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Altersteilzeitvertrag – rückwirkender Vertragsschluss


BAG

Az: 9 AZR 608/08

Urteil vom 15.09.2009


Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 23. Juni 2008 - 4 Sa 9/08 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags.

Die 1953 geborene Klägerin ist zuletzt seit 1987 an der Universität T des beklagten Landes im Institut für Erziehungswissenschaft, Abteilung Sozialpädagogik tätig. Ihr Beschäftigungsumfang beträgt 19,75 Stunden wöchentlich. Nach den Arbeitsverträgen vom 21. Mai 1987 und vom 21. Juli 1987 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 einschließlich der Sonderregelungen und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträge. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde mit Wirkung vom 1. November 2006 in den TV-L übergeleitet.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2006 beantragte die Klägerin den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags. In dem Schreiben heißt es:

„…

zur Wahrung des Vertrauensschutzes bei der Planung der Altersteilzeit stelle ich hiermit fristgerecht den Antrag auf Genehmigung der Altersteilzeit , die ich zum 01.05.2009 antreten möchte.

Ich wurde am 1953 geboren und werde mit 62 Jahren über 35 Versicherungsjahre vorweisen können, so dass ich nach 6 Jahren Altersteilzeit anschließend in Rente gehen kann.

Zur Wahrung der Frist (31.12.2006) möchte ich Sie bitten, mir den Eingang meines Antrags unverzüglich schriftlich zu bestätigen und mir mitzuteilen, wann über meinen Antrag entschieden werden wird.

…“

Mit Schreiben vom 5. Januar 2007 lehnte die Zentrale Verwaltung der Universität des beklagten Landes den kurzfristigen Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags ab. Sie begründete dies damit, sie sei an die Vorgabe des Finanzministeriums gebunden, Vereinbarungen nur zu schließen, wenn zwischen der Vereinbarung und dem Beginn der Altersteilzeitarbeit höchstens ein Jahr liege. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 9. Januar 2007.

Hintergrund des von der Klägerin begehrten Abschlusses eines Altersteilzeitarbeitsvertrags noch vor dem 1. Januar 2007 war, dass das Bundeskabinett am 29. November 2006 den Entwurf eines RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes beschlossen hatte. Hiernach sollte die Regelaltersgrenze von dem Jahr 2012 an beginnend mit dem Jahrgang 1947 bis zum Jahr 2029 schrittweise auf 67 Jahre angehoben werden. Ausgenommen von der Anhebung der Altersgrenze sollten die Angehörigen der Geburtsjahrgänge 1954 und älter werden, wenn sie bereits vor dem 1. Januar 2007 verbindlich Altersteilzeit vereinbart hatten.

§ 2 des Tarifvertrags zur Regelung der Altersteilzeitarbeit vom 5. Mai 1998 in der Fassung vom 30. Juni 2000 (TV ATZ) lautet wie folgt:

„§ 2

Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit

(1) Der Arbeitgeber kann mit Arbeitnehmern, die

a)    das 55. Lebensjahr vollendet haben,

b)    eine Beschäftigungszeit (z. B. § 19 BAT/BAT-O) von fünf Jahren vollendet haben und

c)    innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben,

die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein.

(2) Arbeitnehmer, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren; von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden.

(3) Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen.

(4) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll mindestens für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden. Es muss vor dem 1. Januar 2010 beginnen.“

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, § 2 TV ATZ könne nicht entnommen werden, dass die Voraussetzungen für die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bereits bei Abschluss vorliegen müssten. Entscheidend sei nur der Beginn.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach dem Blockmodell für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. April 2015 nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im öffentlichen Dienst vom 5. Mai 1998 auf der Basis einer 19,75-Stunden-Woche mit Wirkung zum 22. Dezember 2006 anzunehmen;

hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach dem Blockmodell für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. April 2015 nach dem Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im öffentlichen Dienst vom 5. Mai 1998 auf der Basis einer 19,75-Stunden-Woche mit Wirkung zum 22. Dezember 2006 unter der Voraussetzung anzunehmen, dass in den letzten fünf Jahren vor dem 1. Mai 2009 zwischen den Parteien ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iSd. Dritten Buches Sozialgesetzbuch bestanden hat.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, das nach § 2 Abs. 1 TV ATZ gebotene Ermessen könne erst ausgeübt werden, nachdem die haushalts- und personalwirtschaftlichen Rahmendaten festgestellt worden seien. Drei Jahre vor dem begehrten Beginn des Altersteilzeitarbeitsvertrags seien diese Rahmendaten noch nicht bekannt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Sie verfolgt mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

A. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Die Klage ist zulässig.

