LG Hamburg, Az.: 315 O 89/13, Urteil vom 13.03.2015
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Ersatz der bzw. Freistellung von den Kosten, die dadurch entstanden sind, dass die durch Unternehmenskaufvertrag von der Beklagten erworbene Gesellschaft S.. E.. GmbH wegen zum Zeitpunkt des Unternehmenskaufs der Klägerin nicht bekannter behaupteter Patentverletzungen aus der Zeit vor ihrem Erwerb durch die Klägerin am 31. Dezember 2007 Zahlungen an dritte Patentrechtsinhaber zur Abgeltung dieser Patentverletzungen leisten musste.
Die Klägerin, die bis Oktober 2009 unter A.. E.. M.. GmbH firmierte, war bis Ende 2009 eine 100% Tochtergesellschaft der A.. I.. AG. Die A..-Gruppe war 2007 Partnerin von Großkonzernen bei Konzernabspaltungen und ein Turnaround Spezialist, der sich auf den Erwerb und die aktive Restrukturierung von Unternehmen in Umbruchssituationen spezialisiert hatte, um diese mit einem eigenen Team und aus eigener Kraft wieder zu wettbewerbsfähigen ertragsstarken Unternehmen zu entwickeln. Mittlerweile hat sich A.. zu einem Spezialisten der Telekommunikations- und Multimediabranche entwickelt.
Die Beklagte ist eine Konzerngesellschaft der T.. Gruppe (vormals „Th..“- E..). Ende Dezember 2007 war die T.. Gruppe in die Geschäftsbereiche „Services“, „Systems“ und „Technology“ aufgeteilt. Die Th.. L.. S.. gehört dem Bereich „Technology“ an und bestand 2007 im Wesentlichen aus einer Entwicklungs-, einer Lizenzierungsabteilung, einem Bereich Silicon Solutions und einem Bereich Software & Technology Solutions. Th.. L.. S.. verwaltete eine Vielzahl von Th.. eigenen Patenten und lizensierte diese im Wege von Patentlizenzprogrammen an Dritte.
Ferner gab es einen weiteren Geschäftsbereich „A..“ (=A..), zu der auch die Beklagte und die Nebenintervenientin gehörten. Die Nebenintervenientin, deren Geschäftsführer bis zum 28. Juni 2010 N. v. S.-F. war, erzielte schon damals einen erheblichen Teil ihres Umsatzes mit dem Verkauf sogenannter digitaler Set-Top-Boxen für den Satelliten und DVB TV Empfang unter der Handelsmarke „S..“. Die Produkte wurden zum Teil von der Nebenintervenientin erst montagefertig zusammengebaut, teilweise in eigener Werkshalle. Sie wurden in erster Linie über große Handelsketten und Baumärkte an Verbraucher in Deutschland und Europa vertrieben.
Die T.. Gruppe beschloss, sich von dem Geschäftsbereich „A..“ zu trennen. Die Nebenintervenientin ließ durch die M.. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein Gutachten (Anlage K 2) anfertigen, welche Kosten eine Unternehmensschließung der Nebenintervenientin ohne Insolvenz, die aus Reputationsgründen vermieden werden sollte, verursachen würde. Das Gutachten vom 16. November 2007 ergab Kosten für die Unternehmensschließung von € 31,6 Mio.
Ende Oktober 2007 kontaktierte die A..-Gruppe die Beklagte wegen der Nebenintervenientin und führte im November eine Unternehmensprüfung (Due Diligence) bei der Nebenintervenientin durch. Am 20. November 2007 versendete A.. eine Due-Diligence-Frageliste an die Geschäftsführung der Nebenintervenientin (Anlage B 15) zur Vorbereitung eines weiteren Treffens am nächsten Tag. Sodann schloss sie mit der Klägerin am 28. November 2007 einen Unternehmenskaufvertrag (Anlage K 1), durch den die Klägerin zum Stichtag 31. Dezember 2007 sämtliche Gesellschaftsanteile an der Nebenintervenientin gegen einen symbolischen Kaufpreis von € 1,– erwarb. Vor der Übertragung sollte die Beklagte noch eine von der Klägerin zur Fortführung der Nebenintervenientin für nötig befundene Einlage von € 11,5 Mio. (sog. Restrukturierungsbeitrag, in Ziffer 4 des Vertrages) in das Stammkapital der Nebenintervenientin einbringen, was auch geschah.
Gleichzeitig übertrug die Beklagte ihre gegenüber der Nebenintervenientin bestehenden Gesellschafterdarlehen in Höhe von € 33 Mio. (Finanzierungsbeiträge der T.. Gruppe an die Nebenintervenientin aus ihrer Zeit der Konzernzugehörigkeit) gegen einen symbolischen Kaufpreis von € 1,– an eine maltesische A.. Gesellschaft. Die Darlehen waren für die Beklagte wertlos und waren bereits vollständig abgeschrieben. Im Juli 2008 zahlte die Nebenintervenientin einen Betrag von € 11 Mio. an die maltesische A.. Gesellschaft zur Tilgung eines Darlehensbetrages. Die Auszahlung als Darlehensrückzahlung statt als Gewinnausschüttung war steuerlich vorteilhaft für die A…
Der englischsprachige Kaufvertrag enthält mehrere Garantieversprechen in § 5. In § 5.4 heißt es:
„Permits:
The company has all permits and authorisations necessary for the conduct of its business as now being conducted or required for the ownership, lease and/or use and operations of its assets and facilities.
All such permits and authorisations are valid and in full force and effect and the Company is in material compliance with all such permits and authorisations“.
“Erlaubnisse
Die Gesellschaft hat alle Erlaubnisse und Berechtigungen (= Übersetzung der Klägerin) bzw. Genehmigungen (= Übersetzung der Beklagten), die erforderlich sind für die Führung ihres Geschäftes wie es zur Zeit geführt wird oder die erforderlichen sind für den Besitz, die Miete und/oder die Benutzung oder den Gebrauch ihrer Wirtschaftsgüter und Einrichtungen.
