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Schadensersatzanspruch bei unwirksamer Abstandsflächenübernahme

Rechtliche Fallstricke bei der Übernahme von Abstandsflächen: Ein Blick auf die Haftungsrisiken und Verantwortlichkeiten

In einem komplexen Fall des Nachbarrechts hat das Landgericht Landshut (Az.: 54 O 3308/15) ein Urteil gefällt, das die Grenzen der Haftung und Verantwortung bei der Übernahme von Abstandsflächen zwischen benachbarten Grundstücken beleuchtet. Im Kern ging es darum, ob ein Nachbar, der eine Abstandsflächenübernahme zugunsten eines anderen Grundstücks vereinbart hat, für die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung haftbar gemacht werden kann. Das Hauptproblem lag in der Frage, ob der beklagte Nachbar eine vertragliche Bindung eingegangen ist und ob er für etwaige Fehler bei der rechtlichen Beratung und der Beurkundung der Dienstbarkeit haftet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 54 O 3308/15   >>>

Die Interessenlage der Parteien

Schadensersatzanspruch bei unwirksamer Abstandsflächenübernahme
(Symbolfoto: ronstik /Shutterstock.com)

Der Kläger wollte sein Grundstück, das aufgrund seiner Größe und Form schwierig zu bebauen ist, sinnvoll nutzen. Dazu strebte er eine Abstandsflächenübernahme auf dem Grundstück des Beklagten an. Der Beklagte hatte jedoch kein Eigeninteresse an der Vereinbarung und ging lediglich auf den Wunsch des Klägers ein. Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte keine vertragliche Bindung eingehen wollte, die mit einem Haftungsrisiko verbunden ist.

Fachkenntnisse und rechtliche Beratung

Der Beklagte war weder ein Fachmann für Abstandsflächenübernahmen noch ein ausgebildeter Jurist. Er hatte sich auf die rechtliche Beratung eines Notars verlassen, die von der Großmutter des Klägers organisiert wurde. Das Gericht stellte fest, dass der Beklagte für etwaige Fehler bei dieser rechtlichen Beratung nicht haftet. Er hatte aus seiner Sicht alles Erforderliche getan, um eine Abstandsflächenübernahme zu ermöglichen.

Die Rolle der Dienstbarkeit

Das Gericht wies darauf hin, dass für die Wirksamkeit der Abstandsflächenübernahme nicht eine Grunddienstbarkeit zwischen den Nachbarn erforderlich ist, sondern eine eingetragene beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten des Freistaats. Diese Information war jedoch weder dem Kläger noch dem Beklagten bekannt. Das Gericht sah keine Pflichtverletzung des Beklagten, da er aufgrund fehlender Fachkenntnisse nicht für die Unwirksamkeit der Vereinbarung verantwortlich gemacht werden kann.

Unterbrechung des Kausalverlaufs

Selbst wenn man eine Pflichtverletzung des Beklagten unterstellen würde, wäre dem Kläger kein kausaler Schaden entstanden. Das Gericht stellte fest, dass der Kausalverlauf durch das Handeln des Notars unterbrochen wurde. Der Notar hatte die Dienstbarkeit inhaltlich falsch vorbereitet und die Alternative einer schriftlichen Mitteilung gegenüber dem Landratsamt nicht in Erwägung gezogen.

Schlussbetrachtung: Wer trägt die Verantwortung?

Das Urteil macht deutlich, dass die Verantwortung für die Wirksamkeit einer Abstandsflächenübernahme nicht allein beim beklagten Nachbarn liegt. Vielmehr spielen die Fachkenntnisse der beteiligten Parteien und die Qualität der rechtlichen Beratung eine entscheidende Rolle. In diesem Fall wurde der Beklagte von der Haftung freigesprochen, da er weder die notwendigen Fachkenntnisse hatte noch eine vertragliche Bindung eingegangen ist, die ihn zur Haftung verpflichten würde.

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Das vorliegende Urteil

LG Landshut – Az.: 54 O 3308/15 – Endurteil vom 15.04.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger, die Kosten der Nebenintervention trägt der Nebenintervenient selber.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 153.400,– EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadenersatz nach einer gescheiterten Abstandsflächenübernahme geltend.

