LG Darmstadt
Az: 25 S 162/10
Urteil vom 06.04.2011
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Lampertheim vom 07.07.2010 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für die Berufungsinstanz: EUR 3.372,-
Gründe
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
In der Berufungsinstanz im Streit steht nur noch die der Höhe nach unstreitige Differenz von insg. EUR 3.372,00 zwischen den vereinbarten Sonderpreisen und den Normalpreisen der von den Beklagten beim Kläger gekauften Küchenteile. Der Kläger fordert von den Beklagten die Zahlung dieser Differenz, da die Beklagten die folgende Sonderpreisklausel nicht erfüllt hätten:
„Der Sonderpreis ist nur gültig bei vollständiger Zahlung am Tage der Lieferung und Rechnungsstellung, bei späterer oder unvollständiger Zahlung ist der Sonderpreis ungültig.“
Das Amtsgericht hat dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung des vollen Preises für Küche und Küchengeräte zuerkannt. Die Vereinbarung des Sonderpreises für den Fall der Zahlung bei Lieferung und Rechnungsstellung sei eine zulässige Skontoabrede. Vorliegend handele es sich um Werklieferungsverträge, sodass im Wege der Auslegung die Abrede so eingeordnet werden müsse, dass zumindest Abnahmereife habe vorliegen müssen. Dies sei vorliegend der Fall gewesen.
Die Beklagten hätten nicht entsprechend der Skontoabrede gezahlt, sodass diese verfallen und der komplette Preis zu entrichten sei. Nach der am 22.12.2006 erfolgten Lieferung seien die Rechnungen am 29.12.2006 erstellt und an die Beklagten versandt worden. Gezahlt sei der nach der Anzahlung offene Rechnungsbetrag des jeweiligen Sonderpreises erst am 11.01.2007 und damit nicht mehr im Sinne der Sonderpreisvereinbarung. Es sei ohne Belang, dass die Beklagten am Lieferungstage dem Mitarbeiter M. den Restbetrag in bar angeboten haben wollen, denn dieser habe keine Inkassovollmacht gehabt. Ebenso sei ohne Belang, dass der Kläger selbst an diesem Tag nur zeitweise anwesend gewesen und das Geld nicht kassiert habe, denn es sei Sache der Beklagten, ihrer Zahlungsverpflichtung rechtzeitig nachzukommen.
Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Klageabweisungsziel weiterverfolgen. Sie tragen dazu vor:
– Die streitgegenständlichen Verträge seien nach Kaufrecht einzuordnen, die Frage der Abnahmereife stelle sich deswegen nicht. Die Küche mit Geräten sei auch nicht abnahmereif gewesen.
– Maßgeblich sei hinsichtlich der Skontoabrede nicht der Tag der Rechnungsstellung, sondern deren Zugang bei den Beklagten. Dieser sei erst am 06. oder am 08.01.2007 erfolgt, worauf beide Beklagte sich sofort mit dem Kläger in Verbindung gesetzt hätten, um die Zahlung zu bewirken. Der Kläger selbst habe die Beklagten erst am 11.01.2007 treffen wollen.
– Der Kläger sei beweisbelastet für das Vorliegen der Voraussetzungen der Skontoabrede, nämlich Lieferung und Rechnungszustellung. Auf den Versand komme es nicht an. Vielmehr sei die Restzahlung sofort nach Rechnungseingang seitens der Beklagten angeboten und absprachegemäß erst einige Tage später an den Kläger erfolgt.
Der Kläger verteidigt das Urteil und begründet dies wie folgt:
– Die Lieferung der Küche sei am 22.12.2006 vollständig erfolgt. Daran ändere auch die Tatsache, dass in einer Glasplatte die Bohrung für den Wasseranschluss nicht gesetzt war, nichts.
– Eine unverzügliche Zahlung gemäß der Sonderpreisklausel sei seitens der Beklagten nicht erfolgt. Der offene Restpreis bezüglich des Glasplattenabzugs sei erst drei Monate nach Lieferung bezahlt worden, womit die Skontoabrede verwirkt sei.
