BUNDESGERICHTSHOF
Az.: IV ZR 150/05
Urteil vom 14.02.2007
Vorinstanzen:
LG Wiesbaden, Az.: 2 O 251/03, Entscheidung vom 04.05.2004
OLG Frankfurt/Main, Az.: 3 U 176/04, Entscheidung vom 09.06.2005
Leitsätze:
Die Erklärung des Versicherungsnehmers in einem Versicherungsantrag, im Falle seines Todes solle „der Ehegatte der versicherten Person“ Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, ist auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe regelmäßig dahin auszulegen, dass der mit dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Festlegung der Bezugsberechtigung verheiratete Ehegatte begünstigt sein soll.
In dem Rechtsstreit hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 2007 für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt die Rückzahlung der von seiner verstorbenen Ehefrau geleisteten Beiträge für eine bei der Beklagten genommene Rentenversicherung, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für Rentenversicherungen (AVB) und die Besonderen Bedingungen für Versicherungen aufgeschobener Leibrenten mit Beitragsrückgewähr zugrunde liegen.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen der verstorbenen Ehefrau des Klägers und der Beklagten im Jahr 1979 war diese in erster Ehe mit dem Streitverkündeten W. M. verheiratet. Für die beim Tod des Versicherten vor Rentenbeginn in § 1 der Besonderen Bedingungen vorgesehene Beitragsrückgewähr war in dem Versicherungsantrag als Bezugsberechtigter der „Ehegatte der versicherten Person“ angegeben. § 12 Nr. 1 AVB bestimmt in diesem Zusammenhang Folgendes:
„Der Versicherungsnehmer kann einen Dritten als bezugsberechtigt bezeichnen. Der Bezugsberechtigte erwirbt das Recht auf die Leistung der Gesellschaft erst mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. Bis dahin kann der Versicherungsnehmer die Bezugsberechtigung widerrufen.“
Die erste Ehe der verstorbenen Ehefrau des Klägers wurde 1985 geschieden, von 1993 bis zu ihrem Tod ein Jahr später war sie mit dem Kläger verheiratet. Nach ihrem Tod zahlte die Beklagte Versicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 6.255,02 € an den geschiedenen Ehemann aus. Eine Auszahlung des Betrages an den Kläger lehnte die Beklagte ab.
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung des vom Kläger errechneten Betrages in Höhe von 7.518,85 € abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Wer im vorliegenden Fall bezugsberechtigt sei, müsse nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB und unter Berücksichtigung von § 12 Nr. 1 AVB durch Auslegung der im Versicherungsvertrag zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer getroffenen Vereinbarungen ermittelt werden. Deren Scheidung von ihrem ersten Ehemann habe dessen Bezugsberechtigung nicht ohne weiteres – etwa im Sinne einer auflösenden Bedingung – außer Kraft gesetzt. Aus der im Versicherungsantrag vorgenommenen Verknüpfung zwischen dem Begriff „Todesfall“ und dem Begriff „der Ehegatte“ ergebe sich für den hier vorliegenden Fall des Vorhandenseins zweier überlebender Ehegatten nichts anderes.
Die Auslegungsregel des § 2077 BGB könne in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entsprechend angewendet werden. Dem stehe schon der Umstand entgegen, dass bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung der einseitige hypothetische Wille des Erblassers maßgeblich sei, während es bei der hier vorliegenden vertraglichen Regelung allein auf den Empfängerhorizont des Versicherers als Vertragspartner ankomme. Dies gelte jedenfalls für das hier streitbefangene Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. Da der Versicherungsvertrag schon vor der Scheidung im Jahre 1985 gekündigt und beitragsfrei gestellt war, könne der Gedanke der wirtschaftlichen Absicherung des Klägers aus Anlass von dessen Eheschließung mit der Verstorbenen im Jahre 1993 auch nicht als Auslegungskriterium zu dessen Gunsten herangezogen werden.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat dem Kläger die begehrte Versicherungsleistung mangels Bezugsberechtigung zu Recht versagt.