Der Kläger ist der Enkel der ursprünglichen Eigentümerin des Grundstücks Flurstück-Nr. a) der Gemarkung N., Frau R.F. Der Beklagte war bis zum Jahr 2013 Eigentümer des im Westen benachbarten Grundstücks Flurstück-Nr. b) der Gemarkung N. Diese beiden Grundstücke grenzen dergestalt aneinander, dass das Flurstück a) entlang der Ostgrenze des Grundstücks Flurstück b) verläuft. Das Flurstück a) weist dabei eine Grundfläche von 238 qm auf.

Im Jahr 2004 beschlossen die Großmutter des Klägers und der Vater des Klägers, der Zeuge B., dass das Flurstück a) mit einem Einfamilienhaus bebaut werden sollte. Aus ihrer Sicht war eine sinnvolle Bebauung jedoch nur mit einer Abstandsflächenübernahme durch den Beklagten auf dessen Grundstück Flur-Nr. b) möglich. Im November 2004 erklärte der Beklagte mündlich dem Zeugen und der Großmutter des Klägers gegenüber sein Einverständnis zu einer solchen Abstandsflächenübernahme.

Am 10.02.2015 wurde beim Notar L., dem Streithelfer des Klägers, in F. in der Urkunde – zwischen dem Beklagten und der Großmutter des Klägers eine Dienstbarkeit mit folgendem Inhalt beurkundet:

II.

Bauabsicht, Dienstbarkeit

Das Baugrundstück und das Nachbargrundstück grenzen aneinander. Das Baugrundstück ist für eine zukünftige Bebauung vorgesehen. Das Gebäude auf dem Baugrundstück soll direkt an der Grenze zum Nachbargrundstück errichtet werden. Die erforderliche Abstandsfläche gemäß Art. 6, 91BayBO wird somit auf dem Baugrundstück nicht mehr eingehalten. Der Nachbar erklärt sich daher damit einverstanden, dass sich diese erforderliche Abstandsfläche gemäß Art. 7 Abs. 6BayBO auf das Nachbargrundstück erstrecken darf.

Dem Nachbarn ist bekannt, dass diese Abstandsfläche im Falle der Bebauung seines Grundstücks zusätzlich zur eigenen Abstandsfläche einzuhalten ist, es sei denn die Nichteinhaltung ist nach öffentlichem Recht zulässig.

Die Abstandsfläche hat eine Breite, die dem Grenzverlauf der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Westgrenze des herrschenden Grundstücks entspricht und eine Tiefe von insgesamt vier Metern, gerechnet von der Grundstücksgrenze (Westgrenze des herrschenden Grundstücks) aus. Somit entfällt eine Tiefe von 4 Meter auf das Nachbargrundstück. Diese Abstandsfläche ist in dem dieser Urkunde beigehefteten Lageplan rot eingezeichnet. Auf den Lageplan wird verwiesen; er wurde den Erschienenen zur Durchsicht vorgelegt und von ihnen genehmigt.

Der Nachbar belastet das Nachbargrundstück mit Wirkung für sich und seine Rechtsnachfolger mit einer Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Baugrundstücks des Inhalts, dass die vorstehend bezeichnete Abstandsfläche zusätzlich zu seiner eigenen Abstandsfläche nicht bebaut werden darf, es sei denn, ein Vorhaben innerhalb der Abstandsfläche wird behördlich genehmigt oder ist nach öffentlichem Recht innerhalb der Abstandfläche auch ohne Genehmigung zulässig.

Die Eintragung dieser Grunddienstbarkeit an dem in Ziffer I. 1. bezeichneten Nachbargrundstück im Grundbuch wird bewilligt und beantragt.

Die Dienstbarkeit erhält nächstoffene Rangstelle.

Über die Bedeutung der Rangstelle wurde belehrt.

III.

Gegenleistung

Für die Übernahme der Abstandsfläche sowie für die Einräumung der Dienstbarkeit ist keine Gegenleistung zu erbringen.

(…)

V.

Vollzugsauftrag

Der Notar und sein jeweiliger Vertreter werden ermächtigt, alle zum Vollzug dieser Urkunde erforderlichen Erklärungen abzugeben sowie Anträge zu stellen, abzuändern und zurückzunehmen.

VI.

Kosten, Abschriften

Die Kosten dieser Kunde und ihres Vollzugs trägt der Bauherr.

(…)

Eine Eintragung im Grundbuch ist dieser Dienstbarkeit zu keinem Zeitpunkt erfolgt.

