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Kündigung eines Mobilfunkvertrages mit Flatratetarif – ersparte Aufwendungen

AG Bremen, Az.: 10 C 358/14, Urteil vom 08.01.2014

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 697,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2013 sowie außergerichtliche Mahnkosten in Höhe von 2,50 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 40 % und die Klägerin zu 60 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Soweit der Beklagte auf Grund seiner Säumnis verurteilt wurde, an die Klägerin Entgelt i.H.v. 697,88 € sowie Mahnkosten in Höhe von 2,50 € zu zahlen, wird von § 313b Abs. 1 S. 1 ZPO Gebrauch gemacht.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten neben dem Entgelt für erbrachte Leistungen aus mehreren Mobilfunkverträgen Schadensersatz wegen entgangenen Gewinns.

Kündigung eines Mobilfunkvertrages mit Flatratetarif - ersparte Aufwendungen
Symbolfoto: Von stockfour /Shutterstock.com

Die Klägerin ist Betreiberin eines Mobilfunknetzes. Sie schloss mit dem Beklagten insgesamt drei Verträge im Tarif SuperFlat 60/1, die nach Tarifwechseln zuletzt folgende Tarife zum Inhalt hatten: SuperFlat Internet 60/1 (Bl. 18 ff. d.A.) und SuperFlat im Vorteil (Bl. 21 ff., Bl. 18 ff. d.A.). Die Verträge hatten Mindestlaufzeiten von jeweils 24 Monaten und verlängerten sich nach Ablauf der Mindestlaufzeit bei nicht fristgerechter Kündigung jeweils um ein weiteres Jahr. Zum Zeitpunkt der Kündigung hatten die Verträge noch eine Restlaufzeit von 14 bzw. 6 Monate (vgl. Bl. 11 d.A.). Der Basispreis für den Vertrag mit der Rufnummer … betrug 50,37 €, für den Vertrag mit der Rufnummer … 8,36 € sowie für den Vertrag mit der Rufnummer … 16,76 €. Nachdem der Beklagte von Dezember 2011 bis Mai 2012 die Rechnungen der Klägerin nicht gezahlt hatte, kündigte die Klägerin die Verträge zum 16.06.2012 fristlos.

Die Klägerin berechnet ihren Schadensersatzanspruch für alle drei Verträge i.H.v. 964,29 € wie folgt: (netto Basispreis – 1 € ersparte Aufwendungen für Druck- und Portokosten) x monatliche Restlaufzeit. Sodann zinste die Klägerin dieses Ergebnis mit einem Guthabenzinssatz von 3 % ab. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe trotz der Kündigung und der fehlenden Inanspruchnahme der Leistungen aus dem Flatrate-Tarif durch den Beklagten keine weiteren Aufwendungen erspart, da sie weiterhin zur Instandhaltung und Wartung ihres Mobilfunknetzes im vollen Umfang verpflichtet sei. Eine konkrete Ersparnis sei nicht berechenbar. Bei Flatrate-Tarifen falle die Nutzung des einzelnen Vertragsinhabers kaum ins Gewicht.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten durch Versäumnisurteil zu verurteilen, an die Klägerin 1.662,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Mahnkosten in Höhe von 2,50 € sowie Inkassokosten in Höhe von 117,50 € zu zahlen.

Das Gericht hat der Klägerin aufgegeben, zur Kalkulation des Basispreises für den Flatrate-Tarif vorzutragen, da dieser neben den Aufwendungen für die Vorhaltung des Netzes auch noch ein pauschalisiertes Nutzungsentgelt enthalte.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist teilweise unbegründet. Im Einzelnen:

1. Die Klägerin hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 964,29 € gem. §§ 280Abs. 1, 314 Abs. 3,628 Abs. 2 BGB nicht schlüssig dargelegt.

Danach steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz für den Gewinn zu, der ihr infolge ihrer durch den Zahlungsverzug des Beklagten bedingten Kündigung bis zur nächstmöglichen ordentlichen Kündigungsmöglichkeit entgangen ist (§ 252 BGB). Dieser Schadensersatzanspruch berechnet sich dadurch, dass die Summe der noch ausstehenden Entgelte um einen Abzinsfaktor, ersparte Aufwendungen und die Erträge aus einer anderen Verwertung des Vertragsgegenstandes vermindert wird (Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., § 314 Rn. 11).

