BGH
Az: IV ZR 169/10
Urteil vom 19.01.2011
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2011 für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. Juli 2010 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger aufgrund eines Vorkaufsrechts gemäß §§ 2034, 2035 BGB Auskunftsansprüche über notarielle Erbschaftskaufverträge zustehen.
Der Erblasser wurde 2000 in gesetzlicher Erbfolge von seiner Mutter zu 1/2, der Mutter des Klägers und zwei weiteren Geschwistern sowie einem Neffen zu je 1/8 beerbt.
Der Kläger erhielt durch Erbteilsübertragungsvertrag vom 26. April 2002 den 1/8-Erbanteil seiner Mutter unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und durch Überlassungsvertrag vom 1. Dezember 2006 den 1/2-Erbanteil seiner Großmutter, die er 2009 aufgrund Erbvertrages vom 6. Juli 2004 allein beerbte.
Der Beklagte erwarb durch Erbschaftskaufverträge vom 24. und 25. März 2009 die 3/8-Erbschaftsanteile der übrigen Miterben.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Auskunft des vollständigen Inhalts dieser Kaufverträge in Anspruch, um entsprechende Vorkaufsrechte auszuüben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Durch den rechtsgeschäftlichen Erwerb der Erbanteile sei – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – zwar der Kläger formell kein Miterbe i.S. von § 2034 BGB geworden und habe deswegen auch kein Vorkaufsrecht erwerben können. Mit dem Tod seiner Großmutter habe sich indes deren noch innegehabte formelle Miterbenstellung wieder in seiner Person vereinigt, so dass sein zuvor durch Übertragung des Miterbenanteils „entkleidetes“ Miterbenrecht wieder zum Vollrecht erstarkt sei. Die andere mögliche formale Betrachtungsweise, dass einem Miterben nach Übertragung des Erbanteils kein Vorkaufsrecht mehr zustehe und er dieses daher nicht mehr vererben könne, werde dem Sinn und Zweck des Vorkaufsrechts jedenfalls dann nicht gerecht, wenn der Erbanteilserwerber nicht nur präsumtiver, sondern – wie hier – tatsächlicher Erbe der Miterbin sei.
II.
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Der Kläger ist nicht vorkaufsberechtigt. Er hat ein gesetzliches Vorkaufsrecht gemäß §§ 2034, 2035 BGB weder 2002 über den Erbanteilsübertragungsvertrag von seiner Großmutter noch 2009 als ihr erbvertraglicher Erbe erlangen können.
1.
Im Ansatz zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass der Kläger durch die rechtsgeschäftliche Übertragung des 1/2-Erbanteils seiner Großmutter kein Miterbe und deswegen auch nicht Vorkaufsberechtigter geworden ist.
Nach ständiger Rechtsprechung und mittlerweile allgemeiner Auffassung in der Literatur geht das Vorkaufsrecht eines Miterben bei der Veräußerung eines Erbanteils unabhängig davon, ob sie durch eine „vorweggenommene Erbfolge“ motiviert ist, nicht auf den Erwerber über. Der Miterbe behält zwar die Eigenschaft und Stellung als Erbe, er verliert aber infolge der Übertragung seine gesamthänderische Beteiligung am Nachlass, die auf den Erwerber übergeht. Damit verliert der vollständig aus der Erbengemeinschaft ausgeschiedene Miterbe zugleich sein Vorkaufsrecht. Er bedarf keines Schutzes mehr vor dem Eindringen Dritter in die Erbengemeinschaft oder einer Verstärkung ihrer Beteiligung hieran (vgl. nur BGHZ 121, 47, 50 f.; 86, 379, 380; 56, 115, 117; RGZ 64, 173; Senatsurteile vom 31. Oktober 2001 – IV ZR 268/00, ZEV 2002, 67; 13. Juni 1990 – IV ZR 87/89, NJW-RR 1990, 1282, 1283 und vom 9. Februar 1983 – IVa ZR 144/81, NJW 1983, 2142 f.; OLG München ErbR 2010, 262; OLG Stuttgart NJW 1967, 2409; Muscheler, ErbR [2010] Rn. 3916 m.w.N.; Ebenroth/Lorz, ZEV 1994, 44).
