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Unterhaltsschaden: Bemessungsfragen

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: VI ZR 346/02

Urteil vom 04.11.2003

Vorinstanzen: OLG Schleswig – LG Kiel


Leitsatz:

Bei der Bemessung des Unterhaltsschadens sind dem fiktiven Nettoeinkommen des Getöteten Eigenheimzulagen und Kinderzulagen zurechenbar.


Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2003 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 29. August 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 und 3 wurde am 18. Oktober 1993 bei einem von dem Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall tödlich verletzt. Die volle Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten allein über den Ersatz entgangener Bauförderung.

Im Jahre 1988 hatten die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann eine Eigentumswohnung gekauft und dafür je zur Hälfte die Steuerabschreibung nach § 10 e EStG in Anspruch genommen. Sie wollten diese Wohnung später gewinnbringend veräußern und mit dem Erlös unter gemeinsamer Inanspruchnahme der weiteren Abschreibungsmöglichkeit nach § 10 e EStG den Erwerb eines Hausgrundstücks für sich und die Kinder finanzieren. Mit Vertrag vom 14. Oktober 1993 kauften die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück für 460.000 DM. Da die Kläger nach dem Tod des Verunglückten die finanziellen Belastungen aus dem Kauf des Hausgrundstücks nicht tragen konnten, wurde der Kaufvertrag am 22. Oktober 1993 aufgehoben. Im Jahr 1997 erwarben die Kläger als Miteigentümer eine Doppelhaushälfte, die sie seit August 1997 bewohnen.

Die Kläger haben in erster Instanz die Zahlung entgangener Eigenheim- und Kinderzulage sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftig entgehender weiterer Bauförderung verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug haben die Kläger auf Hinweis des Gerichts ihre Klage umgestellt und zuletzt Zahlung erhöhter Unterhaltsrenten für die Zeit von Januar 1997 bis August 2001 sowie die Feststellung einer diesbezüglichen Zahlungspflicht der Beklagten für die Zeit bis Ende 2004 begehrt. Sie sind der Auffassung, die Eigenheimzulage und die Kinderzulage von insgesamt 8.000 DM jährlich seien Beträge, die dem fiktiven Nettoeinkommen des Verstorbenen unterhaltserhöhend zuzurechnen seien. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer zugelassenen Revision begehren die Beklagten Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht führt aus, Ausgangspunkt der Berechnung der Unterhaltsrenten sei der nach familienrechtlichen Vorschriften geschuldete Unterhalt. Eigenheimzulage und Kinderzulage seien Bestandteile des maßgeblichen unterhaltsrechtlich verfügbaren Einkommens. Bei diesen Leistungen handele es sich nicht etwa um Steuervergünstigungen, sondern um Zuschüsse, die der Finanzierung des Wohnbedarfs dienten, für den der Verstorbene zu sorgen gehabt habe.

Der Klägerin zu 1 stehe infolge des Todes ihres Ehemannes ein Anspruch auf diese Zulagen nicht mehr zu. Wegen Objektverbrauchs sei eine zweite Förderung für sie nunmehr ausgeschlossen. Dadurch sei allen drei Klägern ein Schaden entstanden. Soweit die Kläger zu 2 und 3 aufgrund ihrer Miteigentumsanteile einen eigenen Anspruch auf Zulagen haben könnten, müßten sie diesen nicht zur Schadensminderung einsetzen. In dem zwischen den Parteien im Jahre 1999 geschlossenen Vergleich sei ein Schaden aus dem Verlust der Zulagen bewußt ausgeklammert worden. Den Klägern hätten zur Befriedigung ihres Wohnbedarfs ab 1997 acht Jahre lang jährlich 8.000 DM zur Verfügung gestanden. Um diesen Betrag erhöhe sich das für die Berechnung der Unterhaltsrenten maßgebende fiktive Nettoeinkommen des Verstorbenen.

Das angegriffene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der gesamte Streitgegenstand. Sollte das Berufungsgericht beabsichtigt haben, die Zulässigkeit der Revision auf eine Rechtsfrage zu beschränken, so wäre diese Beschränkung unbeachtlich; die Zulassung erstreckt sich in einem solchen Fall auf den gesamten prozessualen Anspruch (Streitgegenstand), soweit er von dieser Rechtsfrage berührt wird (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 – VI ZR 131/02 – NJW 2003, 2012 und BGHZ 101, 276, 278, jeweils m.w.N.).

2. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, daß für die Höhe des geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von Unterhaltsrenten gem. § 844 Abs. 2 BGB der fiktive gesetzlich geschuldete Unterhalt maßgebend ist (vgl. Senatsurteile vom 23. September 1986 – VI ZR 46/85 – VersR 1987, 156, 157; vom S.Juli 1988 – VI ZR 299/87 – VersR 1988, 1166, 1168 und vom 5. Dezember 1989 – VI ZR 276/88 – VersR 1990, 317 f., jeweils m.w.N.; BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 – III ZR 50/78 – VersR 1979, 1029).

3. Entgegen der Ansicht der Revision ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß zu dem unterhaltsrechtlich erheblichen (fiktiven) Einkommen auch die Eigenheim- und Kinderzulagen zählen, die dem Unterhaltspflichtigen im Erlebensfall nach § 9 Abs. 2 und Abs. 5 EigZuIG gewährt worden wären.

a) Die Frage, ob Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz Einfluß auf die Höhe von Unterhaltsansprüchen haben können, ist in Rechtsprechung und Literatur bisher erst vereinzelt erörtert worden. So hat das Oberlandesgericht München entschieden, daß die Eigenheimzulage die auf der Wohnung liegenden, vom Mietwert unterhaltsrechtlich abzuziehenden Belastungen mindere, denn die Fördermittel seien gemäß ihrem Zweck schuldmindernd anzusetzen (OLG München, FamRZ 1999, 251, 252 m.w.N.). In dieselbe Richtung weisen die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland (Stichwort: Unterhaltsrechtliches Einkommen, Ziff. 5, in: FamRZ 2003, 910). In der Literatur wird die Eigenheimzulage unterhaltsrechtlich als Einkommen angesehen (s. Wendl/Staudigl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1, Rdn. 233).

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Bemessung der Höhe von Unterhaltsansprüchen grundsätzlich alle Einkünfte heranzuziehen, die dem Unterhaltsschuldner zufließen, gleich welcher Art diese Einkünfte sind und aus welchem Anlaß sie im einzelnen erzielt werden (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 1982 – IVb ZR 647/80 – FamRZ 1982, 252, 253; vom 26. Januar 1983 – IVb ZR 351781 – FamRZ 1983, 352, 353; vom 7. Mai 1986 – IVb ZR 55/85 – FamRZ 1986, 780, 781; vom 6. Oktober 1993

– XII ZR 112/92- FamRZ 1994, 21, 22 und vom 22. Februar 1995

– XII ZR 80/94- FamRZ 1995, 537, 538, jeweils m.w.N.). Bei öffentlichrechtlichen Leistungen ist deren sozialpolitische Zweckbestimmung für die unterhaltsrechtliche Beurteilung nicht ohne weiteres maßgebend. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Einkünfte tatsächlich zur (teilweisen) Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehen (vgl. BGH, Urteile vom 26. Januar 1983

– IVb ZR 351/81 – aaO; vom 7. Mai 1986 – IVb ZR 55/85- aaO und vom 6. Oktober 1993 – XII ZR 112/92 – aaO, jeweils m.w.N.).

c) Nach diesen Grundsätzen sind an den Unterhaltspflichtigen ausgezahlte Eigenheim- und Kinderzulagen nach § 9 Abs. 2 und Abs. 5 EigZuIG unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. Dafür spricht schon, daß diese Leistungen keine einmaligen Zahlungen darstellen, sondern regelmäßig über einen längeren Zeitraum erfolgen. Nach § 3 EigZuIG können Eigenheim- und Kinderzulagen bis zu acht Jahre in Anspruch genommen werden. Durchgreifende Gründe, sie unterhaltsrechtlich unberücksichtigt zu lassen, obwohl sie die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen tatsächlich erhöhen, sind nicht ersichtlich.

aa) Dem von der Revision hervorgehobenen Ausnahmecharakter des § 844 Abs. 2 BGB (vgl. BGHZ 18, 286, 289) kommt hierbei keine Bedeutung zu. Der Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflicht bestimmt sich nicht nach § 844 Abs. 2 BGB, sondern nach den unterhaltsrechtlichen Vorschriften. Den nach diesen Normen geschuldeten Unterhalt setzt § 844 Abs. 2 BGB voraus.

