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Anfechtung Ordnungsgeldbeschluss wegen Ausbleibens in mündlicher Verhandlung

OLG Hamm – Az.: I-21 W 16/18 – Beschluss vom 31.07.2018

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 06.03.2018 wird der Ordnungsgeldbeschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Essen (17 O 56/15) vom 31.01.2018 aufgehoben.

Um was geht es?

Die Klägerin fordert eine restliche Werklohnforderung in Höhe von EUR 23.425,92 von dem Beklagten, der als Besteller einen Werkvertrag für Arbeiten auf seinem Grundstück abgeschlossen hat. Der Beklagte hat im schriftlichen Vorverfahren Klageabweisung angekündigt und Verjährungs- und Mängeleinrede erhoben. In einem mündlichen Verhandlungstermin am 01.12.2017 ist der Beklagte nicht erschienen, obwohl er mehrfach auf die Folgen seines Nicht-Erscheinens hingewiesen wurde. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Prozessbevollmächtigten schlossen die Parteien einen Widerrufsvergleich, den der Beklagte später fristgerecht widerrief. Das Landgericht Essen setzte gegen den Beklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 800,00 fest, nachdem er unentschuldigt im Termin vom 01.12.2017 ausgeblieben war. Gegen diesen Beschluss legte der Beklagte am 07.03.2018 eine sofortige Beschwerde beim Landgericht Essen ein, die dem Senat zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Gründe

I.

Der Beklagte als Besteller sieht sich vor dem Landgericht Essen einer restlichen Werklohnforderung der Klägerin in Höhe von EUR 23.425,92 ausgesetzt. Gegenstand des Werkvertrags waren Arbeiten auf dem Grundstück des Beklagten (Errichtung eines Betonfundaments für eine Fertigteilegarage, Schaffung einer Zuwegung und einer Treppe, Bepflanzung). Im Rahmen des vom Landgericht eingeleiteten schriftlichen Vorverfahrens hat der Beklagte Klageabweisung angekündigt und hat sowohl Verjährungs- als auch die Mängeleinrede erhoben. In der Klageerwiderungsschrift hat der Beklagte zudem darauf hingewiesen, dass der von ihm benannte Zeuge X während der gesamten Zeit des streitgegenständlichen Vorhabens der Vertreter für ihn gewesen sei, für ihn gehandelt habe und entsprechende Erklärungen für ihn abgegeben habe.

Mit Verfügung vom 03.06.2015 hat der Vorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und hat das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet. Nach mehrfacher Verlegung fand der ursprünglich für den 28.08.2015 anberaumte Termin am 20.11.2015 statt. Der Beklagte war in diesem Termin nicht persönlich erschienen. Sein Prozessbevollmächtigter reichte im Termin eine „Vollmacht gemäß § 141 ZPO“ zur Akte, wonach der Prozessbevollmächtigte „zur Vertretung in dem am 28.08.2015 vor dem Landgericht Essen stattfindenden Termin und in sämtlichen Folgeterminen“ bevollmächtigt und „zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsschluss ermächtigt“ ist. Auf Antrag der Parteien ordnete das Landgericht zwecks außergerichtlichen Einigungsversuchs das Ruhen des Verfahrens an.

Mit Schriftsatz vom 14.10.2016 rief die Klägerin das Verfahren wieder auf, woraufhin das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmte, zu dem es wiederum das persönliche Erscheinen der Parteien sowie die Ladung des Zeugen X anordnete. Nach mehrmaliger Verlegung fand der Termin schließlich am 01.12.2017 statt. In der ursprünglichen Ladung zum Termin sowie in allen Umladungen wurde der Beklagte nach § 141 Abs. 3 S. 3 ZPO auf die Folgen seines Nicht-Erscheinens hingewiesen. Zu dem Termin am 01.12.2017 erschien der Beklagte nicht. Nachdem der Prozessbevollmächtigte mit dem Beklagten telefonisch Rücksprache gehalten hatte, schlossen die Parteien auf Vorschlag der Kammer einen Widerrufsvergleich. Der Zeuge X war zuvor von der Kammer hinzugezogen worden, wurde aber nicht vernommen.