Sämtliche dieser Erlaubnisse und Berechtigungen sind gültig und vollständig in Kraft und die Gesellschaft befindet sich in materiellem Einklang mit all (den Bestimmungen) dieser Erlaubnisse und Berechtigungen.“
In § 5.3 heißt es in deutscher Übersetzung:
„5.3.2 Die Abschlüsse und vorläufigen Abschlüsse, die in Gemäßheit der deutschen Vorschriften des GAAP/HGB angefertigt wurden, zeigen ein wahrhaftiges und ausgewogenes Bild im Sinne von § 264 Abs. 2 HGB der Vermögenspositionen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen, der finanziellen Verhältnisse und der Lage der Gesellschaft entsprechend dem jeweilig letzten Tag des Erklärungszeitraumes bzw. des vorläufigen Erklärungszeitraumes sowie hinsichtlich der Gewinne und Verluste der Gesellschaft für das Geschäftsjahr, das am letzten Tag des Berichtszeitraums endete.“
Auf Grundlage des in Ziffer 8.2 des Vertrages vereinbarten Schwellenwertes von € 32 Mio. zum 31. Dezember 2007 sollte die Beklagte zu einem entsprechenden Ausgleich gegenüber der Klägerin bzw. der Nebenintervenientin verpflichtet sein, sollte das Umlaufvermögen (= Bruttosumme der Forderungen abzüglich der Verbindlichkeiten) am 31. Dezember 2007 diesen Wert unterschreiten. Als Folge dieser „Working Capital“-Regelung schlossen die Parteien und die Nebenintervenientin am 16. Juli 2008 einen Vergleich (Anlage B 32), durch den sich die Beklagte zur Zahlung von € 4.791.095,– verpflichtete und die Parteien sich gleichzeitig auf einen Verzicht weiterer Ansprüche wegen der Aufrechterhaltung der Liquidität und Absicherung eines weiteren Kapitalbedarfs der Nebenintervenientin einigten.
Die Klägerin behauptet, die Nebenintervenientin habe mit dem Verkauf eines umsatzmäßigen Großteils ihrer Produkte, nämlich der digitalen Set-Top-Boxen, gegen geltendes Patentrecht verstoßen. Die digitalen Satellitenempfänger müssten das digitale Videokompressionsverfahren, welches unter der Bezeichnung M..-2 bekannt sei, zwangsläufig benutzen, um angesichts der geltenden Sendestandards empfangsfähig zu sein. Dieses sei durch viele Patente geschützt (Anlagen K 3, K 4, K 6). Der Vertrieb ohne entsprechende Lizenzen begründe Schadensersatzansprüche aus § 9 PatG. Insoweit werde auf die patentrechtlichen Verfahren vor diversen Landgerichten verwiesen und deren Beiziehung beantragt. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 29. August 2013, Seite 8, auf diese Verfahren verwiesen. Diese befassten sich eingehend mit Verletzungsfragen hinsichtlich digitaler Set-Top-Boxen der in den Anlagen K 3 bis K 6 genannten Patente.
Die Nebenintervenientin sei daher wegen der patentverletzenden Benutzung vor dem 31. Dezember 2007 Ansprüchen von Patentinhabern ausgesetzt, und zwar nachfolgenden:
– M.. L.. (US-Patentverwertungsgesellschaft) biete im Rahmen ihrer M..-2 Portfolio License (PPL) eine Vielzahl von Patenten an, die für die sog. M..-2 Video De- und Enkodierung essentiell seien (Patente, siehe Anlage K 3) – insoweit seien für die Nebenintervenientin die Schutzrechte mit dem Kürzel DE und EU wichtig; darunter seien auch Patente einer Konzerngesellschaft der Beklagten, der Th.. L.. S… Damit habe diese Kenntnis von den Patenten im Zeitpunkt der Veräußerung gehabt.
– G.. (nun: R.. C..) sei eine US-Patentverwertungsgesellschaft, die eine Vielzahl deutscher und europäischer Patente verwerte, die sich auf die Funktionalitäten innerhalb des sogenannten elektronischen Programmführers bezögen (Patente: siehe Anlage 4); ausweislich der Email vom 13.September 2005 (Anlage K 5) habe die Beklagte seit 2005 Kenntnis von diesen Schutzrechten gehabt.
– Die I.. (Interessengemeinschaft für Rundfunkschutzrechte KG) verwerte ebenfalls ein Patent-Portfolio, das sich auf Funktionalitäten des elektronischen Programmführers beziehe (Patente: siehe Anlage K 6); auch hier sei von einer Benutzung der Patente durch die Set-Top-Boxen auszugehen.
– Die Th.. L.. S.. verfüge über ein eigenes Patentlizenzprogramm betreffend den sogenannten DVB-Digital Video Broadcasting-Standard und sei nach dem Unternehmenskaufvertrag an die Nebenintervenientin herangetreten, so dass von einer Patentverletzung auszugehen sei.
