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Werkvertrag – Wandelung wegen unzureichenden Anlagendurchsatz

Oberlandesgericht Karlsruhe

Az.: 8 U 80/06

Zwischen- und Endurteil vom 05.06.2007

Vorinstanz: Landgericht Karlsruhe, Az.: 14 O 176/04 KfH III


In dem Rechtsstreit wegen Wandelung eines Werkvertrages hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe im schriftlichen Verfahren (Zeitpunkt der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht: 15. Mai 2007) am 05. Juni 2007 für Recht erkannt:

I. Die Nebenintervention der Streithelferin auf Seiten der Beklagten wird zugelassen.

II. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 24. Februar 2006 (14 O 176/04 KfH III) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

III. Die Kosten des Berufungsverfahrens, des Streits über die Zulassung der Nebenintervention und die durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden der Klägerin auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung durch Bürgschaft im Sinne des § 108 Abs. 1 ZPO in Höhe von 120% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Art Sicherheit in Höhe von 120% des von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision und die Rechtsbeschwerde werden nicht zugelassen.

VI. Der Berufungsstreitwert und der Gegenstandswert des Verfahrens über die Zulassung der Nebenintervention werden jeweils auf 30 Mio. EUR (§ 39 Abs. 2 GKG) festgesetzt.

Gründe:

I.

1.

Die Klägerin, die aufgrund Vertrages vom 30.06.1995 (Anlage K 2) nebst Ergänzungsvereinbarungen vom 27.02.1997 und vom 13.02.1998 in Karlsruhe eine Anlage zur thermischen Abfallbehandlung (Thermoselect-Anlage) errichten ließ, verlangt von der Beklagten die Zustimmung zur Wandelung dieses Vertrages, die Rückzahlung der entrichteten Vergütung in Höhe von 145.192.054,52 EUR nebst Zinsen und die Beseitigung der Anlage, soweit diese von der Beklagten errichtet worden ist.

Die Parteien streiten in erster Linie um die Zulässigkeit der Klage, die Passivlegitimation der Beklagten und um die Voraussetzungen der Wandelung.

Darüber hinaus streiten die Beteiligten um die Zulässigkeit der am 14.03.2007 erfolgten Nebenintervention auf Seiten der Beklagten.

Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten, die im Wesentlichen wechselseitig geltend gemachte Kosten im Zusammenhang mit der Durchführung des Vertrages betrafen, schlossen die Parteien Anfang August 2000 eine Schiedsvereinbarung (Anlage K 12). Das Verfahren endete durch Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 19.01.2002 (Anlage K 13). Der Schiedsspruch hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut (wobei mit „Beklagte“ die Klägerin des hiesigen Verfahrens und mit „Klägerin“ die Beklagte des hiesigen Verfahrens gemeint sind):

„I.

Die Beklagte verpflichtet sich, an die Klägerin den Betrag von … DM zu zahlen.

Der Betrag ist fällig bei Abnahme der Anlage.

II.

1. Die Abnahme erfolgt nach Beseitigung der von der Genehmigungsbehörde im Bescheid über die Dauerbetriebsgenehmigung bezeichneten Mängel und nach Erledigung der Auflagen des Bescheids sowie nach der Optimierung des Quenchwäschers und des Sedimentierungssystems mit dem Ziel, den Betrieb der Anlage bei Volllast zu ermöglichen (d. h. ununterbrochener Betrieb von drei Linien mit 10 t Mülldurchsatz/h über einen Zeitraum von einer Woche) je auf Kosten der Klägerin.

2. Die Parteien bemühen sich um eine Einigung darüber,

– ob und inwieweit Auflagen dieses Bescheids rechtlich angegriffen werden sollen und

– welcher Liefer- und Leistungsumfang von der Abnahme erfasst sein soll.

Die Parteien bemühen sich ferner einvernehmlich um eine Genehmigung der Beschickung des Reaktors mit Müll bereits ab 800°.

3. Die Klägerin übernimmt ab Abnahme für die Dauer von einem Jahr die Gewährleistung für die Ausmauerung des Reaktors, soweit nicht mehr als zehn An- und Abfahrten erfolgen. Nach Ablauf von zwei Jahren ab Abnahme erlischt die Gewährleistung endgültig.

4. Soweit sich die Parteien über Abnahme, Gewährleistung oder die Frage aus Ziff. 2 nicht einigen können, kann jede Seite das vereinbarte Schiedsgericht erneut anrufen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Schiedsvertrag vom … diesen Streit mit umfasst.

Das Schiedsgericht hat in diesem Fall eine Billigkeitsentscheidung in möglichst enger Anlehnung an die vertraglichen Bestimmungen zu treffen.

III.

Mit Abnahme und Zahlung des Restwerklohns nach I. sind sämtliche bis heute nach Grund und Höhe entstandenen wechselseitigen Ansprüchen der Parteien aus dem Werkvertrag vom 30.06.1995 einschließlich der dazu getroffenen Ergänzungsvereinbarungen und Absprachen, soweit sie Gegenstand von Klage und Widerklage dieses Schiedsgerichtsverfahrens sind oder hätten sein können, erledigt.

IV.

Die außergerichtlichen Kosten …“

In der Folgezeit kam es wiederum zum Streit zwischen den Parteien. Dabei ging es insbesondere auch um Ursachen und Verantwortlichkeiten dafür, dass der angestrebte Anlagendurchsatz unterschritten wurde. Am 16.01.2004 (Anlage B 8) erhob die Beklagte Schiedsklage, mit der sie u. a. die Feststellung begehrte, dass die Klägerin nicht zur Wandelung des oben genannten Werkvertrages berechtigt sei.