Mit Schriftsatz vom 15.12.2017 widerrief der Beklagte den Vergleich fristgerecht. Nach Anhörung des Beklagten setzte die Kammer gegen diesen sodann durch Beschluss vom 31.01.2018 wegen unentschuldigten Ausbleibens im Termin vom 01.12.2017 ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 800,00 fest.

Gegen den ihm am 22.02.2018 zugestellten Beschluss wendet sich der Beklagte mit seiner am 07.03.2018 beim Landgericht Essen eingegangenen sofortigen Beschwerde.

Das Eingangsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 12.03.2018 nicht abgeholfen und hat die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gem. §§ 141 Abs. 3 S. 1, 380 Abs. 3 (analog), 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Ordnungsgeldbeschlusses.

1.

a) Die formellen Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den im Verhandlungstermin vom 01.12.2017 nicht erschienen Beklagten sind erfüllt. Er wurde ordnungsgemäß zu dem Termin (um)geladen und die Ladung enthielt den nach § 141 Abs. 3 S. 3 ZPO gebotenen Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens.

b) Stellt die Partei, deren persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, einen Vertreter (§ 141 Abs. 3 S. 2 ZPO), ist die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Partei nur dann gerechtfertigt, wenn der entsandte Vertreter – dieser kann auch der Prozessbevollmächtigte sein – auch tatsächlich nicht in der Lage ist, zur Aufklärung des Sachverhalts beizutragen oder er nicht zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere einem Vergleichsschluss, ermächtigt ist (vgl. OLG Köln – 5 W 146/03, NJW-RR 2004, 1722, 1723).

Zweck der Vorschrift des § 141 Abs. 3 ZPO ist nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern (BGH – VI ZB 4/07, NJW-RR 2007, 1364 Rn 16 m.w.N.). Ein Ordnungsgeld kann daher nur festgesetzt werden, wenn das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert (BGH – I ZB 77/10, NJW-RR 2011, 1363 Rn 16). Die Androhung und Verhängung eines Ordnungsgelds darf zudem nicht dazu verwendet werden, einen Vergleichsabschluss zu erzwingen (BGH, a.a.O. Rn 17) oder das Nicht-Zustandekommen eines Vergleichs zu sanktionieren.

Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen eine nicht erschienene Partei liegt im Ermessen des Gerichts. Ob das Gericht dieses Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, unterliegt in vollem Umfang der Überprüfung durch das Beschwerdegericht (OLG Hamm – 12 W 5/97, MDR 1997, 1061).

c) An vorstehendem Maßstab gemessen, liegt in der Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den im Verhandlungstermin am 01.12.2017 nicht erschienenen Beklagten ein Ermessenfehlgebrauch durch das Eingangsgericht.

Die vom Beklagten an seinen Prozessbevollmächtigten erteilte Vollmacht vom 31.07.2015 (Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.11.2015, Bl. 81 d.A.) genügt den an sie nach § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO zu stellenden Anforderungen. Sie bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf den „am 28.08.2015 vor dem Landgericht Essen stattfindenden Termin und sämtliche Folgetermine“ und ermächtigt den Beklagtenvertreter zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsschluss. Im Außenverhältnis unterliegt die Vollmacht damit keinen unzulässigen Einschränkungen, wie etwa einer Ermächtigung nur zum Abschluss eines Widerrufsvergleichs (vgl. Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 15. Auflage 2018, § 141 Rn 16; OLG Naumburg – 2 W 91/10, MDR 2011, 943). Aus der Ermächtigung des Vertreters zum unbedingten Vergleichsabschluss folgt indes keine Verpflichtung, überhaupt einen Vergleich für den Vollmachtgeber zu schließen oder einen solchen nur unwiderruflich abzuschließen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage 2018, § 141 Rn 18; MüKoZPO/Fritsche, 5. Auflage 2016, § 141 Rn 21). Dies ergibt sich schon daraus, dass eine persönlich erschienene Partei einem solchen Zwang ebenfalls nicht unterworfen wäre. Die Eignung des zum Vergleichsabschluss ermächtigten Vertreters ist schließlich auch nicht deshalb zu verneinen, weil dieser – wie hier – auf ein Vergleichsangebot hin telefonische Rücksprache mit der Partei nimmt (Stein/Jonas/Althammer, ZPO, 23. Auflage 2016, § 141 Rn 45).

