Bundesgerichtshof
Az: III ZR 132/08
Urteil vom 18.12.2008
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 14. Mai 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Im Juni oder Juli 2003 erbrachte die Klägerin im Rahmen eines „Schenkkreises“, der wie im Senatsurteil vom 13. März 2008 (III ZR 282/07 = NJW 2008, 1942) beschrieben organisiert war, an den auf der Empfängerposition stehenden Beklagten eine Zuwendung in Höhe von 5.000 EUR.
Mit der vorliegenden, am 29. Dezember 2006 bei Gericht eingegangenen und am 1. August 2007 zugestellten Klage verlangt sie die Rückerstattung dieses Betrages mit Zinsen.
Der Beklagte erhebt unter anderem die Einrede der Verjährung.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forderung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
1.
Allerdings ist davon auszugehen, dass die seinerzeitige Leistung der Klägerin an den Beklagten wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtig gewesen ist und einen auf Rückzahlung gerichteten Bereicherungsanspruch (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB – Leistungskondiktion -) begründet hat.
a)
Bei den Schenkkreisen handelt es sich um ein Schneeballsystem, welches darauf angelegt ist, dass die ersten Mitglieder einen (meist) sicheren Gewinn erzielen, während die große Masse der späteren Teilnehmer ihren Einsatz verlieren muss, weil angesichts des Vervielfältigungsfaktors in absehbarer Zeit keine neuen Mitglieder mehr geworben werden können. Dies verstößt – wie in der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist – gegen die guten Sitten. Dieser Verstoß gegen die guten Sitten fällt im vorliegenden Fall sowohl der Klägerin als der Leistenden als auch dem Beklagten als dem Empfänger zur Last (st. Rspr.; siehe insbesondere Senatsurteile vom 10. November 2005 – III ZR 72/05 = NJW 2006, 45, 46 Rn. 9; vom 13. März 2008 – III ZR 282/07 = NJW 2008, 1942 Rn. 6; vom 6. November 2008 – III ZR 120/08 Rn. 10 und 121/08 Rn. 10, jeweils m.w.N.).
b)
Der hierauf gestützte Bereicherungsanspruch scheitert auch nicht an § 817 Satz 2 BGB. Die dortige Kondiktionssperre entfällt nicht nur bei Bereicherungsansprüchen, die sich gegen die Initiatoren eines „Schenkkreises“ richten, sondern allgemein bei allen Zuwendungen im Rahmen derartiger Kreise, ohne dass es auf eine einzelfallbezogene Prüfung der Geschäftsgewandtheit und Erfahrenheit des betroffenen Gebers oder Empfängers ankommt (Senatsurteile vom 13. März 2008 aaO Rn. 10 ff und vom 6. November 2008 Rn. 11).
2.
Das Berufungsgericht hat jedoch mit Recht angenommen, dass gegen den Bereicherungsanspruch die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreift.
a)
Der Anspruch unterlag der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB n.F.
Die Verjährungsfrist begann mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB n.F.).
b)
Dies war hier bereits der Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Zuwendung im Juni oder im Juli 2003. Die „den Anspruch begründenden Umstände“ im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB bestanden hier – wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat – in der Funktionsweise des sittenwidrigen Schneeballsystems. Diese Kenntnis konnte bei der Klägerin nach dem unstreitigen Sachverhalt und den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts vorausgesetzt werden. Hingegen war grundsätzlich nicht erforderlich, dass die Klägerin aus diesen Gegebenheiten die zutreffende rechtliche Würdigung zog (Senatsbeschluss vom 19. März 2008 – III ZR 220/07 = ZIP 2008, 1538 f Rn. 7 m.w.N.).