Das Verfahren wurde nicht weiter betrieben, nachdem die Klägerin die Zuständigkeit des Schiedsgerichts bestritt und sich weigerte, einer für die Nebentätigkeitsgenehmigung des Schiedsrichters erforderlichen Kostenteilung zuzustimmen.

Am 15.03.2004 (Anlage K 31) hat die Klägerin die Wandelung des Werkvertrages vom 30.06.1995 erklärt und am 29.10.2004 die vorliegende Wandelungsklage eingereicht. Fürsorglich hat die Klägerin das Wandelungsbegehren auch im Wege der am 30.12.2004 erhobenen Schiedsklage verfolgt. Auch dieses Verfahren wurde nicht weiter betrieben, weil sich die Parteien darauf verständigten, das Verfahren ruhen zu lassen, bis die staatlichen Gerichte die Frage der Zuständigkeit verbindlich geklärt haben (vgl. Schreiben vom 30.12.2004 und vom 17.02.2005, Anlage B 6 und 7).

Die Beklagte hat die Schiedseinrede erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nicht Vertragspartnerin der Klägerin sei und zudem die Voraussetzungen des Wandelungsrechtes nicht erfüllt seien. Auch gesetzliche Ansprüche auf Rückzahlung der Vergütung bestünden nicht. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und des Parteivorbringens im Einzelnen, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das von der Klägerin mit der Berufung angefochtene Urteil des Landgerichts nebst Berichtigungsbeschluss vom 11. Mai 2006 (AS I 2425 ff.) Bezug genommen.

2.

Die Klägerin macht zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen geltend:

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Beklagte Partei des Werkvertrages vom 30.06.1995. Das Urteil beruhe auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin, weil Klagvortrag unberücksichtigt geblieben sei. Es sei widersprüchlich, weil das Gericht nicht erkennen lasse, dass es von der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten wirklich überzeugt sei. Darüber hinaus habe das Landgericht verfahrensfehlerhaft Beweise nicht erhoben und den Vertrag fehlerhaft ausgelegt. Fürsorglich macht die Klägerin geltend, dass ihr – falls die Beklagte nicht Partei des Werkvertrages sei – der Rückzahlungsanspruch (entgegen der Auffassung des Landgerichts) gemäß §§ 812 Abs. 1, 826 BGB zustünde.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die Voraussetzungen der Wandelung im Streitfall erfüllt. Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung sei hierfür schon nach der vertraglichen Regelung nicht erforderlich gewesen. Die gegenteilige Meinung des Landgerichts sei verfahrens- und rechtsfehlerhaft, sie beruhe insbesondere auf Auslegungsfehlern und habe die Klägerin überrascht („klassische“ Überraschungsentscheidung). Unzutreffend sei auch, dass die Wandelung drei Nachbesserungsversuche voraussetze. Vielmehr ergebe eine richtige Vertragsauslegung das Erfordernis von nur zwei Nachbesserungsversuchen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei es nicht nur zu einem fehlgeschlagenem Nachbesserungsversuch gekommen. Das Landgericht habe verfahrens- und rechtsfehlerhaft Nachbesserungen vor und nach dem Schiedsspruch unberücksichtigt gelassen. Wiederum verfahrens- und rechtsfehlerhaft habe das Landgericht verkannt, dass im Streitfall jedenfalls sowohl eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung, als auch weitere Nachbesserungsversuche entbehrlich gewesen seien, denn die Beklagte habe eine weitere Nachbesserung unzumutbar verzögert und schließlich einen untauglichen Ertüchtigungsvorschlag vom 16.01.2004 vorgelegt, der letztlich eine Verweigerung der Mangelbeseitigung bedeute. Damit habe sich die Beklagte als unzuverlässig erwiesen, was nicht zuletzt in ihrer generellen Unfähigkeit zum Ausdruck komme, eine auch nur halbwegs vertragskonforme Leistungsfähigkeit der Anlage sicherzustellen.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Den Beitritt der Streithelferin auf Seiten der Beklagten zurückzuweisen.

2. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 24.02.2006 (14 O 176/04 KfH III) verurteilt,

a) die Zustimmung zur Wandelung des Vertrages über die schlüsselfertige Errichtung einer Thermoselect-Anlage zur thermischen Abfallbehandlung für das Projekt Karlsruhe vom 30.06.1995 nebst Ergänzungsvereinbarungen vom 27.02.1997 und 13.02.1998 zu erklären,

b) an die Klägerin 145.192.054,53 EUR nebst Zinsen aus 109.237.510,42 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit 26.11.2004 zu zahlen,

c) die von ihr in Ausführung des Vertrages über die schlüsselfertige Errichtung einer Thermoselect-Anlage zur thermischen Abfallbehandlung für das Projekt Karlsruhe vom 30.06.1995 nebst Ergänzungsvereinbarungen vom 27.02.1997 und 13.02.1998 und gemäß der technischen Spezifikation vom Juni 1995 (Anlage K 1) auf dem Grundstück in Karlsruhe, Hansastraße 50, Flurstück 14639 (Blatt 39819 des Grundbuchs von Karlsruhe), errichteten Teile der Thermoselect-Anlage zu beseitigen, wobei sich der Beseitigungsanspruch der Klägerin auf alle Anlagenteile bezieht, die sich oberhalb der in den beigefügten Längs- und Querschnittsplänen (Anlagenkonvolut BK 18) eingezeichneten blauen Linien befinden und nicht in Beton ausgeführt sind.

2. Es wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 24.02.2006 (14 O 176/04 KfH III) festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet mit der Rücknahme der von ihr zu beseitigenden Teile der Thermoselect-Anlage Karlsruhe.

Hilfsweise beantragt die Klägerin,

das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 14.02.2006 (14 O 176/04 KfH III) aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Karlsruhe zurückzuverweisen.

