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Vorläufige Fahrerlaubnisentziehung – Wegfall von Eignungsmängeln

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Az: RReg 1 St 79/70, Urteil vom 30.09.1970

Tatbestand

Das LG hat dem wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilten Angeklagten die Fahrerlaubnis nicht entzogen. Hiergegen richtet sich die Revision der StA.

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Vorläufige Fahrerlaubnisentziehung – Wegfall von Eignungsmängeln
Foto michaeljung/bigstock

Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine der Nachprüfung durch das RevGer regelmäßig entzogene Frage der tatrichterlichen Beurteilung, bei der das RevGer nur dann einzugreifen befugt ist, wenn Rechtsfehler erkennbar sind. Allerdings steht die Entziehung der Fahrerlaubnis, sofern die Voraussetzungen des § 42 m StGB vorliegen, nicht im freien Ermessen des Gerichts, sondern in einem solchen Fall muß die Fahrerlaubnis entzogen werden (BGHSt 5, 168, 176; 7, 165; Schönke-Schröder, StGB 15. Aufl § 42 m Rdnr 56; Dreher, StGB 32. Aufl § 42m Anm 3). Es erhebt sich also die Frage, ob die Entscheidung des LG, das die Notwendigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis im vorliegenden Fall verneint hat, rechtsfehlerhaft ist. Diese Frage ist zu verneinen.

Das LG hat nicht verkannt, daß in einem Fall wie dem vorliegenden, dh wenn Bestrafung wegen eines Vergehens der Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) erfolgt, der Täter „in der Regel“ nach § 42m Abs 2 Nr 2 StGB als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen und ihm daher die Fahrerlaubnis nach § 42m Abs 1 StGB zu entziehen ist. Es ist aber der Auffassung, daß hier besondere Umstände vorliegen, die es erlauben, ausnahmsweise von der Regel abzuweichen und von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen. Hiergegen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Auch wenn bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 42m Abs 2 StGB die Entziehung der Fahrerlaubnis „in der Regel“ erfolgen muß, schließt dies die Möglichkeit nicht aus, daß im Einzelfall von der Entziehung abgesehen werden kann, wenn die Tat, bezogen auf die Frage mangelnder Eignung, Ausnahmecharakter hat. Der Tatrichter hat daher bei Vorhandensein entsprechender Anhaltspunkte diese Frage stets zu prüfen. Es müssen besondere Umstände objektiver oder subjektiver Art gegeben sein, die ergeben, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht ungeeignet ist. Hierbei ist eine sorgfältige Abwägung der Gesamtumstände der Tat und insbesondere eine Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Täters geboten (Dreher aaO § 42m Anm 2 Cb; Schönke-Schröder aaO § 42m Rdnr 43, 44; BGHSt 5, 168, 176; OLG Stuttgart VRS 35, 19; BayObLGSt 1965, 138, 139). Insbesondere sind alle Umstände zu berücksichtigen, die einen Schluß auf das künftige Verhalten des Täters im Straßenverkehr, zB die voraussichtliche Wirkung der Strafe auf den Täter, zulassen. So kann die Notwendigkeit für die Entziehung der Fahrerlaubnis entfallen, wenn der Täter durch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bereits nachhaltig beeindruckt ist (Schönke-Schröder aaO § 42m Rdnr 44, 52). Entscheidend ist die auf alle Umstände, einschließlich der Persönlichkeit des Täters, gestützte richterliche Prognose (Schönke-Schröder aaO § 42m Rdnr 43). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Eignung oder Nichteignung eines Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen ist der Zeitpunkt der Urteilsfindung (BGHSt 7, 165, 175; Schönke-Schröder aaO § 42m Rdnr 52).

Das LG hat zugunsten des Angekl gewertet, daß dieser eine Fahrweise an den Tag gelegt habe, die eine ernstliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer wenig wahrscheinlich gemacht habe, da der Angekl nur etwa 3 bis 4 km auf einer zu dieser Zeit verkehrsstillen Straße gefahren und, als er sich fahruntauglich gefühlt habe, sofort rechts herausgefahren sei, um zu schlafen. Weiter hat das LG ausgeführt, die Einsicht des Angeklagten, die er in der Hauptversammlung an den Tag gelegt habe, sowie der Umstand, daß er bereits durch die fast siebenmonatige vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nachhaltig beeindruckt erscheine, ergäben berechtigten Grund dafür, daß der Eignungsmangel des Angekl ausnahmsweise zu verneinen sei. Das LG hat damit in nicht zu beanstandender Weise die Gesamtumstände der Tat und die Gesamtpersönlichkeit des Angekl zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.

Die Auffassung des LG, der Angekl erscheine bereits durch die fast siebenmonatige vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis hinreichend beeindruckt, ist entgegen der Meinung der Revision nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Mindestsperrfrist nach § 42n Abs 3 StGB hier 1 Jahr betragen würde. Denn auch wenn die Dauer der für den Fall der Entziehung der Fahrerlaubnis gesetzlich vorgeschriebenen Mindestsperrfrist noch nicht erreicht ist, kann der Tatrichter im Einzelfall rechtsirrtumsfrei zu der Ansicht gelangen, eine in diesem Verfahren bereits auferlegte längere vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis habe in Verbindung mit anderen zugunsten des Täters sprechenden Umständen genügend gewirkt, um in diesem Fall ausnahmsweise die mangelnde Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen zu verneinen. Die Vorschriften des § 42n Abs 1 S 1, Abs 3 und 4 StGB bestimmen nur, auf welche Zeit die Sperrfrist zu bemessen ist, wenn der Tatrichter den Angekl für (noch) ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansieht und ihm deshalb die Fahrerlaubnis entzieht. Sie vermögen jedoch nichts daran zu ändern, daß der Tatrichter zu prüfen hat, ob der Angekl im Zeitpunkt der Hauptverhandlung ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist, und daß er bei Verneinung dieser Frage die Fahrerlaubnis nicht entziehen darf. Ebensowenig ist den bezeichneten Vorschriften eine gesetzliche Beweisregel des Inhalts zu entnehmen, daß der Tatrichter einen bei der Tat zunächst in Erscheinung getretenen Eignungsmangel nur dann als durch die Wirkungen einer vorläufigen Fahrerlaubnisentziehung beseitigt ansehen dürfte, wenn die Dauer dieser vorläufigen Maßnahme die sich aus § 42n Abs 1 S 1 und Abs 3 StGB ergebende Mindestfrist für die Sperre erreicht hat. Vielmehr gilt auch hierfür wie bei allen tatsächlichen Feststellungen der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO).

 

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