bb) Die Revision kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, steuerrechtliche Fragen seien für die Bemessung der Unterhaltsrente nach § 844 Abs. 2 BGB schlechthin unerheblich. Zwar hat der erkennende Senat entschieden, daß der Verlust des Splitting-Tarifs (Halbierung des Gesamteinkommens der Eheleute und Verdoppelung des danach ermittelten Steuerbetrages) und der für Eheleute günstigeren Pauschal- und Höchstbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben bei Ersatzansprüchen aus § 844 Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt werden könne, weil es sich dabei um einen allgemeinen Vermögensschaden des überlebenden Ehegatten handele (Senatsurteil vom 10. April 1979 – VI ZR 151/75 – VersR 1979, 670, 672). Demgegenüber können steuerrechtlich relevante Tatsachen für den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB aber dann von Bedeutung sein, wenn sie das unterhaltsrechtlich relevante (fiktive) Einkommen des Getöteten beeinflussen (vgl. Senatsurteile BGHZ 137, 237, 243 ff. m.w.N. und vom 20. März 1990 – VI ZR 129/89 – VersR 1990, 748, 749). Dies ist bei Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz der Fall, unbeschadet der hier nicht zu entscheidenden Frage, ob diese Leistungen überhaupt dem Steuerrecht zuzurechnen sind (vgl. Wacker, EigZuIG, 3. Aufl., Einleitung Rdn. 70 ff.).

Der Anrechnung der Zulagen steht nicht entgegen, daß bei der Ermittlung des verteilungsfähigen Einkommens des Unterhaltspflichtigen zur Bemessung des Unterhaltsschadens die Aufwendungen zur Tilgung der für ein Eigenheim aufgenommenen Schulden außer Betracht zu bleiben haben. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil Tilgungsleistungen der Vermögensbildung dienen. Sie erhöhen nicht die zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehenden Einkünfte des Unterhaltspflichtigen. Dagegen sind Zinsbelastungen, die wirtschaftlich – jedenfalls auch – der Finanzierung des Wohnbedarfs dienen, insofern der Miete vergleichbar und deshalb in Höhe des Mietzinses für eine angemessene Mietwohnung als fixe Kosten zu behandeln und unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 5. Dezember 1989 – VI ZR 276/88 – aaO, S. 318).

cc) Der aus der Entstehungsgeschichte ersichtliche Gesetzeszweck spricht ebenfalls nicht dagegen, diese Zulagen unterhaltserhöhend zu berücksichtigen. Zwar ist der Revision zuzugeben, daß der Gesetzgeber mit dem Eigenheimzulagengesetz gerade Familien mit kleinem oder mittlerem Einkommen den Erwerb von selbst zu nutzendem Wohneigentum und damit eine auch der Altersvorsorge dienende Art der Vermögensbildung durch einen progressionsunabhängigen Zuschuß erleichtern wollte (vgl. schon zu § 10 e EStG a.F. BT-Drs. 10/3363, S. 10; zum Eigenheimzulagengesetz BT-Drucks. 13/2235, S. 14; BR-Drucks. 498/95, S. 3, 7 ff. und 13; Wacker, aaO, Einleitung Rdn. 45 ff.). Die Zulagen dienen jedoch schon deshalb nicht allein der Vermögensbildung, weil ihr Empfänger über sie frei verfügen kann und hinsichtlich ihrer Verwendung keinerlei Bindung unterliegt.

dd) Anhaltspunkte dafür, daß Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz nach dem Willen des Gesetzgebers unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen wären, finden sich auch nicht in anderen gesetzlichen Regelungen.

So läßt der Umstand, daß der Gesetzgeber die Eigenheimzulage nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen hat, deren unterhaltsrechtliche Einordnung als Einkommen unberührt. Steuerrechtliches und unterhaltsrechtliches Einkommen müssen sich nicht decken (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1986 – IVbZR 79/85- FamRZ 1987, 46, 48 m.w.N.). Unerheblich ist auch, daß die Eigenheimzulage im Anwendungsbereich des § 194 Abs. 3 Nr. 4 SGB III nicht als Einkommen gilt, soweit sie nachweislich dem Förderzweck entsprechend verwendet wird. Damit hat der Gesetzgeber die Eigenheimzulage nicht schlechthin, sondern nur sozialrechtlich unter einer bestimmten Voraussetzung der Einstufung als Einkommen entzogen. Der sozialrechtliche und der unterhaltsrechtliche Einkommensbegriff sind aber nicht deckungsgleich (vgl. im Hinblick auf §194 Abs. 3 Nr. 1 SGB III: BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 – XII ZR 80/94- aaO). Demgegenüber spricht für eine unterhaltsrechtliche Berücksichtigung der Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz, daß nach § 9 BErzGG durch die Zahlung von Erziehungsgeld und anderen vergleichbaren Leistungen Unterhaltsverpflichtungen grundsätzlich – von dort genannten Ausnahmen abgesehen – nicht berührt werden. Das Eigenheimzulagengesetz enthält keine dementsprechende Bestimmung. Da die Regelung im Bundeserziehungsgeldgesetz älter ist, hätte eine der darin getroffenen Bestimmung entsprechende Regelung im Eigenheimzulagengesetz nahegelegen, wenn der Gesetzgeber einen unterhaltsrechtlichen Gleichlauf beider Leistungen gewollt hätte.