Der Klageantrag genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das beklagte Land soll das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags nach dem Blockmodell für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis 30. April 2015 nach den Regelungen des TV ATZ annehmen. Mit Rechtskraft der obsiegenden Entscheidung gilt die begehrte Willenserklärung gemäß § 894 Satz 1 ZPO als abgegeben.

II. Die Klage ist im Haupt- und im Hilfsantrag unbegründet.

1. Der auf Annahme des Vertragsangebots der Klägerin gerichtete Antrag wäre nicht schon deshalb unbegründet, wenn die Klägerin allein die rückwirkende Änderung des Arbeitsverhältnisses ab 1. Mai 2009 verlangen würde. Seit Inkrafttreten des § 311a BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der ein Vertragsangebot angenommen werden soll, das rückwirkend auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt (Vertragsänderung mit Rückwirkung) gerichtet ist (vgl. für die st. Rspr. Senat 16. Dezember 2008 - 9 AZR 893/07 - Rn. 21 f., AP TzBfG § 8 Nr. 27 = EzA TzBfG § 8 Nr. 23).

2. Die Klägerin begehrt vorliegend jedoch nicht eine Vertragsänderung mit Rückwirkung, sondern eine Rückdatierung des Änderungsvertrags (rückwirkender Vertragsschluss). Darauf hat sie keinen Anspruch.

a) Wie sich aus dem Wortlaut des Antrags und seiner Begründung ergibt, soll das beklagte Land verurteilt werden, eine Annahmeerklärung so abzugeben, dass der Änderungsvertrag als am 22. Dezember 2006 abgeschlossen gilt; denn das beklagte Land soll das Angebot der Klägerin auf Vertragsänderung „mit Wirkung zum“ 22. Dezember 2006 annehmen . Damit soll ein Vertrag mit Abschlussdatum vom 22. Dezember 2006 das Arbeitsverhältnis der Parteien für die Zukunft, nämlich ab dem 1. Mai 2009, in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis ändern. Dieses Verständnis des Antrags wird durch dessen Begründung bestätigt. Die Klägerin ist der Auffassung, dass nur ein bis zum 1. Januar 2007 bereits abgeschlossener Altersteilzeitarbeitsvertrag die Vertrauensschutzregelung des § 235 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI erfülle. Danach wird die Regelaltersgrenze von Versicherten, die vor dem 1. Januar 1955 geboren sind, nicht angehoben, wenn sie vor dem 1. Januar 2007 Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 AltTZG vereinbart haben.

b) Das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags konnte vom beklagten Land nach Ablauf des 31. Dezember 2006 nicht mehr angenommen werden.

aa) Der Antrag auf Abschluss eines Vertrags ist ab seinem Zugang bei dem Angebotsempfänger ( § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ) grundsätzlich bindend ( § 145 BGB ) . Die Dauer der Bindung richtet sich nach §§ 147 bis 149 BGB. Nach § 148 BGB kann der Anbietende eine Frist für die Annahme bestimmen. Damit ist ihm die Möglichkeit eröffnet, die Dauer der Wirksamkeit des Angebots unabhängig von § 147 BGB auszugestalten. Ob und in welchem Zeitraum ein Angebot angenommen werden kann, ist hiernach vom Willen des Anbietenden abhängig (BGH 26. März 2004 - V ZR 90/03 - zu II 2 a der Gründe, DB 2004, 2156). Die Fristbestimmung iSv. § 148 BGB kann dabei nicht nur durch die Festlegung eines konkreten Termins oder durch die Festsetzung eines Zeitraums erfolgen, sondern sich auch aus den Umständen ergeben. Ausreichend ist jede zeitliche Konkretisierung, durch die der Antragende zu erkennen gibt, er wolle von der gesetzlichen Regelung des § 147 BGB nach oben oder unten abweichen (BAG 1. Februar 2007 - 2 AZR 44/06 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 132 = EzA KSchG § 2 Nr. 65).

