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Flugbeförderungsvertrag – Abwicklungsklausel bei einvernehmlicher Flugstornierung

AG Köln – Az.: 142 C 215/18 – Urteil vom 07.01.2019

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 1.375,99  Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2018 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 1/10 und  die Beklagte zu 9/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte, eine Fluggesellschaft, auf die Rückzahlung des Flugpreises nach Stornierung eines Flugbeförderungsvertrages in Anspruch.

Die Kläger buchten bei der Beklagten im April 2017 Flüge von Frankfurt nach Mexiko Stadt für den 21.12.2017 und von Mexiko Stadt zurück nach Frankfurt für den 02.01.2018. Die Kläger buchten in der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Tarifauswahl den Tarif „Premium Economy“. Der Gesamtpreis betrug pro Person jeweils 1.527, 98 Euro, insgesamt 3.055,96 Euro. Im September 2017 kam es in Mexiko Stadt und Umgebung zu Erdbeben mit der Stärke 6,1 und mehr. Am 23.09.2017 stornierten die Kläger die Flüge und forderten die Beklagte zur Erstattung des Flugpreises auf. Die Beklagte erstattete den Klägern Steuern und Gebühren in Höhe von 151,18 Euro. Die Flüge waren sowohl am 21.12.2017 als auch am 02.01.2018 ausverkauft.

Die Kläger sind der Ansicht, ihnen stehe aufgrund des Weiterverkaufs der Sitzplätze ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch zu. Weiterhin sind die Kläger der Auffassung, sie seien aufgrund der Erdbeben in Mexiko Stadt und Umgebung zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen.

Die Klage wurde am 29.06.2018 zugestellt.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger jeweils 1.527,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2018 zu zahlen,

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.06.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Kläger hätten einen Tarif gewählt, bei dem im Falle einer Stornierung die Erstattung des Flugticketpreises nicht möglich sei. Sie ist der Ansicht, dass der Ausschluss der Erstattungsmöglichkeit auch wirksam sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

Den Klägern steht gegen die Beklagte ein vertraglicher Anspruch auf Rückzahlung des Flugpreises in Höhe von jeweils 1.375,99  Euro aus §§ 346, 638 Abs. 4 Satz 2, 649 BGB in der bis zum 31.12.2017 geltend Fassung des BGB (a.F.) zu.

I.

Die Kläger haben den Flugbeförderungsvertrag wirksam gemäß § 649 BGB a.F. gekündigt. Insbesondere ist auch § 649 BGB a.F. (jetzt § 648 BGB) auf Flugbeförderungsverträge anwendbar.

Flugbeförderungsvertrag - Abwicklungsklausel bei einvernehmlicher Flugstornierung
(Symbolfoto: Von JetKat /Shutterstock.com)

Dass es sich bei einem Luftbeförderungsvertrag um einen Werkvertrag im Sinne der §§ 631 ff. BGB handelt ist allgemeine Ansicht (zuletzt BGH NJW 2018, 2039). Die Vorschriften des Werkvertragsrechts sind daher grundsätzlich anwendbar. Dies gilt auch für das Kündigungsrecht des Bestellers nach § 649 BGB a.F. bzw. § 648 BGB. Besonderheiten des Luftbeförderungsvertrages, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, dem freien Kündigungsrecht von vornherein die Geltung abzusprechen, ohne dass es auf einen individualvertraglichen Ausschluss oder einen Ausschluss durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ankommt, liegen nicht vor (AG Köln, NJW 2017, 2047).

Ist damit § 649 BGB a.F. anwendbar, kann vorliegend dahinstehen, ob die Parteien das Kündigungsrecht individualvertraglich oder aber durch AGB in Gestalt von Tarifbestimmungen, die sich nach dem Vortrag der Beklagten ohnehin nur auf die Erstattung und nicht auch auf die Stornierung beziehen, ausgeschlossen haben; denn die Beklagte hat die Kündigung der Kläger akzeptiert.

Auf die Frage des Ausschlusses des freien Kündigungsrechtes kommt es nicht an, wenn sich der Unternehmer nicht auf die Unwirksamkeit der Kündigung beruft, sondern die Kündigung akzeptiert. Dies ist jedenfalls konkludent dann der Fall, wenn der Unternehmer in Kenntnis der Kündigung seine dem Besteller geschuldeten Leistungen nunmehr Dritten anbietet. Bezogen auf den Luftbeförderungsvertrag liegt ein solches Einverständnis mit einer Kündigung jedenfalls dann vor, wenn die Fluggesellschaft in Kenntnis der Kündigung die Flüge weiterverkauft; denn wenn die Fluggesellschaft auf der Unwirksamkeit der Kündigung wegen eines Kündigungsausschlusses besteht, muß sie die Kündigung zurückweisen und den Flug für die Fluggäste bereitstellen, da sie sich anderenfalls vertragswidrig verhält.

