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Liefertermine und Lieferfristen-Klausel in Kaufverträgen über Wohnmobile und Wohnwagen

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, dass eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Händlers unwirksam ist, die vorschreibt, dass Liefertermine und -fristen schriftlich anzugeben sind. Diese Klausel benachteiligt Verbraucher, da sie mündliche Absprachen über Liefertermine unwirksam macht. Dieses Urteil stärkt die Rechten von Verbrauchern und macht klar, dass Schriftformklauseln nicht dazu dienen dürfen, mündliche Absprachen zu unterlaufen.

[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 U 196/22 >>>]

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die beanstandete Klausel „Liefertermine und Lieferfristen, die verbindlich oder unverbindlich vereinbart werden können, sind schriftlich anzugeben“ verstößt gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
  • Die Klausel eröffnet dem Verwender die Möglichkeit, das Verlangen des Käufers auf Einhaltung mündlich vereinbarter Liefertermine zurückzuweisen.
  • Schriftformklauseln sind nicht generell unzulässig, ihre Wirksamkeit hängt von Ausgestaltung und Anwendungsbereich ab.
  • Im konkreten Fall fehlt im Vertragsformular ein besonderer Raum für Individualvereinbarungen über Liefertermine.
  • Das Urteil verdeutlicht, dass Klauseln stets im Kontext des gesamten Vertrags zu bewerten sind.
  • Der Bundesgerichtshof hatte eine ähnliche Klausel bei anderer Vertragsgestaltung (Vorsehen eines Feldes für Lieferzeitpunkt) als wirksam erachtet.
  • Der Kläger erhält die geforderte Unterlassungsanordnung gegen die Klausel und Androhung von Ordnungsmitteln.

Verbraucherrechte: Unwirksame Klausel zu Lieferterminen bei Wohnmobilkauf

Caravan Liefertermin
Unwirksame Klausel: OLG Stuttgart schützt Verbraucher bei Lieferfristen (Symbolfoto: Virrage Images /Shutterstock.com)

Mit dem Erwerb eines Wohnmobils oder Wohnwagens ist häufig der Wunsch nach einem schnellen Liefertermin verbunden. Dabei spielen Fragen rund um Lieferzeiten und Lieferfristen eine wichtige Rolle. Schließlich möchten Käufer ihre neuen Fahrzeuge zeitnah übernehmen können, um endlich ihre geplanten Reisen und Ausflüge unternehmen zu können.

Auf der anderen Seite sind Hersteller und Händler darauf bedacht, die Auslieferung so zu gestalten, dass etwaige Verzögerungen möglichst gering gehalten werden. Deshalb finden sich in den Kaufverträgen über Wohnmobile und Wohnwagen oftmals detaillierte Klauseln zu Lieferterminen und Lieferfristen.

Diese Klauseln können jedoch rechtlich durchaus problematisch sein und im Einzelfall sogar unwirksam sein. Wann dies der Fall ist und welche Rechte Verbraucher in Bezug auf Liefertermine haben, soll im Folgenden anhand eines konkreten Gerichtsurteils näher beleuchtet werden.

Der Fall vor dem Oberlandesgericht Stuttgart im Detail

Unwirksame Klausel zu Lieferterminen bei Wohnmobilkauf

In einem aktuellen Fall vor dem Oberlandesgericht Stuttgart (Az.: 2 U 196/22) ging es um die Wirksamkeit einer Klausel zu Lieferterminen und Lieferfristen in Kaufverträgen über Wohnmobile und Wohnwagen. Geklagt hatte ein Verbraucherverein gegen einen Händler, der in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) folgende Klausel verwendete:

„Liefertermine und Lieferfristen, die verbindlich oder unverbindlich vereinbart werden können, sind schriftlich anzugeben.“

Der Verbraucherverein sah in dieser Klausel einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, da sie den Vorrang individueller Vereinbarungen unterlaufen würde. Nach Ansicht des Vereins erweckte die Klausel den Eindruck, dass mündliche Absprachen über Liefertermine unwirksam seien. Dies würde die Rechte von Verbrauchern unangemessen benachteiligen.