1.
Nach § 12 Nr. 1 der dem Vertrag zugrunde liegenden AVB kann der Versicherungsnehmer einen Dritten widerruflich als Bezugsberechtigten bezeichnen. Die Einräumung und der Widerruf eines solchen Bezugsrechtes sind dem Versicherer gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie der (bisherige) Verfügungsberechtigte dem (Vorstand des) Versicherer(s) schriftlich angezeigt hat (§ 12 Nr. 3 AVB). Wem in welchem Umfang ein Bezugsrecht und die daraus folgenden Ansprüche auf die Versicherungsleistungen zustehen, bestimmt der Versicherungsnehmer also durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber dem Versicherer, die Verfügungscharakter hat (Senatsurteile vom 28. September 1988 – IVa ZR 126/87 – VersR 1988, 1236 unter 2 und vom 18. Juni 2003 – IV ZR 59/02 – VersR 2003, 1021 unter II 1). Nichts anderes gilt für den Widerruf oder die Änderung einer Bezugsberechtigung.
Auch sie verlangen eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf die inhaltliche Änderung der bisherigen Bestimmung gerichtet ist und der demgemäß ebenfalls Verfügungscharakter zukommt (Senatsurteil vom 28. September 1988 aaO).
2.
Wem mit der vom Versicherungsnehmer gewählten Bezeichnung „Ehegatte der versicherten Person“ ein Bezugsrecht eingeräumt worden ist, muss deshalb zunächst durch Auslegung der Willenserklärung des Verfügungsberechtigten ermittelt werden – und zwar bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem er diese abgegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 1987 – IVa ZR 26/86 – VersR 1987, 659 unter 1). Maßgeblich ist also der bei der Festlegung des Bezugsrechts vorhandene und dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachte Wille des Versicherungsnehmers (Senatsbeschluss vom 17. September 1975 – IV ZA 8/75 – VersR 1975, 1020).
a) Das Berufungsgericht hat den Willen der verstorbenen Ehefrau des Klägers, ihren damaligen Ehemann und nicht den Kläger widerruflich zu begünstigen, dem Wortlaut der im Versicherungsantrag vorgenommenen Einsetzung „der Ehegatte der versicherten Person“ entnommen. Das lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
Dieser Wortlaut bietet keinen Anhalt dafür anzunehmen, die verstorbene Ehefrau des Klägers habe bei Vertragsabschluss im Jahr 1979 nicht ihren damaligen Ehemann, sondern allgemein diejenige Person begünstigen wollen, die zum Zeitpunkt ihres Todes mit ihr verheiratet war.
Zu Recht hat das Berufungsgericht auch aus der im Antragsformular vorgenommenen Verknüpfung zwischen dem Begriff „Todesfall“ und dem Begriff „der Ehegatte“ einen solchen Schluss nicht gezogen. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich die frühere Ehefrau des Klägers bei Vertragsschluss Gedanken über den Fortbestand der Ehe machte oder gar den Fall einer Scheidung in Betracht zog. Auch aus dem Umstand, dass die bezugsberechtigte Person nicht konkret benannt worden ist, folgt nichts anderes. Der Verzicht auf die volle Namensnennung rechtfertigt keine differenzierende Betrachtungsweise (Senatsbeschluss vom 17. September 1975 aaO). Noch weniger ist ersichtlich, wie der Empfänger der Erklärung, der Versicherer, von seinem Horizont her davon hätte ausgehen sollen, dass die verstorbene Ehefrau mit ihrem „Ehegatten“ eine andere Person gemeint haben könnte, als diejenige, mit der sie zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung verheiratet war.
b) Die von der verstorbenen Ehefrau des Klägers im Versicherungsantrag vorgenommene Einsetzung ihres ersten Ehegatten als Bezugsberechtigten ist auch nicht nachträglich infolge der Scheidung dieser Ehe im Jahr 1985 wieder entfallen.
