OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN – Az.: 6 U 78/01 – Beschluss vom 13.06.2002
Vorinstanz: LG Frankfurt/Main – Az.: 3/12 O 149/00
In dem Rechtsstreit hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2002 beschlossen:
Nach übereinstimmend erklärter Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache werden die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.
Zusammenfassung
In diesem Rechtsstreit zwischen zwei Telefongesellschaften, die im Wettbewerb auf dem Markt der Telefondienstleistungen stehen, hat die Klägerin eine negative Feststellungsklage gegen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche der Beklagten erhoben, die sich aufgrund einer irreführenden Werbung der Klägerin berühmt hatte. In der fraglichen Werbung, die die Beklagte beanstandete, hieß es, dass ein weitervermitteltes Gespräch keinen Pfennig extra koste, obwohl die Klägerin auch für diese Gespräche Gebühren berechnete. Das Landgericht wies die Klage ab, da der beanstandete Satz irreführend sei und Verwirrung stiften könne. Die Klägerin legte Berufung ein, aber die Parteien erklärten den Rechtsstreit später in der Hauptsache für erledigt und stritten nur noch über die Kosten. Das Gericht entschied, dass die Klägerin die Kosten tragen muss, da ihre Berufung voraussichtlich erfolglos geblieben wäre.
Insgesamt zeigt der Fall, dass Werbung im Bereich der Telekommunikation sehr sorgfältig formuliert sein muss, um nicht als irreführend angesehen zu werden. Insbesondere müssen Aussagen in der Werbung klar und eindeutig sein und dürfen nicht durch andere Aussagen neutralisiert oder gar auf den Kopf gestellt werden. Zudem kann es in Rechtsstreitigkeiten sinnvoll sein, frühzeitig eine Einrede der Verjährung zu erheben, um Kosten zu sparen.
Gründe:
l.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der Telefondienstleistungen. Sie vermitteln Telefongespräche im Festnetz und betreiben jeweils auch einen Auskunftsdienst. Die Klägerin hat sich im Wege der negativen Feststellungsklage gegen Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche der Beklagten gewandt. Dieser Ansprüche hatte sich die Beklagte wegen einer nach ihrer Ansicht irreführenden Werbung der Klägerin berühmt.
Der beanstandete Textabschnitt, der in einem Rechnungsbeileger (Ausgabe September 2000) der Klägerin enthalten war, trug die- durch die Schriftgröße hervorgehobene – Überschrift: „XXXX. Die einzige Auskunft, die Sie zum gewohnten Netztarif weitervermittelt.“ In dem nachfolgenden Text hieß es:
„Weitersagen: XXXX, die Auskunft, die Menschen wieder zusammenbringt, vermittelt Sie bei Anruf aus dem Festnetz der… auf Wunsch auch gleich an Ihren Gesprächspartner weiter. Nutzen Sie den günstigen Preis, den Ihnen nur die … bietet. Mit XXXX wechseln Sie bei Weitervermittlung nur in den normalen Festnetztarif der Deutschen Telekom. Das weitervermittelte Gespräch kostet Sie somit keinen Pfennig extra. Wir meinen …“
Unstreitig berechnet die Klägerin auch für ein weitervermitteltes Gespräch Gebühren. Diese Gebühren entsprechen allerdings dem normalen Festnetztarif der Klägerin, während die anderen Telefongesellschaften, die Auskunftsdienste betreiben, im Gegensatz zur Klägerin für ein vermitteltes Gespräch höhere Gebühren verlangen als bei einem Direktgespräch.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der in der Werbung enthaltene Satz, „Das weitervermittelte Gespräch kostet Sie somit keinen Pfennig extra“, sei falsch und damit irreführend.