Hilfsweise verfolgt die Klägerin ihre ursprünglichen Berufungsanträge weiter. Diese lauten:

1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 24.02.2006 (14 O 176/04 KfH III) verurteilt,

a) die Zustimmung zur Wandelung des Vertrages über die schlüsselfertige Errichtung einer Thermoselect-Anlage zur thermischen Abfallbehandlung für das Projekt Karlsruhe vom 30.06.1995 nebst Ergänzungsvereinbarungen vom 27.02.1997 und 13.02.1998 zu erklären,

b) an die Klägerin 145.192.054,53 EUR nebst Zinsen aus 109.237.510,42 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. seit 26.11.2004 zu zahlen Zug um Zug gegen Rückgewähr der von der Beklagten zu beseitigenden Teile der Thermoselect-Anlage Karlsruhe,

c) die von ihr in Ausführung des Vertrages über die schlüsselfertige Errichtung einer Thermoselect-Anlage zur thermischen Abfallbehandlung für das Projekt Karlsruhe vom 30.06.1995 nebst Ergänzungsvereinbarung vom 27.02.1997 und 13.02.1998 und gemäß der technischen Spezifikation vom Juni 1995 (Anlage K 1) auf dem Grundstück in Karlsruhe, …, Flurstück … (Blatt 39819 des Grundbuchs von Karlsruhe), errichteten Teile der Thermoselect- Anlage zu beseitigen.

2. Es wird unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Karlsruhe vom 24.02.2006 (14 O 176/04 KfH III) festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet mit der Rücknahme der von ihr zu beseitigenden Teile der Thermoselect-Anlage Karlsruhe.

Die Beklagte und deren Streithelferin beantragen:

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie bringt darüber hinaus im Wesentlichen vor:

Das Landgericht hätte die Klage aufgrund der erhobenen Schiedseinrede als unzulässig abweisen müssen. Darüber hinaus folge die Unzulässigkeit der Klage daraus, dass die Klaganträge nicht hinreichend bestimmt und auf tatsächlich wie rechtlich unmögliche Leistungen gerichtet seien.

Unbeschadet des Fehlens der werkvertraglichen Wandelungsvorrausetzungen, sei der Klägerin der Ausspruch der Wandelung im Hinblick auf die gegenseitigen Kooperations- und Treuepflichten verwehrt gewesen. Darüber hinaus könne die Klägerin das Wandelungsrecht wegen Versäumung der Jahresfrist gemäß § 23 Abs. 2 des Werkvertrages nicht mehr ausüben; die letzte Nachbesserung sei am 07.08.2002 erfolgt. Schließlich scheitere der Wandelungsanspruch der Klägerin auch daran, dass sie eigenmächtige Modifikationen der Anlage vorgenommen sowie den Verzicht auf die Wandelung erklärt habe.

Mit Schriftsatz vom 02.02.2007 hat die Klägerin der Streithelferin den Streit verkündet mit der Aufforderung, auf Seiten der Klägerin dem Rechtsstreit beizutreten. Mit am 14.03.2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom Vortage ist die Streithelferin auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten. Die Klägerin rügt die Zulässigkeit dieser Nebenintervention, während die übrigen Beteiligten sie für zulässig erachten.

Wegen des Vortrages der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Beitritt der Streithelferin auf Seiten der Beklagten ist zulässig.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Klage kann bereits deshalb nicht stattgegeben werden, weil sie unzulässig ist. Die Berufung war daher mit dieser Maßgabe zurückzuweisen.

A.

Der Beitritt der Streithelferin auf Seiten der Beklagten ist zulässig (§ 66 ZPO). Dies war im Hinblick auf den Antrag der Klägerin auf Zurückweisung der Nebenintervention durch Zwischen-Urteil (§ 71 ZPO), das – wie hier – mit der Entscheidung über die Berufung unproblematisch verbunden werden kann (BGH MDR 1982, 650), auszusprechen.

Nach § 66 Abs. 1 ZPO kann derjenige, der ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit eine Partei obsiegt, dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Der Begriff des rechtlichen Interesses – im Gegensatz zu einem bloß wirtschaftlichen oder sonstigen tatsächlichen Interesse – erfordert, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt.

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Streithelferin hat (übereinstimmend mit der Beklagten) vorgebracht, für den Fall, dass die Klägerin im Prozess obsiegt, könne die Beklagte bei ihr Regress nehmen. Dieses Vorbringen ist durch Bezugnahme auf den Vertrag vom 01.12.1991 (Anlage BB 2) und den übereinstimmenden Vortrag der Beklagten hinreichend glaubhaft gemacht. Sowohl die Beklagte als Hauptpartei, als auch die Streithelferin sind sich einig, dass die Streithelferin aufgrund vertraglicher Verbundenheit der Beklagten regresspflichtig wäre, falls die Wandelungsklage Erfolg hätte und der der Wandelung gegebenenfalls zugrunde liegende Mangel auf der seitens der Streithelferin überlassenen Technologie beruhen würde.

Ohne Erfolg macht die Klägerin demgegenüber geltend, ein stattgebendes Urteil würde keinesfalls feststellen, dass die von der Streithelferin an die Beklagte lizenzierten Schutzrechte und das technische Know-how unzureichend gewesen seien und die Streithelferin daher zur Rückzahlung von Lizenzgebühren verpflichtet wäre. Im Falle eines stattgebenden Urteils würde vielmehr nur feststehen, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung gegenüber der Klägerin zur Errichtung einer vertragskonformen Anlage in Karlsruhe nicht nachgekommen sei. Die Klägerin habe nicht behauptet, dass die Thermoselect-Technologie an sich mangelhaft sei.