Gericht: Klausel benachteiligt Verbraucher

Das OLG Stuttgart gab dem Verbraucherverein Recht und untersagte dem Händler die Verwendung der Klausel. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Klausel dem Händler die Möglichkeit eröffne, mündlich vereinbarte Liefertermine zu negieren und sich auf die Schriftformklausel zu berufen. Dies stelle eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers dar.

Das Gericht betonte, dass Schriftformklauseln zwar nicht per se unzulässig seien. Ihre Wirksamkeit hänge jedoch von der konkreten Ausgestaltung und dem Anwendungsbereich ab. Im vorliegenden Fall erwecke die Klausel den Eindruck, dass mündliche Absprachen unwirksam seien, obwohl diese grundsätzlich Vorrang vor AGB haben.

Klausel im Kontext des gesamten Vertrags zu bewerten

Ein wichtiger Aspekt der Entscheidung war die konkrete Vertragsgestaltung. Das OLG Stuttgart verwies auf eine ältere Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH), in der eine ähnliche Klausel als zulässig erachtet wurde. In jenem Fall hatte das Vertragsformular jedoch ein Feld vorgesehen, in das der Liefertermin eingetragen werden konnte. Dies signalisierte den Vertragsparteien, dass eine individuelle Vereinbarung über den Liefertermin möglich und erwünscht ist.

Im vorliegenden Fall fehlte ein solches Feld im Vertragsformular. Das Gericht argumentierte, dass der Verbraucher daher nicht davon ausgehen könne, dass die Klausel lediglich der Dokumentation einer ohnehin vorgesehenen Vereinbarung diene.

Verbraucherverband erhält Unterlassungsanspruch

Das OLG Stuttgart verurteilte den Händler dazu, die Verwendung der Klausel zu unterlassen und drohte ihm für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld an. Das Urteil stärkt die Rechte von Verbrauchern und stellt klar, dass Schriftformklauseln nicht dazu dienen dürfen, mündliche Absprachen zu unterlaufen.

✔ FAQ zum Thema: Rechte von Verbrauchern


Was ist eine Lieferfristen-Klausel, und wie wird sie in Kaufverträgen verwendet?

Eine Lieferfristen-Klausel ist eine Vertragsbestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder individuellen Kaufverträgen, die den Zeitraum festlegt, innerhalb dessen der Verkäufer die Ware an den Käufer liefern muss.

Lieferfristen-Klauseln müssen hinreichend bestimmt sein und dürfen den Käufer nicht unangemessen benachteiligen. Unzulässig sind daher Klauseln wie „Lieferfristen sind unverbindlich“ oder Angaben „in der Regel“ oder „voraussichtlich“, da diese dem Verkäufer einen zu großen Spielraum lassen. Zulässig sind hingegen konkrete Zeitspannen wie „Lieferzeit 3-5 Tage“.

Die angegebene Lieferfrist wird Vertragsbestandteil. Überschreitet der Verkäufer die Frist, gerät er automatisch in Verzug. Der Käufer kann dann eine angemessene Nachfrist setzen und nach deren Ablauf vom Vertrag zurücktreten und/oder Schadensersatz verlangen.

Bei Kaufverträgen über Wohnmobile und Wohnwagen mit Lieferfristen von mehr als vier Monaten sind Preisanpassungsklauseln zulässig, die dem Verkäufer eine nachträgliche Preiserhöhung erlauben. Voraussetzung ist, dass Gründe und Umfang der möglichen Preisanpassung im Vertrag konkret bezeichnet sind und der Käufer ab einem bestimmten Erhöhungssatz ein Rücktrittsrecht hat.


Welche rechtlichen Folgen hat die Nichteinhaltung von vereinbarten Lieferfristen?

Eine Lieferfristen-Klausel in einem Kaufvertrag legt fest, innerhalb welchen Zeitraums der Verkäufer die Ware an den Käufer liefern muss. Hält der Verkäufer die vereinbarte Lieferfrist nicht ein, gerät er in Lieferverzug und der Käufer kann bestimmte Rechte geltend machen.

