OLG Rostock – Az.: 2 U 23/21 – Beschluss vom 19.01.2022
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Rostock vom 20.05.2021 – Az.: 10 O 137/20 – gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die zulässige Berufung wird in der Sache keinen Erfolg haben. Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass die Vertragsstrafe verwirkt ist (§ 339 Satz 2 ZPO). Der Senat kann insoweit im Wesentlichen auf die landgerichtlichen Ausführungen Bezug nehmen, insbesondere zur Frage der hinreichenden Bestimmtheit des hier konkret der Verurteilung zugrunde gelegten Vertragsstrafeversprechens in § 16 Nr. 3 Satz 3 des als Anlage K 1 vorgelegten Vertrages bzw. der zugrundeliegenden Unterlassungspflicht in § 16 Nr. 3 Satz 1 ebendort.
Lediglich zu folgenden – kurzen – Ergänzungen sieht der Senat sich veranlasst:
1. Warum die näheren Motive, die den Beklagten zur Abgabe eines den Pachtpreis für den Kläger in die Höhe treibenden Gebotes gegenüber der Gemeinde bewogen haben mögen, für die rechtliche Bewertung des Falles eine Rolle spielen sollten, erschließt sich nicht. Soweit die Vertragsstrafe nur für den Fall verwirkt sein sollte, dass der Beklagte gegen die Unterlassungspflicht vorsätzlich verstoßen hat, worauf unter Ziffer 2 zurückzukommen ist, bedürfte es nach allgemeinen Grundsätzen immerhin und zugleich auch nur des Bewusstseins vom Verstoß bzw. der ihn begründenden Tatsachen (respektive des zumindest für-möglich-Haltens in der Variante lediglich bedingten Vorsatzes), nicht aber einer darüber hinausgehenden besonderen – gesondert vorwerfbaren – Motivlage. Vor diesem Hintergrund kommt es auf das im Berufungsrechtszug durch den Beklagten in tatsächlicher Hinsicht erklärtermaßen neu Vorgetragene mangels Erheblichkeit nicht an. Ob der neue Sachvortrag unter novenrechtlichen Gesichtspunkten zuzulassen wäre, bedarf insoweit keiner Entscheidung.
2. Unabhängig von dem für die Beurteilung der Bestimmtheit heranzuziehenden rechtlichen Maßstab, auf den unter Ziffer 3 zurückzukommen ist, folgt ein Bestimmtheitsmangel jedenfalls nicht daraus, dass die Vertragsklausel ihrem Wortlaut nach nicht auf Verschulden abstellt. Vorauszuschicken ist insoweit zunächst, dass im Grundsatz Einigkeit besteht, dass es auch in dem hier in Rede stehenden Fall des § 339 Satz 2 BGB eines Verschuldens bedarf, obwohl der Wortlaut der Norm – anders als § 339 Satz 1 BGB, der auf Verzug und damit im Regelfall auf Verschulden abstellt (§§ 286 Abs. 4, 276 Abs. 1 Satz 1 BGB) – die gegenteilige Annahme nahelegt, bereits die objektive Zuwiderhandlung führe zur Verwirkung der Vertragsstrafe; gleichermaßen anerkannt ist in Rechtsprechung und Literatur, dass die Parteien jedenfalls im Wege der Individualvereinbarung einen abweichenden Maßstab bestimmen können, wobei die Abweichung in beide Richtungen gehen, also entweder in einer Verschärfung bestehen kann, indem z. B. erst ein qualifiziertes Verschulden – mindestens grobe Fahrlässigkeit oder sogar nur Vorsatz – die Verwirkung der Strafe nach sich zieht, oder aber umgekehrt in einer Absenkung des Maßstabes, indem etwa auch schuldlose Zuwiderhandlungen strafbewehrt sind, was faktisch auf eine Garantiehaftung hinausläuft (statt aller Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 339 Rn. 15, m.w.N.). Die hier von den Parteien verwendete Klausel mag entweder in dem Sinn zu deuten sein, dass in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung, wie sie abweichend vom Wortlaut allgemein aufgefasst wird, letztlich doch ein Verschulden notwendig ist, oder aber man mag sie so verstehen, dass sie in Abweichung von der gesetzlichen Regelung auch schuldlose Zuwiderhandlungen pönalisiert. So oder so ist die Regelung damit aber jedenfalls nicht unbestimmt. Und vor allen Dingen wäre die Strafe hier so oder so auch verwirkt, denn unbestritten hat der Beklagte sein Gebot gegenüber der Gemeinde absichtlich und zielgerichtet mit der Intention abgegeben, den Preis für den Kläger in die Höhe zu treiben; sofern Vorsatz erforderlich sein sollte, hätte der Beklagte also zweifelsfrei auch dieses subjektive Tatbestandsmerkmal erfüllt.