Der Beklagte verkaufte sein Grundstück an die D. GmbH, die auf dem Grundstück b) ein Mehrfamilienhaus errichtet hat. Die D. weigert sich gegenüber dem Kläger bzw. dem jetzigen Eigentümer des Grundstücks Flurnummer a) die Abstandsflächen einzuhalten.

Der Kläger behauptet, eine sinnvolle Bebauung des Flurstücks a) sei nur mit der Abstandsflächenübernahme möglich. Zweck der Gespräche im Jahr 2004 zwischen dem Beklagten und der Großmutter bzw. dem Zeugen B. war, eine Maximalbebauung des Grundstücks a) zu erreichen. Ein sinnvoll geplantes und ausgeführtes Wohngebäude lasse sich nun nicht mehr realisieren, weswegen dem Kläger ein Schaden in Höhe von 133.400,– EUR entstanden sei.

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe mehrere Pflichtverletzungen begangen:

Zum einen habe er gegenüber dem Landratsamt F. keine Erklärung der Abstandsflächenübernahme durchgeführt. Außerdem habe er nicht an einer Bestellung einer Grunddienstbarkeit für den Freistaat Bayern mitgewirkt, was für die Wirksamkeit der Abstandsflächenübernahme erforderlich gewesen wäre. Ferner habe er die Erfüllung der Bebauungsabsicht des Klägers dadurch vereitelt, dass er das Grundstück ohne Weitergabe der Dienstbarkeit bzw. der daraus resultierenden Verpflichtungen an die Käuferin durchgeführt habe. Darüber hinaus habe er gegenüber der D. wahrheitswidrig versichert, keine baurechtsbeschränkenden Erklärungen abgegeben zu haben.

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Der Kläger beantragt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 133.400,– EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.07.2015 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der diesem aufgrund des Verstoßes des Beklagten gegen die Verpflichtungen aus der Urkunde des Notars L. vom 10.02.2015 (Urk.Nr. …- entstanden ist und entstehen wird.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, es sei bei der Abstandsflächenübernahme nicht um das Ziel einer „Maximalbebauung“ begangen, vielmehr habe die Familie des Nachbarn die Wohnmöglichkeiten für die Familie erweitern wollen. Beim Verkauf des Grundstücks b) an die D. GmbH sei der Beklagte durch den Beklagtenvertreter betreut worden. Die Anlage K 3, also die Bestellung der Grunddienstbarkeit, habe dabei nicht vorgelegen. Der Beklagte sei davon ausgegangen, dass der Vollzug der Urkunde bereits erfolgt wäre.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen B. Für die Einzelheiten wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 16.03.2016. Zur Vervollständigung des Tatbestandes wird verwiesen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie sonstige Aktenteile.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.

I.

Ein vertraglicher Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280BGB besteht nicht.

1. Wie sich aus Anlage K 1 ergibt ist der Kläger für etwaige bestehende vertragliche Ansprüche aktivlegitimiert. Es kommt also darauf an, welche vertraglichen Ansprüche ggf. dem Zeugen B. zustehen.

2. Vertragliche Ansprüche scheitern jedoch bereits daran, dass kein vertragliches Schuldverhältnis vorliegt, sondern eine reine Gefälligkeit.

Dabei ist zu beachten, dass aus der Bestellung einer Dienstbarkeit selber (vgl. die Urkunde in Anlage K 3) nicht auf eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten geschlossen werden kann. Denn die Dienstbarkeit selber ist als sachenrechtliches Erfüllungsgeschäft vom ggf. zugrundeliegenden Schuldgeschäft abstrakt. Die Dienstbarkeit ist also allenfalls die Erfüllung einer Absprache zwischen dem Zeugen B. bzw. dessen Großmutter R.F. und dem Beklagten.

Die Absprachen, die der Zeuge B. nachvollziehbar dem Gericht im Rahmen der Beweisaufnahme geschildert hat, stellen aber keine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Zeugen B. und dem Beklagten dar, die zu einem Schuldverhältnis im Sinne des § 241 Abs. 1BGB führen würden, sondern sind lediglich eine Gefälligkeit unter Nachbarn.