– Die Rechnungen vom 29.12.2006 seien direkt auf dem Postweg zu den Beklagten gegangen. Als am 10.01.2007 entgegen der getroffenen Vereinbarung noch keine Zahlung eingegangen gewesen sei, seien die Beklagten angemahnt und in Verzug gesetzt worden. Erst am 11.01.2007 und damit für die Skontoabrede zu spät habe der Kläger EUR 15.000,- in bar erhalten.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von EUR 3.372,- aus den zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen vom 13.10.2006 über Kauf, Lieferung und Montage einer […]-Einbauküche samt Elektrogeräten. Denn zwischen den Parteien wirksam vereinbart war nicht der in den Auftragsbestätigungen und Rechnungen des Klägers aufgeführte (Normal-) Preis von EUR 13.560,- für die Küche bzw. EUR 12.990,- für die Elektrogeräte, sondern allein der „Sonderpreis“ von EUR 12.000,- bzw. EUR 11.178,-.
Auf die rechtliche Einordnung der geschlossenen Verträge als Kauf-, Werk- oder Werklieferungsverträge kommt es vorliegend nicht an.
Denn die von dem Kläger in beiden Verträgen verwendete Sonderpreisklausel:
„Der Sonderpreis ist nur gültig bei vollständiger Zahlung am Tage der Lieferung und Rechnungsstellung, bei späterer oder unvollständiger Zahlung ist der Sonderpreis ungültig.“
stellt unabhängig von der rechtlichen Einordnung der Verträge eine Allgemeine Geschäftsbedingung nach §§ 305 ff. BGB dar und ist nach §§ 307 ff. BGB unwirksam.
1. Der Kläger verwendet nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 16.3.2011 die Klausel in einer großen Zahl (30 – 50 %) der von ihm geschlossenen Verträge. Es handelt sich damit um Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Die Klausel ist auch als Allgemeine Geschäftsbedingung wirksam in die Verträge nach § 305 BGB einbezogen worden.
2. Allerdings hält die Klausel einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht stand.
a. Die Klausel ist bereits von ihrem Wortlaut her nicht bestimmt genug und ohne Auslegung in sich widersprüchlich.
Unstreitig zwischen den Parteien vereinbart und von der vereinbarten Vergütung umfasst war nicht nur die Lieferung von Küchenmöbeln und Küchengeräten, sondern auch deren Montage. Nach der Klausel kann sich der Kunde den Sonderpreis aber nur sichern, wenn er noch am Tag der „Lieferung“ den Sonderpreis zahlt. Würde man es bei dem Wortlaut der Klausel, belassen, hieße dies, dass der Kläger die Einzelteile lediglich anliefern und ohne Montage sofort den vollen Preis verlangen könnte. Nicht klar ist auch, ob nach der Klausel eine vollständige und mängelfreie Lieferung erfolgen muss, um die sofortige Zahlungsverpflichtung der Beklagten auszulösen.
Die Klausel passt also bereits nicht zu dem vorliegenden Vertragstyp eines Werkvertrags (vgl. BGH, Urt. v. 15.2.1990, NJW-RR 1990, 787). Umgangen wird auf diese Art und Weise insbesondere die Vorschrift des § 641 BGB, die die Fälligkeit der Vergütung abhängig macht von der Abnahme des Werks, also von dessen im Wesentlichen mangelfreier Erstellung. Ersichtlich nicht von Beklagtenseite gewollt sein kann auch eine Zahlungsverpflichtung im Falle einer etwa durch Unfall zerstörten, aber grundsätzlich „vollständig“ gelieferten Küche mit Küchengeräten. Insofern müsste im Wege der Auslegung in die Klausel das Erfordernis der Montage, der vollständigen Lieferung und grundsätzlich auch der Mängelfreiheit hineingelesen werden.
Eine vergleichbare Problematik besteht bezüglich der in der Klausel formulierten Voraussetzung der „Rechnungsstellung“.