Die Nebenintervenientin habe sich zur Abwehr gerichtlicher Auseinandersetzungen mit den genannten Anspruchstellern vergleichsweise geeinigt, und zwar über die vergangenen Verletzungshandlungen und über die zukünftigen Lizenzen, damit sie ihr Geschäft fortführen konnte. Die Lizenzierung der Standardpatente sei seitens der Lizenzgeber nur erfolgt, weil gleichzeitig der Ausgleich für die Vergangenheit geregelt worden sei. Aus Geheimhaltungsinteressen sei die Klägerin allerdings an der Vorlage der Verträge gehindert. Diese seien wie folgt ausgestaltet:
– M.. L..: 2008 habe die Nebenintervenientin einen Lizenzvertrag über die Patente Anlage K 3 abgeschlossen. Ferner habe sie für die Vorbenutzung ein sog. „Settlement Agreement“ abschließen müssen. Für die Vorbenutzung für den hier nicht streitigen Zeitraum nach dem Unternehmensübergang sei eine sofortige Zahlung vereinbart worden. Für den Zeitraum vor dem Übergang der Gesellschaft sei dieser bis zum 31. Dezember 2010 eine „Schonfrist“ eingeräumt waren, nach der die Schadensersatzansprüche entweder durch die Nebenintervenientin oder durch die Beklagte zu zahlen seien. Die Nebenintervenientin habe mittlerweile die Stückzahl der relevanten Vorbenutzung bis zum 31. Dezember 2007 gemeldet, nämlich eine Stückzahl von 4.050.872, die – multipliziert mit der fälligen Lizenzgebühr von US $ 2,50 – eine Zahlungsverpflichtung von US $ 10.127.180,00 ergebe. Insoweit sei kürzlich eine Stillhaltevereinbarung getroffen worden, wonach die M.. L.. auf ihre Ansprüche bis zum Ablauf der in Anlage K 3 genannten Patentrechte in der BRD bzw. China verzichte.
– G..: Die Nebenintervenientin habe einen Lizenzvertrag abgeschlossen. Dieser sehe eine vergleichsweise Zahlung für die Vergangenheit vor dem 1. Januar 2008 in Höhe von US $ 820.000 gegen Verzicht auf alle aus den lizenzierten Patenten resultierenden Ansprüche, die vor dem genannten Datum entstanden seien, vor. Diese Forderung sei am 25. November 2008 beglichen worden.
– I.. GmbH & Co. KG: Die Nebenintervenientin habe einen Lizenzvertrag mit Datum vom 9./11. April 2008 abgeschlossen. Nach diesem Vertrag sollen die vor Inkrafttreten des Vertrages begangenen patentverletzenden Handlungen durch die laufenden Lizenzzahlungen abgegolten werden, und zwar durch eine Erhöhung der Lizenzgebühren für die ersten zweieinhalb Jahre der Vertragslaufzeit. Daher seien die Produkte der Kategorie 1 in den Jahren 2008, 2009 und 2010 mit jeweils € 0,25 abzurechnen, während im Jahr 2011 nur noch € 0,20 zu entrichten seien. Die Produkte der Kategorie 2 seien 2008 mit € 0,60, 2009 mit € 0,55 und 2009 mit € 0,50 abzurechnen. Dies habe allein der Abgeltung der feststehenden Vorbenutzung gegolten. Bis zum Tag der Klageerhebung habe die Nebenintervenientin die sich aus K 8 ergebenden Mengen an Produkten abgerechnet, so dass sich der als Schaden zu erstattende Anteil an Lizenzgebühren bis zum Zeitpunkt der Klagerhebung auf EUR 15.749,71 belaufe (Berechnung: Anlage K 9). Ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung seien weitere Schäden zu ersetzen (Feststellungsantrag).
Der Garantiefall aus Ziffer 5.4 des Unternehmenskaufvertrages sei eingetreten, indem sich die Nebenintervenientin begründeten Ansprüchen Dritter wegen mangelnder Berechtigung zur Nutzung der in Rede stehenden Patentrechte vor Abschluss des Unternehmenskaufvertrages ausgesetzt gesehen habe. Für den Vertrieb der digitalen Set-Top-Boxen sei eine Genehmigung der Patentinhaber erforderlich gewesen. Zum Zeitpunkt des Unternehmenskaufvertrages habe der Nebenintervenientin also die Genehmigung gefehlt, um ihr Geschäft zu betreiben und ihren Lagerbestand zu besitzen. Die Kapitaleinzahlung habe nicht Zahlungen zur Abgeltung von Patentrechten wegen sogenannter Vorbenutzung abdecken sollen. Mit der Garantieverpflichtung habe abgesichert werden sollen, dass der Kapitalbedarf zur Fortführung der Gesellschaft unter Vermeidung einer Insolvenz auch im Hinblick auf erforderliche Erlaubnisse und Berechtigungen zutreffend kalkuliert sei. Wären die Lizenzzahlungsverpflichtungen bekannt gewesen, wäre eine Erhöhung des Kapitaleinzahlungsbedarfs gefordert worden. Gerade weil die Beklagte einen sehr engen Zeitrahmen vor der Transaktion vorgegeben habe, sei nur eine kursorische Prüfung der finanziellen und rechtlichen Angelegenheit der Gesellschaft möglich gewesen und die Klägerin habe deshalb auf umfangreichen Garantien bestanden.
Bei der Kapitaleinzahlungsverpflichtung handele es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zugunsten der Nebenintervenientin (§ 328 Abs. 1 BGB), da die Einzahlung direkt in das Stammkapital der Gesellschaft zu deren Gunsten erfolgt sei. Damit sei die Nebenintervenientin auch als Berechtigte der die Richtigkeit der Kalkulation des Einzahlungsbetrages absichernden Garantien gem. Ziffer 5 des Unternehmenskaufvertrages anzusehen, weshalb die Klägerin Zahlung an diese verlange. Die Klägerin mache ihren eigenen Anspruch zur Zahlung an die Nebenintervenientin als Begünstigte geltend. Insoweit sei § 335 BGB einschlägig. Die Nebenintervenientin sei unmittelbar wirtschaftlich Begünstigte der Kapitaleinzahlungsverpflichtung gemäß Ziffer 4 des Unternehmenskaufvertrages. Es sei unerheblich, ob es sich um einen echten oder einen unechten Vertrag zugunsten Dritter handele. Hilfsweise sei die Klägerin selbst begünstigt.
Damit sei das positive Interesse von der Beklagten zu ersetzen, das durch einen Gesamtvermögensvergleich zu ermitteln sei. Der tatsächlichen Vermögensentwicklung sei diejenige Vermögenssituation, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Garantie bestünde, gegenüberzustellen. Dementsprechend bestehe das positive Interesse auf Einhaltung des vertraglich garantierten Zustandes. Insoweit sei auch nicht auf den vertraglichen symbolischen Kaufpreis abzustellen, sondern die relevante Gegenleistung sei hier die Verpflichtung der Beklagten zur Einzahlung der Kapitaleinlage als Restrukturierungsbeitrag gewesen. Sinn und Zweck der Garantien sei die korrekte Bemessung des Restrukturierungsbeitrages zu Ziffer 4.1 gewesen.
