Arbeitsgericht Frankfurt/Main
Az.: 6 Ca 2951/01
Urteil vom 19.12.2001
Leitsatz (vom Verfasser – nicht amtlich!):
Der gesetzliche Anspruch auf Teilzeit-Arbeit erlaubt es Arbeitnehmern, ihre reduzierte Arbeitszeit nach den eigenen Wünschen einzuteilen. Der Arbeitgeber darf im Rahmen seines Direktionsrechtes nur aufgrund von wichtigen betrieblichen Gründen auf einer bestimmten Einteilung der Arbeitszeit bestehen.
Sachverhalt:
Die Beklagte hatte die Wochenarbeitszeit des Klägers auf dessen Wunsch von 35 Stunden auf 19,5 Stunden im Rahmen der Teilzeit-Arbeit verringert. Sie bestand jedoch darauf, dass der Kläger an bestimmten Wochentagen arbeiten sollte, an denen dieser jedoch frei haben wollte.
Entscheidungsgründe:
Die Gestaltung der reduzierten Arbeitszeit im Rahmen der Teilzeit-Arbeit ist zunächst Sache des Arbeitnehmers. Nur wenn das Unternehmen wichtige betriebliche Gründe anführen kann, darf es auf einer bestimmten Einteilung der Arbeitszeit bestehen.
Urteil:
In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main – Kammer 6 – auf die mündliche Verhandlung vom 19.12.2001 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Antrag des Klägers zur Reduzierung seiner vertraglichen Arbeitszeit auf 19,5 Stunden wöchentlich zuzustimmen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Verteilung der Arbeitszeit, jeweils im 2-wöchigen Rhythmus verteilt, wie folgt zuzustimmen:
1. Woche: Montag 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr Dienstag 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr Mittwoch 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr
2. Woche: Sonntag 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr Montag 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr Dienstag 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 18.000,– festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verringerung und Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers.
Die Beklagte betreibt ein Druck- und Verlagshaus. Sie beschäftigt gerichtsbekannt deutlich mehr als 15 Arbeitnehmer außer der Personen in Berufsbildung. Ein Betriebsrat ist gebildet.
Der Kläger wurde ab dem 16. Januar 1978 bei der Beklagten aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages ohne Datum, hinsichtlich dessen nähere Einzelheiten auf BI. 19 und 20 d. A. Bezug genommen wird, beschäftigt, und zwar zuletzt als Hilfskraft im Versand mit einer tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden. Der Kläger erhielt zuletzt einen Stundenlohn von DM 24,99 brutto und es ergab sich nach seinen insoweit unwidersprochen gebliebenen Angaben ein durchschnittlicher Monatsverdienst von rund DM 6.000,– brutto.
Der Kläger wurde von der Beklagten zuletzt als Helfer im Versand in der sogenannten Zeitungsendverarbeitung (ZEV) eingesetzt. Dort werden Mitarbeiter der Beklagten in Teil- und Vollzeit eingesetzt, wobei auch ein Schichtplan „Teilzeit Diverse im Wechsel“ existiert. Hinsichtlich der Schichtpläne im Bereich ZEV wird auf Bl. 60 bis 63 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 01. März 2001, der Beklagten zugegangen am 02. März 2001, wandte sich der Kläger an die Beklagte und verlangte ab dem 15. Juni 2001 die Reduzierung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 19,5 Stunden. Hinsichtlich des klägerischen Verteilungswunsches dieser 19,5 Stunden auf die einzelnen Wochentage wird auf den Inhalt seines Schreibens vom 01. März 2001 (BI. 22 und 23 d. A.) Bezug genommen.
Am 06. März 2001 fand hierüber zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter der Beklagten ein Gespräch statt, in dem die Beklagte ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers erklärte.
