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Verkehrsunfall – unfallbedingter Schadensersatz durch Abrechnung auf Neuwagenbasis

OLG Frankfurt – Az.: 22 U 188/18 – Urteil vom 06.06.2019

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.08.2018 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.180,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.12.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten 16 % und der Kläger 84 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 37.918,32 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfallereignisses vom XX.XX.2017 in Stadt1 in Höhe von insgesamt 37.923,32 €.

Die Beklagte zu 1) verursachte den Unfall. Das Fahrzeug der Beklagten zu 1) war zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert.

Der Kilometerstand des Fahrzeugs des Klägers betrug 517 km. Das Fahrzeug wurde am 25.10.2017 erstmals zugelassen. Das Gutachten der X vom 20.11.2017 weist Netto-Reparaturkosten in Höhe von 4.443,22 € und eine Wertminderung in Höhe von 1.000,00 € aus. Der Kaufpreis des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs betrug 37.181,00 €.

Der Kläger begehrt ferner Zahlung der Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 € und einer Kostenpauschale in Höhe von 30,00 €. Eine Anschaffung eines neuen Fahrzeuges erfolgte bisher nicht.

Der Kläger hat gemeint, die umfangreichen Reparaturarbeiten rechtfertigten eine Abrechnung auf Neuwagenbasis. Es sei ihm nicht zuzumuten gewesen, das Fahrzeug nach durchgeführter Reparatur weiter nutzen zu müssen. Für den Kauf eines Neufahrzeuges habe es an den finanziellen Mitteln gefehlt.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben gemeint, die Durchführung der Reparatur sei zumutbar gewesen. Es fehle am Kriterium der Erheblichkeit des Schadens. Ferner habe berücksichtigt werden müssen, dass der Kläger bisher noch kein neues Fahrzeug erworben hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge nimmt der Senat auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 14.08.2018 der Klage ganz überwiegend stattgegeben und die Beklagten zur Zahlung von 37.918,32 € nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Hinblick auf den notwendigen Reparaturumfang müsse der Kläger eine Reparatur nicht hinnehmen. Von einem spurlosen Wechseln von Teilen könne nicht ausgegangen werden. Soweit sich die Beklagten darauf berufen, dass der Kläger noch kein Neufahrzeug erworben hat, würde sich diese Einrede überhaupt nur gegen die geltend gemachte Mehrwertsteuer richten. Insoweit sei die Einrede nicht erhoben worden. Der Anspruch hinsichtlich der Kostenpauschale sei nur in Höhe von 25,00 € begründet.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Zur Begründung führen sie aus, die Entscheidung des Landgerichts stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Durch die Reparatur entstehe kein massiver Eingriff in das Fahrzeuggefüge. Nach dem Austausch bzw. der Instandsetzung der Fahrzeugteile sei das Fahrzeug wieder voll funktionstüchtig. Es seien ausschließlich Fahrzeugteile betroffen, die im Rahmen einer fachgerecht durchgeführten Reparatur spurenlos ausgewechselt werden könnten. Es liege kein massiver und erheblicher Unfallschaden vor. Das Landgericht hätte ein Sachverständigengutachten zur Erheblichkeit des Schadens einholen müssen. Das Landgericht habe die Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt. Die Annahme, der Geschädigte könne auch dann die für die Anschaffung eines fabrikneuen Ersatzfahrzeugs erforderlichen Kosten verlangen, wenn er ein solches Fahrzeug nicht angeschafft hat, sei mit den schadensersatzrechtlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.

Die Beklagten beantragen, das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 14.08.2018, Az.: 13 O 18/18, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Der Anspruch des Klägers auf Naturalrestitution manifestiere sich vorliegend darin, dass ihm ein unbeschädigtes Neufahrzeug zur Verfügung zu stellen sei. Der Kläger müsse sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine Reparatur verweisen lassen. Er sei auch nicht verpflichtet, die Kosten der Schadensbeseitigung aus eigenen Mitteln vorzufinanzieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache hat sie nur teilweise Erfolg.

