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Sachverständigenverpflichtung zu einer Bauteilöffnung im selbstständigen Beweisverfahren

OLG Oldenburg –  Az.: 3 W 30/13 – Beschluss vom 21.11.2013

Auf die Beschwerde des Sachverständigen wird der Beschluss der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 20.09.2013 aufgehoben.

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde, mit der sich der Sachverständige gegen die Anweisung wendet, selbst oder durch Dritte Bauteilöffnungen in fremdem Eigentum vorzunehmen, ist zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

I.

Der Antragsteller war Eigentümer des Grundstücks … in … .

Die Antragsgegnerin errichtete dort im Auftrag des Klägers ein Wohnhaus mit 5 Wohneinheiten.

Randnummer 4

Der Antragsteller beanstandete gegenüber der Antragsgegnerin Baumängel, die nach dem von ihm vorab eingeholten Privatgutachten des Dipl. Ing. D …… vom 01.04.2011 zum Eindringen von Feuchtigkeit führen.

Der Antragsteller beantragte hierzu am 02.07.2012 im selbständigen Beweisverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Er versicherte in diesem Zusammenhang, dass er noch Miteigentümer des Grundbesitzes sei.

Das Landgericht erließ am 07.08.2012 den von dem Antragsteller beantragten Beweisbeschluss und bestellte den Beschwerdeführer zum Sachverständigen. Der Beschwerdeführer beraumte einen Ortstermin auf den 24.10.2012 an und bat die Beteiligten, einen Baufacharbeiter mit geeignetem Werkzeug vorzuhalten, der auf seine Weisung Bauteilöffnungen vornehmen könne; hierfür sei die Einwilligung der Eigentümer erforderlich.

Der Antragsteller teilte dem Sachverständigen daraufhin am 19.09.2012 mit, dass ein Baufacharbeiter mit geeignetem Werkzeug nicht bereit gehalten werden könne; wenn auch die Antragsgegnerin nicht dafür sorgen könne, müsse der Sachverständige selbst einen Baufacharbeiter mit geeignetem Werkzeug bereitstellen.

Der Sachverständige bat das Gericht am 20.09.2012 um eine Weisung, wie er weiter zu verfahren habe.

Im Ortstermin vereinbarten die Beteiligten, dass zunächst eine eventuelle Erweiterung des Beweisbeschlusses sowie die Erweiterung des Verfahrens auf der Antragsgegnerseite durch Streitverkündung abgewartet werden soll.

Der Antragsteller hat inzwischen sämtliche Eigentumswohnungen verkauft. Er ist Verwalter der Wohnungseigentumsgemeinschaft.

Die Eigentümergemeinschaft hat den Antragsteller in der Eigentümerversammlung vom 16.11.2012 dazu bevollmächtigt, Nacherfüllungs- und Gewährleistungsansprüche sowohl am Sondereigentum als auch am Gemeinschaftseigentum geltend zu machen und durchzusetzen.

Der Sachverständige hat erneut Termin zur Besichtigung auf den 26.03.2012 anberaumt und diese Ladung wiederum mit der Bitte versehen, einen Baufacharbeiter mit geeignetem Werkzeug vorzuhalten, der auf seine Weisung Bauteilöffnungen vornehmen könne.

Der Antragsteller hat am 26.02.20013 mehreren, ihm von der Antragsgegnerin benannten Nachunternehmern den Streit verkündet, von denen die Firma B … B … dem Verfahren auf Seiten der Antragsgegnerin beigetreten ist.

Nachdem der Antragsteller dem Sachverständigen erneut mitgeteilt hatte, dass er keinen Baufacharbeiter mit geeignetem Werkzeug stellen könnte, da er Privatperson sei, hat der Sachverständige den Ortstermin abgesetzt und dem Gericht mitgeteilt, dass er die Beweisfragen ohne Bauteilöffnung nicht beantworten könne. Der Antragsteller sei Hausverwalter des streitgegenständlichen Objekts; es sei ihm sicherlich möglich, einen Baufacharbeiter zu beauftragen. Daraufhin stellte das Landgericht durch Beschluss vom 28.03.2013 klar, dass der Sachverständige befugt sei, Hilfspersonen mit etwa erforderlich werdenden Bauteilöffnungen zu beauftragen. Zugleich gab es dem Sachverständigen auf, die zu erwartenden Kosten vorab mitzuteilen. Der Sachverständige teilte daraufhin am 09.03.2013 mit, dass er in Bezug auf Schäden, die durch die Bauteilöffnung verursacht würden, keine Haftpflichtversicherung vorhalte und bat um eine Freistellung von jedweder Haftung durch das Gericht; widrigenfalls bat er darum, ihn vom Sachverständigenauftrag zu entbinden. Er teilte ferner mit, dass ein weiterer Kostenvorschuss von 4.000 € erforderlich sei. Diesen Vorschuss hat der Antragsteller eingezahlt.