Die Abgrenzung zwischen Schuldverhältnis und Gefälligkeit folgt unabhängig der Frage, ob man diese Abgrenzung nach dem objektiven und dem subjektiven Ansatz vornimmt (vgl. hierzu Staudinger, BGB, 2015, § 241, Rn. 78 ff.), einhergehend mit der grundlegenden Entscheidung des BGH in BGHZ21, 102 ff. aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung der im Einzelfall gegebenen Umstände nach Treu und Glauben. Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Insbesondere bedarf es einer Abwägung der beiderseitigen Interessen.

Im vorliegenden Fall ist auf Klägerseite das vordringliche Interesse an einer sinnvollen Bebauung für ein Grundstück zu berücksichtigen, das in Anbetracht des in Anlage K 2 vorgelegten Katasterauszugs und bei einer Größe von lediglich 238 qm (vgl. den Fortführungsnachweis in Anlage K 4) für eine Bebauung relativ ungünstig in Größe und Form ist. Für das Gericht ist die Zielsetzung auf Klägerseite, dass man mit der Abstandsflächenübernahme auf dem Grundstück des Beklagten eine zielführende und auch einigermaßen praktische Bebauung des Grundstücks a) ermöglichen wollte, durchaus nachvollziehbar und ergibt sich auch ohne abgeschlossenes Architekturstudium.

Auf Seiten des Beklagten gab es jedoch kein nachvollziehbares und vom Beklagten geschildertes bzw. vorgetragenes Interesse. Der Beklagte wollte lediglich ein „guter Nachbar sein“, sein eigenes Grundstück war, wie sich aus Anlage SH 1 ergibt, mit 4012 qm jedenfalls groß genug, um eine Abstandsflächenübernahme entlang der gemeinsamen Grenze mit dem Grundstück a) über vier Meter entlang der Längsseite zu ermöglichen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Beklagte ausweislich der Dienstbarkeitsurkunde in Anlage K 3 für die Abstandsflächenübernahme keine Bezahlung und auch keine sonstige Ausgleichsleistung erhielt. Er sollte nicht einmal die Kosten der Dienstbarkeit tragen (Ziff. VI. der Urkunde in Anlage K 3). Der Beklagte handelte also völlig uneigennützig (vgl. dazu auch Staudinger, a. a. O. Rn. 84). Für das Gericht steht daher außer Zweifel, dass der Beklagte keine vertragliche Bindung eingehen wollte, die mit einem entsprechenden Haftungsrisiko verbunden ist, wenn er an dem Geschäft überhaupt kein Eigeninteresse hat. Denn jegliches relevante Interesse an der Vereinbarung der Dienstbarkeit lag lediglich auf Klägerseite vor. Der Beklagte hat lediglich gegeben, die Klägerseite genommen. Sowohl die wirtschaftliche und als auch rechtliche Bedeutung der Vereinbarung auf Einräumung einer Dienstbarkeit zum Zwecke der Abstandsflächenübernahme lag allein auf Seiten des Klägers (Staudinger, a. a. O., Rn. 85).

Allein aus diesem Grund ist § 280BGB nicht anwendbar.

3. Selbst unter der Annahme einer vertraglichen Bindung der Parteien bzw. des Beklagten mit dem Vater des Klägers im Sinne des § 241 Abs. 1BGB läge auch keine relevante Pflichtverletzung des Beklagten nach § 280 Abs. 1BGB vor.

a) In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass der Beklagte für Geschäfte mit Abstandsflächenübernahmen weder Fachmann war noch ausgebildeter Jurist. Nach eigenen Angaben hat er früher Möbel ausgefahren, war also eher einfacherer Bildung. Aus diesem Grund hat der Zeuge B. auch nachvollziehbar beschrieben, dass man auf Betreiben seiner Großmutter sich rechtliche Beratung beim später beurkundenden Notar L. eingeholt hat. Diese Beratung hat, wie bereits ausgeführt, die Großmutter des Vaters des Klägers organisiert. Für etwaige Fehler bei dieser rechtlichen Beratung, insbesondere bei mangelhafter Bestellung der Dienstbarkeit, geschweige denn fehlendem Vollzug der Urkunde, haftet dann aber erst recht nicht der Beklagte, da weder der Kläger (bzw. dessen Vater oder die Großmutter R.F.) noch der Notar Erfüllungsgehilfe (§ 278BGB) des Beklagten sind.

