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Grad der Behinderung: Verschlimmerung und Merkzeichen aG

Sozialgericht Aachen

Az.: S 18 SB 212/04

Urteil vom 11.01.2005


1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2004 verurteilt, über den Widerspruch des Klägers vom 03.03.2004 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu entscheiden.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).

Bei dem XX geborenen Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 und das Merkzeichen „G“ festgestellt (Bescheid vom 22.02.1991). Der seinerzeitigen Feststellung lagen berufsgenossenschaftlich anerkannte Unfallfolgen (Hüftgelenks-Funktionsbehinderung) mit Einzel-GdB von 50 sowie eine Sehminderung mit Einzel-GdB von 30 zugrunde.

Der Kläger beantragte am 21.01.2004 die Feststellung einer Verschlimmerung und das Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) wegen Verschlechterung der Unfallfolgen und Hinzutreten von Wirbelsäulenbeschwerden und Bluthochdruck. Beratungsarzt L empfahl die zusätzliche Feststellung einer Wirbelsäulenfunktionsstörung mit Einzel-GdB 20, die aber keinen Einfluss auf den Gesamt-GdB habe, die Voraussetzungen für das Merkzeichen „aG“ seinen nicht gegeben. Der Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 25.02.2004).

Mit seinem Widerspruch vom 03.03.2004 trug der Kläger vor, er bewege sich seit dem 16.01.2004 mit Gehhilfen, am 17.02.2004 sei eine Wirbelsäulenoperation terminiert worden. Auch wenn das Merkzeichen „aG“ nicht in Frage komme, müsse doch der GdB höher bewertet werden.

Beratungsarzt l empfahl nach Auswertung von Klinikberichten die zusätzliche Berücksichtigung eines Bluthochdruckes mit Einzel-GdB von 10, bei im übrigen unveränderter Einschätzung.

Der Beklagte erließ unter dem 11.08.2004 einen Widerspruchsbescheid, in dem er ausführte, das beantragte Merkzeichen „aG“ liege nicht vor, weil das Gehvermögen nicht so weitgehend eingeschränkt sei, wie hierfür erforderlich. Zur Höhe des GdB sind keine Ausführungen gemacht.

Seine Klage „gegen den Widerspruchsbescheid“ begründet der Kläger damit, dass in keiner Weise auf seinen Antrag betreffend die Erhöhung des GdB eingegangen worden sei.

Er beantragt schriftlich sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2004 zu verurteilen, über seinen Widerspruch hinsichtlich der Höhe des GdB zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Nach den aktenkundigen Befunden sei der Widerspruchsbescheid nicht zu beanstanden, der Verfügungssatz, mit dem der Widerspruch zurückgewiesen werde, sei korrekt.

Die erkennende Kammer hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass Entscheidung durch Gerichtsbescheid in Betracht komme, da es bisher an einer Widerspruchsentscheidung zur Höhe des GdB fehle. Der Inhalt des Verfügungssatzes sei bei antragsabweisenden Entscheidungen anhand der tragenden Gründe des Bescheides auszulegen, die vorliegend ausschließlich „aG“ beträfen. Der Beklagte sei sich demnach gar nicht bewußt gewesen, eine Entscheidung zur Höhe des GdB zu treffen. Es handele sich damit nicht um einen bloßen Begründungsmangel, wie ihn die Kammer bei den regelmäßig ohne individuellen Bezug vorformulierten Bausteinbescheiden des Beklagten bisher häufig hinnehme, sondern der Widerspruchsbescheid gehe an dem gestellten Antrag vorbei ins Leere. Aus der Entscheidung werde nicht bestimmbar, mit welchem Inhalt sie bestandskräftig werden solle.

Der Beklagte hat hierzu mitgeteilt, es sei weitere medizinische Sachaufklärung notwendig.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Widerspruchsbescheid vom 11.08.2004 ist rechtswidrig, weil er nicht über den gestellten Antrag entscheidet.

Mit der Klage kann die alleinige Aufhebung des Widerspruchsbescheides verlangt werden, da dieser den Kläger isoliert rechtlich benachteiligt, in dem er über den gestellten Antrag nicht entscheidet. Ohne die Möglichkeit, isoliert den Widerspruchsbescheid anzufechten, wäre dem Kläger eine Instanz des Verwaltungsverfahrens genommen (vgl. Meyer/Ladewig, SGG, 7. Aufl., Rdnr. 3 b zu § 95 SGG). Zwar hat der Beklagte nach der Entscheidungsformel im Widerspruchsbescheid den Widerspruch zurückgewiesen. Entgegen seiner Auffassung ist hierin aber keine Entscheidung über den Grad der Behinderung enthalten, da die zur Auslegung herzuziehenden tragenden Entscheidungsgründe eindeutig erkennen lassen, dass ausschließlich eine Entscheidung zum Merkzeichen „aG“ getroffen werden sollte. Der Widerspruch des Klägers hingegen richtete sich ausdrücklich nicht gegen die Versagung des Merkzeichens „aG“, sondern gegen die Ablehung der Feststellung eines höheren GdB. Insoweit steht eine Entscheidung des Beklagten über den Widerspruch noch aus uns ist nachzuholen.

Ergänzend wird die Entscheidung auf § 131 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in der Fassung vom 24.08.2004 gestützt. Danach kann das Gericht binnen 6 Monaten nach Klageeingang den Widerspruchsbescheid aufheben, wenn weitere Sachaufklärung erforderlich ist, die nach Art oder Umfang erheblich ist und wenn die Aufhebung unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auch dies ist hier der Fall. Der Beratungsarzt des Beklagten hat in seiner Stellungnahme vom 26.11.2004 umfangreiche weitere Sachaufklärung für erforderlich gehalten. Es kommt hinzu, dass ungeprüft weiterhin der berufsgenossenschaftlich festgestellte Einzel-GdB von 50 gemäß Bescheid der Verwaltungs-BG vom 26.11.1990 zugrunde gelegt wird, obwohl zwischenzeitlich eine Hüft-TEP erfolgt ist. Eine Bindungswirkung gemäß § 69 Abs. 2 SGB IX besteht insoweit nicht, da das BG-Verfahren nur den Einzel-GdB der Hüfterkrankung betrifft und Einzel-GdB nicht in Bestandskrafterwachsen, so dass bei der Einschätzung des Gesamt-GdB der Beklagte nicht darauf verzichten kann, in eine eigene Prüfung der durch die Unfallfolgen verursachten Funktionsbehinderungen einzutreten. Da die Klage am XXX bei Gericht einging ist auch die 6-Monats-Frist des § 131 Abs. 5 SGG noch nicht verstrichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

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