c)
Ausnahmsweise kann etwas anderes gelten, wenn es sich um eine unübersichtliche oder zweifelhafte Rechtslage handelt, so dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (Senatsbeschluss vom 19. März 2008 aaO m.w.N.). Eine derartige Fallkonstellation lag hier indessen nicht vor: Aus der Sittenwidrigkeit des Schneeballsystems und der Nichtigkeit der in diesem erbrachten Zuwendungen ergab sich der Bereicherungsanspruch von selbst. Fraglich konnte allenfalls sein, ob diesem die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 BGB entgegenstand. Insoweit hatte der Bundesgerichtshof jedoch bereits im Jahre 1990 – d.h. lange vor den hier in Rede stehenden Vorgängen – darauf hingewiesen, dass bei dem Rückforderungsverbot des § 817 Satz 2 BGB nicht außer Betracht bleiben kann, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolgt, und dass danach im Einzelfall eine einschränkende Auslegung der rechtspolitisch problematischen und in ihrem Anwendungsbereich umstrittenen Vorschrift geboten sein kann (BGHZ 111, 308, 312) . Auch wenn es sich dabei nicht um einen allgemeingültigen Grundsatz handelte (Senatsurteil BGHZ 118, 142, 150) , ergab sich schon daraus – und nicht erst, wie die Revision meint, aus dem Senatsurteil vom 10. November 2005 – für die Rückabwicklung von Zuwendungen im Rahmen eines „Schenkkreises“ ein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass eine Überwindung der Kondiktionssperre durchaus erfolgversprechend war. Insbesondere war erkennbar, dass innerhalb der Leistungskondiktion der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm nicht dadurch konterkariert werden durfte, dass der durch sie zu verhindernde sittenwidrige Zustand perpetuiert oder weiterem sitten- und verbotswidrigen Handeln Vorschub geleistet werden durfte (Senatsurteil vom 13. März 2008 aaO Rn. 10 m.w.N.). Dass gleichwohl – wie die Revision unter Hinweis auf divergierende oberlandesgerichtliche Entscheidungen darzulegen versucht – ein gewisses Prozessrisiko verblieb, ist für die Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB unerheblich.
d)
Dementsprechend begann die Verjährung hier mit dem Ende des Jahres 2003 und lief am 31. Dezember 2006 ab.
e)
Eine Hemmung der Verjährung nach § 167 ZPO i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist hier nicht eingetreten.
aa)
Allerdings ist die Klageschrift rechtzeitig vor dem Verjährungsablauf bei Gericht eingegangen. Die Verzögerung der Zustellung beruhte darauf, dass die vom 4. Januar 2007 datierende Anforderung des Gerichtskostenvorschusses an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter einer falschen Anschrift gerichtet worden war. Als das Gericht dies nach Ablauf der sechsmonatigen Wiedervorlagefrist am 5. Juli 2007 feststellte, übersandte es die Rechnung an diesem Tag an die richtige Adresse. Am 19. Juli 2007 ging daraufhin der Gerichtskostenvorschuss ein. Sodann wurde umgehend die Klagezustellung veranlasst, die am 1. August 2007 erfolgte.
bb)
Diese Verzögerung war zunächst nicht von der Klägerin oder ihrem Prozessbevollmächtigten zu vertreten, sondern beruhte auf einem Fehler des Gerichts. Gleichwohl hätte nach Ablauf einer gewissen – großzügig zu bemessenden – Frist dem Prozessbevollmächtigten auffallen müssen, dass der Vorschuss nicht angefordert und die Zustellung nicht bewirkt worden war. Dies hätte Anlass geben müssen, zumindest durch entsprechende Nachfragen oder Erinnerungen beim Gericht auf das Weiterbetreiben des Verfahrens hinzuwirken (BGHZ 69, 361, 364 f ; BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 – IV ZR 23/05 = NJW 2006, 3206, 3207 Rn. 18). Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass der hier in Rede stehende Zeitraum von einem halben Jahr, innerhalb dessen nichts geschehen ist, für ein entschuldbares Zuwarten zu lang gewesen ist. Gegenteiliges ist auch dem Urteil des IV. Zivilsenats vom 15. Januar 1992 (IV ZR 13/91 = BGHR ZPO § 270 Abs. 3 Prozesskostenvorschuss 1 = NJW-RR 1992, 470), auf das sich die Revision beruft, nicht zu entnehmen. Dementsprechend hat das Berufungsgericht mit Recht entschieden, dass die Klagezustellung hier nicht „demnächst“ erfolgt ist und deshalb eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift nicht stattfinden kann.
3.
Die Klage ist nach alledem im Ergebnis zu Recht abgewiesen worden.