b) Vielmehr hat der Beklagte aus seiner Sicht alles Erforderliche getan, um eine Abstandsflächenübernahme zu ermöglichen. Er ist auf Betreiben der Klägerpartei zum Notar gegangen und hat die erforderliche Erklärung, welche der Notar aufgrund seines juristischen Wissensvorsprungs für erforderlich und auch ausreichend gehalten hat, abgegeben. Das Ergebnis wurde unter Anlage K 3 vorgelegt. Allerdings sieht das Gericht aufgrund der Unentgeltlichkeit und des weiter oben bereits ausgeführten überwiegenden Interesses der Klägerpartei bzw. des Zeugen B. auch bei Annahme eines Schuldverhältnisses keine Verpflichtung des Beklagten, die Überwachung des Urkundenvollzugs, für welchen der Beklagte auch kein eigenes Interesse hatte, näher zu überwachen. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Zeuge B. selber angegeben hat, dass man sich auf Klägerseite auch nichts dabei gedacht hat, dass es keine Nachricht hinsichtlich des Vollzugs der Urkunde gegeben hat. Es war die Klägerseite, die sich darauf verlassen hat, dass der Notar den entsprechenden Vollzug der Urkunde veranlassen wird. Für ein derartiges Unterlassen auf Klägerseite haftet jedenfalls nicht der Beklagte.

c) Entgegen der Auffassung der Klagepartei gibt es auch keine Pflicht des Beklagten zur Abgabe einer Erklärung gegenüber dem Landratsamt zum Zwecke der Abstandsflächenübernahme. Wie sich aus dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 5 Satz 1BayBO a. F. ergibt, genügt für eine entsprechende Abstandsflächenübernahme entweder eine schriftliche Erklärung gegenüber dem Landratsamt, was zu einer Eintragung in einem entsprechenden Register vom Landratsamt führen würde, oder (so auch wörtlich das Gesetz) eine Verhinderung der Überbauung der übernommenen Abstandsflächen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen. Beide Möglichkeiten stehen ausweislich des Gesetzeswortlauts gleichberechtigt nebeneinander.

Solche rechtlichen Gründe können insbesondere Dienstbarkeiten sein. Wenn es aber eine entsprechende Alternative gibt, der Beklagte nicht einmal ansatzweise vom Fach ist, was das Thema der Abstandsflächenübernahme angeht, kann eine Pflichtverletzung wohl kaum darin liegen, dass er auf Betreiben der Klagepartei zum Notar geht und entsprechende Dienstbarkeiten einräumt. Mangels entsprechender Kenntnis der Rechtslage kann ihm dies, gerade aus Laiensicht, nicht zum Vorwurf gemacht werden. Ebenso wenig, wie auf Klägerseite das Wissen um die entsprechende bauordnungsrechtliche Situation der Abstandflächen vorhanden gewesen ist (dass nämlich eine schriftliche Anzeige beim Landratsamt genügt hätte), lag diese beim Beklagten vor. Der Zeuge B. hat selber eingeräumt, dass er auf die Idee, einen Vorbescheid oder eine Baugenehmigung zu beantragen und sich so die Bebaubarkeit des eigenen Grundstücks zu sichern, auch nicht gekommen ist, da er „nicht vom Fach“ ist. Das ist der Beklagte aber genauso wenig, weswegen ihm eine entsprechende Pflichtverletzung auch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.

d) Aus dem gleichen Grunde scheidet eine Pflichtverletzung durch eine fehlende Mitwirkung an einer Bestellung einer Grunddienstbarkeit für den Freistaat Bayern ebenso aus. Soweit die Klagepartei eine entsprechende Pflichtverletzung postuliert, übersieht sie, dass der Beklagte offenbar genauso wenig Ahnung von der wirksamen Einräumung einer Abstandsflächenübernahme im Sinne von Art. 7 Abs. 5 Satz 1BayBO a. F. hatte, wie offensichtlich auch der beurkundende Notar. Wie eine einfache Juris-Recherche mit den Stichworten „Abstandsflächenübernahme“ und „Grunddienstbarkeit“ ergeben hätte, bedarf es nämlich für eine entsprechende Wirksamkeit der Abstandsflächenübernahme nicht einer Grunddienstbarkeit zwischen den Nachbarn, sondern ausweislich der Entscheidung des BayVGH vom 05.03.2007 (Az: 2 CS 07.81, Rn. 4 – juris) einer eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zugunsten des Freistaats. Denn die Grunddienstbarkeit darf nicht der Disposition der Grundstückseigentümer unterliegen, die nach entsprechender Bebauung diese dann unter Umständen wieder aufheben könnten. In dieser zitierten Entscheidung hat der BayVG auch ausgeführt, dass eine „doppelte“ rechtliche Sicherung der Nichtüberbaubarkeit durch zusätzliche Bestellung einer entsprechenden Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Baugrundstücks nicht (mehr) erforderlich ist (anders noch der BayVGH im Beschluss vom 14.12.1993, Az. 20 B 93.2760/20 CS 93.2471). Es liegt auf der Hand, dass der Beklagte diese Rechtsprechung wohl kaum kennen muss. Ob dies auch für den Notar gilt, kann hier dahinstehen.