Mit Schreiben vom 09. März 2001 (BI. 24 d. A.) unterbreitete die Beklagte dem Kläger sodann einen Gegenvorschlag mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von wahlweise 27 (im Schichtrhythmus nach Schichtplan) oder 16 (nach Bedarf) Wochenstunden.
Mit Anwaltsschreiben vom 20. März 2001 (BI. 25 d. A.) liess der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zum 30. März 2001 zur Bescheidung seines Antrags vom 01. März 2001 auffordern.
Mit Schreiben vom 05. April 2001 (BI. 26 d. A.) lehnte die Beklagte das Verlangen des Klägers ab, wobei sie ihm erneut andere Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten unterbreitete.
Mit seiner am 12. April 2001 bei dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen und der Beklagten am 23. April 2001 (BI. 30 d. A.) zugestellten Klage hat der Kläger sein Verringerungs- und Verteilungsverlangen weiterverfolgt.
Der Kläger ist der Ansicht, entgegenstehende betriebliche Gründe seien nicht gegeben. Er behauptet, bei der Beklagten gebe es innerbetrieblich die verschiedensten Schichten und Arbeitszeiten und es werde bei der Beklagten rund um-die Uhr an allen Tagen der Woche einschließlich der Samstage und Sonntage produziert. Insbesondere existiere auch der Schichtplan „Teilzeit Diverse im Wechsel“.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag des Klägers zur Reduzierung seiner vertraglichen Arbeitszeit auf 19,5 Stunden wöchentlich zuzustimmen;
2. hilfsweise für den Fall des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, die Verteilung der Arbeitszeit jeweils im 2-wöchigem Rhythmus verteilt wie folgt festzulegen:
1. Woche
Montag 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr Dienstag 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr Mittwoch 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr
2. Woche
Sonntag 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr Montag 19.00 Uhr bis 02.00 Uhr Dienstag 19.00 bis 02.00 Uhr.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, es seien entgegenstehende betriebliche Gründe gegeben. Hierzu behauptet die Beklagte, es sei vollkommen unmöglich, die Wünsche des Klägers in die im Betrieb der Beklagten praktizierten Teilzeit- und Vollzeit-Schichtmodelle, insbesondere den Schichtplan „Vollzeit-Helfer ZEV“, zu integrieren. Auch stehe im Schichtplan „Teilzeit Diverse im Wechsel“ ein freier Arbeitsplatz nicht zur Verfügung. Dort sei eine Beschäftigung ebenfalls unter etwaiger Neueinstellung einer Teilzeitkraft nicht möglich. Ohnehin sei die sukzessive Abschaffung dieses Schichtplans geplant, zunächst um 2 von 7 Arbeitsplätzen.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 28. Mai 2001 (BI. 47 d. A.) und 19. Dezember 2001 (BI. 193 und 194 d. A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Es handelt sich bei Haupt- und Hilfsantrag um einen Leistungsantrag, der jeweils auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist (Vgl. hierzu unter anderem: Diller, NZA 2001, 589; Preis/Gotthardt, DB 2001 145 ff.). Die von der Beklagten dabei abzugebenden Willenserklärungen sind auch hinreichend bestimmt (§§ 46 Abs. 2 ArbGG, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt dem Kläger nicht das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Für Leistungsklagen ergibt sich dies in der Regel schon aus der Nichterfüllung des behaupteten materiellen Anspruchs (Vgl. Thomas/Putzo, ZPO, Vorbem. § 253 Rdnr. 26). Möge die Beklagte, wie im Schriftsatz vom 06. November 2001 auf Seite 2 ausgeführt, im Rahmen ihres Direktions- und Weisungsrechts dem Kläger eine Tätigkeit als Helfer im Rotationsdruck zuweisen, um den vom Kläger gewünschten Arbeitszeiten entsprechen zu können. Solange dies nicht der Fall ist, kann der Kläger zur Durchsetzung seines Teilzeitbegehrens zulässigerweise klagen.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann von der Beklagten antragsgemäss Zustimmung zur Verringerung und Verteilung seiner wöchentlichen Arbeitszeit verlangen. Die Voraussetzungen des § 8 TzBfG liegen vor; insbesondere stehen den Wünschen des Klägers keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegen. Dieses Entscheidungsergebnis beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO):
Zunächst ist § 8 TzBfG von seinem persönlichen (§ 8 Abs. 1 TzBfG) und seinem betrieblichen (§ 8 Abs. 7 TzBfG) Geltungsbereich anwendbar. Der Kläger wurde bei der Beklagten bereits im Zeitpunkt seines Verringerungs- und Verteilungsverlangens mit Schreiben vom 01. März 2001 deutlich länger als die vom Gesetz geforderten sechs Monate beschäftigt. Auch beschäftigt die Beklagte weit mehr als die unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsbildung erforderlichen 15 Arbeitnehmer.