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass die Benennung des Ehegatten des Versicherungsnehmers als Bezugsberechtigten einer Versicherungsleistung ohne Hinzutreten besonderer Anhaltspunkte nicht auflösend bedingt ist durch eine Scheidung der Ehe vor Eintritt des Versicherungsfalles (BGHZ 79, 295, 298; Senatsbeschluss vom 17. September 1975 – IV ZA 81/75 – VersR 1975, 1020; Senatsurteil vom 1. April 1987 – IVa ZR 26/86 – VersR 1987, 659 unter 1). Denn bei der Verwendung des Begriffs „Ehegatte“ bzw. „Ehefrau“ ist – ohne Rücksicht auf einen den bezugsberechtigten Ehegatten näher kennzeichnenden Namenszusatz (anders OLG Frankfurt am Main VersR 1997, 1216) – nach der Lebenserfahrung regelmäßig nicht anzunehmen, dass das Bezugsrecht nur für den Fall eingeräumt sein soll, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch besteht (vgl. auch OLG Hamm VersR 1981, 228; OLG Köln VersR 1993, 1133; OLG Karlsruhe VersR 1998, 219; ebenso Kollhosser in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 167 Rdn. 4 m.w.N.; Römer, aaO § 167 Rdn. 3; a.A. noch Robrecht, DB 1967, 453 ff.). Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht im vorliegenden Fall zu Recht jeden konkreten Anhaltspunkt dafür verneint hat, dass die verstorbene Versicherungsnehmerin eine solche auflösend bedingte Einsetzung ihres ersten Ehegatten als – widerruflich – Bezugsberechtigten gewollt hat, würde die Rechtsstellung des Klägers durch den Eintritt der Bedingung infolge Scheidung der ersten Ehe nicht zu der eines Bezugsberechtigten.
Bei Eintritt der Bedingung würde das Recht auf die Versicherungsleistung gemäß § 168 VVG in das Vermögen des Versicherungsnehmers gehören, hier also in das der Ehefrau des Klägers (vgl. dazu Senatsurteil vom 4. Dezember 1980 – IVa ZR 59/80 – VersR 1981, 371 a.E.; Kollhosser, aaO § 168 Rdn. 1; anders OLG Frankfurt am Main aaO).
c) Auch eine entsprechende Anwendung von § 2077 Abs. 3 BGB, wonach eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, im Falle der Auflösung der Ehe vor dem Tode des Erblassers dann nicht unwirksam ist, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde, auf die vorliegende Fallgestaltung kommt nicht in Betracht. Denn die für die Auslegung einer letztwilligen Verfügung gebotene Prüfung des hypothetischen Erblasserwillens nach § 2077 Abs. 3 BGB widerspricht der Rechtsnatur der Bezugsrechtsbenennung als einseitiger, empfangsbedürftiger Willenserklärung (Senatsbeschluss vom 17. September 1975 aaO; Senatsurteil vom 1. April 1987 aaO; vgl. auch Kollhosser aaO; BK-Schwintowski, VVG § 166 Rdn. 21; Palandt/Edenhofer, BGB 66. Aufl. 2007 § 2077 Rdn. 2 a.E.; ders. aaO § 1922 Rdn. 39; a.A. Winter aaO Anm. H 71; Liebl-Wachsmuth, VersR 1983, 1004). Bei einer Erklärung im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung ist im Interesse des Vertragspartners, hier des Versicherers, weitgehend auf deren Wortlaut und darauf abzustellen, wie die Erklärung aus dessen Sicht zu verstehen ist (Senatsurteil vom 1. April 1987 aaO). Außerdem soll der Versicherer im Interesse einer schnellen und reibungslosen Abwicklung des Versicherungsfalls nicht – mitunter schwierige – Auslegungsfragen entscheiden müssen, die sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 2077 BGB ergeben können (Senatsurteil vom 1. April 1987 aaO).
2.
Damit blieb der frühere Ehegatte der verstorbenen Ehefrau des Klägers, der Streitverkündete, auch nach deren Tod aus der bei der Beklagten genommenen Rentenversicherung bezugsberechtigt.