Sofern das Eingangsgericht in dem angefochtenen Beschluss allgemeine Erwägungen zur Bedeutung und zum Zweck des persönlichen Erscheinens der Parteien anstellt, insbesondere im Hinblick darauf, dass das Gericht in der Verfolgung seines gesetzlichen Auftrags, in jeder Lage des Rechtsstreits auf eine gütliche Einigung hinzuwirken (§ 278 Abs. 1 ZPO), auf die Mitwirkung beider Parteien angewiesen ist, sind diese zutreffend. Es entspricht darüber hinaus den eigenen Erfahrungen des Senats, dass ein persönliches Ansprechen der Parteien durch das Gericht nicht selten eine andere Wirkung zeitigt als nur das Ansprechen der in tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht allenfalls mittelbar vom Ausgang des Rechtsstreits betroffenen Prozessbevollmächtigten. Gleichwohl vermögen diese Gesichtspunkte keine unbedingte, vom Wortlaut der Bestimmung des § 141 ZPO losgelöste Erscheinenspflicht der Parteien zu begründen.

Sofern das Eingangsgericht in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, wegen des vom Beklagten geänderten Vortrags bezüglich des Betonfundaments habe es zur Sachaufklärung der persönlichen Anhörung des Beklagten bedurft, rechtfertigt auch dies nicht die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Zum einen bleibt sowohl anhand des im Verhandlungsprotokoll vom 01.12.2017 (Bl. 135 ff. d.A.) dokumentierten Inhalts der mündlichen Verhandlung als auch nach dem Inhalt des Ordnungsgeldbeschlusses offen, welche konkrete an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten gerichtete Frage betreffend das Betonfundament dieser mangels hinreichender Kenntnis des Sachverhalts nicht zu beantworten in der Lage war. Zum anderen war der vom Beklagten für alle entscheidungserheblichen Fragen zum Beweis angebotene Zeuge X von der Kammer vorbereitend geladen worden und war auch zum Termin am 01.12.2017 erschienen. Sofern der Kammer im Hinblick auf den möglichen Widerruf des Vergleichs unbedingt an einer weiteren Sachaufklärung im Verhandlungstermin am 01.12.2017 gelegen war, hätte sie den Zeugen X förmlich vernehmen können. Ungeachtet dessen war der Rechtsstreit nach eigener im Verhandlungsprotokoll dokumentierten Einschätzung der Kammer „im heutigen Termin nicht entscheidungsreif“ (Protokoll S. 3, Bl. 137 d.A.). Daraus ergibt sich, dass selbst bei unterstelltem unentschuldigten Fernbleiben des Beklagten vom Termin am 01.12.2017 die Sachaufklärung nicht erschwert und dadurch der Prozess nicht verzögert wurde.

Im Ergebnis konnte der Ordnungsgeldbeschluss der Kammer damit keinen Bestand haben.

2.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten der erfolgreichen Beschwerde der Partei (Auslagen) sind nicht in entsprechender Anwendung des § 46 OWiG der Staatskasse aufzuerlegen, da diese nicht am Rechtsstreit beteiligt ist (BGH, a.a.O. Rn 23). Die Auslagen gehen vielmehr zu Lasten der nach dem Schlussurteil kostenpflichtigen Partei (§ 91 ZPO; BGH – VI ZB 4/07, NJW-RR 2007, 1364 Rn 23; Zöller/Greger, a.a.O., § 380 Rn 10). Gerichtskosten entstehen nicht (vgl. Nrn. 1812, 1826 GKG KV).

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