Der Klagepartei ist zuzugeben, dass der Beklagte bei Annahme einer vertraglichen Bindung zwischen den Parteien gehalten war, an einer gelungenen Abstandsflächenübernahme mitzuwirken. Im vorliegenden Fall beschränkt sich dies ausweislich des tatsächlichen Geschehensablaufs, der seinen Ursprung in Gesprächen am gemeinsamen Gartenzaun hatte, und ohne nähere Zwischengespräche in einen Notartermin mündete, jedenfalls darauf, dass der Beklagte auch tatsächlich zu diesem Notartermin erscheint und das, was man ihm dort vorlegt, auch unterschreibt. Eine fehlende Mitwirkung in tatsächlicher Hinsicht kann man dem Beklagten jedenfalls nicht vorwerfen. Dass er aus juristischer Sicht einen Wissens- bzw. juristischen Kenntnisvorsprung vor dem Kläger bzw. dessen Vater hatte, kann nicht ernsthaft behauptet werden. Ein solcher Vorsprung kann vom Beklagten beim besten Willen nicht erwartet werden und liegt auch nicht vor. Ein solcher Vorsprung wäre aus Sicht des Gerichts aber zwingende Voraussetzung für die Annahme einer Pflichtverletzung, da der Beklagte nur das verletzen kann, was von ihm vertraglich auch erwartet werden kann. Juristische Kenntnis gehört jedenfalls nicht dazu.

e) Außerdem liegt keine Pflichtverletzung des Beklagten dadurch vor, dass er ohne entsprechende „Weitergabe“ der Dienstbarkeit das Grundstück b) an die D. GmbH veräußert hat. Was der Beklagte im Innenverhältnis zur D. GmbH angibt, ist im hiesigen Verhältnis irrelevant, da der Kaufvertrag der D. GmbH mit dem Beklagten, vorgelegt unter Anlage SH 1, kein Vertrag mit Schutzwirkung Dritter ist. Eine Bezugnahme auf Dritte, insbesondere auf den Kläger oder dessen Vater, findet sich dort nicht. Soweit also dort die hier streitgegenständliche Dienstbarkeit (Anlage K 3) keine Erwähnung findet, kann dies im Verhältnis zwischen den Nachbarn keine Auswirkung haben. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BGH vom 18.06.1971 (Az. V ZR 45/69) hat einen anderen Inhalt als ihn der Kläger vorträgt. Der BGH hat ausdrücklich entschieden, dass sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung eine Übernahme der Bestellungspflicht durch den Erwerber ergeben kann. Im Prinzip bedeutet dies, dass der Erwerber in eine entsprechende Verpflichtung des Verkäufers gegenüber dem Nachbarn eintreten könnte. Dies ist hier aber gar nicht relevant, da die Urkunde bereits einige Jahre alt war und schlicht und ergreifend aus Gründen, die hier unbekannt bleiben, nicht zum Vollzug gelangte. Es gab auch aus Sicht des Beklagten keine Veranlassung mehr, etwas hinsichtlich der Urkunde zu unternehmen, da der Vollzugsauftrag an den Notar bereits vorlag und aus Sicht der Parteien der Dienstbarkeit keine weiteren Erklärungen mehr erforderlich waren. Mehr hätte die D. GmbH auch nicht getan.

