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Zugang eines Kündigungsschreibens bei Briefkasteneinwurf


LAG Mainz 

Az.: 10 Sa 175/13

Urteil vom 10.10.2013


Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14. März 2013, Az. 8 Ca 1956/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt des Zugangs einer ordentlichen Kündigung.

Die 1954 geborene Klägerin war seit April 1992 im Gebäudereinigungsbetrieb der Beklagten als Unterhaltsreinigerin zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt € 764,00 in der 20-Stunden-Woche beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt ca. 500 Arbeitnehmer.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.10.2012 aus krankheitsbedingten Gründen ordentlich zum 31.05.2013. Hiergegen erhob die Klägerin am 30.10.2012 Kündigungsschutzklage. Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, das Kündigungsschreiben sei ihr erst am 16.10.2012 zugegangen. Die Beklagte hat vorgetragen, das Kündigungsschreiben sei der Klägerin am 08.10.2012 um 11:18 Uhr von den Zeugen M. B. und H. B. durch Einwurf in den Hausbriefkasten zugestellt worden.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat über die Behauptung der Beklagten Beweis erhoben durch Vernehmung der zwei Zeugen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.03.2013 Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.03.2013 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die am 30.10.2012 erhobene Klage gegen die Kündigung vom 08.10.2012 sei verspätet, denn nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen sei das Kündigungsschreiben am 08.10.2012 um 11:18 Uhr in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen worden. Beide Zeugen seien glaubwürdig, ihre Aussagen glaubhaft. Die Behauptung der Klägerin, sie habe am 08.10.2012 um 11:18 Uhr ihren Briefkasten an diesem Tag bereits geleert gehabt, sei unerheblich. Ein Zugang am nächsten Tag sei erst dann anzunehmen, wenn ein Kündigungsschreiben erhebliche Zeit nach der allgemeinen Postzustellung in den Briefkasten eingeworfen werde. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Werfe ein Arbeitgeber um 11:18 Uhr, also zu einer gewöhnlichen Postzustellzeit, ein Kündigungsschreiben beim Arbeitnehmer ein, so dürfe er davon ausgehen, dass die Sendung noch an diesem Tag zugehe, ohne dass er zuvor die konkreten örtlichen Verhältnisse im Zustellbezirk des Arbeitnehmers überprüfen müsse. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 4 bis 7 des erstinstanzlichen Urteils vom 14.03.2013 Bezug genommen.

Gegen das Urteil, das ihr am 19.03.2013 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 19.04.2013 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 19.06.2013 verlängerten Begründungsfrist mit am 19.06.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

 Sie macht geltend, sie habe die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt, weil ihr die Kündigung erst am 09.10.2012 zugegangen sei. Sie lebe allein und habe am frühen Morgen des 08.10.2012 nach dem für sie üblichen Postlauf den Briefkasten geleert. Sie sei zum Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung – unstreitig – arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Wenn sich ein Arbeitnehmer während einer Krankheit gewöhnlich zuhause aufhalte, sei von ihm nach der Verkehrsanschauung nicht zu erwarten, dass er nach den allgemeinen Postzustellzeiten den Briefkasten nochmals überprüfe. Sie sei aufgrund ihrer Fersenverletzung nicht in der Lage gewesen, zu laufen bzw. in ihrer Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen. Sie sei nach dem üblichen Postlauf davon ausgegangen, dass für diesen Tag die Post bei ihr eingegangen sei. Sie habe keine Veranlassung gehabt, ihren Briefkasten erneut zu kontrollieren. Sie habe frühestmöglich am Folgetag – dem 09.10.2012 – Kenntnis von der streitgegenständlichen Kündigung erlangt. Deshalb sei die Kündigungsschutzklage am 30.10.2012 fristgerecht erhoben worden. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der Klägerin vom 19.06.2013 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich, das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14.03.2012, Az. 8 Ca 1956/12, abzuändern und  festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 08.10.2012 nicht aufgelöst worden ist, im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Glas- und Gebäudereinigerin weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 09.07.2013, auf den Bezug genommen wird, als zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.  Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.  In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.10.2012 mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31.05.2013 aufgelöst worden. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Kündigung gemäß § 7 KSchG wirksam ist, weil die am 30.10.2012 eingegangene Klage nicht die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG wahrte.