Es ist zwar möglich, dass ein etwa festgestellter Mangel, der gegebenenfalls zum Wandelungsrecht führt, nur auf einen Fehler der Beklagten zurückzuführen ist, also nicht auf der zur Verfügung gestellten Technologie an sich beruht. Ebenso wahrscheinlich ist aber auch der Fall, dass sich herausstellt, dass etwa der gerügte Hauptmangel an den Hochtemperaturreaktoren auf die von der Streithelferin der Beklagten zur Verfügung gestellten Technologie zurückzuführen ist. Ob das eine oder andere tatsächlich bei streitiger Entscheidung festgestellt werden würde, darauf kommt es hier nicht an.

Unerheblich ist auch, ob die Klägerin eine solche Behauptung (die Technologie an sich sei mangelhaft) aufgestellt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass die Streithelferin behauptet oder befürchtet, wegen eines etwa festgestellten Mangels im vorliegenden Wandelungsrechtsstreit gegebenenfalls der Beklagten regresspflichtig zu sein und dies hinreichend glaubhaft macht.

B.

Die Klage ist gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO als unzulässig abzuweisen, weil sie in einer Angelegenheit erhoben worden ist, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist und die Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache gerügt hat.

1.

Die Beklagte hat die Schiedseinrede rechtzeitig erhoben, da sie sie nicht nur in den vorbereitenden Schriftsätzen, sondern auch im Termin vom 14. Dezember 2005 vor dem Landgericht vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache ausdrücklich vorgebracht hat (Protokoll vom 14.12.2005, As. I 2051).

2.

Die Klage ist im Sinne des § 1032 ZPO in einer Angelegenheit erhoben worden, die Gegenstand der im vereinbarten Schiedsspruch vom 19. Januar 2002 (Anlage K 13) enthaltenen Schiedsvereinbarung ist.

a) Der oben genannte Schiedsspruch ist rechtlich – wie jeder Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut – als Vergleich zu qualifizieren, wie § 1053 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausdrücklich besagt. Ein solcher Schiedsspruch kann daher gemäß § 1029 Abs. 2 ZPO eine Schiedsvereinbarung enthalten. In Nr. II.4. des Schiedsspruchs/Vergleichs vom 19. Januar 2002 haben sich die Parteien darüber verständigt, dass sie sich der Entscheidung durch ein Schiedsgericht unterwerfen, sofern sie sich über Abnahme, Gewährleistung oder Fragen aus Nr. II.2. nicht einigen können. Damit haben die Parteien am 19. Januar 2002 wirksam eine Schiedsklausel vereinbart, was auch die Klägerin nicht in Abrede stellt (vgl. etwa Schriftsatz vom 16.06.2005, Seite 6; As. I 869). Streit besteht insoweit nur hinsichtlich der Reichweite dieser Schiedsklausel.

b) Die vorliegende Wandelungsklage wird von der Schiedsklausel umfasst.

aa) Das Landgericht (LG U 14) gelangt im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis, dass die Schiedsklausel der Beklagten keine Schiedseinrede gegenüber dem Wandelungsbegehren der Klägerin gebe. Hieran ist der Senat schon deshalb nicht gebunden, weil die vorgenommene Auslegung nicht überzeugt (BGH MDR 2004, 1434). Darüber hinaus berücksichtigt sie nicht hinreichend die feststehenden Begleitumstände und die Interessenlage der Parteien.

bb) Die Reichweite einer Schiedsvereinbarung kann nicht ein für allemal festgelegt werden. Sie richtet sich vielmehr nach dem im Wege der Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien, die darüber zu bestimmen haben, welche Streitigkeiten sie der Entscheidung des Schiedsgerichts unterwerfen wollen (BGHZ 40, 320, 325).

Die Schiedsklausel (Nr. II.4.) besagt zunächst, dass sie neben Streitigkeiten über die Abnahme auch solche über die „Gewährleistung“ umfasst. Zu letzteren zählen insbesondere auch Wandelungsansprüche gemäß § 634 Abs. 1 Satz 3 BGB a. F.. Wenn die Klägerin dem entgegenhält, dies beziehe sich ausschließlich auf die in Nr. II.3. (zusätzlich) übernommene Gewährleistung für die Ausmauerung des Reaktors, so ist dies weder zwingend noch nahe liegender. Eine Beschränkung, dass sich die Gewährleistung nur auf einen bestimmten Teil der Werkleistung bezieht, lässt sich dem Wortlaut der Schiedsklausel nicht entnehmen; Nr. II.3. wird hier nicht einmal genannt. Wäre eine solche Beschränkung – wie von der Klägerin geltend gemacht – gewollt gewesen, dann hätte eine entsprechende Formulierung nahegelegen. Hingegen wird aufgrund der der Schiedsklausel vorangehenden Formulierungen im Schiedsspruch hinreichend deutlich, dass mit der „Abnahme“ (Nr. II.4.) die Abnahme der gesamten Anlage gemeint ist. So ist etwa in Nr. I. festgelegt, dass der von der Klägerin zu zahlende Betrag „bei Abnahme der Anlage“ fällig ist. Hieran anknüpfend wird in Nr. II.1. bestimmt, wann diese Abnahme zu erfolgen hat, nämlich „nach Beseitigung der … bezeichneten Mängel und nach Erledigung der Auflagen … sowie nach der Optimierung des Quenchwäschers und des Sedimentierungssystems mit dem Ziel, den Betrieb der Anlage bei Volllast zu ermöglichen (d. h. ununterbrochener Betrieb von drei Linie mit 10 t Mülldurchsatz/h über einen Zeitraum von einer Woche), …“. Auch § 19 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages vom 30.06.1995 schließt die Abnahme bloß einzelner Anlagenteile aus; hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien (auch) diese Regelung mit dem vereinbarten Schiedsspruch ganz oder teilweise aufheben oder abändern wollten, bestehen nicht. Streitigkeiten über die Abnahme betreffen im Regelfall (und auch im Streitfall) in erster Linie die Frage der Freiheit des Werkes von wesentlichen Mängeln (§ 640 Abs. 1 BGB a. F.; § 19 des Vertrages vom 30.06.1995). Solche Mängel sind wiederum entscheidend für das Bestehen von Gewährleistungsrechten (§ 634 BGB a. F.; „IV. Gewährleistungen“, §§ 20 bis 24 des oben genannten Vertrages). Dem Schiedsspruch, insbesondere der Schiedsklausel, lässt sich nicht entnehmen, dass Streitigkeiten über Mängel zwar hinsichtlich der Abnahme insgesamt vor dem Schiedsgericht auszutragen sind, dies aber hinsichtlich der Gewährleistung nur gelten soll, soweit die gehörige Ausmauerung des Reaktors (Nr. II.3.) in Frage steht. Die (einheitliche) Formulierung Nr. II.4. spricht vielmehr dafür, beides gleich zu behandeln; eine Einschränkung hinsichtlich der „Gewährleistung“ erwähnt die Schiedsklausel nicht.