ee) Einer unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von Eigenheim- und Kinderzulage steht auch nicht entgegen, daß sozialstaatliche Leistungen nach der Rechtsprechung unterhaltsrechtlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. So rechtfertigt sich eine im Vergleich zum Kindergeld unterschiedliche Behandlung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 – III ZR 50/78 – aaO und nunmehr § 1612 b BGB) daraus, daß laufende finanzielle Belastungen nicht Voraussetzung für den Anspruch auf Eigenheim- und Kinderzulage sind, sie vielmehr ohne Rücksicht darauf gewährt werden, ob im Einzelfall tatsächlich eine Zins-und Tilgungslast besteht. Die Arbeitnehmersparzulage hat der Bundesgerichtshof unterhaltsrechtlich mit Rücksicht darauf nicht als Einkommen berücksichtigt, daß schon die vermögenswirksamen Leistungen, von deren Erhalt und Höhe die Sparzulage abhängt, als Teil des Lohnes oder Gehaltes des Arbeitnehmers unterhaltserhöhend wirken, ungeachtet der Tatsache, daß der Arbeitnehmer über sie nicht verfügen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1980 – IVb ZR 530/80 – FamRZ 1980, 984 f. m.w.N.).

ff) Die unterhaltsrechtliche Anrechnung der Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz belastet den Unterhaltspflichtigen auch nicht unangemessen. So findet, wenn er für das selbst genutzte Wohneigentum, in Ansehung dessen die Zulage gewährt wird, Schuldzinsen zu zahlen hat, ein Ausgleich dadurch statt, daß er diese unterhaltsrechtlich bis zur Höhe der Miete für einen angemessenen Wohnraum geltend machen kann (vgl. Senatsurteile vom 3. Juli 1984 – VI ZR 42/83- VersR 1984, 961, 962; vom 5.Dezember 1989 – VI ZR 276/88 – aaO und BGHZ 137, 237, 240, jeweils m.w.N.).

4. Zu Recht wendet sich die Revision indes gegen die Schadensschätzung des Berufungsgerichts.

a) Der Tod des Unterhaltspflichtigen macht es erforderlich, dessen (fiktive) künftige Unterhaltspflichten in Geld zu bewerten. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt haben würden. Er muß eine vorausschauende Betrachtung vornehmen, in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Für diese Prognose gilt der Maßstab des § 287 ZPO. Das bedeutet, daß die Einschätzung des Richters nicht „in der Luft schweben“ darf, vielmehr benötigt er für die Beurteilung der zukünftigen Entwicklung greifbare Tatsachen als Ausgangspunkt. Andererseits muß sich der Richter bewußt sein, daß ihm § 287 ZPO eine besonders freie Stellung einräumt, die Schätzungen im Sinne eines Wahrscheinlichkeitsurteils erlaubt und nach Lage des Falles sogar gebieten kann, weil die Vorschrift dem Geschädigten zu einem gerechten Ausgleich verhelfen soll. Dabei hat der Tatrichter unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, die ihm § 287 ZPO bietet, bei der Festsetzung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bemessungszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu berücksichtigen. Unsicherheiten über die Bemessungsfaktoren sind im Rahmen des nach §287 ZPO Zulässigen im Schätzergebnis zu verarbeiten (vgl. Senatsurteile vom 24. April 1990 – VI ZR 183/89-VersR 1990, 907; vom 9. Oktober 1990 – VI ZR 291/89 – VersR 1991, 437, 438 und BGH, Urteil vom 3. Dezember 1999 – IX ZR 332/98 – VersR 2001, 246, jeweils m.w.N.). Einer Überprüfung dieser Schätzung durch das Revisionsgericht sind enge Grenzen gezogen; es hat nur zu prüfen, ob die Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen worden sind (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 10. April 1979 – VI ZR 151/75 -VersR 1979, 670, 671 f., BGHZ 102, 322, 330 und vom 2. Dezember 1997 – VI ZR 142/96 – VersR 1998, 333, 335 m.w.N. – in BGHZ 137, 237 insoweit nicht abgedruckt).