Zudem wurde die Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung gemäss § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG von der Beklagten mit Schreiben vom 05. April 2001 (BI. 26 d. A.) deutlich über einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung zum 15. Juni 2001 dem Kläger schriftlich mitgeteilt.
1.
Dem Verlangen des Klägers auf Verringerung seiner wöchentlichen Arbeitszeit von 35 auf 19,5 Stunden stehen keine betrieblichen Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegen. Dies hat die Beklagte weder hinreichend noch substanziiert dargetan. Im einzelnen gilt hierzu folgendes:
Das TzBfG definiert den betrieblichen Grund nicht. Es sind lediglich in § 8 Abs. 4 Satz 2 TzBfG Beispiele betrieblicher Gründe aufgeführt, die allerdings nicht abschließend sind. Das Gesetz nennt als betriebliche Gründe die wesentliche Beeinträchtigung der Organisation, des Arbeitsablaufs oder der Sicherheit im Betrieb sowie die Verursachung unverhältnismäßiger Kosten. Damit läßt das TzBfG nicht jede durch Arbeitszeitreduzierung eintretende Beeinträchtigung betrieblicher Belange genügen, sondern die Beeinträchtigung muss wesentlich sein. Dabei ist der Arbeitgeber für den Ablehnungsgrund bzw. die Ablehnungsgründe darlegungs- und ggf. beweispflichtig (Vgl. ArbG Stuttgart, Urteil vom 05. Juli 2001 – 21 Ca 2762/01, NZA 2001, 968 ff.; ArbG Mönchengladbach, Urteil vom 30. Mai 2001 – 5 Ca 1157/01, NZA 2001, 970 ff.; ArbG Freiburg, Urteil vom 04. September 2001 – 7 Ca 143/01, NZA 2002, 216 ff.; Beckschulze, DB 2000, 2598<2599>; Lindemann/Simon, BB 2001, 146<148>; Grobys/Brahm, NZA 2001, 1175 <1180>). Damit muss der Arbeitgeber im Streitfalle konkrete Tatsachen vortragen, die es dem angerufenen Gericht die Beurteilung ermöglichen, ob dieser Vortrag den unbestimmten Rechtsbegriff des „betrieblichen Grundes“ erfüllt.
Betriebliche Gründe im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG sind dabei immer dann gegeben, wenn die angestrebte Verringerung bzw. Verteilung der Arbeitszeit in die unternehmerische Organisationskonzeption bzw. Organisationsstruktur eingreift. Im Rahmen der ihm obliegenden Unternehmerentscheidung legt der Arbeitgeber die Organisationsstruktur fest, durch welche er den von ihm bestimmten Betriebszweck verfolgt. Die Festlegung der Organisationsstruktur des Betriebs betrifft den Kernbereich der Unternehmerentscheidung, der durch die Gerichte nur eingeschränkt auf Mißbrauch oder Willkür hin überprüfbar ist (Vgl. ArbG Freiburg, a.a.O., S.217).