Nach dem von dem Kläger gewählten Wortlaut müssten die Beklagten die Rechnung in dem Moment begleichen, in dem sie als Dokument existent geworden ist, etwa durch das Ausdrucken am Computer. Dies ist nicht möglich. Insofern müsste in die Klausel das Erfordernis des Rechnungszugangs hineingelesen werden, da eine noch bei dem Kläger befindliche Rechnung, von deren Existenz die Beklagten nichts wissen, auch nicht beglichen werden kann. Im Interesse des Kunden müsste daher zumindest auf den Zugang der Rechnung abgestellt werden. Aber selbst in diesem Falle wäre die Durchführung der in der Klausel beschriebenen Modalitäten für die Geltung des „Sonderpreises“ aus Sicht des Kunden kaum realisierbar. Denn Voraussetzung ist nach der Klausel die Zahlung „am Tage“ der Rechnungsstellung oder aber – im Wege der Auslegung – „am Tage“ des Zugangs. Dies ist im üblichen unbaren Zahlungsverkehr jedoch nicht möglich, da Banken eine Ausführungsfrist für Überweisungen von mindestens einem Tag haben. Die Frist könnte daher allenfalls durch eine Barzahlung gewahrt werden. Selbst wenn man vom Zugang der Rechnung und nicht von ihrer Erstellung ausginge, müssten die Kunden also nach Lieferung und Montage der Küche jederzeit den Gesamtbetrag für Küche und Küchengeräte in bar zur Zahlung vorhalten und sich bereit machen, unverzüglich und taggleich den Kläger zur Geldübergabe aufzusuchen. Denn bei Zugang der Rechnung mit der Post wäre der Betrag am gleichen Tag zu übergeben, bei persönlicher Übergabe der Rechnung durch den Kläger, etwa am Wochenende, müsste ebenfalls noch am gleichen Tag laut Klausel der Betrag an den Kläger gezahlt werden.
Es ergeben sich damit – zum Nachteil des Kunden – eine Fülle von Zweifelsfragen. Zweifel an der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders, sodass zugunsten der Beklagten über den zu engen Wortlaut der Klausel hinaus von einer allenfalls wie oben skizziert durchführbaren Klausel ausgegangen werden müsste. Ob eine solche mehrfache Auslegung der Klausel über den von dem Kläger gewählten Wortlaut hinaus aber überhaupt möglich ist, kann aber dahinstehen, da die Klausel bereits aus anderen Gründen unwirksam ist.
b. Die von dem Kläger formulierte Klausel ist zumindest aufgrund eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 2 b BGB unwirksam, da sie ein mögliches Zurückbehaltungsrecht der Beklagten nach § 320 BGB im Hinblick auf die vereinbarte Vergütung einschränkt, wenn nicht gar faktisch ausschließt.
Die Sonderpreisklausel enthält keine unbestimmten Rechtsbegriffe, die einer richterlichen Konkretisierung bedürften, ist also im Hinblick auf die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB zu überprüfen. (s. grds. Palandt-Grüneberg, 69.A. 2010, § 309 Rn 1). Einer solchen Überprüfung nach § 309 Nr. 2 b BGB hält die Klausel im Hinblick auf die Einschränkungen des Zurückbehaltungsrechts der Beklagten nicht stand, womit ein vertragliches Kernrecht der Beklagten betroffen ist und damit eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des durch § 309 BGB konkretisierten § 307 BGB vorliegt. Denn die Beklagten stünden bei Anwendung der Klausel im Falle von unvollständiger Lieferung oder fehlerhafter Montage der Küche oder Küchengeräte vor folgender Wahl: Entweder sie verzichteten auf das ihnen zustehende Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf einen Teil der Vergütung, um durch Barzahlung der vollen Sonderpreissumme sich den Sonderpreis zu erhalten, oder aber sie machten ihr Zurückbehaltungsrecht geltend mit der Konsequenz, dass sie die Sonderpreiskonditionen verlören und insgesamt eine um EUR 3.372,- höhere Vergütung zu zahlen hätten. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und der vom Kläger vorgelegten, in eigenen Sachen ergangenen, nicht veröffentlichten Rechtsprechung anderer Gericht (OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.1.1999, 17 U 48/98, Bl. 101 ff. d.A.; LG Heidelberg, Urt. v. 30.3.2003, 1 O 286/01, Bl. 105 ff.; AG Mannheim, Urt. v. 23.3.1999, 2 C 3903/98, Bl. 115 ff.; LG Mannheim, Urt. v. 9.6.2010, 8 O 80/10, Bl. 181 ff.) sieht die Kammer hierin nicht ein unverfängliches Wahlrecht des Kunden, sondern dessen grobe Benachteiligung.