3. Auch sonst ergeben sich keine durchgreifenden Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit. Die Verpflichtung, alles zu unterlassen, was dem Betrieb des Klägers nach Besitzübergang schaden könnte, ist ausreichend präzise. Dass diese Unterlassungspflicht im Vergleich zu derjenigen aus § 16 Nr. 1 Satz 1 des Vertrages weniger deutlich konturiert ist, steht außer Frage, führt aber nicht zur Unwirksamkeit. Es entspricht einhelliger Auffassung, dass Unterlassungspflichten nicht deshalb einem gesteigerten – vertragsstrafespezifischen – Bestimmtheitsmaßstab unterliegen, weil sie strafbewehrt sind (Staudinger/Rieble, BGB, Neubearbeitung 2020 [Updatestand: 09.05.2021], Vor §§ 339 ff. Rn. 113 i.V.m. § 339 Rn. 38, m.w.N.; vgl. BGH, Urteil vom 13.03.1975 – VII ZR 205/73, MDR 1975, 656 = WM 1975, 470 [Juris; Tz. 10]); etwas anderes gilt mit Blick auf § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich im Fall einer – hier nicht in Rede stehenden – Vertragsstrafevereinbarung per AGB (Rieble, a.a.O., Vor §§ 339 ff. Rn. 114 i.V.m. § 339 Rn. 23). Auch Vertragsstrafeversprechen bzw. die ihnen zu Grunde liegenden Unterlassungsgebote können generalklauselartig umrissen sein; so ist beispielsweise die umfassende Strafbewehrung (irgend-) eines „Vertragsverstoßes“ von der Rechtsprechung nicht beanstandet worden (BGH, a.a.O.; Rieble, a.a.O., Vor §§ 339 ff. Rn. 113). Ausgehend von diesem Maßstab – den der Senat teilt – ist im vorliegenden Fall hinreichend klar vereinbart, was zu unterlassen ist. Sofern man diesbezüglich Zweifel hegen wollte, wären diese indes jedenfalls durch die Bestimmung des § 16 Nr. 1 Satz 3 – die zumindest als Auslegungsstütze für § 16 Nr. 3 Satz 1 herangezogen werden kann – ausgeräumt. Diese Klausel, die gerade nicht für, sondern gegen die Position des Beklagten streitet, bringt nämlich den (Grund-) Gedanken zum Ausdruck, dass der Beklagte in dem hier zur Debatte stehenden Distrikt nur dann Grundflächen an sich ziehen bzw. dahingehende Bemühungen an den Tag legen dürfen soll, wenn dies zu dem – hier unstreitig nicht verfolgten – Zweck geschieht, sie dem Kläger zur Nutzung zu überlassen. Dem Wortlaut nach beschränkt sich die Regelung zwar auf einen Erwerb zu Eigentum mit anschließender Verpachtung an den Kläger; die Interessenlage ist aber nicht anders, wenn schon der Beklagte die betreffenden Flächen nur als obligatorisch Berechtigter „erwirbt“ – pachtet – und die (Weiter-) Überlassung vom Beklagten an den Kläger sich folgerichtig als bloßes Unterpachtverhältnis darstellt; eben diesem Zweck einer Unterverpachtung an den Kläger dienten die Bemühungen des Beklagten, die Flächen von der Gemeinde zu pachten, indes nicht. Für den Kläger, dessen Schutz § 16 Nr. 1 Satz 3 des Vertrages ersichtlich bezweckt, macht es keinen Unterschied, ob der Beklagte ihm – dem Kläger – Flächen dinglich oder (nur) obligatorisch „wegschnappt“.
4. Anknüpfend an das Vorgesagte ist auch unschädlich, dass die betreffenden Flächen im maßgeblichen Zeitpunkt der Zuwiderhandlung dem Betrieb des Klägers nicht – mehr – zugeordnet waren. Es liegt auf der Hand, dass der Betrieb in seinem jeweiligen Bestand geschützt werden und dem Beklagten darüber hinaus auch versagt sein sollte, dem Kläger bei einer Vergrößerung des Betriebes durch das „Wegschnappen“ von Flächen im Wege zu stehen. Anderenfalls hätten die Parteien schwerlich eine durch Gemarkungsgrenzen (vgl. § 16 Nr. 1 Satz 1 des Vertrages) definierte „Verbotszone“ für den Beklagten geschaffen. Deshalb wäre die Vertragsstrafe auch dann verwirkt, hätten die hier streitbegriffenen Flurstücke nie zum (Eigentums- oder) Pachtland des Klägers gezählt, also ausdrücklich auch in dem Fall, dass der Kläger sich hier erstmalig um eine Anpachtung dieses Areals bemüht hätte, solange und soweit das nur zur „Arrondierung“ des vorhandenen Betriebes dient. Insoweit kann es dann folgerichtig auch nicht den Ausschlag geben, ob der Beklagte die Flächen zu nichtgewerblich-persönlichen Zwecken oder zu einem in Konkurrenz mit dem Kläger tretenden – also ebenfalls erwerbslandwirtschaftlichen – Zweck genutzt haben würde; von daher begegnet auch das vom Landgericht ausgebrachte Verbot einer Gebotsabgabe zu Eigenbewirtschaftungszwecken keinen Bedenken, wobei der Senat ohnehin den Begriff der Eigenbewirtschaftung nicht ohne Weiteres in dem beklagtenseits skizzierten Sinne einer ausschließlich nichterwerbslandwirtschaftlichen Nutzung versteht; auch eine Nutzung zu erwerbslandwirtschaftlichen Zwecken des Beklagten wäre – für den Beklagten – eine Eigenbewirtschaftung.