geschützt stellen beide Anlagen einen hohen Wert an Sicherheit dar.Wer Gold hat, hat immer Geld.“

Über dem Angebot „Einmalanlage“ heißt es:

„Gold ist nicht nur etwas für besonders Wohlhabende, unsere Produkte sind auch für Einsteiger und Kleinanleger ausgelegt. So sichern wir für viele den Zugang zu einer soliden Wertanlage. Da klassische Anlagemodelle nicht mehr sicher sind, ist Gold die kluge Alternative“.

Unter der Überschrift „Einmalanlage“ heißt es u.a.:

„Was bieten wir:-  Risiko- und spekulationsfreie Anlage

–  Laufzeit nur für 1 Jahr. Jährliche Verlängerungen sind möglich

–  Ihre Anlagesumme wird immer mit physischem Gold abgesichert

–  (…)“

Auf diese Weise angeboten wurde eine „Einmalanlage“ der „xxx“ in xxx, bezüglich der wiederum mit einer bebilderten Broschüre geworben wurde, in der es im Vergleich zu anderen Geldanlagen u.a. hieß:

„Unser Depot befindet sich im ehemaligen Bundesbankgebäude, dem wohl sichersten Bauwerk der Stadt xxx“,

„Risiko- und spekulationsfreie Geldanlage“,

„Ihr gewünschter Betrag wird innerhalb von 3 bis 5 Tagen in Gold veranlagt und in unseren versicherten Depots gelagert.

Das für Sie angelegte Depot wird zu Ihrer Sicherheit in Höhe der Anlagesumme an Sie abgetreten.

Nach 12 Monaten können Sie über Ihre Rendite und Ihren Anlagebetrag in Form von Geld oder Gold wahlweise verfügen oder Ihre Anlage um weitere 12 Monate verlängern.“

„IHR eingesetzter Geldbetrag kann nicht verloren gehen, damit ist es risikolos“

Die Beklagte stellte den Klägern die Anlage der Fa. xxx vor. Sie übergab den Klägern die Broschüre „Einmalanlage“ der Fa. xxx (Bl. 29 ff. d.A.) Die Kläger schlossen mit der Fa. xxx am 04.01.2017 einen Vertrag über eine Einlage von 50.000,00 EUR, die sie bezahlten. Die Laufzeit wurde für 12 Monate, die Verzinsung mit 6% vereinbart. Wegen der Einzelheiten des Vertrages wird auf Bl. 39-40 d.A. Bezug genommen. Nach einjähriger Laufzeit entschieden sich die Kläger für die zugesagte verzinsliche Auszahlung des Kapitals. Eine Auszahlung erfolgte nicht.

Die Kläger beantragen,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Mitgläubiger gemeinschaftlich 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger gegen die xxx (eingetragen im Handelsregister des Amtes für Justiz des Fürstentums xxx unter Registernummer FL-0002236.091-1) aus der GKA Vereinbarung Nr. 0749 vom 04.01.2017,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Abtretung der Ansprüche der Kläger gegen die xxxx aus der GKA Vereinbarung Nr. 0749 vom 04.01.2017 im Annahmeverzug befindet,

3. die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.206,93 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung u.a. erklärt, ein Herr u  der Fa. xxx habe ihr erklärt, das Gold werde als Rohgold direkt von eine Mine in xxx erworben. Hierbei – so habe ihr Herr u erklärt – sei es wegen politischer Veränderungen in xxx zu einer Verzögerung gekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung
(Symbolfoto: Von Kaspars Grinvalds/Shutterstock.com)

Die Klage ist begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB i.V.m. dem geschlossenen Beratungsvertrag.

1) Nach dem Sach- und Streitstand ist davon auszugehen, dass zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag und nicht lediglich ein Anlagevermittlungs- oder Auskunftsvertrag zustande gekommen ist.

Der Anlageberatungsvertrag ist von einem Anlagevermittlungs- bzw. Auskunftsvertrag abzugrenzen. Bei einem Auskunftsvertrag vertreibt ein Anlagevermittler ein Anlageprodukt ohne Beratung aber mit dem Wissen, dass der Anlageinteressent erkennbar die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse des Vermittlers in Anspruch nehmen will (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2008 – XI ZR 89/07; BGH, Urteil vom 11.09.2003 – III ZR 382/02). Bei einer reinen Anlagevermittlung hingegen geht es dem Anlageinteressenten nicht um den Erhalt einer verbindlichen, richtigen und vollständigen Antwort. Vielmehr ist erkennbar, dass der Vermittler nicht unabhängiger Berater ist, sondern werbend für die zu vermittelnde Anlage in anpreisender Weise tätig wird (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2004 – III ZR 359/02). Ein Anlageberatungsvertrag hat zum Inhalt, dass tatsächlich eine Beratung des Anlageinteressenten stattfindet im Wege einer fachmännischen Bewertung und Empfehlung einer Anlage (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2004 – XI ZR 355/02; BGH, Urteil vom 18.11.2003, XI ZR 322/01). Er kann bereits dann zustande kommen, wenn ein Interessent für eine Anlage an den Berater herantritt, um über eine Anlage beraten zu werden. In dem Herantreten liegt ein konkludentes Angebot auf Abschluss eines Beratungsvertrages. Durch die Aufnahme eines Beratungsgespräches wird sodann stillschweigend ein Beratungsvertrag abgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.1993 – XI ZR 12/93, BGH, Urteil vom 14.07.2009 – XI ZR 152/08).

Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeuten diese Grundsätze, dass am Zustandekommen eines Beratungsvertrages kein Zweifel besteht. Die Beklagte tritt im Rechtsverkehr ausdrücklich als „Beraterin“ mit besonderer Expertise in Gold-Anlagegeschäften auf und wirbt mit ihrer Qualifikation als „Goldexpertin“.

2) Selbst wenn lediglich von einem Auskunftsvertrag ausgegangen würde, ergäbe sich nichts anderes. Nach der Rechtsprechung kommt zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein konkludent geschlossener Auskunftsvertrag zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt (so zB BGH WM 2012, 837 Rn 12). Ein derartiger Auskunftsvertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (st Rspr; s zB BGH NJW-RR 2000, 998; 1993, 1114; 2003, 1690; NJOZ 2005, 1268, 1269; MDR 2007, 228, 229; NJW 2007, 1362, 1363; NJW-RR 2007, 925; s auch Czub ZfIR 2007, 41, 51). Dies gilt insbesondere für die mit der Beteiligungsform verbundenen Risiken und Nachteile (BGH WM 2012, 1577 Rn 20; WM 2012, 1582 Rn 53). Diese Aufklärungspflichten sind bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu beachten (BGH WM 2012, 1577 Rn 20).

 

3) Dass die Kläger den streitgegenständlichen Vertrag mit der Fa. xxxx kausal aufgrund der Tätigkeit der Beklagten abgeschlossen haben, steht nach dem unstreitigen Geschehen fest. Unstreitig hat die Beklagte den Klägern den xxx-Prospekt „Einmalanlage“ übergeben. Aus den eigenen Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung („Rohgold aus dem Direktverkauf einer ghanaischen Mine“) ergibt sich, dass auch aus ihrer Sicht gerade das Einmalanlage-„Goldprodukt“ vermittelt werden sollte.

Die Beklagte hat nicht darüber aufgeklärt, dass tatsächlich gar kein „Goldprodukt“ abgeschlossen worden ist und der abgeschlossene Vertrag in keiner Weise durch Gold abgesichert war. Tatsächlich handelte es sich um ein simples festverzinsliches Einlagegeschäft ohne jegliche Sicherheit. Die in den zitierten Unterlagen mehrfach getätigte Aussage, es handele sich um eine „Risiko- und spekulationsfreie Geldanlage“, war deshalb ebenso grob falsch wie die Angabe, es werde ein „im ehemaligen Bundesbankgebäude“ befindliches „Golddepot“ abgetreten. Tatsächlich gab es weder das Gold noch eine Abtretung.

Wenn unterstellt würde, die Beklagte habe die von ihr in der mündlichen Verhandlung bekundete Geschichte über das Rohgold aus xxxx („direkt von der Mine“) tatsächlich geglaubt, entlastet sie dies nicht. Denn auch hieraus ergäbe sich keinerlei Absicherung der Kapitalanlage, da der Erwerb des Goldes ja gerade fehlgeschlagen sein soll. Im Übrigen ist die Einlassung der Beklagten aber auch völlig unglaubhaft und belegt allenfalls die Zweifel an der Seriosität des Geschäfts.

4) Soweit die Kläger ihre Forderung „als Mitgläubiger gemeinschaftlich“ geltend gemacht haben, ist dies so zu interpretieren, dass sie entsprechend der gesetzlichen Anordnung als gemeinschaftliche Forderungsinhaber nach Bruchteilen vorgehen (§§ 741 ff. BGB).

5) Da die Beklagte die mit der Klage begehrte Abwicklung ernstlich und endgültig verweigert, befindet sie sich mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der Anlage im Verzug.

6) Der Schadensersatzanspruch erfasst die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3-Gebühr zzgl. Auslage und MwSt. (1.822,96 EUR). Eine höhere Gebühr ist in Ansehung der Unkompliziertheit des Falles unangemessen.

7) Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

 

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