Der Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut geht auf einen Vergleichsvorschlag des Schiedsrichters zurück, der u. a. mit Rücksicht auf die anstehende weitere Zusammenarbeit der Parteien begründet wurde (Seite 3 der Niederschrift vom 19.01.2002, Anlage K 39). Die Parteien gingen damals davon aus, dass mit gehöriger Erfüllung der im Schiedsspruch übernommenen Pflichten, der Werkvertrag endgültig abgewickelt (durchgeführt) werden konnte und auf der Grundlage des geschlossenen Vergleichs (Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut) ihre (streitigen) Rechtsbeziehungen bereinigt sind. Beiden Parteien lag daran, möglichst bald die Voraussetzungen für die Zahlung des Restwertlohns einerseits und die Fertigstellung und endgültige Inbetriebnahme der Anlage zur Entsorgung der Siedlungsabfälle andererseits zu schaffen. Diesem Ziel diente es nicht zuletzt, die Frage der Abnahme der Anlage in Nr. II.1. des Schiedsspruchs (Vergleichs) zu regeln. Damit kam es auf das zeitintensive und potentiell streitträchtige Verfahren in §§ 15 ff. des Werkvertrages, das der Abnahme (§ 19 des Vertrages) vorgeschaltet war, nicht mehr an. Dieses ging gleichsam im Schiedsspruch und damit in der Schiedsklausel auf.

Wenn die Parteien unter diesen Umständen Streitigkeiten über die Abnahme und Gewährleistung der Entscheidung des Schiedsgerichts unterwerfen wollten (Nr. II.4), dann entspricht es zur Erreichung des gemeinsamen Ziels der Parteien am ehesten, wenn damit alle streitigen Mängel umfasst sind. Denn damit wird die Frage einer Zuständigkeitsaufspaltung zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit gebannt. Die Vermeidung einer solchen Aufspaltung liegt aus Gründen der Rechtssicherheit, der Wirtschaftlichkeit und Eilbedürftigkeit in höchstem Maß im Interesse der Parteien.

Immerhin gibt die Klägerin zu, dass die Schiedsklausel jedenfalls („nur“) für den Fall von Meinungsverschiedenheiten über die in Nr. II.1. bis 3. des Schiedsspruchs geregelten Punkte gilt (vgl. Schriftsatz vom 16.06.2005, Seite 9 f.; As. I 875). Dort geht es aber um die Beseitigung bezeichneter Mängel, insbesondere um die Optimierung des Quenchwäschers und des Sedimentierungssystems mit dem Ziel, den Betrieb der Anlage bei Volllast zu ermöglich (d. h. ununterbrochener Betrieb von drei Linien mit 10 t Mülldurchsatz/h über einen Zeitraum von einer Woche). Streitigkeiten wegen dieser Mängel sind also auch nach dem Vorbringen der Klägerin von der Schiedsklausel umfasst. Es kann aber kaum dem oben genannten Interesse bzw. Willen der Parteien entsprechen und wäre geradezu sinnwidrig, wenn bei Streitigkeiten über die Abnahme der Anlage das Schiedsgericht nur über das Vorhandensein dieser Mängel befinden dürfte, auch wenn die Abnahme wegen erheblicher anderer zutage getretener, insbesondere durchsatzrelevanter, Mängel verweigert wird. Eine vernünftige Entscheidung bzw. Billigkeitsentscheidung wäre dem Schiedsgericht so nicht möglich.

Die bereits anhand des Wortlauts und nach Sinn und Zweck des Vergleichs nahe liegende Auslegung (siehe oben), dass sich die Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts auf alle streitigen Mängel unbeschadet der Frage erstreckt, ob sich die Parteien um die Abnahme oder Gewährleistung streiten, wird wiederum auch durch die sich aus oben genannten Umständen ergebende Interessenlage der Parteien bekräftigt.