Hierzu hat die Klägerin, die hinsichtlich dieser aus ihrem Geschäftsbereich stammenden Tatsachen eine sekundäre Darlegungslast trifft, trotz entsprechenden Hinweises nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Zwar ist es bei Pauschaltarifen naturgemäß schwer Aufwendungen, die die Klägerin erspart hat, einem konkreten Vertragsverhältnis zuzuordnen. Allerdings ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass sich die sodann fehlende Nutzung des Beklagten gar nicht auswirkt und die Klägerin lediglich 1,00 € für Druck- und Portokosten erspart – Leistungen, die sie im Übrigen dem Beklagten jeweils mit 1,90 € monatlich in Rechnung stellte. Nach Auffassung des Gerichts muss im Rahmen der ersparten Aufwendungen berücksichtigt werden, dass der Beklagte die vertraglich vereinbarten Leistungen nicht mehr nutzt. Das Gericht – letztlich bestätigt durch den Vortrag der Klägerin – davon aus, dass die Klägerin infolge der fehlenden Nutzung durch den Beklagten finanzielle Einsparungen hat. Pauschaltarife sind gerade deshalb für die anbietenden Unternehmen profitabel, weil der angebotene Umfang nicht von allen Kunden vollumfänglich genutzt wird. Wenn der Anbieter dem Kunden keine Leistung mehr bereitstellen muss, steht er deutlich besser, als wenn er das nicht müsste (AG Hamburg-Barmbek, Urteil vom 15. Juli 2011 – 822 C 182/10 -, juris). Dass die konkrete Nutzung für die Mobilfunkunternehmen nicht gleichgültig ist, zeigt auch die Tarifstruktur der Klägerin, die neben Flatrate-Tarifen auch Tarife anbieten, die sich aus einer Grundgebühr und den nutzungsabhängigen Verbindungsentgelten zusammensetzen. Für die Auswirkung der einzelnen Nutzung spricht auch die Vertragsklausel in Ziff. 7 1) der Verträge, wonach die Klägerin berechtigt ist, das Vertragsverhältnis zu kündigen, wenn eine SIM Karte im Abrechnungszeitraum mehr als insgesamt 15.000 Minuten für nationale Standardgespräche ins deutsche Netz des Mobilfunkanbieters und ins Festnetz genutzt wird. Wozu sollte eine solche Begrenzung notwendig sein, wenn sich die Nutzung des Einzelnen ohnehin nicht auswirkt?

Die Höhe des Schadensersatzanspruchs konnte vorliegend mangels Anknüpfungstatsachen auch nicht gem. § 287 ZPO geschätzt werden. Im Anwendungsbereich des § 287 ZPO ist zwar die Darlegungslast der Parteien erleichtert (vgl. BGH NJW 94, 663). Selbst bei lückenhaftem Vortrag dürfte die Klage nicht abgewiesen werden, sondern es ist eine Schätzung vorzunehmen, solange greifbare Anhaltspunkte für die Ausübung des Ermessens vorhanden sind. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass hinreichende Anhaltspunkte für einen gewissen Mindestschaden gegeben sind (BGH, Urteil vom 06. Dezember 2012 – VII ZR 84/10 -, juris). Im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO soll das Gericht die Schadenshöhe schätzen, damit vermieden wird, dass der Geschädigte völlig leer ausgeht, obwohl seine Schadensersatzpflicht dem Grunde nach feststeht. Dabei nimmt das Gesetz in Kauf, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1963 – III ZR 47/63, NJW 1964, 589). Nur wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen ist und das richterliche Ermessen vollends in der Luft hängen würde, wenn also eine Schätzung nicht möglich ist, bleibt es bei der Regel, dass den Kläger die Beweislast für die klagebegründenden Tatsachen trifft und deren Nichterweislichkeit ihm schadet (BGH, Urteile vom 16. Dezember 1963 – III ZR 47/63, aaO; BGH, Urteil vom 06. Dezember 2012 – VII ZR 84/10 -, juris). Letzteres ist hier der Fall. Die Klägerin hat keine greifbaren Anhaltspunkte für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs vorgetragen. Sie hat ihre Preiskalkulation für den Flatrate-Tarif nicht offen gelegt oder dargestellt, wie sich die Nutzung des Einzelnen auswirkt. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass die konkrete Ersparnis durch den Wegfall eines Nutzers nicht errechenbar sei. Sie selbst hat vorgetragen, dass die Nutzung des Einzelnen technisch wie finanziell kaum ins Gewicht falle, sodass die Klägerin ja offensichtlich doch ermitteln kann, wie sich die einzelne Nutzung auswirkt und dies sicherlich auch bei der Kalkulation ihrer Tarife berücksichtigt. Das Gericht hält es für ausgeschlossen, dass die Klägerin ihre Preisgestaltung auf Vermutungen und Annahmen ins Blaue hinein vornimmt. Es ist überdies davon auszugehen, dass der Basistarif zum einen die Aufwendungen für die Vorhaltung des Netzes und zum anderen ein pauschalisiertes Nutzungsentgelt beinhaltet (vgl. auch AG Bremen, Urt. v. 22.11.2013 – 25 C 215/13, juris).