Im Falle der Begünstigung der Nebenintervenientin liege der Schaden in der Belastung mit Ansprüchen aus § 139 Abs. 2 PatG mindestens in Höhe der Klagforderung. Wenn die vergleichsweisen Einigungen weiterhin bestritten würden, sei hilfsweise von dem Bestehen der Schadensersatzansprüche auszugehen. Insoweit griffen dann die Grundsätze der Lizenzanalogie ein.
Eventuelle Ersatzansprüche gegen Vorlieferanten seien wertlos, da die Lieferanten aus C.. stammten und eine Realisierung der Forderungen bereits an der mangelnden Vollstreckbarkeit scheitere. Auch ein Mitverschulden der Nebenintervenientin scheide aus teleologischen Gründen aus, da es hier um den Restrukturierungsbeitrag gehe.
Auch wenn man die Klägerin als Begünstigte der vertraglichen Regelung ansähe, habe diesen einen Schaden. Denn diese hätte einen höheren Restrukturierungsbeitrag gefordert. Die Klägerin müsse als Muttergesellschaft die Nebenintervenientin mit dem entsprechenden Kapital ausstatten, um eine Insolvenz der Nebenintervenientin zu vermeiden.
Außerdem sei auch ein Garantiefall nach Ziffer 5.3 des Vertrages eingetreten. Die Nebenintervenientin habe keine Rückstellungen für eventuelle Schutzrechtsverletzungsforderungen gebildet, obwohl ihre diese bekannt gewesen seien, wie die Emails K 10, K 11 und K 12 belegten.
Im Übrigen stehe der Klägerin auch ein Anspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen zu, da die Beklagte die Ansprüche der Patentinhaber arglistig verschwiegen habe, § 311 Abs. 2 BGB. Insoweit sei das negative Interesse zu ersetzen. Der Beklagten seien die patentrechtlichen Fragestellungen durchaus bekannt gewesen. Die Beklagte sei damals der Auffassung gewesen, die Nebenintervenientin sei durch die Rechtsinhaberschaften der Th..-Gruppe (die Lizenzgebühren an den M..-Pool zahle) gedeckt. Jedenfalls seien der Beklagten als weltbekannten Elektronikkonzern die Patentrechte infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen.
Schließlich sei noch ein Anspruch aus § 434 BGB gegeben. Die Beklagte habe die bestehenden patentrechtlichen Forderungen nicht offengelegt. Die Garantien sollten die vertragsrechtliche Haftung verschärfen und nicht aufweichen.
Die Klägerin hatte die Klage mit Datum vom 27. November 2009 zunächst beim Landgericht Lübeck eingereicht. Mit Datum vom 19. April 2013 verwies das Landgericht Lübeck den Rechtsstreit an die zuständige Patentstreitkammer beim Landgericht Hamburg.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. a) US $ 10.947.180 und EUR 15.749,71 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2007 an die S.. E.. GmbH, W… Weg, 2… S.. zu zahlen;
hilfsweise
b) die Beklagte zu verurteilen, US $ 10.947.180 (= 820.000,00 + 10.127.180,00) und EUR 15.749,71 an die Klägerin nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.11.2007 zu zahlen;
weiter hilfsweise
c) die Beklagte wird verurteilt, US $ 820.000,00 an die S.. E.. GmbH, W… Weg, 2… S.. zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die S.. E.. GmbH, W… Weg, 2… S.., von der Forderung der M.. L.., LLC., aufgrund unberechtigter Benutzung der in der M..-2 Patent Portfolio Licence des genannten Unternehmens enthaltenen Patente in Höhe von US $ 10.127.180,00 freizustellen;
höchst hilfsweise
d) die Beklagte zu verurteilen, US $ 820.000,00 an die Klägerin zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die S.. E.. GmbH, W… Weg 2, 2… S.., von der Forderung der M.. L.., LLC., aufgrund unberechtigter Benutzung der in der M..-2 Patent Portfolio Licence des genannten Unternehmens enthaltenen Patente in Höhe von US $ 10.127.180,00 freizustellen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 36.449,– zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, die S.. E.. GmbH, W… Weg 2, 2… S.., von jeglichen Ansprüchen dritter Parteien, einschließlich der Th.. L.. S.., , Q..A..d..G.., 9… B.. B.., F.., freizustellen, die aus der Geltendmachung von Patenten dritter Parteien bezüglich des Vertriebs von Produkten durch die S.. E.. GmbH für die Vergangenheit vor dem 28.11.2007 resultieren;
4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Kostenersatz in Höhe von EUR 15.314,90 Gebühren nach dem RVG zum Streitwert dieser Klage für ihre außergerichtliche Vertretung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Nebenintervenientin hat keinen Antrag gestellt, nachdem über ihr Vermögen mit Datum vom 1. Juli 2014 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (Bl. 436 der Akte) und der bisherige anwaltliche Vertreter Rechtsanwalt H.. nach eigenem Bekunden vom Insolvenzverwalter keine Vollmacht erhalten habe.
Die Beklagte führt aus: Die behaupteten Patentverletzungen seien schon nicht von Ziffer 5.4.1 des Unternehmenskaufvertrages umfasst: Die Garantie beziehe sich auf den Stichtag und umfasse keine Schadensersatzansprüche vor dem Completion Date (sog. Stichtagsgarantie), sondern nur das Bestehen der Lizenzrechte am Stichtag. Hier sei es der Nebenintervenientin ohne weiteres möglich gewesen, entsprechende Standardlizenzen einzuholen, so dass es an der Schadenskausalität für die geltend gemachten Schäden fehle, die vor dem Stichtag lägen. Die Schadensersatzforderungen für Handlungen vor dem Stichtag seien damit gerade kein auf der Verletzung der Garantieerklärung beruhender kausaler Schaden, da es beispielsweise auch vertragsgemäß gewesen wäre, die Lizenzen einen Tag vor dem Stichtag einzuholen. Für die Zeit nach dem 31. Dezember 2007 seien Lizenzen stets kostenpflichtig, so dass kein Anspruch auf Freistellung bestehe. Diese Lizenzkosten seien als laufende Kosten von der Nebenintervenientin selbst zu tragen.