Nach dem eindeutigen Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme haben die Zeugen M. B. und H. B. das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 08.10.2012 am selben Tag um 11:18 Uhr in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen. Das stellt die Berufung nicht in Abrede und ist nach den überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts auch nicht in Zweifel zu ziehen. Ihre erstinstanzliche Behauptung, das Kündigungsschreiben sei ihr (erst) am 16.10.2012 zugegangen, hält die Klägerin nicht aufrecht.

Entgegen der Ansicht der Berufung ist der Klägerin das Kündigungsschreiben iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB noch am 08.10.2012 zugegangen. Die Klägerin hätte deshalb nach § 4 Satz 1 KSchG spätestens am 29.10.2012 (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB) gegen die Kündigung Klage erheben müssen. Ihre Klage ist jedoch erst nach Ablauf der Dreiwochenfrist am 30.10.2012 beim Arbeitsgericht eingegangen.

Das Arbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, das Kündigungsschreiben vom 08.10.2012 sei der Klägerin am selben Tag zugegangen, weil nach den -objektiv zu bestimmenden – gewöhnlichen Verhältnissen bei einem Einwurf in den Hausbriefkasten um 11:18 Uhr mit einer Kenntnisnahme noch am selben Tag zu rechnen sei.

Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine unter Abwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht. Ein Kündigungsschreiben ist zugegangen, sobald es in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehört auch sein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist – entgegen der Ansicht der Berufung – nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren. Bei Hausbriefkästen ist mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die allerdings stark variieren können. Wenn danach für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. In diesem Fall trifft den Empfänger die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er dies, so wird der Zugang durch solche – allein in seiner Person liegende – Gründe nicht ausgeschlossen (BAG 22.03.2012 – 2 AZR 224/11 – Rn. 21, 22 mwN, EzA § 5 KSchG Nr. 41).

Nach diesen Grundsätzen, die das Arbeitsgericht rechtsfehlerfrei angewendet hat, ist der Klägerin das Kündigungsschreiben vom 08.10.2012 am selben Tag zugegangen, weil nach den objektiv zu bestimmenden gewöhnlichen Verhältnissen bei einem Einwurf in den Hausbriefkasten zwischen 11:00 und 11:30 Uhr mit einer Kenntnisnahme noch am selben Tag zu rechnen ist. Es ist unerheblich, dass die Klägerin nach der für sie üblichen Postlaufzeit ihren Briefkasten bereits am frühen Morgen kontrolliert, denn es nicht auf die individuellen Verhältnisse der Klägerin abzustellen. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt, bis zu welchem das Austragen der Post gewöhnlicherweise abgeschlossen ist. Nach diesem Zeitpunkt kann mit einer Leerung des Briefkastens am selben Tage normalerweise nicht mehr gerechnet werden. Es kann vorliegend dahinstehen, bis zu welcher Uhrzeit eine Sendung hiernach spätestens in den Briefkasten eingelegt werden muss, um den Zugang am selben Tage zu bewirken, denn eine Zustellung am Vormittag um 11:18 Uhr reicht bei der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise jedenfalls aus. Üblicherweise kann erwartet werden, dass der Empfänger einer um 11:18 Uhr in seinen Hausbriefkasten geworfenen Willenserklärung diese noch am selben Tag zur Kenntnis nimmt.

Der Vortrag der Klägerin, sie habe wegen ihrer Verletzung an der Ferse überhaupt nicht laufen können bzw. sie sei in ihrer Gehfähigkeit stark eingeschränkt gewesen, ist unerheblich. Eine Kündigungserklärung geht auch dann zu, wenn der Empfänger durch Krankheit, Urlaub, Haft oder sonstige Abwesenheit daran gehindert ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (BAG 24.06.2004 – 2 AZR 461/03 – NZA 2004, 1330; LAG Rheinland-Pfalz 06.10.2011 – 10 Sa 381/11 – Juris; jeweils mwN).

III.  Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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