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Versammlung ohne Verpflichtung zur Teilnehmerliste – Corona

VG Köln – Az.: 7 L 814/20 – Beschluss vom 07.05.2020

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zur Durchführung der von ihm angemeldeten Versammlung in Bonn, Rochusstraße 1 am 08.05.2020 in der Zeit von 06,00 Uhr bis 08,00 Uhr „.XXXXXXXXXXXXX statt Grundechte zu beschränken“ ohne eine verbindliche Verpflichtung zur Eintragung von Teilnehmenden in eine Liste mit Vor- und Zuname, Postanschrift und Telefonnummer zu erteilen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

2. Der Streitwert wird auf 500,00 Euro festgesetzt

Gründe

Der sinngemäße Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die begehrte Ausnahmegenehmigung ohne die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 07.05.2020 genannte Auflage 9 zu erteilen, hat Erfolg.

Die Kammer geht bei der gebotenen Auslegung davon aus, dass sich der Antrag auf die Nebenbestimmung gemäß Ziffer 9 des Bescheides vom 07.05.2020 bezieht. Eine allgemeine Klärung der vom Antragsteller auch für andere Erlaubnisverfahren aufgeworfenen Rechtsfragen ist im Verfahren der vorliegenden Art nicht möglich.

Versammlung ohne Verpflichtung zur Teilnehmerliste - Corona
Symbolfoto: Von Maksimilian /Shutterstock.com

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der erforderliche Anordnungsanspruch und die Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) sind vom Antragsteller nach § 123 Abs. 3 VwGO glaubhaft zu machen.

Dem Antragsteller steht in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang ein Anordnungsanspruch zu.

Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 der derzeit bis zum 10.05.2020 gültigen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (CoronaSchVO) in der ab dem 04.05.2020 gültigen Fassung können die nach dem Landesrecht für Schutzmaßnahmen nach § 28 Abs. 1 IfSG zuständigen Behörden für Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot nach § 11 Abs. 2 CoronaSchVO zulassen, wenn die Veranstalter die Einhaltung der für den Schutz der Bevölkerung vor Infektionen erforderlichen Maßnahmen (insbesondere Mindestabstände) sichergestellt haben. Nach Satz 2 der Norm ist die Ausnahmeentscheidung der zuständigen Versammlungsbehörde zur Vorbereitung der dortigen abschließenden Entscheidung zuzuleiten.

Ob ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung besteht, beurteilt sich im Lichte der grundrechtrechtlichen Gewährleistung des Versammlungsrechts. Art 8 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Nach Absatz 2 der Norm kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden. Das Versammlungsrecht schützt die kollektive Persönlichkeitsentfaltung und Meinungskundgabe. Es ist wesentliches Element demokratischer Offenheit und in diesem Sinne für die freiheitlich-demokratische Grundordnung konstitutiv. Einschränkungen des Versammlungsrechts bedürfen der besonderen Rechtfertigung, die ihrerseits an der Bedeutung des Grundrechts zu messen ist und insbesondere verhältnismäßig, d.h. zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, erforderlich und angemessen sein muss. Maßgebend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls, die von der Behörde in Abwägung mit den Belangen des Infektionsschutzes zu gewichten sind (BVerfG, Beschluss vom 15.04.2020 – 1 BvR 828/20 -).

Die Auflage 9 ist mit dem Wesensgehalt des Versammlungsrechts in der gegebenen Form unvereinbar. Dem Antragsteller als Versammlungsleiter ist damit auferlegt, aus Gründen des Infektionsschutzes über die Teilnehmenden eine Liste mit Daten über Vor- und Zuname, Adresse und Telefonnummer zu führen und diese zwei Monate zur Ermittlung von Kontaktpersonen durch das Gesundheitsamt bereit zu halten. Das Recht anonym an einer Versammlung teilzunehmen, wird durch das Versammlungsrecht des Grundgesetzes gewährleistet. Es gewährleistet, dass auch solche Personen an einer Versammlung teilnehmen können, die – etwa aus Furcht vor Sanktionen des Arbeitgebers, staatlicher Erfassung der eigenen Person oder der geäußerten politischen Meinung – nicht bereit sind, ihre Identität zu offenbaren. Lediglich dann, wenn die konkrete Art der Aufmachung der Person Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bietet, kann beschränkend eingegriffen werden, etwa bei einer Vermummung. Die Kammer ist davon überzeugt, dass eine Verpflichtung zur Preisgabe der persönlichen Daten geeignet ist, potentielle Teilnehmer in besonderer Weise abzuschrecken. Derartige schon im Vorfeld der Versammlung einschränkende Maßnahmen bedürfen der besonderen Rechtfertigung. Eine solche Rechtfertigung vermag der Kammer auch mit Blick auf die Lage im Gefolge der Corona-Pandemie nicht zu sehen. Es bestehen bereits Zweifel an der Geeignetheit der Maßnahme. Diese soll der Unterstützung der Nachverfolgbarkeit von Infektionsketten durch das Gesundheitsamt gemäß § 25 IfSG dienen. Dies setzt voraus, dass nicht nur die im Nachgang positiv getestete Person ihre Versammlungsteilnahme offenbart, sondern auch, dass die Angaben in der Liste inhaltlich zutreffen und bei Herausgabe der Liste eine Nachverfolgbarkeit zulassen. Hieran bestehen bei einer obligatorischen Liste Zweifel, da sich gerade kritische Teilnehmer zu falschen Angaben veranlasst sehen könnten. Auch geht eine Verpflichtung zur Angabe deutlich über das hinaus, was im Zuge der aktuellen Anpassung der Schutzmaßnahmen in anderen Lebensbereichen verlangt wird. Dort beschränkt man sich im Wesentlichen auf Abstands-, Masken- und Zutrittsregelungen, obgleich das Infektionsrisiko teilweise deutlich über dem liegt, was bei einer Versammlung der vorliegenden geplanten und disziplinierten Art zu erwarten ist. Nicht ausgeschlossen ist hiernach allerdings das Gebot, auf die freiwillige Eintragung in eine Liste der beschriebenen Art hinzuweisen, die zudem eine größere Richtigkeitsgewähr bietet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich an der Streitwertpraxis des Bundesverwaltungsgerichts, das im Fall eines Versammlungsverbots die Hälfte des Auffangstreitwerts des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,00 Euro vorsieht. Vorliegend setzt die Kammer jedoch lediglich 500,00 Euro an, da sich der Antragsteller nur gegen eine einzelne Auflage wehrt.

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