Mit Verfügung vom 27.05.2013 gab das Landgericht dem Sachverständigen auf, darzulegen, in welchem Umfang eine Bauteilöffnung erfolgen müsse und welche Risiken damit für die Bausubstanz und das Eigentum verbunden seien. Dies sei erforderlich, damit die Eigentümer wirksam in die Bauteilöffnung einwilligen könnten; ggfs. sei die Haftung des Sachverständigen gemäß § 839a Abs. 1 BGB für fehlerhafte Weisungen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt; in Betracht komme allenfalls noch ein Auswahlverschulden gemäß § 831 BGB im Hinblick auf das mit der Bauteilöffnung beauftragte Unternehmen.

Der Sachverständige stellte mit Schreiben vom 13.06.2013 Umfang und mögliche Folgen der zur Beantwortung der Beweisfragen notwendigen Bauteilöffnung dar; er bezweifelte die Notwendigkeit, die Bauteilöffnung selbst oder durch von ihm zu beauftragende Hilfspersonen ausführen zu lassen und verwies auf die Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte, wonach eine solche Weisung nicht durch § 404a ZPO gedeckt sei.

 

Der Antragsteller brachte am 21.08.2013 auf entsprechende Anfrage des Landgerichts Erklärungen sämtlicher Wohnungseigentümer bei, wonach diese in eine erforderliche Bauteilöffnung und die damit verbundenen Risiken einwilligen.

Der Sachverständige beraumte wiederum Ortstermin auf den 30.09.2013 an und bat den Antragsteller, einen Baufacharbeiter mit geeignetem Werkzeug vorzuhalten, der auf seine Weisung Bauteilöffnungen vornehmen könne.

Der Antragsteller teile am 04.09.2013 wiederum mit, dass er nicht in der Lage sei, einen Baufacharbeiter vorzuhalten. Am 18.09.2013 teilte der Antragsteller dem Landgericht mit, das ihm an einer zügigen Feststellung der Mängel und der Beseitigung gelegen sei. Er habe kein Vertrauen mehr in den Sachverständigen. Es stelle sich die Frage, ob dieser geeignet und in der Lage sei, den erteilten Auftrag überhaupt zu übernehmen. Es werde um Überprüfung gebeten, ob nicht ein anderer geeigneter Sachverständiger mit der Begutachtung beauftragt werden könne.

Der Sachverständige hat den Ortstermin aufgehoben.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Sachverständigen angewiesen, die zur Beantwortung der Beweisfrage erforderlichen Maßnahmen – auch Bauteilöffnungen – durchzuführen, gegebenenfalls durch Beauftragung einer Drittfirma.

Das Gericht beantworte die umstrittene Frage, ob ein Sachverständiger zu Bauteilöffnungen verpflichtet werden könne dahin, dass das zu den Aufgaben eines Sachverständigen gehöre.

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde wendet sich der Sachverständige gegen die ihm erteilte Weisung. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb das Haftungsrisiko der beweisführenden Partei auf den Sachverständigen verlagert werde. Es sei auch nicht nachzuvollziehen, weshalb ihn das Landgericht anweisen könne, Verträge mit Dritten einzugehen.

Der Beschwerdeführer beantragt, in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Osnabrück vom 20.09.2013, ihn nicht zur Durchführung von Bauteilöffnungen am streitgegenständlichen Objekt zu verpflichten oder mit der Beauftragung einer Drittfirma für selbige Arbeiten.

Die Parteien haben im Beschwerdeverfahren nicht Stellung genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist statthaft. Zwar ist das in Bezug auf eine Weisung des Gerichts gemäß § 404a ZPO nicht im Gesetz ausdrücklich bestimmt.

Der Beschluss kann jedoch als eine Entscheidung gewertet werden, die eine mündliche Verhandlung nicht erfordert und mit der ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Der Beschwerdeführer war also nicht gehalten, erst die Festsetzung von Ordnungsmitteln wegen der Verweigerung der Gutachtenerstattung nach § 409 Abs. 1 ZPO abzuwarten (i. E. ebenso OLG Rostock, BauR 2003 S. 757).