4. Selbst bei Unterstellung einer Pflichtverletzung wäre dem Kläger aufgrund einer solchen angenommenen Pflichtverletzung kein kausaler Schaden entstanden, da der Kausalverlauf durch das Handeln des Notars unterbrochen wurde.

a) Wie bereits in der zitierten Rechtsprechung des BayVGH ausgeführt, hätte richtigerweise eine Grunddienstbarkeit zugunsten des Freistaats Bayern eingetragen werden müssen (sofern man nicht den Weg mit einer schriftlichen Mitteilung gegenüber dem Landratsamt gewählt hätte). Wie ebenfalls bereits ausführlich dargelegt, musste der Beklagte als juristischer Laie diese rechtliche Kenntnis aber nicht haben. Insofern wurde allein die Falschberatung des Notars kausal, der anscheinend zur Bestellung einer Dienstbarkeit geraten hat, diese auch noch inhaltlich falsch vorbereitet hat und darüber hinaus die Alternative einer schriftlichen Mitteilung gegenüber dem Landratsamt nicht in Erwägung gezogen hat.

b) Auch bei einer entsprechenden Mitwirkung an einer Grunddienstbarkeit zugunsten des Freistaats Bayern, ggf. auch in der in Anlage K 3 ersichtlichen Urkunde, wäre die Urkunde wegen des Nichtvollzugs durch den Notar aus unbekannter Ursache nicht ins Grundbuch gelangt. Für diesen Fehler beim Vollzug haftet jedenfalls nicht der Beklagte, da ein entsprechender Vollzugsauftrag in Ziff. V. der Dienstbarkeit ausdrücklich aufgenommen wurde. Nachdem das überwiegende Interesse am Vollzug der Urkunde bei der Klagepartei lag (s.o. 2.), bestand auch seitens des Beklagten keine Veranlassung, beim Grundbuchamt oder beim Notar wegen des Vollzugs der Urkunde nachzufragen.

c) Die Äußerungen des Beklagten gegenüber der D. GmbH im notariellen Kaufvertrag vom 03.09.2013, dort als letzter Satz der Ziff. 3.1, führt jedenfalls nicht dazu, dass ein Vertrag mit Schutzwirkung Dritter zugunsten des Klägers oder des Zeugen B. angenommen werden könnte (s.o. 3. e).

Darüber hinaus kann hier offen bleiben, ob die Nichteintragung im Grundbuch einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb des Grundstücks b) durch die D. GmbH tatsächlich zur Folge hat. Denn der Zeuge B. hat angegeben, dass er vor dem Kaufvertrag mit einem Vertreter der D. anlässlich einer Gemeinderatssitzung der Gemeinde N. über das Bestehen der Grunddienstbarkeit, sogar unter Vorlage der Urkunde, informiert hat. Eine entsprechende Kenntnis der D. GmbH ist allerdings nur im Verhältnis zwischen dem Kläger und der D. GmbH interessant.

II.

Ansprüche nach § 823 Abs. 1BGB wegen einer Eigentumsverletzung sind ebenfalls nicht gegeben.

1. Auch für nichtvertragliche Ansprüche liegt unter Anlage K 1 eine entsprechende Abtretung des Zeugen B. an den Kläger vor.

2. Das Grundstück selber ist in seiner Substanz nicht beeinträchtigt. Zwar ergibt sich aus einer Abstandsflächenunterschreitung ein quasi-negatorischer Beseitigungsanspruch aus § 823 Abs. 2 in Verbindung mit der BayBO (Simon/Busse, BayBO, Art. 6, Rn. 627). Daraus folgt im Umkehrschluss aber nicht, dass eine Eigentumsverletzung bei einer gescheiterten Abstandsflächenübernahme vorliegt. Vielmehr ist die mögliche Bebaubarkeit eines Grundstücks ebenso wenig geschützt wie die „schöne Aussicht“ (Palandt, BGB, 75. A., § 903, Rn. 7).

3. Darüber hinaus würde sich auch hier die Frage eines kausalen Schadens stellen sowie die Frage, ob dem Beklagten überhaupt ein entsprechender Unterlassungsvorwurf gemacht werden könnte. Auf die Ausführungen in Ziff. I. wird insoweit verwiesen.

III.

Aus den bereits dargestellten Gründen ist der Feststellungsantrag ebenso zumindest unbegründet.

IV.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91ZPO. Für die Kosten des Nebenintervenienten folgt die Kostenfolge aus § 101 Abs. 1. 2. Halbsatz ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709ZPO.

Der Streitwert folgt der Klageforderung, die Feststellung wurde mit 20.000,– EUR bewertet.

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