Das Landgericht ist dem gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Zwar enthalte der fragliche Textabschnitt auch Aussagen, aus denen auf die Gebührenpflichtigkeit des vermittelten Gesprächs geschlossen werden könne. Diese Aussagen würden durch den beanstandeten Satz, der unzutreffend und nicht interpretationsfähig sei, jedoch neutralisiert und geradezu auf den Kopf gestellt. Unter diesen Umständen gebe die Textpassage insgesamt Anlaß zur Verwirrung und zu Fehlinterpretationen. Gegen dieses Urteil hat sich die Klägerin mit ihrer Berufung gewandt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Werbung sei im Kontext gesehen nicht irreführend. Der Leser werde insbesondere durch die blickfangmäßig herausgestellte Überschrift darüber in Kenntnis gesetzt, daß das vermittelte Telefonat zu dem Tarif abgerechnet werde, der auch bei einer direkten Anwahl der erfragten Rufnummer anfallen würde. Auch könne ein Verbraucher nicht erwarten, daß die Klägerin nur wegen der Inanspruchnahme des Auskunftsdienstes ein weitervermitteltes Gespräch – unabhängig von dessen Dauer und der Entfernung- kostenfrei anbiete.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin die Einrede der Verjährung erhoben und erklärt, daß ihre gegen den Unterlassungsanspruch gerichteten Ausführungen in diesem Rechtstreit ausschließlich der Rechtsverteidigung gedient hätten. Bezüglich des Unterlassungsanspruchs hat sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Nachdem die Beklagte hinsichtlich der Auskunfts- und Schadensersatzansprüche ihre Berühmung hat fallen lassen, hat die Klägerin den Rechtsstreit auch insoweit für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich den Erledigungserklärungen insgesamt angeschlossen.
II.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war lediglich noch über die Kosten zu entscheiden. Diese Entscheidung war nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen (§ 91 a Abs. 1 ZPO). Danach waren die Kosten der Klägerin aufzuerlegen, weil ihre Berufung voraussichtlich erfolglos geblieben wäre. Die im Streit stehenden Ansprüche der Beklagten waren bis zur Erhebung der Verjährungseinrede durch die Klägerin und deren Erklärung eines Rechtsverteidigungsvorbehalts (die der Meidung einer Erstbegehungsgefahr diente) begründet. Das Landgericht hat einen Verstoß der Klägerin gegen das Irreführungsverbot (§ 3 UWG) zu Recht angenommen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt eine abweichende Beurteilung nicht. Der Satz „Das weitervermittelte Gespräch kostet Sie somit keinen Pfennig extra“ ist – bei richtigem Sprachverständnis – in seiner Aussage eindeutig. Er besagt, daß das Gespräch nichts kostet. Das Wörtchen „extra“ bringt nur zum Ausdruck, daß das – für sich kostenlose- Gespräch zu einer anderweitigen Leistung hinzutritt, die ihrerseits Kosten auslöst. In dem vorliegenden Zusammenhang besteht der kostenpflichtige Vorgang in der Inanspruchnahme der Telefonauskunft, ohne die es zu einem „weitervermittelten Gespräch“ nicht kommen kann.
Mit dem soeben umrissenen Aussagegehalt ist der angegriffene Satz schlicht falsch, da das vermittelte Gespräch sehr wohl Kosten verursacht, die über die durch den Auskunfts- und Vermittlungsvorgang bereits entstandenen Kosten hinausgehen. Damit nähert sich die im Streit stehende Werbung der Klägerin den Voraussetzungen, unter denen eine irreführende Werbung wegen einer einzelnen falschen Angabe selbst dann zu bejahen ist, wenn aus anderen, deutlicher herausgestellten, Mitteilungen in der betr. Werbeanzeige auf die Unrichtigkeit jener Angabe geschlossen werden kann (vgl. BGH, WRP 2000, 1402- Falsche Herstellerpreisempfehlung). Im vorliegenden Fall ist in Abgrenzung zu der angesprochenen Entscheidung des BGH indes zu berücksichtigen, daß es hier nicht um eine unzutreffende (Zahlen-) Angabe geht, über deren Interpretation keinerlei Diskussion möglich ist. Denn die oben dargestellte Eindeutigkeit der im Streit stehenden Werbeaussage setzt ein korrektes Sprachverständnis voraus und dem Verkehr sind sprachliche Ungenauigkeiten nicht völlig fremd. Eine relevante Irreführungsgefahr ist jedoch auch dann gegeben, wenn sich die hier vorliegende Falschangabe im äußeren Erscheinungsbild von einer „dreisten Lüge“ (vgl. BGH, WRP 2000,1402, 1403- Falsche Herstellerpreisempfehlung) noch unterscheiden mag. Denn auch unter Würdigung der von der Klägerin als klarstellend angesehenen Textpassagen bleibt die Werbung insgesamt für einen erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs irritierend und mißverständlich.