2. Die Voraussetzungen für eine Weisung des Sachverständigen gemäß § 404a Abs. 1 und 4 ZPO sind nicht erfüllt.

Dabei kann offen bleiben, welcher Auffassung zu der Frage, ob einem Sachverständigen die bindende Weisung erteilt werden kann, Bauteilöffnungen vorzunehmen, der Vorzug zu geben ist (bejahend: OLG Celle, BauR 1998 S. 1281; OLG Düsseldorf BauR 1997, S. 697; OLG Frankfurt BauR 1998 S. 1052; OLG Stuttgart, OLGR 2006 S. 769;

OLG Düsseldorf NJW-RR 1997 S. 1360; Thüringer Oberlandesgericht, ZfIR 2007 S. 253; OLG Celle Baurecht 2005 S. 1358; Liebheit, Baurecht 1998 S. 1510 und 1790; verneinend: OLG Brandenburg, BauR 1996 S. 432; OLG Hamm, IBR 2007 S. 160; OLG Frankfurt OLGR 2004 S. 145; OLG Rostock, BauR 2003 S. 757; OLG Bamberg, BauR 2002 S. 829; LG Limburg, 2 0 170/06; LG Saarbrücken 15 OH 41/11;  LG Kiel 9 OH 49/07; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 14. Aufl., Rn. 91; Dötsch, NZBau 2008 S. 217; Motzke, BauR 213 S. 304 ff).

a) Denn selbst wenn der zuerst genannten Auffassung zu folgen wäre, müsste die Weisung gemäß § 404a Abs. 4 ZPO erforderlich sein. Das kann ohne nähere Begründung seitens des Antragstellers nicht festgestellt werden.

Der Antragsteller des vorliegenden Beweisverfahrens hat sowohl rechtlich als auch tatsächlich die Möglichkeit, selbst für die Bauteilöffnung zu sorgen. Der Antragsteller ist Verwalter der Wohnungseigentumsgemeinschaft. Er hat die Zustimmung aller Wohnungseigentümer für eine notwendige Bauteilöffnung. Zu den Geschäften eines Wohnungseigentumsverwalters gehört es auch, erforderlichenfalls Handwerker zu beauftragen, um Arbeiten am Gemeinschaftseigentum auszuführen.

Den Antragsteller trifft zudem die Beibringungs-  und Prozessförderungspflicht.

b) § 404a Abs. 4 ZPO ist zudem eine Kann-Vorschrift, so dass auf der Rechtsfolgenseite Ermessen auszuüben ist. Die Ausübung von Ermessen ist weder dem angefochtenen Beschluss noch der Nichtabhilfeentscheidung zu entnehmen.

Abgesehen davon, dass es bisher an einer nachvollziehbaren Erklärung dafür fehlt, weshalb nicht der Antragsteller selbst für die Bauteilöffnung sorgen könne, sind dem Beschluss auch keine Erwägungen dazu zu entnehmen, weshalb dem ausdrücklich gestellten – und vom Antragsteller befürworteten – Antrag auf Entpflichtung nicht der Vorrang vor der erteilten Weisung zu geben war. Für den Vorrang der Entpflichtung spricht, dass die Weisung den Beschwerdeführer, der selbst kein Bauunternehmen unterhält, zwingen würde, Verträge mit Dritten einzugehen und seinen Versicherungsschutz zu erweitern. Es kommt hinzu, dass sich der Sachverständige nicht darauf verlassen kann, dass lediglich die Haftungsrisiken des § 839a BGB zu versichern wären. § 839a BGB beschränkt die Haftung des Sachverständigen nur für solche Schäden auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz, die durch eine gerichtliche Entscheidung entstehen, die auf dem Gutachten beruht. Es ist deshalb zweifelhaft und ungeklärt, ob das vom Landgericht nach Maßgabe des Aufsatzes von Liebheit (Baurecht 2008, S. 1510 ff und S. 1790 ff) gewählte Vorgehen die Haftung des Sachverständigen für Schäden am Eigentum der Parteien oder Dritter wirksam auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz beschränken kann.

Unter dem Gesichtspunktpunkt der Verhältnismäßigkeit kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer sich auf eine in der Rechtsprechung und Literatur weit verbreitete Rechtsauffassung beruft, die sich auf beachtliche Argumente stützen kann.

III.

Aufgrund des Erfolgs der Beschwerde ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst. Etwaige Kosten sind Kosten des Beweisverfahrens.

 

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