Dass die Parteien, die u. a. wegen etwa streitiger Mängel eine Schiedsabrede getroffen haben, danach differenzieren wollten, ob es um die Gewährleistung oder die Abnahme geht, erscheint unter den genanten Gesichtspunkten fern liegend. Es ist kein vernünftiger, im Interesse der Parteien liegender Grund dafür ersichtlich, dass der Streit über das Bestehen ein und derselben Mängel vor unterschiedlichen Gerichten (staatlichem Gericht, Schiedsgericht) ausgetragen werden sollte, je nachdem, ob um die Abnahme oder Gewährleistung (hier: Wandelung) gestritten wird. Sowohl bei einer etwaigen Klage der Beklagten auf Abnahme als auch der Wandelungsklage der Klägerin ist bzw. wäre u. a. der Frage nachzugehen (gewesen), ob die Beklagte alles erforderliche im Sinne der Vereinbarung vom 19.01.2002 getan hat, damit der erforderliche Anlagendurchsatz erreicht wird, mithin die Anlage frei von wesentlichen Mängeln ist. Für das Wandelungsbegehren nach § 23 Abs. 2 des Vertrages muss allerdings der Mindestdurchsatz von 180.000 t Siedlungsabfall im Jahr unterschritten werden. Eine doppelte Sachverhaltsfeststellung (Beweisaufnahme) und dem damit einhergehenden zusätzlichen Kosten-

und Zeitaufwand verbunden mit der Gefahr widersprüchlicher Feststellungen und Entscheidungen konnten die Parteien schwerlich gewollt haben.

c) Diesem Auslegungsergebnis stehen die gesamten Ausführungen der Klägerin zur Schiedseinrede nicht entscheidend entgegen. Soweit sie nicht bereits abgehandelt wurden, ist auf das klägerische Vorbringen noch wie folgt einzugehen:

Die Klägerin meint, damals nicht bekannte oder nicht absehbare Anlagenmängel sollten durch Nr. II.4. nicht betroffen werden. Das ist nicht plausibel. Sinn der Schiedsklausel ist doch gerade, spätere Meinungsverschiedenheiten durch ein weiteres Schiedsverfahren zu bereinigen. Die bis zum Schiedsspruch streitigen Fragen und Ansprüche sollten durch III. des Vergleichs erledigt sein. Damit kann sich die Schiedsklausel logisch nur auf künftige Streitpunkte und Ansprüche erstrecken.

Unbegründet ist auch die Befürchtung der Klägerin, die nochmalige Befassung des Schiedsgerichts hätte den im Schiedsspruch festgelegten Zahlungsanspruch der Beklagten nachträglich wieder in Frage stellen können.

Insoweit besteht bereits ein Zahlungstitel (Nr. I.), der von einem weiteren Schiedsverfahren grundsätzlich nicht mehr berührt wird.

Auch der Umstand, dass die Parteien (ausdrücklich) eine Ermächtigung zu einer Billigkeitsentscheidung (§ 1051 Abs. 3 Satz 1 ZPO) getroffen haben, kann obiges Auslegungsergebnis – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht in Frage stellen. Die mit einer solchen Ermächtigung verbundenen Chancen und Risiken für die Parteien liegen in der Natur der Sache, geben aber für die hier vorzunehmende Auslegung kaum etwas her. Zur Untermauerung ihrer Rechtsauffassung gibt die Klägerin ferner zu bedenken, auch für den Fall, dass es der Beklagten gelungen wäre, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Abnahme zu schaffen, hätte die Klägerin bei späterem (also nach der Abnahme) Nichterreichen des in § 23 Abs. 2 des Vertrages geregelten Jahresdurchsatzes von 180.000 t, die Wandelung erklären können. Es kann dahinstehen, ob in einem solchen Fall im Hinblick auf die Regelung in Nr. III. des Schiedsspruchs die Schiedseinrede noch erfolgreich hätte erhoben werden können. Denn darum geht es hier nicht. Im Streitfall geht es um die (Mindest-)Erfüllung von Nr. II.1 des Schiedsspruchs, um das Vorhandensein behaupteter Anlagemängel, die sich darin äußern, dass der Mindestanlagendurchsatz nicht erreicht wird und die die Klägerin zum Anlass nimmt, die Abnahme (§ 19 des Vertrages) zu verweigern und die Rückgängigmachung des Vertrages zu verlangen.

Schließlich bringt die Klägerin vor, Grund für das Wandlungsbegehren seien vor allem neue, bei Erlass des Schiedsspruchs noch gar nicht festgestellte Anlagemängel. Auch das verhilft ihr nicht zum Erfolg. Die Klägerin stützt ihr Wandlungsverlangen gerade auch darauf, dass die Beklagte – entgegen Nr. II.1. des Schiedsspruchs – die Quenchwäscher nicht gehörig optimiert habe. Im Übrigen hätte jeder vor Abnahme zu Tage getretener (weiterer) wesentliche Mangel der Abnahme entgegengestanden und wäre vom Schiedsspruch erfasst gewesen.

3.

Die Schiedsvereinbarung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht undurchführbar (§ 1032 Abs. 1 letzter Halbsatz ZPO); eine solche Feststellung vermag der Senat nicht zu treffen. Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht. Die Klägerin bringt vor, die Schiedsklausel sei an die Person des bereits in der Schiedsvereinbarung vom 25.07./04.08.2000 benannten Präsidenten des OLG Stuttgart gebunden. Der Schiedsrichter sei aufgrund seines Schreibens vom 11.02.2002 (Anlage K 42) weggefallen. Beides ist nicht richtig.

a) Alleine aus dem Umstand, dass sich der aufgrund der Vereinbarung vom 25.07./04.08.2000 benannte Schiedsrichter in einen umfangreichen Streitstoff eingearbeitet hat, die Parteien diesem besonders vertraut und ihm sogar die Ermächtigung zu einer Billigkeitsentscheidung gegeben haben, folgt nicht mit der hierfür erforderlichen Sicherheit, dass die Schiedsabrede an gerade diesen Schiedsrichter gebunden ist. Es geht insoweit um die Frage, ob sich die Parteien einig waren, bei Ausfall des Schiedsrichters ihre Streitigkeit durch ein staatliches Gericht entscheiden zu lassen, anstatt einen anderen Schiedsrichter zu benennen. Eine solche Einigung besteht nicht.

