AG Bad Iburg – Az.: 3 M 58/22 – Beschluss vom 01.03.2022
Die Erinnerung der Gläubigerin gegen die Weigerung des Obergerichtsvollziehers ###, die zum Aktenzeichen DR II 94/22 beantragte Räumung durchzuführen, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Schuldnerin war mit Versäumnisurteil vom 14.09.2021 zur Räumung der Mietswohnung und Herausgabe an die Gläubigerin verurteilt worden. Nachdem der Gerichtsvollzieher die Räumungsvollstreckung durchgeführt hatte, schlossen die Parteien einen Prozessvergleich, der am 26.11.2021 richterlich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde. In dem Vergleich heißt es unter anderem:
1. Die Beklagte (= jetzige Schuldnerin) erkennt die Anfechtung und die Kündigung des Mietverhältnisses, sowie den bereits durch Versäumnisurteil vom 14.09.2021 titulierten Räumungsanspruch der Klägerin (= jetzige Gläubigerin) ausdrücklich an.
2. Die Klägerin gewährt der Beklagten zur Vermeidung der Fortdauer von Obdachlosigkeit wieder Zutritt zu der bereits geräumten Wohnung. Die Beklagte ist insoweit zur Nutzung der Wohnung bis zum 31.01.2022 berechtigt […] Die Klägerin gewährt der Beklagten insoweit für die Räumung der Wohnung eine Räumungsfrist bis zum 31.01.2022.
Unter 3.-4. des Vergleichs verzichtete die Schuldnerin auf Anträge nach §§ 794 a, 765 a ZPO.
Die Gläubigerin beantragte beim Gerichtsvollzieher die Räumungsvollstreckung. Diese lehnte er mit Schreiben vom 09.02.2022 ab.
Die Gläubigerin legt gegen die Ablehnung Erinnerung ein und beantragt,
den Gerichtsvollzieher anzuweisen, den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin auszuführen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der Gerichtsvollzieher hat die Räumungsvollstreckung zu Recht abgelehnt, da Nr. 1 des Vergleichs vom 26.11.2021 nicht vollstreckungsfähig ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Räumungsobjekt sowie die Räumungs- und Herausgabeverpflichtung nicht hinreichend bestimmt beschrieben sind.
Bei Prozessvergleichen müssen sich wie – wie bei Urteilen aus dem Tenor – Inhalt, Art und Umfang der Vollstreckung grundsätzlich aus dem Vergleichstext selbst ergeben. Ein Rückgriff auf Umstände außerhalb des Titels ist grundsätzlich unzulässig. Sinn und Zweck dieser strengen Anforderungen ist es, im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit zu gewährleisten, dass ein Vollstreckungsorgan aus dem Titel selbst ersehen kann, was genau zu tun ist und nicht etwa auf die Interpretation zusätzlicher, ihr möglicherweise unzugänglicher, weiterer Informationen angewiesen ist.
Aus dem Vergleich lässt sich zwar ersehen, dass die Schuldnerin die Wohnung zum 31.01.2022 räumen sollte. Dass sie „den bereits durch Versäumnisurteil vom 14.09.2021 titulierten Räumungsanspruch ### ausdrücklich an[erkennt]“, reicht indes nicht aus, um einen Räumungsanspruch zu titulieren. Aus dem Prozessvergleich selbst ergibt sich weder das Räumungsobjekt (das mindestens mit Adresse zu bezeichnen gewesen wäre) noch die näheren Räumungsmodalitäten. Das in Bezug genommene Versäumnisurteil wurde auch nicht mit dem Prozessvergleich verbunden oder wörtlich zitiert.
Aufgrund dessen war der Gerichtsvollzieher nicht berechtigt, den genauen von den Parteien gewollten Inhalt durch Auslegung oder Hinzuziehung weiterer Unterlagen selbst zu ermitteln.
Es ist auch keine (nochmalige) Räumungsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil möglich, da dieses durch die vorher bereits durchgeführte Räumung „verbraucht“ ist.