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Fällen einer Erbanteilsveräußerung von oder an (präsumtive) Erbeserben von Miterben (vgl. BGH, Urteile vom 25. Januar 1971 – III ZR 36/68, MDR 1971, 377; 13. Juni 1966 – III ZR 198/64, NJW 1966, 2207 und 31. Mai 1965 – III ZR 1/64, MDR 1965, 891) gibt für Erwägungen, den Kreis der Vorkaufsberechtigten zu erweitern, keine Grundlage. Sie betrifft ausnahmslos die davon zu trennende Frage des Vorkaufsfalles; für die Frage der Vorkaufsberechtigung ist sie hingegen aussagelos.
2.
Nicht gefolgt werden kann dagegen der Ansicht des Berufungsgerichts, der vom Kläger rechtsgeschäftlich erworbene Erbanteil seiner Großmutter sei mit Eintritt seiner Alleinerbenstellung 2009 aufgrund des Erbvertrages von 2004 wieder zum Vollrecht einschließlich des Vorkaufsrechts erstarkt. Die dazu angestellten Schutzzwecküberlegungen überzeugen nicht.
Das Vorkaufsrecht ist zwar gemäß § 2034 Abs. 2 Satz 2 BGB vererbbar, es ist aber nicht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden übertragbar. Die Anerkennung der Vorkaufsberechtigung, wenn der – rechtsgeschäftliche – Erbanteilserwerber später als Erbe des veräußernden Miterben in die Erbengemeinschaft eintritt, bedeutete indes eine vom Gesetz gerade ausgeschlossene Öffnung der Verkehrsfähigkeit des Vorkaufsrechts. Dieses gesetzliche Gestaltungsrecht (vgl. Muscheler aaO Rn. 3909) ist lediglich dem ursprünglichen Miterben und ihren Erbeserben vorbehalten, die es im Erbgang erhalten.
Der Senat hat sich mit der herrschenden Lehre bereits generell gegen ein „Recht auf Rückkehr“ des vormals ausgeschiedenen Miterben ausgesprochen (BGHZ 121, 47, 50 f. m.w.N.; zweifelnd: Muscheler aaO Rn. 3917; MünchKomm-BGB/Gergen, 5. Aufl. § 2034 Rn. 22), weil dies zu Lasten der „treuen“ (übrigen) Miterben ginge und deren Rechte aus § 2034 BGB auf weitere verkaufte Erbteile entsprechend verminderte. Das bedarf jedoch im Streitfall keiner Vertiefung.
Jedenfalls kann das (nachträgliche) Zusammenfallen von Mitgliedschaft in der Gesamthand und (später hinzutretender) Stellung als Erbeserbe nicht zum Aufleben eines Vorkaufsrechts bei demjenigen führen, der es – wie ausgeführt – zuvor nicht erlangen konnte. Der Schutzzweck des § 2034 BGB rechtfertigt eine andere Folge gerade nicht. Der Erbanteilserwerber und spätere Erbeserbe hat kein schutzwürdiges Interesse an der Abwehrfunktion des Vorkaufsrechts, weil er zunächst aus freiem Entschluss in die Erbengemeinschaft eingetreten ist und das Risiko eines künftigen Gemeinschafterwechsels tragen muss (BGHZ 56, 115 ff.). Daran ändert seine nachfolgende Erbenstellung nach dem veräußernden Miterben nichts, selbst wenn die Erbenstellung über einen Erbvertrag abgesichert war. Wer – durch Rechtsgeschäft – vorzeitig in die Erbengemeinschaft eintreten will, hat es hinzunehmen, dass er dies ohne den Schutz des Vorkaufsrechts, das für ihn endgültig untergegangen ist, tun muss. Alles andere bedeutete zudem einen von den übrigen Miterben nach der gesetzlichen Regelung nicht hinzunehmenden Schwebezustand, in dem unklar ist, inwieweit noch Vorkaufsrechte geltend gemacht werden können (OLG München ErbR 2010, 262, 266 f.; Wendt/Rudy, ErbR 2010, 250, 254).
Auf alle weiteren von der Revision gegen die Anspruchsberechtigung des Klägers geltend gemachten Bedenken kommt es nicht mehr an.