So liegt der Fall hier. Unstreitig sind die von den Klägern im April 2017 gebuchten und am 23.09.2017 stornierten Flüge von der Beklagten in Kenntnis der Kündigung weiterverkauft worden; denn im Zeitpunkt des jeweils geplanten Abfluges in der Kategorie Premium Economy waren die Flüge ausgebucht, so dass die Kläger nicht mehr hätten befördert werden können. Da Anhaltspunkte für ein bewusst vertragswidriges Verhalten der Beklagten nicht vorliegen, ist hierin ein Einverständnis mit der Kündigung zu sehen. Dies zeigt sich auch darin, dass Steuern und Gebühren den Klägern unstreitig erstattet wurden.

Der aus der Kündigung resultierende vertragliche Rückzahlungsanspruch, der sich nach Auffassung des Gerichtes auf §§ 346, 638 Abs. 4 Satz 2, 649 BGB a.F. stützt, ist nicht wirksam ausgeschlossen worden.

Der Anspruch auf Rückzahlung des Flugpreises nach Kündigung wurde zunächst nicht individualvertraglich abbedungen. Eine entsprechende Individualvereinbarung ist durch die von der Beklagten behauptete Tarifwahl eines nicht erstattbaren Tarifes nicht zustande gekommen.

Der BGH hat festgestellt, dass die Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen zur Annahme einer Individualabrede noch nicht ausreicht (BGH, NJW 2018, 2039). In Hinblick auf bei der Flugbeförderung angebotenen Tarifvarianten genügt es nicht zwischen Tarifen, die eine Erstattungsmöglichkeit vorsehen und solchen, die eine Erstattungsmöglichkeit nicht vorsehen, wählen zu können. Vielmehr wäre für eine Individualabrede jedenfalls erforderlich, dass man innerhalb des gewählten Tarifs nochmals zwischen verschiedenen Stornierungsmöglichkeiten wählen könnte (BGH, NJW 2018, 2039). An dieser Bewertung ändert sich auch in Hinblick auf die sonstigen Auswahlmöglichkeiten, die dem Fluggast darüber hinaus bei einer Buchung eröffnet werden, nichts. Bei keinem der Vertragskomponenten stellt die Fluggesellschaft die Vertragsgestaltung wirklich zur Disposition des Fluggastes. Es ist stets nur möglich, zwischen den angebotenen Optionen zu wählen. Folglich wird auch der Vertragsinhalt als Ganzes nicht zur Disposition gestellt, sondern nur die Zusammensetzung vorgegebener Komponenten.

Bei dem von den Klägern gebuchten Tarif Premium Economy gab es auch nach der Darstellung der Beklagten keine weitere Wahl in Hinblick auf Erstattungs-Alternativen im Falle der Stornierung, so dass es sich bei der Buchung dieses Tarifes um keine Individualabrede handelt.

Auch eine Abbedingung des vertraglichen Rückzahlungsanspruches durch AGB erfolgte nicht. Insoweit erweist sich die von der Beklagten in Bezug genommene Klausel, die die Rückzahlung des Flugpreises bei Buchung des Premium Economy Tarifes ausschließt, als unwirksam, da sie gegen § 309 Nr. 5 b BGB verstößt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Kläger einen solchen nicht erstattbaren Tarif tatsächlich gewählt haben.

Während sich die Inhaltskontrolle bei der Prüfung von Kündigungsausschlussklauseln auf § 307 BGB beschränkt (BGH, NJW 2018, 2039) gilt dies nicht für die Abwicklungsklauseln nach wirksamer Kündigung (so wie hier Quarch, NZV 2018, 473). Soweit Tarifbedingungen die Möglichkeit ausschließen, dass sich die Fluggesellschaft im Falle einer wirksamen Kündigung des Vertrages gem. § 649 Satz 2 BGB a.F. bzw.  § 648 Satz 2 BGB ersparte Aufwendungen oder das durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft Erworbene anrechnen lassen muss, ist nicht die Kündigungsmöglichkeit  des Fluggastes dem Grunde nach betroffen sondern der Umfang des Rückzahlungsanspruches. Auf derartige Abwicklungsklauseln nach einem gekündigten Werkvertrag, die die Höhe der Vergütung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung regeln, finden § 309 Nr. 5 b BGB entsprechende Anwendung. Danach muss dem Vertragspartner ausdrücklich der Nachweis gestattet werden, dass dem Unternehmer nach § 649 S. 2 BGB a.F. überhaupt keine oder eine wesentlich niedrigere Vergütung als die Pauschale zusteht (BGH, NJW 2011, 1954; 1985, 633).