Das einen Rechtsgrundsatz von erheblichem Gerechtigkeitswert enthaltende Zurückbehaltungsrecht der §§ 273, 320 BGB entzieht sich von vornherein weitgehend einer Änderung durch allgemeine Geschäftsbedingungen (s. Palandt a.a.O., Rn 12). Die durch die Sonderpreisklausel des Klägers bewirkte faktische Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts, die dieses Recht letztlich wirtschaftlich ausschließt, geht über diesen anzusetzenden Maßstab weit hinaus. Kein wirtschaftlich denkender Kunde wird seine Leistung ganz oder auch nur teilweise (vorübergehend!) zurückhalten, wenn dies zur Folge hat, dass er – nach Erbringung der vollständigen Gegenleistung – nicht nur die zurückbehaltene Leistung noch erbringen, sondern zusätzlich noch die Differenz zwischen dem sog. „Sonderpreis“ und dem Normalpreis zahlen muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht etwa um den auch bei anderen Verträgen gerne vereinbarten Skontoabzug von 2 – 3 % geht (für diesen Fall wird ein Verstoß gegen § 309 Nr. 2 b BGB überwiegend verneint: vergl. Kieninger in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 309 Rn. 20; Becker in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, § 309 Rn. 15). Im vorliegenden Fall beträgt der Abschlag auf den „Normalpreis von 26.550,00 € rund 12,7 % und erreicht damit eine Größenordnung, die – vom Kläger beabsichtigt – faktisch dazu führen muss, dass der Kunde auf die Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts aus wirtschaftlichen Gründen verzichtet. Damit wird die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts in einem so erheblichen Maße eingeschränkt, dass die Klausel gem. § 309 Nr. 2 b BGB unwirksam ist.
Bei genauerer Betrachtung geht es auch nicht um einen Skontoabzug, da schon nach dem äußeren Erscheinungsbild der Verträge in deren Vordergrund alleine der „Sonderpreis“ steht, nicht der Normalpreis. Während beim Skontoabzug der Kunde gegenüber dem Normalpreis noch etwas sparen kann, muss er hier auf den vereinbarten „Sonderpreis“ noch eine Zusatzleistung erbringen. Berechnet man dies ausgehend vom Sonderpreis (23.178,00 €), beträgt der Zuschlag (3.372,00 €) sogar rund 14,6 %. Letztlich stellt sich dieser Zuschlag als eine „Strafe“ für den Kunden dar, der den knappen Zahlungstermin („am Tag“ von Lieferung und Rechnungsstellung) verpasst oder von seinem gesetzlichen Zurückbehaltungsrecht (und sei es auch in noch so geringem Umfang) Gebrauch macht. Damit wird die Kundenseite letztlich des Zurückbehaltungsrechts als ihres „effektivsten Druckmittels beraubt“ (Becker in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, § 309 Rn. 1), mit dem die ordnungsgemäße Erbringung der vom Verwender geschuldeten Gegenleistung durch Verweigerung der von diesem begehrten Leistung sichergestellt werden soll (vgl. zu einer im Ergebnis vergleichbaren Klausel LG Frankfurt, Urt. v. 16.12.1986, NJW-RR 1987, 1003).
3. Angesichts der Unwirksamkeit der genannten Klausel stellt der vereinbarte „Sonderpreis“ die wirksam zwischen den Parteien vereinbarte Vergütung dar. Nachdem diese vollständig bezahlt worden ist, steht dem Kläger kein weiterer Vergütungsanspruch mehr zu. Die Klage ist daher abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3 ZPO, 47 GKG.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder weist die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung auf, noch erscheint es zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, eine Entscheidung des Revisionsgerichts herbeizuführen.