Ferner beziehe sich die Regelung der Ziffer 5.4.1 allein auf öffentlich-rechtliche Erlaubnisse und Genehmigungen, die für die Führung eines Handelsgeschäfts der Nebenintervenientin als Unternehmen bzw. deren Geschäftsbetrieb erforderlich seien. Schuldrechtliche Nutzungsberechtigungen fielen nicht darunter. Dies ergebe sich schon aus dem Wortlaut. „Authorisations“ müsse mit „Genehmigungen“ übersetzt werden und nicht etwa mit dem weiteren Begriff der „Berechtigung“. Systematisch befasse sich die Spezialregelung in Ziffer 5.7 mit gewerblichen Schutzrechten. In Ziffer 5.4 sollten nur öffentlich-rechtliche Erlaubnisse geregelt werden, wie auch die verwaltungsrechtliche Formulierung nahelege.
Außerdem habe es auch dem Willen der Parteien entsprochen, nur einen stark reduzierten, wenige Bereich erfassenden Garantiekatalog in den Vertrag aufzunehmen angesichts des finanziellen Hintergrundes des Geschäfts. In sonst üblichen Kaufverträgen werde deutlich mehr geregelt. Hier sei absichtlich auf eine ausführliche Garantieregelung betreffend die Inhaberschaft und Nutzungsberechtigung gewerblicher Schutzrechte verzichtet worden. Ein in solcher Weise eingeschränkter Garantiekatalog entspreche der üblichen Praxis beim Kauf von Krisenunternehmen. Die A.. habe auch erst nach ausführlichen Vertragsverhandlungen die Aufnahme der Ziffer 5.7 verlangt und damit selbst zu erkennen gegeben, dass diese nicht unter Ziffer 5.4 fallen sollte. Eine entsprechende Regelung für Lizenzen und Patente habe sie selbst in Kenntnis eines anhängigen Patentrechtsstreits nicht verlangt (Anlage 5.6 des Kaufvertrages). Die Parteien hätten gerade keine Blankogarantie vereinbaren wollen, sondern nur ganz eingeschränkte Garantien.
Ein Anspruch aus der Garantie zu Ziffer 5.3 bestehe ebenfalls nicht. Es hätten keine Rückstellungen gebildet werden müssen, da keine Rechtsstreitigkeiten gedroht hätten und es daher an der notwendigen Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme gefehlt habe. Die Emails von K 10 und B 54 seien viel zu unbestimmt und allgemein gehalten. Das Schreiben B 54 beziehe sich zudem allein auf DVB-T Produkte und nicht auf die M.. 2 – Technologie. Was die Unternehmen G.. und I.. angehe, so sei Kenntnis auch nach dem Vortrag der Klägerin erst 2008, also nach dem Stichtag, erlangt worden. Eine Rückstellung komme also auch insoweit nicht in Betracht.
Es bestehe auch kein Anspruch aus § 311 Abs. 2 BGB (Verschulden bei Vertragsverhandlungen). Die Beklagte habe von den Patentverletzungen keine Kenntnis gehabt. Sie habe die Nebenintervenientin selbst erst 2006 erworben. Die E-Mail aus K 5 sei weder an die Beklagte gesendet worden, noch gehe eine Patentverletzung hieraus hervor. Die Th.. L.. S.. sei eine rechtlich von der Beklagten völlig unabhängige Gesellschaft. Jede Tochtergesellschaft sei für eigene Lizenzangelegenheiten verantwortlich.
Ein arglistiges Verschweigen liege ebenfalls nicht vor. Denn die Beklagte habe ausreichend Gelegenheit zur Prüfung der Gesellschaft gehabt. Sie habe außerdem selbst in Ziffer 6.3 des Vertrages garantiert, ausreichend informiert worden zu sein. Sie hätte auch selbst auf diese patentrechtlichen Fragestellungen kommen können, habe aber stattdessen nur die Rechte an der Marke S.. abgesichert. Die Beklagte habe sich zudem auf die Aussagen der Geschäftsführung der Nebenintervenientin, darunter Herr N. S.-F., verlassen.
Es gebe auch keinen Anspruch aus § 434 BGB. Zum einen fehle es schon an einem Vortrag zu einem Sach- oder Rechtsmangel. Zum anderen fehle Vortrag zur Wertminderung des Unternehmens hierdurch. Schließlich hätten die Parteien das gesetzliche Gewährleistungsrecht durch die Vereinbarung des Garantiekatalogs ausgeschlossen. Jedenfalls sei die Beschaffenheit der Kaufsache durch die Auslegung des Kaufvertrages zu bestimmen, wobei die Garantieversprechen regelmäßig Beschaffenheitsvereinbarungen nach § 434 Abs. 1 1 BGB darstellen. Mit diesen punktuellen Garantiezusagen hätten die Parteien die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit abschließend geregelt. Eine Beschaffenheitsvereinbarung, dass die Nebenintervenientin keine Rechte Dritter verletze, habe die Beklagte nicht abgegeben und dies falle auch nicht unter Ziffer 5.4.1. Im Übrigen liege ein Sachmangel auch nicht vor, weil die Nebenintervenientin sich für die im Vertrag vorausgesetzte Verwendung eigne. Und selbst wenn die Verletzung von Patentrechten die gewöhnliche Verwendung der Gesellschaft beeinträchtige, so sei die Rechtsfolge die Beseitigung des Mangels und damit die Lizenzierung der entsprechenden Patente.
