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Reservierungsvereinbarung – Schadensersatzanspruch des Kaufinteressenten wegen Abbruchs der Vertragsverhandlungen

AG Hamburg-Harburg, Az.: 648 C 259/14

Urteil vom 17.12.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadenersatz aufgrund vorvertraglicher Pflichtverletzung in Höhe von 2.356,68 €.

Die Klägerin beabsichtigte im August 2013, eine Immobilie zu erwerben. Zu diesem Zeitpunkt stand das Grundstück des Beklagten zu 2) zum Verkauf. Die Beklagte zu 1) ist Immobilienmaklerin, sie war vom Beklagten zu 2) mit dem Verkauf des Grundstückes beauftragt.

Am 12.08.2013 besichtigte die …, die in Besitz einer Generalvollmacht für die Klägerin ist, zunächst vormittags Haus und Grundstück des Beklagten 2) gemeinsam mit der Beklagten zu 1). Im Anschluss an diese Besichtigung bekundete die Zeugin … ihr Interesse am Erwerb der Immobilie. Es kam zur Unterzeichnung einer Reservierungsvereinbarung, in der es unter anderem heißt:

„1. Ich möchte/wir möchten das Angebot in …, … für € 127.500,00 (…) kaufen.“

2. … wird dieses Angebot für mich/uns bis 28.08.2013 fest reservieren und für meine/unsere Rechnung einen Kaufvertrag von dem Notar _ vorbereiten lassen.

3. (…)

4. Spätestens 2 Tage vor dem Beurkundungstermin werde ich/werden wir einen Kapitalnachweis und/oder eine schriftliche Darlehenszusage des finanzierenden Institutes bei der Firma … vorlegen.

5. (…)“

Reservierungsvereinbarung - Schadensersatzanspruch des Kaufinteressenten wegen Abbruchs der Vertragsverhandlungen
Symbolfoto: fizkes/Bigstock

Im Hinblick auf die Leerstelle unter Ziffer 2 ist auf der dem Gericht vorliegenden Kopie Ausstreichungen des Notarnamens … erkennbar. Für weitere Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 verwiesen.

Frau … besichtigte das Objekt am Nachmittag des 12.08.2013 noch einmal. Die Ehefrau des Beklagten zu 2) fuhr nach der Besichtigung mit ihr zum Eigentümer des an das Grundstück anliegenden Brachlandes, da die Klägerin Interesse hatte, dieses zu pachten.

Die Klägerin beauftragte dann ihren Prozessbevollmächtigten damit, sie beim Abschluss des Kaufvertrages zu begleiten. Sie wollte als juristischer Laie Fehler vermeiden und verhindern, beim Vertragsschluss übervorteilt zu werden. Ferner beauftragte sie den Notar … damit, einen Kaufvertrag vorzubereiten.

Auf Wunsch der Klägerin besichtigte Frau … das Objekt nach Absprache mit der Beklagten zu 1) am 21.08.2013 noch einmal mit einem Handwerker.

Am 26.08.2013 trafen sich Frau … mit der Beklagten zu 1) und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Besprechung von zwei Kaufvertragsentwürfen in einem Hotel. Am 27.08.2013 informierte die Beklagte zu 1) Frau … telefonisch darüber, dass das Grundstück nicht an die Klägerin veräußert werde.

Mit Datum vom 27.08.2013 stellt der Prozessbevollmächtigte seine Tätigkeit gegenüber der Klägerin mit 2.356,68 € in Rechnung.

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte zu 2) bei der zweiten Besichtigung am 12.08.2013 sein Einverständnis damit erklärt habe, dass die Klägerin das Haus erwerben könne und hat das Zeugnis der Frau … als Beweis für diese Tatsache angeboten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin € 2.356,68 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 30.08.2013 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie haben gegenbeweislichen Zeugenbeweis durch die Ehefrau des Beklagten zu 2) angeboten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2014 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Schadenersatzanspruch. Ein solcher Ersatzanspruch könnte sich hier lediglich aufgrund Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, mithin aus § 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB ergeben. Die rechtlichen Voraussetzungen hierfür sieht das Gericht indessen nicht für gegeben an. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Beklagten zu 1) (hierzu unter 1.) als auch hinsichtlich des Beklagten zu 2) (hierzu unter 2.).

1. Die zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geschlossenen Reservierungsvereinbarung begründete ein Schuldverhältnis i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB. Die der Beklagten zu 1) aufgrund dieses Schuldverhältnisses obliegenden Pflichten gegenüber der Klägerin hat die Beklagte zu 1) indessen nicht schuldhaft verletzt. Ein Schadenersatzanspruch bei Abbruch von Verhandlungen über ein gemäß § 311b BGB formbedürftiges Rechtsgeschäft kommt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn das Vertrauen der Gegenseite in das Zustandekommen des Vertrages in schuldhafter Weise herbeigeführt und unterhalten worden ist (BGH, Urt. v. 08.10.1982 – V ZR 216/81, juris Rdnr. 14). Davon kann hier nicht die Rede sein (a). Darüber hinaus sind die von der Klägerin mit der Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten getätigten Aufwendungen wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht ersatzfähig (b).

a) Aufgrund der Reservierungsvereinbarung war die Beklagte zu 1), die als Maklerin für den Beklagten zu 2) tätig war, schon gemäß dem Wortlaut von Ziffer 2. der Reservierungsvereinbarung gegenüber der Klägerin lediglich verpflichtet, das Angebot für die Klägerin fest zu reservieren. Eine solche Angebotsreservierung beinhaltete ihrem Sinn und Zweck nach, das Kaufobjekt nicht weiter am Markt anzubieten und es binnen der vereinbarten Frist nicht anderweitig zu veräußern. Ferner konnte die Klägerin aufgrund der Reservierungsvereinbarung nach Wortlaut und Sinn und Zweck auch davon ausgehen, dass ein Kauf jedenfalls zu dem reservierten Kaufpreis zustande kommen würde, das Objekt also nicht teurer werden würde.

Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Reservierungsvereinbarung ergibt sich dagegen eine Verpflichtung der Beklagten zu 1) zum Verkauf der Immobilie an die Klägerin. Eine solche Verpflichtung zum Verkauf konnte der Beklagten zu 1) schon aus rechtlichen Gründen nicht erwachsen, da die Entscheidung über den Verkauf allein dem Eigentümer des Grundstücks oblag.

Darüber hinaus ergibt sich aus den weiteren Regelungen, die mit der Reservierungsvereinbarung getroffen wurden, dass auf dem Weg zum Vertragsschluss noch weiterer Klärungsbedarf bestand. So sah Ziffer 2. die Beauftragung eines Notars mit der Erstellung des Vertragsentwurfs vor, der – unabhängig davon, welcher Notar diesen Entwurf nun stellte – zunächst nur Verhandlungsgrundlage sein konnte. Ferner war die Klägerin verpflichtet, gegenüber der Beklagten zu 1) einen Finanzierungsnachweis zu erbringen.

Vor diesem Hintergrund konnte die Beklagte zu 1) gegenüber der Klägerin durch den Abschluss der Reservierungsvereinbarung kein Vertrauen dahingehend wecken oder unterhalten, dass ein Kaufvertrag sicher zustande kommen würde.

b) Jedenfalls kann die Klägerin selbst dann, wenn sie entgegen der vorstehend gemachten Ausführungen aufgrund des Abschlusses der Reservierungsvereinbarung schutzwürdiges Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages hätte haben dürfen, die Kosten, die ihr aufgrund der Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten mit der Begleitung beim Kaufvertragsschluss in Rechnung gestellt wurden, nicht ersetzt verlangen. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB gilt das Prinzip der Natualrestitution. Dabei werden jedoch nur diejenigen Aufwendungen ersetzt, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH NJW 2009, 3713, Palandt-Grüneberg, § 249 Rdnr. 2). Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Klägerin stellt sich dem Gericht als keine wirtschaftlich zweckmäßige und notwendige Aufwendung dar. Dies muss vor allem deshalb gelten, weil die Klägerin auch noch einen Notar mit der Erstellung eines Kaufvertragsentwurfs beauftragt hatte, den damit im Hinblick auf einen möglichen Vertragsschluss umfassende Aufklärungs- und Hinweispflichten trafen. Es entspricht daher auch vor dem Hintergrund, dass die Klägerin keine juristischen Kenntnisse hatte, keiner wirtschaftlich vernünftigen Entscheidung, neben den Notargebühren noch weitere Gebühren für juristischen Rat zu veranlassen, da dieser durch die Beauftragung des Notars bereits „gekauft“ war.

2. Auch der Beklagte zu 2) hat selbst dann, wenn man die unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin, er habe sich mit dem Kauf bereits am 12.08.2013 einverstanden erklärt, als wahr unterstellt, damit kein schutzwürdiges Vertrauen bei der Klägerin auf das Zustandekommen des Vertrages begründet. Denn das eigene Verhalten der Klägerin nach dem 12.08.2013 zeigt, dass sie selbst noch keineswegs davon ausging, dass der Vertrag ohne Weiteres zustande kommen würde. Auch sie brauchte noch weitere Informationen, um sich zum Kauf entschließen zu können und fühlte sich auch weiterhin frei, diese Informationen einzuholen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass sie einen dritten Termin zur Besichtigung, diesmal begleitet von einem Handwerker, wahrnahm. Dieser untersuchte das Objekt in ihrem Beisein auf mögliche Baumängel. Wären solche entdeckt worden, so entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass diese Umstände entweder dazu geführt hätten, dass die Klägerin das Objekt nicht mehr zu dem reservierten Kaufpreis hätte erwerben wollen oder aber vom Kauf vollständig Abstand genommen hätte. Einen anderen Zweck konnte diese Untersuchung zu diesem Zeitpunkt durch einen Sachverständigen nicht haben. Fühlte sich die Klägerin demnach aber selbst noch nicht an einen Vertragsschluss gebunden, so verstößt die Geltendmachung des mit der Klage verfolgten Schadenersatzanspruchs aufgrund von Aufwendungen, die sie zu diesem Zeitpunkt in dieser Angelegenheit getätigt hat, gegen das Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Das Verhalten der Klägerin stellt sich dem Gericht insoweit als selbstwidersprüchlich und damit treuwidrig dar (vgl. Palandt-Grüneberg, § 242 Rdnr. 59).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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