Gemäß § 1039 Abs. 1 ZPO ist immer dann, wenn das Amt eines Schiedsrichters endet, ein Ersatzschiedsrichter zu bestellen. Nach dem Gesetz folgt somit aus der Tatsche, dass ein zuvor benannter Schiedsrichter wegfällt, gerade nicht auch die Undurchführbarkeit der Schiedsabrede, mögen die Parteien mit dem benannten Schiedsrichter sehr zufrieden gewesen sein. Vielmehr setzt die Undurchführbarkeit insoweit stets eine hiervon abweichende Vereinbarung der Parteien voraus, woraus sich entnehmen lässt, dass bei Wegfall des benannten Schiedsrichters auch die Schiedsabrede entfallen soll (vgl. § 1039 Abs. 2 ZPO).

Eine schriftliche oder sonst ausdrückliche Abrede hierüber haben die Parteien nicht getroffen. Für eine konkludente Vereinbarung fehlt es – wie gesagt – an hinreichend sicheren Anhaltspunkten. Dass die Parteien der Person des Schiedsrichters so entscheidende Bedeutung zugemessen haben, dass von dessen Amt die Aufrechterhaltung der Schiedsvereinbarung abhängen sollte, ist nicht besonders wahrscheinlich. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass nur der benannte Schiedsrichter aus Sicht beider Parteien in der Lage war, eine vernünftige Entscheidung zu treffen, bestehen nicht. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass es keine anderen Personen gibt, die ebenso kompetent und vertrauenswürdig sind, wie der benannte Schiedsrichter.

b) Ohnehin lässt sich nicht feststellen, dass der benannte Schiedsrichter ausgefallen ist, jedenfalls kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen.

Darüber, ob er für die hier erhobene Wandelungsklage zur Verfügung steht, hat sich der Schiedsrichter nicht geäußert. Vielmehr betraf sein Schreiben vom 11.02.2004 (Anlage K 42) die Schiedsklage der Beklagten vom 16.01.2004.

Allerdings wurde mit der Schiedslage auch die Feststellung begehrt, dass die (jetzige) Klägerin nicht zur Wandelung berechtigt ist (Klagantrag Nr. 4, Anlage B 1). Dem Schreiben vom 11.02.2004 lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass er für diese Klage von vorneherein nicht zur Verfügung stehe. Vielmehr hat er in seinen Schreiben vom 20.01.2004 (Anlage K 40) und 11.02.2004 (Anlage K 42) sinngemäß angegeben, er könne als Schiedsrichter deshalb nicht zur Verfügung stehen, weil er aufgrund des Schreibens des Rechtsvertreters der (jetzigen) Klägerin eine Nebentätigkeitsgenehmigung seines Dienstherren nicht erhalten werde. Denn die (jetzige) Klägerin stimme weder eine Kostenteilung noch einer Billigkeitsentscheidung zu. Das bedeutet, dass der Schiedsrichter dann zur Verfügung steht, wenn dieses Hindernis beseitigt ist, also die (jetzige) Klägerin ihre Zustimmung zur Kostenteilung erklärt hat (die Zustimmung zur Billigkeitsentscheidung ergibt sich schon aus dem oben genannten Schiedsspruch).

Auf den Umstand, dass der Schiedsrichter derzeit (mangels Zustimmung zur Kostenteilung) nicht zur Verfügung steht, kann sich die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht berufen. Denn die Klägerin ist aufgrund der vereinbarten Schiedsklausel im oben genannten Schiedsspruch verpflichtet, ihre Zustimmung zur Kostenteilung zu erteilen, mag sie noch so fest davon überzeugt sein, dass sie im Schiedsgerichtsverfahren obsiegen wird bzw. würde. Wie sich wiederum den Äußerungen des Schiedsrichters in seinem oben genannten Schreiben entnehmen lässt, war den Parteien aufgrund des vorangegangenen Schiedsverfahrens bewusst, dass der Schiedsrichter nur bei vereinbarter Kostenteilung zur Verfügung stehen kann. Wenn die Parteien unter diesen Umständen eine erneute Schiedsvereinbarung unter Benennung/Beibehaltung des bisherigen Schiedsrichters treffen, dann liegt hierin zugleich die konkludente Zustimmung, die bekannten Voraussetzungen der Nebentätigkeitsgenehmigung des Schiedsrichters zu schaffen. Die Klägerin handelt somit pflichtwidrig, wenn sie ihr Einverständnis zur Kostenteilung versagt; ihr ist es verwehrt sich auf den damit herbeigeführten Wegfall des Schiedsrichters zu berufen (§ 242 BGB).

4.