Im Übrigen habe die Klägerin auch keine Patentverletzung substantiiert vorgetragen.
M.. L..: Es sei nichts vorgetragen, welche Produkte über welchen Zeitraum gegen welche Patente verstoßen haben sollen. Teilweise seien die Patente in der K 3 bereits vor dem 31.12.2007 abgelaufen. Es werde bestritten, dass die in K 3 aufgelisteten Schutzrechte für den Verkauf der Set-Top-Boxen erforderlich seien und die Nebenintervenientin im Zeitraum bis 31.12.2007 gegen Patente verstoßen habe.
G..: Auch hier fehlten konkrete Angaben dazu, welche Produkte in welchem Zeitraum welche Patente verletzt haben sollen. Die Patentverletzung vor dem 31.12.2007 werde daher bestritten. Im Übrigen habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin selbst den Bestand der Patente angezweifelt in einem anderen Verfahren und zwei der Patente (EP 0806111 und EP 1244300) seien für ungültig erklärt worden.
I..: Auch hier fehle substantiierter Vortrag.
Schließlich sei von der Beklagten ein kausaler Schaden nicht dargelegt worden.
Die Klägerin habe zunächst nicht substantiiert zum Schaden der Nebenintervenientin vorgetragen. Diesen könne sie hier schon aufgrund des Relativitätsgrundsatzes im Schadensrecht nicht geltend machen, da ersatzberechtigt nur sei, wer Gläubiger der verletzten Pflicht sei. Auch im Unternehmenskauf könne eine Schadensverlagerung des auf Ebene der Zielgesellschaft entstandenen Schadens auf den Käufer nicht erfolgen, da Käufer und Zielgesellschaft unterschiedliche Zurechnungsobjekte seien, wenn nicht ausnahmsweise etwas anderes geregelt sei.
Die Klägerin habe aber auch nicht zu den Voraussetzungen des § 139 PatG vorgetragen. Es werde bestritten, dass die Nebenintervenientin schuldhaft gehandelt habe. Es werde bestritten, dass die Nebenintervenientin die behaupteten Vergleiche geschlossen habe. Insbesondere werde bestritten, dass die Rechtsverteidigung ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre, der Abschluss der Vergleiche in dieser Form also notwendig gewesen sei oder nicht eine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorliege. Auch würden die vorgetragenen Regelungen in den Lizenzverträgen bestritten. Ein Rückgriff auf eine Lizenzanalogie sei unzulässig, wenn tatsächlich ein (anderer) Schaden entstanden sei. Im Übrigen sei ein eventuelles Verschulden der Nebenintervenientin nach § 254 BGB anzurechnen, denn die Nebenintervenientin habe es unterlassen, sich über die Rechtslage zu informieren und auch die Beklagte hierauf hinzuweisen. Insbesondere habe die Nebenintervenientin es unterlassen, Freistellungsansprüche gegen ihre Lieferanten geltend zu machen. Ihre Lieferverträge sähen entsprechende Freistellungen vor (B 35 und B 36).
Die Klägerin habe auch nicht substantiiert zu einem eigenen Schaden vorgetragen.
Ein Nichterfüllungsschaden aus der Garantie könne nur darin liegen, dass die erworbenen Geschäftsanteile an der Nebenintervenientin zum 31. Dezember 2007 weniger wert gewesen seien, als wenn sich die Garantiezusage als richtig erwiesen hätte. Da der Kaufpreis nur € 1,– gewesen sei, sei dieser Schaden überschaubar. Die Klägerin habe nichts zu dem eigenen Schaden vorgetragen, da sämtliche Vergleiche etc. von der Nebenintervenientin abgeschlossen worden seien. Auch diene die Garantieerklärung nicht etwa der Absicherung des Kapitalzahlungsbetrages, sondern sei lediglich eine Motivation der Klägerin zur Übernahme der Gesellschaft. Im Übrigen sei die Klägerin ihrer Darlegungslast hinsichtlich der behaupteten Patentverletzungen nicht nachgekommen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Akteninhalt, insbesondere auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zur Akte gereichten Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 12. März 2014 und vom 17. Dezember 2014 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist abzuweisen. Die geltend gemachten Schadensersatzansprüche stehen der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu; ebenso kann die Klägerin einen möglicherweise bei der Nebenintervenientin eingetretenen Schaden nicht geltend machen.
1. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung der Garantien gemäß Ziff. 5.4 und 5.3 des Unternehmenskaufvertrages vom 28. November 2007 zu; ebenso sie kann auch einen bei der Nebenintervenientin möglicherweise eingetretenen Schaden nicht geltend machen. Denn die Beklagte hat im Streitfall die genannten Regelungen des Unternehmenskaufvertrages nicht verletzt.
a) Ziff. 5.4. des Unternehmenskaufvertrages enthält nach Auffassung der Kammer eine Regelung über behördliche Erlaubnisse bzw. Genehmigungen. Die Regelung sichert dem Käufer zu, dass zum Stichtag, dem 31. Dezember 2007, alle behördlichen Genehmigungen zur Führung des Geschäftes vorliegen, wie es vor dem Stichtag geführt wurde. Damit sind, anders als es die Klägerin meint, keine Lizenzen in Bezug auf Patente gemeint, die zum Vertrieb der Produkte der Nebenintervenientin erforderlich waren. Denn der Kaufvertrag enthält in Ziff. 5. 7. eine ausdrückliche Regelung über „Intellectual Property Rights“. Dort sind zwar nur Markenrechte angesprochen; aus der Überschrift ergibt sich aber, dass die Parteien das Thema des geistigen Eigentums unabhängig von behördlichen Genehmigungen regeln wollten.