Vorliegend bezieht sich die von der Beklagten in Bezug genommene Tarifbestimmung alleine auf die Erstattung und damit auf den Rückzahlungsanspruch des Fluggastes nach Kündigung und nicht auf die Kündigung selbst. Dies ergibt sich bereits daraus,  dass  auf der Internetseite der Beklagten nicht angegeben wird, eine „Stornierung“ sei nicht möglich, sondern eine „Erstattung“ sei nicht möglich (Bl. 51 d.A.). Dass zwischen Stornierungsmöglichkeit und Kostentragung der Stornierung zu differenzieren ist, zeigt auch ein Vergleich mit der Zeile „Umbuchung. Dort ist eine Umbuchung entweder gar nicht vorgesehen oder sie besteht unter Angabe der anfallenden Kosten. Darüber hinaus beziehen sich die Beklagten in ihrer Klageerwiderung selbst nur auf einen Ausschluss des § 649 Satz 2 BGB a.F. (Bl. 49 d.A.). Die von der Beklagten gestellten Tarifbestimmungen sehen aber vor, dass der Vertragspartner im Falle einer Stornierung gar keine Erstattung erhält. Es handelt sich letztlich um eine pauschale Vergütung von 100 %, ohne dass dem Fluggast die Möglichkeit eingeräumt wird zu beweisen, dass die Beklagte durch die Stornierung Aufwendungen erspart hat oder anderweitige Erwerbsmöglichkeiten genutzt hat. Diese Bestimmung erweist sich damit als unwirksam.

Bleibt es damit bei der Anwendbarkeit von § 649 Satz 2 BGB a.F. ist festzustellen, dass die Beklagte durch den Weiterverkauf der Plätze in den streitgegenständlichen Flügen eine anderweitige Erwerbsmöglichkeit genutzt hat. Die Darlegungs- und Beweislast für ersparte Aufwendungen bzw. anderweitigen Erwerb  trifft im Rahmen von § 649 Satz 2 BGB a.F. den Besteller. Vorliegend wurde nicht bestritten, dass die von den Klägern gebuchten Flüge zwischen der Stornierung und dem Flug am 21.12.2017 nochmal ausgebucht waren. Die Beklagte hat mithin für dieselbe Leistung, Beförderung von zwei Personen in der Klasse „Premium Economy“, zweifach eine Vergütung erhalten. Welche anderweitigen Kosten ihr durch die Stornierung der Kläger angefallen sind hat die Beklagte nicht dargetan.  Sie kann sich daher nur auf den Einbehalt von 5 % nach § 649 S. 3 BGB a.F. berufen. Dieser beläuft sich bei einem Flugpreis in Höhe von 3.055,96 Euro auf 152,80 Euro.

Abzüglich dieses Einbehalts und der unstreitig zurückgezahlten 151,18 Euro für Steuern und Gebühren ergibt sich ein Anspruch der Kläger in Höhe von 2.751,98 Euro bzw. je Kläger in Höhe von 1.375,99 Euro.

II.

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 334,75 Euro aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB. Es ist bereits die Aktivlegitimation fraglich, da hinter den Klägern eine Rechtschutzversicherung steht, auf die gemäß § 86 VVG Ansprüche der Kläger aus Verzug bei Übernahme der Anwaltskosten übergegangen sind. Es fehlt aber auch an der Darlegung eines den Klägern gemäß § 249 BGB entstandenen Schadens in Gestalt der Zahlung von oder Belastung mit Anwaltskosten. Dass die Kläger Anwaltskosten in der geltend gemachten Höhe selbst zahlten ist nicht dargelegt. Es ist auch nicht dargelegt, dass ihnen von ihren Anwälten eine dem § 10 RVG entsprechende Rechnung gestellt wurde, aus der sich ein durchsetzbarer Honoraranspruch ergibt, der eine Beschwerung mit einer Verbindlichkeit bedeutet, so dass jedenfalls eine einem Vermögensschaden nach § 249 BGB gleichstehende Vermögensgefährdung vorliegt.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB aufgrund der Fristsetzung zur Zahlung in dem anwaltlichen Schreiben vom 29.12.2017 seit dem 13.01.2018.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 709, 713 ZPO.

Streitwert: 3.055,96 Euro.

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