2. Der Klägerin steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Ersatz von Inkassokosten in Höhe von zuletzt 117,50 € gem. §§ 280Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1 BGB zu.

Zwar können grundsätzlich auch Kosten der außergerichtlichen Geltendmachung einer Forderung als Verzugsschaden ersatzfähig sein. Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtverfolgungskosten ist jedoch, dass es sich um solche Aufwendungen handelt, die der Gläubiger im Einzelfall zur Wahrung und Durchsetzung seiner Rechte für erforderlich und zweckmäßig halten durfte (siehe BGH NJW 2011, 296, Tz. 9 m.w.N.). Denn der Gläubiger ist im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht gem. § 254 Abs. 2 BGB gehalten, unter mehreren Möglichkeiten, eine Forderung geltend zu machen, die kostengünstigste zu wählen. Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten sind vor diesem Hintergrund grundsätzlich dann nicht erstattungsfähig, wenn die Angelegenheit eines kaufmännischen Gläubigers aus objektiver Sicht zum Zeitpunkt der Einschaltung des Dritten zu Inkassozwecken keine besonderen Schwierigkeiten aufwies. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei dem Dritten um ein Inkassobüro oder einen vorgerichtlichen Rechtsbeistand handelt. Die Überwachung von Zahlungspflichten und die Übersendung von Mahnungen sind einfachste kaufmännische Tätigkeiten, die zum eigenen Pflichtenkreis eines kaufmännischen Gläubigers gehören (vgl. Landgericht Bremen, Beschluss vom 24.07.2013, Az. 2-S-75/13). Der Zeitaufwand für derartige Tätigkeiten wird deshalb nicht ersetzt.

Im vorliegenden Fall war die Einschaltung des Inkassobüros demnach weder erforderlich noch zweckmäßig. Es handelt sich um einen typischen Forderungseinzugsfall, den die gewerblich tätige Klägerin ohne weiteres selbst bearbeiten kann, da es sich bei der angemahnten Forderung um tatsächlich und rechtlich einfach gelagerte Entgeltansprüche handelt. Dies hat die Klägerin nach eigenem Vortrag zunächst auch getan, indem sie die Erfüllung der Forderung mehrfach angemahnt hat. Wenn der Schuldner auf Mahnungen durch den Gläubiger nicht reagiert und damit erkennbar zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig ist, muss unmittelbar Klage erhoben oder das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitet werden. Das Inkassobüro hat vorliegend die von der Klägerin bereits erklärten Mahnungen lediglich wiederholt und keine darüber hinaus gehende Tätigkeit entfaltet, die seine Einschaltung rechtfertigte.

II.

Die prozessualen Nebenfolgen ergeben sich aus §§ 92Abs. 1, 708 Nr. 11,711 ZPO.

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