LG Essen – Az.: 15 S 277/10 – Urteil vom 18.01.2011
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Essen-Steele vom 09.07.2010 – 8 C 519/09 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt,
1. an den Kläger den Beagle-Hund „H“, Chip-Nr. … , Täto-Nr. … , … , herauszugeben,
2. an den Kläger 200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 20,00 EUR seit dem 01.01.2009 und aus weiteren 180,00 EUR seit dem 21.08.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu ¾ und dem Beklagten zu ¼ auferlegt. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger hatte dem Beklagten im November 07/Januar 08 zwei Hunde vermittelt. Eine Übereignung der Tiere fand nicht statt. Die allgemeinen Vertragsbedingungen des Überlassungsvertrags verpflichteten den Beklagten u.a. zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für die übernommenen Hunde, zur umgehenden Mitteilung seiner neuen Anschrift im Fall des Umzugs und zur umgehenden Anmeldung der Hunde im Haustierzentralregister. Auf die Vertragskopie Blatt 9 d.A. wird Bezug genommen.
Der Beklagte kam seiner Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung bis einschließlich September 2009 nicht nach.
Der Kläger kündigte den Überlassungsvertrag unter dem 14.09.2009 fristlos. Er hat den Beklagten erstinstanzlich auf Rückgabe der beiden Hunde, auf Zahlung von Vertragsstrafe in Höhe von 2 x 1.000,00 EUR und auf Erfüllung von zwei weiteren Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 200,00 EUR in Anspruch genommen.
Der Beklagte hat sein Verhalten verteidigt.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Der Rechtsstreit ist wegen des Todes eines der Hunde teilweise für erledigt erklärt worden.
Im Übrigen hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben und zur Zuerkennung der Vertragsstrafen im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte werde durch die Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung nicht unangemessen benachteiligt, da der Kläger Eigentümer der Hunde bleibe und für Schäden daher gemäß § 1004 BGB als Zustandsstörer hafte. Ferner habe er ein berechtigtes Interesse daran, sich während der Überlassung vom Zustand der Hunde zu überzeugen. Dies dürfe sie ohne Verstoß gegen § 307 BGB durch den Druck der Vertragsstrafe sicherstellen.
Der Beklagte hat – nach Bewilligung von Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Berufung – in zulässiger Weise gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, soweit er zur Zahlung der Vertragsstrafen von 2 x 1.000,00 EUR verurteilt worden ist. Er hält die Vertragsstrafen für ungerechtfertigt.
Der Kläger verteidigt das amtsgerichtliche Urteil.
II.
Die Berufung ist begründet.
Das in den allgemeinen Vertragsbedingungen des Klägers enthaltene Vertragsstrafe-Versprechen ist unwirksam.
Es verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB.
Die Vorschrift verbietet eine unangemessene Benachteiligung, die auch in der Auferlegung einer gegen das Übermaßverbot verstoßenden Sanktion liegen kann (BGH NJW 2010, 1958).
Die auf einen festen Betrag von 1.000 EUR für jede Zuwiderhandlung gegen die Pflichten des Übernehmers gemäß Ziffern 1 bis 10 des Übernahmevertrags vereinbarte Vertragsstrafe stellt in zahlreichen in Betracht kommenden Fällen eine übermäßige Sanktion dar. Das gilt z.B. für einen nicht oder verzögert mitgeteilte geänderte Anschrift des neuen Halters (Ziffer 6) oder eine unterlassene oder verzögerte Anmeldung des Tiers zum Haustierzentralregister (Ziffer 8), aber auch für den verzögerten Abschluss einer Haftpflichtversicherung. Grundsätzlich dürfte zwar nichts dagegen einzuwenden sein, dass der Kläger dem Übernehmer die oben genannten Pflichten auferlegt und mit dem Mittel der Vertragsstrafe Nachdruck ausübt. Bedenken bestehen jedoch gegen die erhebliche Höhe der Vertragsstrafe, die keinen Spielraum für Vertragswidrigkeiten von geringem Gewicht lässt, so dass stets die Strafe von vollen 1.000 EUR verwirkt ist. Auch im vorliegenden Fall, in dem der Abschluss der Haftpflichtversicherungen immerhin fast 2 Jahre lang verzögert wurde, erscheint der Betrag von 1.000 EUR pro Fall erheblich übersetzt. Die Sanktion steht in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem Gewicht der durch sie geschützten Interessen des Klägers, denn weder handelte es sich bei den beiden Beagles um Tiere von bedeutender Gefährlichkeit, noch gab es im vorliegenden Fall irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass eine Haftung des Klägers neben der gemäß § 833 BGB bestehenden Tierhalterhaftung des Beklagten in Betracht kommen könnte.
Nicht zuletzt auch besteht bei einer Mehrzahl von für sich betrachtet jeweils geringfügigen Verstößen gegen die Pflichten gemäß Ziffern 1 bis 10 des Vertrags die Gefahr einer äußerst unbilligen Summierung von bereits für sich betrachtet recht hohen Einzelstrafen.
Ob sich das Versprechen einer Vertragsstrafe von bis zu 1.000 EUR rechtfertigen ließe und im vorliegenden Fall eine Vertragsstrafe von entsprechend geringerer Höhe angemessen wäre, ist nicht zu prüfen, da eine Rückführung der Klauseln auf einen zulässigen Inhalt wegen des Verbots geltungserhaltender Reduktion von AGB-Klauseln nicht zulässig ist (BGHZ 124, 254, 262) und die Klauseln daher insgesamt unwirksam sind.
Soweit der Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafen von insgesamt 2.000 EUR verurteilt worden ist, muss das angefochtene Urteil daher abgeändert und die Klage abgewiesen werden.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 708 Ziff. 10 ZPO.