Zudem enthält die Regelung in Ziff. 5.4 des Kaufvertrages eine sog. Stichtagsregelung. Die Regelung will nur gewährleisten, dass die Nebenintervenientin nach dem Stichtag über alle erforderlichen „behördlichen Genehmigungen“ verfügt. Für die Zeit vor dem Stichtag trifft die Klausel aber keine Regelung. Da die Klägerin einen Schadensersatzanspruch auf Grund fehlender Lizenzen in der Vergangenheit geltend macht, kann die Regelung in Ziff. 5.4. dafür keine Grundlage sein. Der Beklagten ist Recht zu geben, wenn sie ausführt, dass nach dem Sinn und Zweck des Vertrages das Vorhandensein von Genehmigungen in der Vergangenheit ein Risiko darstellt, das durch die Stichtagsregelung gerade von einer etwaigen Garantie ausgenommen werden soll. Dementsprechend griffe die Regelung in Ziff. 5.4 nicht einmal ein, wenn sie sich tatsächlich – wie die Klägerin meint – auch auf das Vorhandensein von Lizenzen erstreckte.
b) Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz aus Ziff. 5.3.2 des Unternehmenskaufvertrages zu. Die Kammer teilt insoweit nicht die Auffassung der Klägerin, die Beklagte sei zur Bildung von Rückstellungen zu Gunsten der Nebenintervenientin verpflichtet gewesen, weil sie von der Gefahr der Inanspruchnahme durch Patentverwertungsgesellschaften gewusst habe.
Grundsätzlich sind Rückstellungen dann zu bilden, wenn mit einiger Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme durch Dritte zu rechnen ist. Die Klägerin hat aber nicht hinreichend dargelegt, dass der Beklagten als Verkäuferin solche drohende Inanspruchnahme durch Patentverwertungsgesellschaften bekannt gewesen ist. Die Klägerin beruft sich insoweit unter anderem auf E-Mail-Schreiben vom 21. Mai 2007 (Anlage K 10), 14. Mai 2007 (Anlage K 11), 12. Juni 2007 (Anlage K 12), vom 22. Juni 2006 (Anlage K 27) und vom 14. Mai 2007 (Anlage B 54). Diese Schreiben sind für eine drohende patentrechtliche Inanspruchnahme der Nebenintervenientin nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend aussagekräftig. Mit der E-Mail vom 21. Mai 2007 (Anlage K 10) fragt A.. M.. von der Nebenintervenientin bei der Beklagten bzw. einem Th..-Unternehmen an, wie mit der Frage nach den M.. L.. und DVB-T Patenten umzugehen sei. Es wird Bezug genommen auf ein konkretes Schreiben von D.. S.. von M.. L.. (Anlage K 10). Aus der E-Mail vom 12. Juni 2007 (Anlage K 12) von E.. N.. von Th.. ergibt sich dann, dass keine Inanspruchnahme durch die jeweiligen Patentinhaber droht, da die Nebenintervenientin geschützt sei durch Vereinbarungen, die die Th.. Group mit den Patentinhabern getroffen habe. Insoweit sind die Beklagte und die Nebenintervenientin offensichtlich nach einer Prüfung davon ausgegangen, dass eine Inanspruchnahme der Nebenintervenientin nicht drohte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Anlage B 54, einem Schreiben der P.. vom 14. Mai 2007. Dieses Schreiben ist der Prüfung durch N.. offensichtlich vorausgegangen. Jedenfalls war die Beklagte offensichtlich nach eingehender Prüfung der Auffassung, dass keine Inanspruchnahme durch Patentgesellschaften drohte. Konkrete Forderungen sind von den Verwertungsgesellschaften zum damaligen Zeitpunkten jedenfalls noch nicht gestellt worden, so dass für die Beklagte auch keine Notwendigkeit bestand, die von der Klägerin geforderten Rückstellungen zu bilden. Insgesamt waren die Forderungen der Patentgesellschaften zu unbestimmt, um die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen auszulösen. Dies gilt auch für die weiteren von der Klägerin vorgelegten Schreiben.
2. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte auch keine gesetzlichen Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 434, 453 BGB bzw. § 311 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) zu.
a) Derartige Schadensersatzansprüche sind nach Auffassung der Kammer schon deshalb nicht gegeben, und zwar unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein Sach-/Rechtsmangel im Streitfall vorliegt, weil die Klägerin bei Abschluss des Kaufvertrages jedenfalls grob fahrlässig gehandelt hat im Hinblick auf die Überprüfung etwaiger Patentlizenzansprüche der Verwertungsgesellschaften vor dem Stichtag und damit im Hinblick auf den von ihr behaupteten Mangel (§ 442 BGB).
Grobe Fahrlässigkeit liegt in der Regel vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. Palandt/Grüneberg, 74. Aufl., § 276, Rdnr. 4). Dabei ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass die Muttergesellschaft der Klägerin ein sog. „Turn around“-Spezialist für den Verkauf von Unternehmen war bzw. ist und dementsprechend auch die Klägerin über erhebliches Wissen im Hinblick auf die Risiken von Unternehmenskaufverträgen verfügte. Die Klägerin hatte im Vorfeld des Vertragsschlusses eine Due Diligence-Prüfung des Unternehmens der Nebenintervenientin durchgeführt. Sie hat daher in Ziff. 6.3 des Unternehmenskaufvertrages ausdrücklich zugesichert:
„Buyer hereby further represents that, as the date of this Agreement, it has been provided with sufficient and satisfactory documentation and information in relation to transaction contemplated herein.”
