OLG Koblenz, Az.: 1 U 123/15, Beschluss vom 13.07.2015
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. Juli 2015.
Gründe
Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg; die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts; eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Die Klägerin (Anlagenbetreiberin) betreibt eine Photovoltaikanlage mit einer installierten Leistung von mehr als 100 Kilowatt; sie speist den erzeugten Strom in das Niederspannungsnetz der Beklagten (Netzbetreiberin) ein und erhält hierfür eine (Mindest-)Einspeisevergütung nach den Vorschriften des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer Energien – EEG – in der jeweils geltenden Fassung (Ziffer 4 des Einspeisevertrages vom 18. Dezember 2007/23. Dezember 2008 [Anlage K 1; Bl. 17 ff. GA]). Nach den gesetzlichen Vorgaben war die Klägerin ab 1. Juli 2012 verpflichtet, ihre Anlage mit technischen Einrichtungen auszustatten, mit denen die Beklagte jederzeit die Einspeiseleistung bei Netzüberlastung ferngesteuert reduzieren und die jeweilige Ist-Einspeisung abrufen kann (§ 6 Abs. 1 i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 1 EEG 2012). Die entsprechenden technischen Einrichtungen (Lastgangzähler; Funkrundsteuerempfänger) waren indessen – wie nun im Berufungsverfahren feststeht – erst am 30. Juli 2012 betriebsbereit. Bei Verstößen des Anlagenbetreibers gegen die technischen Vorgaben entfällt der – gesetzliche – Vergütungsanspruch, solange der (gesetzwidrige) Zustand andauert (§ 17 Abs. 1 i.V.m. §§ 6 Abs. 1 und 6 Satz 1, 66 Abs. 1 Nr. 4 EEG 2012; BT-Drs. 17/6071 S. 66). Dementsprechend kürzte die Beklagte bei der nachfolgenden (Jahres-)Abrechnung den Vergütungsanspruch der Klägerin betreffend den Zeitraum 1. bis 29. Juli 2012. Mit der vorliegenden Klage begehrt(e) die Klägerin von der Beklagten die (Nach-)Zahlung oder Erstattung eines Betrages i.H.v. 12.246,78 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Mit der – eingeschränkten – Berufung verfolgt die Klägerin die Zahlung eines – anteiligen – Schadensersatzbetrages i.H.v. 4.645,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten weiter. Die Beklagte sei mit der ihr obliegenden Verpflichtung, die von Seiten der Klägerin vorbereitete Anlage durch den Einbau der notwendigen Technik fertig zu stellen, am 19. Juli 2012 in Verzug geraten.
Das Berufungsvorbringen führt nicht zum Erfolg.
1. Die Berufung ist allerdings zulässig erhoben. Der Senat geht davon aus, dass die Klägerin – teilweise – ihr im ersten Rechtszug erfolglos gebliebenes Klagebegehren weiterverfolgt (vgl. BGH NJW 2011, 3653 Tz. 7; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Auflage 2013, vor § 511 Rn. 21) und insofern die Abänderung des landgerichtlichen Erkenntnisses anstrebt.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung oder Wertersatz von Einspeisevergütung für den streitgegenständlichen Zeitraum besteht indessen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
a) Das Landgericht hat nach Beweiswürdigung festgestellt, dass die technischen Vorgaben nach § 6 Abs. 1 EEG 2012 erst am 30. Juli 2012 erfüllt waren und es eine verbindliche – individualvertragliche – Zusage der Beklagten zur rechtzeitigen Information über die Notwendigkeit der Installation eines neuen Systems – Netzsicherheitsmanagement – nicht gegeben habe. Hiergegen wendet sich die Berufung nicht.
Die – fristgerechte – Bereitstellung der Fernsteuereinrichtung oblag als eigene Verpflichtung aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis (§ 4 EEG 2012) der Klägerin als Betreiberin einer (Groß-)Anlage mit einer installierten Leistung von mehr als 100 Kilowatt; sie hatte auch die erforderlichen Informationen („technischer Rahmen“) bei der Beklagten als Netzbetreiberin einzuholen (arg e § 6 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 EEG 2012; KG ZNER 2012, 516; OLG Stuttgart ZNER 2015, 55 Tz. 67 ff.). Hieran knüpft die Sanktionsregelung des § 17 Abs. 1 EEG 2012 unmittelbar an; ein schuldhaftes Handeln ist nicht vorausgesetzt (OLG Braunschweig ZNER 2015, 51 Tz. 45 ff.). Die Voraussetzungen für einen Rechtsmissbrauch wegen widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) liegen nicht vor; die Beklagte hat keinen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf die Anlagenumrüstung gesetzt (vgl. OLG Braunschweig a.a.O. Tz. 53 f.). Mit Schreiben vom 19. Juni 2012 (Anlage K 4; Bl. 29 ff. GA) war die Klägerin im Übrigen, verbunden mit einem Beratungsangebot, ausdrücklich auf ihre Betreiberpflichten hingewiesen worden. Der Einspeisungsvertrag vom 18. Dezember 2007/23. Dezember 2008 sieht eine Vergütung nur nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vor.
b) Der Klägerin steht auch kein vertraglicher Schadensersatzanspruch zu.
Eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten liegt nicht vor (§ 280 Abs. 1 BGB); ihr oblag – wie bereits gezeigt – weder die Verpflichtung, die Klägerin auf das Erfordernis der fristgerechten Einhaltung der technischen Vorgaben nach § 6 Abs. 1 EEG 2012 hinzuweisen, noch den Einbau der Fernsteuereinrichtung von sich aus zu veranlassen (OLG Braunschweig a.a.O. Tz. 57 ff.). Die im Streitfall maßgebenden gesetzlichen Vorschriften sind am 1. Januar 2012 in Kraft getreten; seither mussten der Klägerin die Umrüstungspflicht und die insofern gewährte Übergangsfrist bekannt sein.
Die mit der Berufungsbegründung unter Beweis gestellte Behauptung, die Beklagte sei am 17. Juli 2012 über die Vorbereitung der Anlage der Klägerin informiert und dazu aufgefordert worden, die notwendigen weiteren technischen Einrichtung zu installieren, ist rechtlich unerheblich. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin mit diesem – nach dem Abschluss der Beweisaufnahme im ersten Rechtszug nicht mehr aufgegriffenen (vgl. zum konkludenten Fallenlassen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln BGH NJW 1998, 2977 Tz. 8; Reichold a.a.O. § 531 Rn. 13) – Vorbringen im zweiten Rechtszug ausgeschlossen ist (§§ 529Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Ein Verzug der Beklagten mit einer ihr – ungeachtet der Pflichtenstellung des Anlagenbetreibers – (werk-)vertraglich obliegenden Leistungspflicht (§§ 280Abs. 1 und 2, 286 BGB) ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
c) Der Klägerin steht schließlich auch kein kondiktionsrechtlicher Wertersatzanspruch zu. Die Sanktionsregelung des § 17 Abs. 1 EEG 2012 stellt einen Rechtsgrund für das Erlangen des Stroms dar (OLG Braunschweig a.a.O. Tz. 61; OLG Stuttgart a.a.O. Tz. 91).
Der Senat empfiehlt der Klägerin – zur Vermeidung weiterer Kosten – die Prüfung der Berufungsrücknahme.