bb) Die Klägerin bestimmte in ihrem Schreiben vom 16. Dezember 2006 eine Annahmefrist iSv. § 148 BGB. Sie wollte nach dem Wortlaut ihres Schreibens den Vertrauensschutz „bei der Planung der Altersteilzeit“ wahren. Im Hinblick auf die im Gesetzgebungsverfahren bereits erkennbar gewordene Neufassung des § 235 SGB VI sollte damit ein Altersteilzeitarbeitsvertrag noch im Jahre 2006 abgeschlossen werden. Die Klägerin forderte das beklagte Land deshalb auf, ihr zur Wahrung der Frist (31. Dezember 2006) mitzuteilen, wann über ihren Antrag entschieden werde . Die Annahme des beklagten Landes konnte deshalb gemäß § 148 BGB nur innerhalb dieser Frist erfolgen. Danach erlosch das Angebot der Klägerin und konnte nicht mehr angenommen werden, § 146 BGB (vgl. BGH 1. Juni 1994 - XII ZR 227/92 – zu 2 b der Gründe, NJW-RR 1994, 1163). Eine verspätete Annahme gilt nach § 150 Abs. 1 BGB lediglich als neuer Antrag.

c) Die von der Klägerin begehrte Rechtsfolge lässt sich auch nicht aus § 894 Satz 1 ZPO herleiten.

aa) Nach dieser Vorschrift gilt die beantragte Erklärung mit der Rechtskraft als abgegeben. Diese Fiktion bewirkt nur die Rechtsfolgen, die eine im selben Zeitpunkt abgegebene wirksame Willenserklärung des Schuldners mit demselben Inhalt hätte (Stein/Jonas/Brehm ZPO 22. Aufl. § 894 Rn. 21; Musielak/Lackmann ZPO 7. Aufl. § 894 Rn. 10; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 67. Aufl. § 894 Rn. 12). Eine durch gerichtliche Fiktion abgegebene Annahmeerklärung des beklagten Landes auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrags kann nur dann zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Parteien als Altersteilzeitarbeitsverhältnis führen, wenn ein entsprechendes Angebot der Klägerin noch wirksam wäre. Dieses war aber spätestens mit Ablauf des Jahres 2006 erloschen, § 146 BGB iVm. § 148 BGB.

bb) Zudem wirkt die durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung im Jahre 2009 herbeigeführte Fiktion des § 894 Satz 1 ZPO nicht auf das Jahr 2006 zurück. Die Willenserklärung des Schuldners gilt erst mit der Rechtskraft des Urteils und damit nicht zu einem früheren Zeitpunkt als abgegeben. Wird der Schuldner zur Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung antragsgemäß verurteilt, gilt nach § 894 ZPO die Willenserklärung erst dann als abgegeben, wenn das Urteil rechtskräftig geworden ist. Die gesetzliche Fiktion des § 894 ZPO bedeutet, dass (erst) mit der Rechtskraft alle diejenigen Rechtsfolgen eintreten sollen, die eine im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft abgegebene Erklärung haben würde (BAG 11. November 1976 - 2 AZR 457/75 - zu B I 6 b der Gründe, BAGE 28, 233). § 894 ZPO wirkt nicht stärker und nicht schwächer als die rechtsgeschäftliche Erklärung (Stein/Jonas/Brehm § 894 Rn. 24). Mit Rechtskraft einer klagestattgebenden Entscheidung des Revisionsgerichts könnte deshalb ein Änderungsvertrag, ein erneutes Angebot der Klägerin unterstellt, frühestens im Jahre 2009 zustande kommen und nicht wie beantragt am 22. Dezember 2006.

B. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

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