Die Parteien haben keinen Vertrag über die Aufhebung der Schiedsvereinbarung vom 19.01.2002 geschlossen. Zu einer stillschweigenden Aufhebung der Schiedsklausel – wie die Klägerin meint – ist es nicht gekommen. Voraussetzung für eine Aufhebungsvereinbarung wäre u. a., dass die Beklagte aus Sicht der Klägerin einen derartigen Willen gegenüber der Klägerin zum Ausdruck gebracht hat. Das ist aber nicht der Fall. Die Beklagte hat vielmehr zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel daran gelassen, dass sie an der Schiedsklausel festhalten will. Die Klägerin will einen auf den Verzicht gerichteten Willen der Beklagten in der Erhebung der Klage vom 18.05.2004 (Anlage B 12) erblicken und führt hierzu aus, sie habe deshalb davon ausgehen können, dass die Beklagte auf ein Schiedsverfahren verzichtet habe und den Rechtsstreit ausschließlich vor den ordentlichen Gerichten austragen werde. Einen dahingehenden Verzichtswillen der Beklagten durfte die Klägerin schon deshalb nicht entnehmen, weil die Beklagte in der Klageschrift vom 18.05.2004 ihren gegenteiligen Willen zum Ausdruck gebracht hat, indem sie auf die erneute Schiedsklage vom 16.01.2004 Bezug genommen und ausgeführt hat, dass diese allein aus Gründen, die die (hiesige) Klägerin zu vertreten habe, bislang nicht habe durchgeführt werden können (Seite 160 bis 162 der Klageschrift vom 18.05.2004 a. a. O.). Die Schiedsklage vom 16.01.2004 hat u. a. auch das hiesige Wandlungsbegehren in Form einer negativen Feststellungsklage zum Gegenstand (vgl. Antrag Nr. 4). Die Klägerin durfte also allein aufgrund der Klage vom 18.05.2004 nicht von einem (konkludenten) Aufhebungswillen der Beklagten ausgehen. Ohnehin spricht die Anfrage der Rechtsanwälte der Klägerin im Schreiben vom 20.10.2004 (Anlage B 13), ob die Beklagte Schiedseinrede erheben will, eher dagegen, dass die Klägerin von einem Aufhebungswillen der Beklagten ausgegangen ist. Das Antwortschreiben der damaligen Rechtsvertreter der Beklagten vom 27.10.2004 (Anlage B 14) enthält das ausdrückliche Festhalten an der Schiedsabrede.

Auch im Zeitraum davor hat die Beklagte kein Verhalten gezeigt, das auf einen Willen, die Schiedsabrede aufzuheben, schließen lässt. In Betracht kommt insoweit höchstens der Zeitraum ab Zugang des Antwortschreibens der Klägerin vom 05.03.2004 (Anlage K 43) auf das Schreiben der Beklagten vom 18.02.2004 (Anlage B 10) bis zum Zugang des oben genannten Schreibens der Beklagten vom 27.10.2004. Abgesehen davon, dass bloßem Schweigen grundsätzlich nicht die Qualität einer Willenserklärung zukommt, kann jedenfalls in dem Umstand, dass das Schiedsverfahren in oben genanntem Zeitraum nicht weiterbetrieben wurde, noch nicht auf einen Aufhebungswillen der Beklagten geschlossen werden.

5.

Schließlich ist die Erhebung der Schiedseinrede nicht treuwidrig (§ 242 BGB), wie die Klägerin meint.

Die Klägerin konnte vor Einreichung ihrer Wandelungsklage nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde die Schiedseinrede nicht erheben. Denn mit Schreiben vom 27.10.2004 (a. a. O.) hat die Beklagte ihr gegenüber unmissverständlich Gegenteiliges zum Ausdruck gebracht. Die Beklagte verhält sich auch nicht widersprüchlich, wenn sie einerseits die Schadensersatzklage vom 18.05.2004 erhoben hat und andererseits im Streitfall die Schiedseinrede erhebt. Sie hat dies mit der zutreffenden Rechtsauffassung begründet, dass die Schadensersatzklage einen von der Wandelungsklage abweichenden Streitgegenstand betreffe und daher von der Schiedsabrede nicht erfasst werde. Soweit die Schadensersatzklage mit dem Verhalten der (hiesigen) Klägerin bei Durchführung des Werkvertrages hinsichtlich der Anlage in Karlsruhe begründet wird und die Parteien um Mängel, Abnahmepflichten und etwaige Gewährleistungsrechte, insbesondere um die hier in Frage stehende Berechtigung des Wandelungsverlangens, streiten, geht es nur um rechtliche Vorfragen, über die weder rechtskräftig entschieden wird, noch den Streitgegenstand der Schadensersatzklage bilden. Hingegen bezieht sich die Schiedsvereinbarung ausdrücklich nur auf Streitigkeiten, die die Abnahmepflicht oder Gewährleistungsrechte bzgl. der Anlage in Karlsruhe betreffen; von Schadensersatzansprüchen wegen Treupflichtverletzungen oder solchen aus Delikt, ist hier nicht die Rede.

Auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 14.02.2005 (Anlage K 46) lässt sich kein treuwidriges Verhalten herleiten, wie die Klägerin meint. Darin hat die Beklagte nur erklärt, die unter dem 30.12.2004 eingereichte Schiedsklage der Klägerin (Anlage B 6) sei nur bedingt erhoben und damit unzulässig. Einer Durchführung dieser (identischen) Schiedsklage hat sich die Beklagte damit nicht verweigert. Sie hat im Gegenteil ausdrücklich ihre Bereitschaft erklärt, an diesem Schiedsverfahren mitzuwirken (vgl. Nr. 4 des oben genannten Schreibens). Schließlich ist die Schiedseinrede nicht deshalb treuwidrig, weil sich die Beklagte im Vorfeld der Wandelungsklage unfair verhalten habe, indem die damaligen Rechtsanwälte der Beklagten erklärten, für die angekündigte Wandelungsklage nicht zustellungsbevollmächtigt zu sein, was eine Parteizustellung im Ausland und erhöhte Zustellungskosten (Übersetzungskosten) zur Folge hatte. Es bleibt letztlich bloße – wenn auch nicht ganz fern liegende – Vermutung, dass die Beklagte ihre damaligen Rechtsanwälte in Wahrheit schon mit der Vertretung im bevorstehenden

Wandelungsprozess mandatiert hatten. Es kann daher dahinstehen, ob das behauptete unfaire Verhalten der Beklagten dieser die Schiedseinrede abgeschnitten hätte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision und die Rechtsbeschwerde sind nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO sowie des § 574 Abs. 2 und 3 ZPO nicht vorliegen.

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