Im Streitfalle behauptet die Beklagte zur Begründung entgegenstehender betrieblicher Belange, es sei vollkommen unmöglich, die Wünsche des Klägers in die im Betrieb praktizierten Teilzeit- und Vollzeit-Schichtmodelle, insbesondere den Schichtplan „Vollzeit-Helfer ZEV“, zu integrieren. Damit könnte das Verlangen des Klägers auf Verringerung und Verteilung in die unternehmerische Organisationskonzeption bzw. Organisationsstruktur eingreifen. Demgegenüber hat der Kläger jedoch auf den Schichtplan „Teilzeit diverse im Wechsel“ verwiesen. Hierzu behauptet die Beklagte, es gebe eine unternehmerische Entscheidung, diesen Schichtplan sukzessive abzuschaffen. Der Kläger hat diese unternehmerische Entscheidung bestritten und deren bislang nicht durchgeführte Umsetzung angeführt. Die Beklagte hat daraufhin ihr diesbezügliches Vorbringen nicht weiter substanziiert und – vorsorglich – unter Beweis gestellt. Damit stellt sich für die Kammer nicht die Frage, ob der Kläger mit seinen Wünschen in den Schichtplan „Vollzeit-Helfer“ zu integrieren wäre. Vielmehr wäre es der Beklagten im Hinblick auf das Teilzeitverlangen des Klägers möglich, den Kläger im Rahmen des Schichtplans „Teilzeit Diverse im Wechsel“ einzusetzen. Dort muss auch kein freier Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Eine solche Voraussetzung sieht der § 8 TzBfG nicht vor. Im übrigen wäre in diesem Falle der Teilzeitanspruch eines Arbeitnehmers ohnehin faktisch nicht (mehr) durchsetzbar. Die pauschal behauptete „sukzessive Abschaffung“ des Schichtplanes „Teilzelt Diverse im Wechsel“ hat die Beklagte nicht näher dargelegt und vorsorglich unter Beweis gestellt. Damit steht für die Kammer dem Reduzierungsverlangen des Klägers keine unternehmerische Entscheidung bzw. kein Unternehmerkonzept entgegen.
Andere Umstände zur Begründung eines betrieblichen Grundes im Sinne von § 8 Abs. 4 Satz 1 und 2 TzBfG hat die Beklagte nicht dargetan und vorsorglich unter Beweis gestellt. Insbesondere hat sie ihre Behauptung, eine etwaige Arbeitsplatzteilung mit einem neu einzustellenden Arbeitnehmer scheitere an der besonders gelagerten Arbeitszeitverteilung und der damit verbundenen Unmöglichkeit, auf dem Arbeitsmarkt fündig zu werden, nicht substanziiert. Dieser bloße Hinweis reicht indes nicht aus. Vielmehr muss die Beklagte vortragen und nachweisen, dass eine dem Berufsbild des Klägers entsprechende, zusätzliche Arbeitskraft auf dem für die Beklagte maßgeblichen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht (Vgl. ArbG Mönchengladbach, a.a.O., S. 973).
2.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte zudem ein Anspruch auf Zustimmung zu der vom Kläger gewünschten Verteilung der reduzierten Arbeitszeit gemäss Klageantrag zu 2) zu (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG).
Die Beklagte hat gegen die vom Kläger beantragte Verteilung der verringerten Arbeitszeit substanziiert keine weiteren zusätzlichen betrieblichen Gründe vorgetragen. Demzufolge kann auf die Ausführungen oben unter Ziffer 1 verwiesen werden.
Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte als unterlegene Partei gemäß §§ 91 Abs.1 Satz 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes ist gemäß §§ 3 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Teilzeitregelung zu bemessen, wobei sich nach Auffassung der Kammer dieser an der Grenze des vorliegend als Höchstbetrag in Ansatz zu bringenden Vierteljahresbezuges (§ 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG) orientieren muss (Vgl. Ennemann, NZA 2001, S. 1190 f.).