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Selbständiges Beweisverfahren – Ergänzungsfrage nicht fristgerecht per beA gestellt

LG Berlin – Az.: 19 OH 14/18 – Beschluss vom 21.06.2022

In Sachen hat das Landgericht Berlin – Zivilkammer 19 – am 21.06.2022 beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass das selbständige Beweisverfahren zu Gz. 19 OH 14/18 (Landgericht Berlin) beendet ist.

2. Es wird mitgeteilt, dass nunmehr die Festsetzung des Streitwerts auf 45.000,00 Euro beabsichtigt ist. Zu der beabsichtigten Festsetzung besteht Stellungnahmegelegenheit bis zum 04 Juli 2022.

Gründe:

1. Das selbständige Beweisverfahren ist aus den Gründen der Verfügung vom 14. April 2022 beendet.

a) Die per Verfügung vom 14. April 2022 wiedergegebene Bewertung der Konsequenz nach § 296 Abs. 1 ZPO einer verspäteten Einreichung von Fragen oder Einwendungen im selbständigen Beweisverfahren wird dabei nicht nur etwa durch die mit jener Verfügung bereits angegebenen Fundstellen, sondern durch eine weitere, als aktuell führend zum Zivilprozessrecht zu bezeichnende Stimme bekräftigt (Seibel, Präklusion von Einwendungen gegen ein Sachverständigengutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren im Hauptsacheprozess?, MDR 2017, 1397, 1399): „Aus Sicht des Autors ist der Verweis über § 492 Abs. 1, § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO auf § 296 Abs. 1 ZPO so zu verstehen, dass dadurch allein auf die Erledigung des selbständigen Beweisverfahrens‘ Bezug genommen wird. Damit hat § 296 Abs. 1 ZPO für das Beweisverfahren folgende Wirkung: Bringen die Parteien innerhalb der gerichtlich gesetzten (angemessenen) Stellungnahmefrist keine Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten vor, ist das Beweisverfahren beendet. Weitere Einwendungen und Anträge sind dann im selbständigen Beweisverfahren – nicht jedoch im Hauptsacheprozess – entsprechend § 296 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen.

Da im Verhältnis zwischen Beweisverfahren und Hauptsacheprozess eine Verzögerung gem. § 296 Abs. 1 ZPO nicht möglich ist, kann über § 493 Abs. 1 ZPO keine derartige Präklusion in das Hauptsacheverfahren fortwirken.“ Das Gericht erachtet den hier wiedergegebenen Standpunkt als vollständig zutreffend, weil er maßgeblich auch auf der angezeigten Zusammenschau der §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 S. 2, 296 Abs. 1 ZPO mit der Möglichkeit von Einwendungen gegen ein Sachverständigengutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren im Hauptsacheprozess fußt. Dieser Standpunkt bejaht jene Möglichkeit mit Verweis auf den als zentral anzuerkennenden Gesichtspunkt, dass das selbständige Beweisverfahren nicht das Ziel der Entscheidung eines Rechtsstreits verfolgt und daher grundsätzlich keine rechtliche Bewertung der dort gegenständlichen Beweisfragen durch das Gericht vorgenommen wird (siehe Seibel, a.a.0). Umgekehrt erscheint demzufolge die hier schon mit Verfügung vom 14. April 2022 geäußerte Ansicht, dass für die Frage der Erledigung des selbständigen Beweisverfahrens ein Verzögerungstatbestand isoliert in Bezug auf das Beweisverfahren zu prüfen ist, umso eingängiger.

b) Der Erledigung des selbständigen Beweisverfahrens steht auch nicht entgegen, dass die den Antragsgegnern bis zum 05. Januar 2022 gewährte Fristverlängerung formlos erfolgt ist. Ein „Mehr“ war in dieser Hinsicht nicht veranlasst, die Fristverlängerungsverfügung bedarf, anders als die Fristsetzungsverfügung, keiner Zustellung; sie könnte sogar allein telefonisch überbracht werden (vgl. Saenger/Saenger, ZPO, 9, Auflage 2021, § 329 Rn. 44, mit Verweis auf BGH, Beschluss vom 08. Dezember 1993, XII ZB 157/93, NJW-RR 1994, 444).

2. Der Streitwert eines selbständigen Beweisverfahrens bestimmt sich wie folgt:

Nach Gutachteneinholung hat das Gericht den „richtigen“ Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des jeweiligen Antragstellers, festzusetzen. Das bedeutet, dass – wenn, wie hier, im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden – für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen sind, die sich ergeben hätten, wenn (auch) jene Mängel festgestellt worden wären (siehe BGH, Beschluss vom 16. September 2004, III ZB 33/04, NJW 2004, 3488).

Insofern ist vorliegend zu beachten, dass die Antragsteller insgesamt in 15-facher Hinsicht die gutachterliche Untersuchung auf das Vorliegen von Mängeln herbeigeführt haben.

In neun dieser 15 Fälle wurde ihr Verdacht auf Mängel bestätigt. Das dürfte dazu führen, dass nicht nur – wie noch mit Verfügung vom 14. April 2022 (Bl. 66 d.A.) zugrunde gelegt – der gutachterlich festgestellte Mängelbeseitigungsaufwand i.H.v. 30.250,00 Euro streitwertrelevant ist, sondern darüber hinaus ein Wertaufschlag hinsichtlich der weiteren, hypothetisch gebliebenen Mängel vorzunehmen ist. Dies ergäbe im Wege der Schätzung einen i.H.v. rund 15.000,00 Euro vorzunehmenden Aufschlag auf die gutachterliche Aufwandsbemessung.

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