Die Berufung ist begründet, soweit der Kläger einen Schadensersatzanspruch im Hinblick auf den Neuwagenpreis geltend macht. Der Senat folgt nicht der diesbezüglichen Auffassung des Landgerichts.

Der Kläger hat unstreitig keinen Neuwagen angeschafft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, kann ein Geschädigter, dessen neuer PKW erheblich beschädigt worden ist, den Schaden nur dann auf Neuwagenbasis abrechnen, wenn er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft hat. Die Annahme, der Geschädigte könne auch dann die für die Anschaffung eines fabrikneuen Ersatzfahrzeugs erforderlichen Kosten verlangen, wenn er ein solches Fahrzeug nicht angeschafft habe, ist mit dem nach schadensrechtlichen Grundsätzen zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot nicht zu vereinbaren. Die Zubilligung einer Neupreisentschädigung beruht auf einer Einschränkung des aus dem Erforderlichkeitsgrundsatz hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebots. Ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Erstattung der im Vergleich zum Reparaturaufwand höheren und damit an sich unwirtschaftlichen Ersatzbeschaffungskosten ist das besondere Interesse des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs. Die mit dem erhöhten Schadensausgleich einhergehende Anhebung der „Opfergrenze“ des Schädigers ist allein zum Schutz dieses besonderen Interesses des Geschädigten gerechtfertigt. Dies gilt aber nur dann, wenn der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ein solches Interesse hat und dieses auch durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachweist. Nur dann ist die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren. Verzichtet der Geschädigte dagegen auf den Kauf eines Neufahrzeugs, fehlt es an dem inneren Grund für die Gewährung einer Neupreisentschädigung. Ein erhöhter Schadensausgleich wäre verfehlt (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2009 – VI ZR 110/08, zitiert nach juris, Rz. 11, 26; KG Berlin, Beschluss vom 12.04.2010 – 12 U 99/09, zitiert nach juris, Rz. 4, 5). Eine fiktive Abrechnung auf Neuwagenbasis ist unzulässig (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.11.2011 – I-1 U 14/11, zitiert nach juris, Rz. 4).

Für die Abrechnung auf Neuwagenbasis genügt es im Übrigen auch nicht, dass der Kläger vorträgt, bisher eine Neuanschaffung nur aus finanziellen Gründen unterlassen zu haben (vgl. OLG München, Beschluss vom 08.10.2009 – 10 U 4364/09, zitiert nach juris, Rz. 4; KG Berlin, Beschluss vom 02.08.2010 – 12 U 49/10, zitiert nach juris, Rz. 46).

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 6.180,54 € aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignisses vom 14.11.2017 gemäß §§ 7 StVG, 115 VVG, 249 BGB.

Der Unfall wurde unstreitig von der Beklagten zu 1) verursacht. Der Kläger hat jedenfalls einen Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Reparaturkosten in Höhe von netto 4.443,22 €, der Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 €, der Wertminderung in Höhe von 1.000,00 € und der Kostenpauschale in Höhe von 25,00 €.

Die Ansprüche betreffen denselben Streitgegenstand und stellen lediglich ein Minus gegenüber dem Ersatz des Neupreises dar. Der Kläger hat einen einheitlichen prozessualen Anspruch geltend gemacht, nämlich Schadensersatz für sein durch den streitgegenständlichen Unfall beschädigtes Fahrzeug verlangt. Es entspricht dem erkennbaren Interesse des Klägers, für den Fall, dass die Voraussetzungen einer Neupreisentschädigung nicht vorliegen, eine Verurteilung der Beklagten auf Ersatz der erforderlichen Reparaturkosten pp. zu erwirken (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 02.08.2010 – 12 U 49/10, zitiert nach juris, Rz. 61, 63, 67).

Ferner besteht ein Anspruch auf Zinsen ab dem 08.12.2017. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 23.11.2017 richtete sich zwar nur an die Beklagte zu 2). Die Mahnung gegenüber dem Kfz-Haftpflichtversicherer hat aber gemäß AKB Gesamtwirkung (Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 78. Auflage 2019, § 425, Rz. 3).

Die Kostenentscheidung resultiert aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 47 GKG.

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