AG Oldenburg (Holstein) – Az.: 25 (18) C 945/13 – Beschluss vom 22.11.2013
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 18.11.2013 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auf 480 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin trägt als Strom-Versorgerin (Grundversorgung) des Antragsgegners Zahlungsrückstände des Antragsgegners in Höhe von 536 EUR sowie ausstehende monatliche Abschläge vor. Sie beantragt, es dem Antragsgegner aufzugeben, die Unterbrechung der Stromversorgung zu dulden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Antragsschrift vom 18.11.2013 (Bl. 20 d.A.), ergänzt durch Schriftsatz vom 19.11.2013 (Bl. 35 d.A.).
II.
Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist unzulässig. Unzulässig sind Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung jedenfalls dann, wenn mit diesen eine rechtlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt wird (etwa OLG Hamm, Beschluss vom 29.11.1991, Az. 26 W 15/91 = NJW-RR 1992, 640; vgl. auch MK-Drescher, ZPO, § 938 Rn. 8). Dies ist hier bei dem Antrag auf Anordnung der Duldung des Ausbaus der Vorsicherung (Antrag zu 1.) bzw. des Stromzählers (Antrag zu 2.) der Fall.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem Antrag faktisch die vollständige Befriedigung bezogen auf ihr Rechtsschutzziel der Duldung der Stromunterbrechung. Faktisch soll mit der beantragten einstweiligen Verfügung nicht die Verwirklichung eines Rechtes einstweilig gesichert, sondern dieses Recht – nämlich das Recht zur Unterbrechung der Versorgung – bereits endgültig durchgesetzt werden. Die begehrte Maßnahme erschöpft sich praktisch und ihrer Natur nach zwingend in einem einmaligem Zugriff auf die Versorgungseinrichtungen im Besitz des Antragsgegners. Ist die Versorgung dort einmal unterbrochen, bleibt sie dies für immer bzw. bis der Antragsteller seinerseits wieder aktive Schritte unternimmt, um die Versorgung wiederherzustellen (vgl. überzeugend hierzu LG Potsdam, Urteil vom 02.05.2008, Az. 13 T 23/08 = NZM 2009, 159). Derartige auf endgültige Erfüllung gerichtete Anträge sollen jedoch nach der geltenden Konzeption der ZPO grundsätzlich nicht im Eilverfahren, sondern im ordentlichen Hauptverfahren geprüft werden.
Dem kann zur Überzeugung des Gerichts auch nicht entgegengehalten werden, in der Hauptsache ginge es in derartigen Konstellationen nicht um die Duldung der Stromsperre als bloße Nebenpflicht, sondern um die Durchsetzung der Zahlungsverpflichtung – eine Vorwegnahme der Hauptsache scheide daher aus (so aber: OLG Koblenz, Beschluss vom 14.12.2004, Az. 8 W 826/04, Juris; AG Oldenburg (Holstein), Beschluss vom 20.08.2009, Az. 23 C 697/09, Juris; AG Oldenburg (Holstein), Beschluss vom 03.07.2013, Az. 23 C 480/13, nicht veröffentlicht). Denn die Definition der „Hauptsache“ im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung von § 938 ZPO hat zur Überzeugung des Gerichts nach zivilprozessualen Grundsätzen zu erfolgen und darf sich nicht an der rein materiellrechtlichen Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenpflichten orientieren (vgl. hierzu auch überzeugend LG Potsdam, a.a.O.; AG Merseburg, Urteil vom 23.05.2008, Az. 6 C 128/08, Juris). Bei der Anwendung von prozessrechtlichen Grundsätzen kann jedoch nur von Bedeutung sein, was Streitgegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens ist und ob hinsichtlich dieses Streitgegenstandes (im Vergleich zur hypothetischen Durchführung eines Hauptverfahrens bzgl. eben dieses Streitgegenstandes) eine endgültige Befriedigung eintritt. Streitgegenstand ist in den hier vorliegenden Konstellationen jedoch unzweifelhaft die Begehr der Antragstellerin, keinen Strom mehr zur Verfügung stellen zu müssen – und hinsichtlich dieses Streitgegenstandes tritt vollständige und nachhaltige Erfüllung ein, die hinter einer Entscheidung in der Hauptsache in keiner Weise zurücktritt. Dass es daneben noch eine Reihe weiterer denkbarer Streitgegenstände in einem Energielieferungsverhältnis geben kann, wie etwa Zahlungsansprüche, ist daneben ohne Bedeutung.
Bei dieser Konstellation der drohenden Vorwegnahme der Hauptsache kommt nach allgemeinen Grundsätzen der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur noch in Ausnahmefällen und nur dann in Betracht, wenn durch das Versagen einer solchen Verfügung eine irreparable Schädigung des Antragstellers droht (vgl. MK-Drescher, ZPO, § 938 Rn. 9 ff.). Derartiges ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Durch den Umstand, dass sie während eines durchzuführenden Hauptverfahrens noch weiter Strom an den Antragsgegner im Gegenwert von einigen 100 EUR wird liefern müssen, gerät die Antragstellerin nicht in existenzielle Bedrängnis. Dem steht auch nicht entgegen, dass sie während dieser Zeit das Insolvenzrisiko des Antragsgegners zu tragen hat. Es handelt sich hierbei um das allgemeine Lebensrisiko jedes im Geschäftsverkehr Tätigen, der auf die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche angewiesen ist. Dieses Risiko rechtfertigt nicht den sofortigen Übergang in Eilverfahren nach §§ 935 ff. ZPO.
Zuletzt folgt auch nichts anderes aus dem Umstand, dass die Antragstellerin hierdurch im Ergebnis und im Unterschied zu anderen Vertragskonstellationen weiterhin trotz entgegenstehenden Willens die Entnahme von Leistungen erdulden muss, da sie ihr Zurückbehaltungsrecht nicht selbst durchsetzen kann. Der Gesetzgeber hat den besonderen Umständen der Energieversorgungsverträge durch ein ausgewogenes Regelwerk wechselseitiger Rechte und Pflichten insb. in der StromGVV – die nach dem Vortrag jedenfalls der Antragstellerin auch hier greift – Rechnung getragen. Insbesondere dem hier nachvollziehbar problematisierten Umstand der Vorleistungspflicht der Unternehmer hat der Gesetzgeber dabei umgekehrt durch eine Reihe von Privilegien Rechnung getragen, die in keinem anderen Lebensbereich anzutreffen sind. Zu nennen ist hier insbesondere der auch im Gesetzgebungsverfahren eben mit dem Problem der Vorleistungspflicht gerechtfertigten Umstand, dass Rechnungen der Stromversorger stets aus sich heraus fällig werden und dem Kunden lediglich der Einwand offensichtlicher Fehlerhaftigkeit eingeräumt wird – jeder andere Einwand hingegen abgeschnitten und auf den Regressprozess verwiesen ist (§ 17 Abs. 1 StromGVV). Eine weitere Privilegierung im Hinblick auf die Anforderungen, etwa an Anträge im einstweiligen Verfügungsverfahren, sind in der StromGVV hingegen nicht enthalten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
IV.
Das Gericht konnte über den Antrag ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschlusswege entscheiden. Für den Fall der Zurückweisung eines entsprechenden Antrages ist eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich, § 922 Abs. 3 ZPO (vgl. hierzu auch BeckOK, ZPO, § 922 Rn. 5).