Auf Deutsch:
“Der Käufer steht dafür ein, dass ihm, bezogen auf den Abschlusstag dieser Vereinbarung, ausreichende und angemessene Informationen und Unterlagen im Hinblick auf die hier vorgesehene Transaktion zur Verfügung gestellt worden sind.“
Dabei wurde der Klägerin ausdrücklich mitgeteilt, dass es ein Patentverletzungsverfahren mit der Nebenintervenientin vor dem OLG Karlsruhe gab (Schedule 5.6 – Litigation – Anhang des Vertrages), das offensichtlich aber nichts mit den hier streitgegenständlichen standardessentiellen Patenten zu tun hatte. Die Klägerin wurde damit jedoch auf das Problem möglicher Patentverletzungen hingewiesen. Sie hatte zudem die Möglichkeit, im Rahmen der Due Diligence-Prüfung die als Anlagen K 10 – K 12, K 25 – K 27 vorgelegten E-Mails zur Kenntnis nehmen. Demgemäß hätte es sich für sie aufdrängen müssen, konkrete Nachfragen nach der Nutzung bzw. Lizenzierung standardessentieller Patente in der Vergangenheit zu stellen. Die Klägerin hätte insoweit im Vertrag auf Klauseln bestehen müssen, die ein derartiges Risiko zu Gunsten der Klägerin berücksichtigen und für den Fall, dass insoweit Forderungen entstehen, eine konkrete Haftungsverteilung zu Lasten der Beklagten vorsehen. Den Umstand, dass die Klägerin dies unterlassen hat, stuft die Kammer als grob fahrlässig ein.
b) Für ein arglistiges Verschweigen etwaiger vor dem Stichtag nicht erfüllter, bestehender Patentlizenzzahlungsverpflichtungen durch die Beklagte hat die Klägerin nichts vorgetragen (§ 442Abs. 1 Satz 2, 2 Halbsatz BGB). Die Beklagte war offensichtlich der Auffassung, sie sei unter anderem durch das sog. „M.. umbrella agreement“ vor Patentlizenzforderungen geschützt. Ob dies zutreffend war, ist in diesem Verfahren offen geblieben. Jedenfalls kann der Beklagten aber nicht vorgeworfen werden, sie habe offensichtlich berechtigte Patentlizenzforderungen vor dem Stichtag 31. Dezember 2007 arglistig verschwiegen, wenn sie der Auffassung war – wie es sich aus der vorgelegten E-Mail-Korrespondenz ergibt – die Nebenintervenientin sei vor Patentlizenzforderungen wegen der Lizenz-Vereinbarungen der Th..-Gruppe geschützt.
Eine Garantieverpflichtung für die Freiheit von Lizenzzahlungsverpflichtungen ist in dem als Anlage K 1 vorgelegten Kaufvertrag im Übrigen nicht enthalten.
3. Selbst wenn ein Anspruch gemäß §§ 434, 453 BGB bzw. § 311 Abs. 2 BGB nicht gemäß § 442 BGB ausgeschlossen wäre, stünde der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu, da sie einen Sach-/Rechtsmangel im Sinne der Vorschriften nicht dargelegt hat. Denn sie hat insbesondere eine Patentverletzung der Nebenintervenientin durch die „S..“-Produkte nicht hinreichend dargelegt.
Die Kammer hatte die Klägerin bereits in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2014 darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Patentverletzungen durch die Nebenintervenientin, die letztlich ausschlaggebend für eine etwaige Patentlizenzzahlungsverpflichtung für die Zeit vor dem Stichtag ist, nicht ausreichend war. Die Klägerin hat daraufhin mit ihrem Schriftsatz in ihrem Schriftsatz vom 9. April 2014 zur Frage der Patentverletzung erneut Stellung genommen. Diese Ausführungen sind nach Auffassung der Kammer nicht ausreichend.
Wer die Verletzung eines Schutzrechts behauptet, muss das Gericht als bisher Unbeteiligtem mit dem Streitstoff vertraut machen. Dazu gehört zunächst einmal die Darstellung der patentgemäßen Erfindung, der Stand der Technik, die Aufgabe der Erfindung und die objektive technische Lösung (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Aufl. Rdnr. 1261 ff.). Sodann ist in einem zweiten Teil die angegriffene Ausführungsform zu beschreiben (Kühnen, aaO., Rdnr. 1269). In einem dritten Abschnitt ist sodann die angegriffene Ausführungsform unter den Anspruch des Klagepatents zu subsumieren. Hierbei ist auf die Merkmalsgliederung zurückzugreifen und – Merkmal für Merkmal – darzustellen, welches Merkmal der Erfindung verwirklicht sein soll (Kühnen, aaO., Rdnr. 1270).
Diesen Anforderungen ist die Klägerin nicht nachgekommen. Die Klägerin hat nicht einmal die in Frage kommenden Patente dargestellt. Sie hat nicht die technische Lehre dargestellt und sie hat zudem nicht die angegriffenen Ausführungsformen beschrieben. Die Klägerin behauptet eine pauschale Verletzung durch alle digitalen Set-Top-Boxen der Nebenintervenientin. Sie beruft sich für ihre Art der Darstellung auf die Ausführungen von Kühnen, aaO, Rdnr. 500 ff – insoweit allerdings auf die 5. Auflage – mit dem Hinweis, bei Verletzung des Industriestandards gebe es erhebliche Beweiserleichterungen.
Dieser Auffassung der Klägerin folgt die Kammer nicht. Denn die angesprochenen Beweiserleichterungen gibt es nur, wenn der Standard ein bestimmtes, dem jeweiligen Klagepatent entsprechendes Vorgehen obligatorisch vorschreibt, und sich belegen lässt, dass der Beklagte den fraglichen Standard beachtet (Kühnen, aaO., Rdnr. 501). Insoweit hätte die Klägerin zumindest darlegen müssen, welche Patente für die Set-Top-Boxen maßgeblich sind – also welches einzelne Anspruchsmerkmal im Regelwerk aufgenommen wurde – und sodann belegen müssen, dass die Nebenintervenientin den fraglichen Standard beachtet. Diese Anforderungen hat die Klägerin nicht erfüllt, so dass die Behauptung der Klägerin, die Nebenintervenientin habe in der Vergangenheit standardessentielle Patente verletzt, unschlüssig ist.
4. Ob der Klägerin überhaupt ein eigener ersatzfähiger Schaden entstanden ist oder ob die Klägerin möglicherweise einen bei der Nebenintervenientin eingetretenen Schaden geltend machen kann, kann daher im Streitfall dahingestellt bleiben.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.