Die Werbung der Klägerin soll herausstellen, daß die Klägerin die Gebühren für ein vermitteltes Gespräch nur nach dem normalen Festnetztarif berechnet, während die anderen Anbieter, die einen Auskunftsdienst betreiben, für ein vermitteltes Gespräch höhere Gebühren verlangen als für ein Direktgespräch. Ein Kunde, der das Verhalten der anderen Anbieter kennt, wird in der Lage sein, die Werbeaussage der Klägerin trotz ihrer sprachlichen Mängel im Ergebnis richtig zu verstehen. Es kann jedoch nicht angenommen werden, daß diese Kenntnis allgemein oder auch nur weit verbreitet ist. Die meisten Verbraucher greifen auf Auskunftsdienste eher selten zurück und interessieren sich für deren Preisgestaltung daher nur am Rande. Sofern ihnen die Tarifstrukturen nicht bekannt sind, werden sie nicht damit rechnen, daß zusätzlich zu den Kosten, die durch den Vorgang der Auskunft und Weitervermittlung als solchen entstehen, auch noch erhöhte Gebühren für das weitervermittelte Gespräch anfallen können. Der Verbraucher erwartet vielmehr, wie die Klägerin in ihrem vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 30.10.2000 selbst zutreffend bemerkt hat, daß das vermittelte Gespräch zu den normalen Tarifen abgerechnet wird. Für einen Werbeadressaten, der die Tarifstruktur der anderen Anbieter nicht kennt, läßt sich aus der Werbung der Klägerin, in der diese Kenntnis nicht vermittelt sondern gleichsam vorausgesetzt wird, eine verständliche Aussage kaum entnehmen. So muß sich die Überschrift – „XXXX. Die einzige Auskunft, die Sie zum gewohnten Netztarif weitervermittelt.“-für den unbefangenen Leser nicht notwendig auf die Kosten des vermittelten Gesprächs beziehen. Für denjenigen, der von der diesbezüglichen Kostenproblematik nichts weiß, wird es eher naheliegen, den Hinweis zu dem „gewohnten Netztarif“ auf das Gespräch mit dem Auskunftsdienst zu beziehen. Sprachlich klarer gefaßt ist demgegenüber der im Fließtext unmittelbar vor der beanstandeten Aussage stehende Satz: „Mit XXXX wechseln Sie bei Weitervermittlung nur in den normalen Festnetztarif der Deutschen Telekom.“ Für sich genommen ist dieser Satz eindeutig und zutreffend. Er ist aber nicht deutlicher herausgestellt, als die ihm nachfolgende unzutreffende Aussage. Zudem ist diese Aussage, mit der griffig und einprägsam ein Resümee gezogen wird, ihrem Inhalt nach eher geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und auf das Verständnis des Lesers prägend einzuwirken, als die zutreffende aber wenig spektakulär erscheinende Information in dem vorangehenden Satz.
Im Ergebnis wird die Irreführungsgefahr auch nicht durch die Überlegung ausgeräumt, daß der Verbraucher mit einer Kostenfreiheit des weitervermittelten Gesprächs nicht ernsthaft rechnen könne. Allerdings ist dem durchschnittlich verständigen und informierten Verbraucher bewußt, daß ein Kaufmann nichts zu verschenken hat. Die Annahme, die Kosten eines vermittelten Gesprächs seien unabhängig von der Dauer dieses Gesprächs und der jeweils zu überbrückenden Entfernung in jedem Fall mit der Auskunftsgebühr abgegolten, liegt bei vernünftiger Betrachtung fern.
Andererseits ist es für den Verbraucher gerade im Bereich der Telefondienstleistungen nicht ungewohnt, daß einzelne Leistungskomponenten zu sensationell erscheinenden Preise angeboten werden. Vor allem aber kann von dem Verbraucher nicht generell erwartet werden, daß er werbewirksam offerierte Angebote unter Einbeziehung möglicher Mißbrauchsmöglichkeiten auf ihre wirtschaftliche Sinnhaftigkeit hin prüft. So kann der Adressat der vorliegenden Werbung deren Aussage auf ein im Rahmen des Üblichen liegendes Gespräch beziehen, das als „Zugabe“ aus der Sicht der Klägerin noch wirtschaftlich vertretbar erscheinen könnte. Er muß Mißbrauchsmöglichkeiten, von denen er selbst keinen Gebrauch machen will, nicht unbedingt in Erwägung ziehen. Er kann schließlich auch glauben, daß die Klägerin einer mißbräuchlichen Ausnutzung der (vermeintlich) angebotenen Kostenfreiheit in anderer Weise einen Riegel vorschiebt, ohne diese „selbstverständliche“ Einschränkung in der Werbung zu erwähnen. Nach allem lag ein Wettbewerbsverstoß der Klägerin vor, der die im Streit stehenden Ansprüche der Beklagten ursprünglich rechtfertigte.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern (§ 574 ZPO).