b) Im Streitfall beruht die Schadensschätzung auf falschen rechtlichen Erwägungen. Die getroffenen Feststellungen vermögen die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu tragen.

aa) Ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet legt das Berufungsgericht der Berechnung der den Klägern zustehenden Unterhaltsrenten allerdings die Beträge zugrunde, auf die sich Parteien in dem im Jahre 1999 geschlossenen Teilvergleich geeinigt haben.

bb) Hingegen rechtfertigen es die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, die Eigenheim- und Kinderzulage dem für die Jahre 1997 bis 2004 anzunehmenden fiktiven Einkommen des Verunglückten hinzuzurechnen.

(1) Darauf, ob die Klägerin zu 1 selbst die Möglichkeit verloren hat, für ein zweites Objekt Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz in Anspruch zu nehmen, kommt es für die Berechnung der Unterhaltsrenten nicht an. Ein solcher Rechtsverlust wäre ein nach Lage der Dinge nicht ersatzfähiger reiner Vermögensschaden der Klägerin zu 1, der darüber hinaus nur bei ihr eingetreten wäre, nicht aber bei den Klägern zu 2 und 3.

(2) Eine Erhöhung der Unterhaltsansprüche der Kläger käme vielmehr nur dann in Betracht, wenn dem Unterhaltsverpflichteten, also dem Ehemann der Klägerin zu 1, im Falle seines Fortlebens in dem bezeichneten Zeitraum Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz zugeflossen wären. Das wäre nur dann möglich gewesen, wenn zu dieser Zeit noch kein Objektverbrauch im Sinne von § 6 Abs. 3 EigZuIG vorgelegen hätte. Ein solcher wäre aber eingetreten, wenn die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann ohne dessen tödlichen Unfall bereits aus Anlaß des im Oktober 1993 erfolgten Immobilienerwerbs zum zweiten Mal von der Möglichkeit der staatlichen Förderung gem. § 10 e EStG a.F. Gebrauch gemacht hätten. Dafür könnte sprechen, daß die Eheleute nach den im Berufungsurteil in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts geplant hatten, die von ihnen seinerzeit bewohnte Eigentumswohnung gewinnbringend zu veräußern, um mit dem erzielten Betrag ein Hausgrundstück zu erwerben und unter Inanspruchnahme der zweiten Abschreibungsmöglichkeit gem. § 10 e EStG a.F. zu finanzieren. Bei einer solchen Fallgestaltung wäre den Klägern ein Unterhaltsschaden aber nicht aus Anlaß des späteren, im Jahre 1997 getätigten Grundstückserwerbs entstanden. Mit dieser aufgrund des unstreitigen Parteivortrags durchaus naheliegenden Möglichkeit hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht befaßt. Von seinem Ansatz aus folgerichtig hat es auch nicht erwogen, ob und inwieweit den Klägern für den von ihnen angeführten Zeitraum Ansprüche auf erhöhte Unterhaltsrenten unter dem Gesichtspunkt zustehen könnten, daß der Verunglückte im Falle seines Fortlebens möglicherweise den im Jahre 1993 getätigten Immobilienerwerb dazu genutzt hätte, die zweite Abschreibungsmöglichkeit gem. § 10 e EStG a.F. in Anspruch zu nehmen.

Das Berufungsgericht hat bei der Berechnung der Höhe der Unterhaltsansprüche gemäß § 844 Abs. 2 BGB auch nicht bedacht, daß der Ehemann die volle Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz für ein weiteres Objekt nur dann in Anspruch hätte nehmen können, wenn er dieses zu Alleineigentum erworben hätte. Hätten die Eheleute im Falle des Fortlebens des Verunglückten das im Jahre 1997 gekaufte Haus nämlich als Miteigentümer erworben, wären die Leistungen nach § 9 EigZuIG einem jeden von ihnen (nur) gemäß seinem jeweiligen Miteigentumsanteil zugeflossen (BFHE 191, 377, 378 ff.; 192, 415, 416 und 202, 327). Insoweit wäre deshalb gegebenenfalls zu bedenken, daß die Eheleute sowohl die Eigentumswohnung im Jahre 1988 als auch das Hausgrundstück im Jahr 1993 jeweils gemeinsam gekauft haben.

Da somit eine weitere Sachaufklärung geboten ist, sieht sich der Senat gehindert, nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst in der Sache zu entscheiden. Die Sache war daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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