Damit ein Lieferverzug eintritt, muss die Lieferfrist im Vertrag hinreichend bestimmt sein. Unzulässig sind ungenaue Angaben wie „Lieferung voraussichtlich in 3-5 Tagen“. Zulässig sind hingegen konkrete Zeitspannen wie „Lieferzeit 3-5 Tage“. Bei Kaufverträgen im Internet sind Händler sogar verpflichtet, einen fixen Lieferzeitpunkt anzugeben (§ 312d BGB). Dieser wird dann Vertragsbestandteil.

Überschreitet der Verkäufer die vereinbarte Lieferfrist, kommt er automatisch in Verzug, ohne dass es einer zusätzlichen Mahnung durch den Käufer bedarf. Der Käufer kann dann folgende Rechte geltend machen:

Nachfristsetzung und Rücktritt: Der Käufer kann dem Verkäufer eine angemessene Nachfrist zur Lieferung setzen. Liefert der Verkäufer auch innerhalb dieser Frist nicht, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten. Bereits gezahltes Geld erhält er dann zurück.

Schadensersatz: Hat der Käufer durch den Lieferverzug einen Schaden erlitten, kann er vom Verkäufer Schadensersatz verlangen. Dies setzt voraus, dass der Verkäufer den Verzug verschuldet hat, was in der Regel vermutet wird. Ersetzt werden materielle Schäden wie Mietwagenkosten, aber keine immateriellen Nachteile.

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Bei Kaufverträgen über Wohnmobile und Wohnwagen mit Lieferfristen von mehr als vier Monaten sind Preisanpassungsklauseln zulässig. Diese erlauben dem Verkäufer eine nachträgliche Preiserhöhung, wenn sich unvorhersehbare Kostensteigerungen ergeben haben. Voraussetzung ist aber, dass Gründe und Umfang der möglichen Preisanpassung im Vertrag konkret bezeichnet sind und der Käufer ab einem bestimmten Erhöhungssatz ein Rücktrittsrecht hat.


In welchen Fällen können Lieferfristen-Klauseln als unwirksam betrachtet werden?

Lieferfristen-Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Kaufverträgen können in folgenden Fällen als unwirksam betrachtet werden:

1. Unbestimmte oder nicht hinreichend konkrete Lieferfristen: Klauseln, die keine genauen Liefertermine festlegen, sondern dem Verkäufer einen zu großen Spielraum lassen, benachteiligen den Käufer unangemessen und verstoßen gegen § 308 Nr. 1 BGB. Unwirksam sind daher Formulierungen wie:

  • „Lieferfristen sind unverbindlich“
  • „Lieferung erfolgt in der Regel in X Tagen“
  • „Lieferung voraussichtlich in X Tagen“
  • „Lieferzeit auf Anfrage“

Zulässig sind hingegen konkrete Zeitspannen wie „Lieferzeit 3-5 Tage“. Der Käufer muss das Fristende selbst erkennen oder berechnen können.

2. Einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Verkäufers: Klauseln, die es dem Verkäufer erlauben, Liefertermine einseitig zu ändern oder hinauszuschieben, ohne dass der Käufer zustimmen muss, sind unwirksam. Der Käufer darf nicht unangemessen benachteiligt werden.

3. Unangemessene Verlängerung der Lieferfristen: Übermäßig lange Lieferfristen in AGB, die deutlich von der üblichen Lieferzeit abweichen, können den Käufer unangemessen benachteiligen und damit unwirksam sein. Eine moderate Verlängerung kann aber zulässig sein, wenn den Verkäufer kein Verschulden trifft.

4. Ausschluss von Käuferrechten bei Lieferverzug: Klauseln, die gesetzliche Rechte des Käufers bei Lieferverzug ausschließen oder erschweren, wie Rücktritt oder Schadensersatz, sind unwirksam. Der Käufer darf nicht unangemessen benachteiligt werden.

Bei Kaufverträgen über Wohnmobile und Wohnwagen mit Lieferfristen über vier Monate sind Preisanpassungsklauseln zulässig, wenn Gründe und Umfang der möglichen Erhöhung konkret bezeichnet sind und der Käufer ab einem bestimmten Erhöhungssatz zurücktreten kann. Ansonsten sind nachträgliche Preiserhöhungen in AGB unzulässig.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 307 BGB: Dieser Paragraph regelt die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Er ist zentral in diesem Fall, da das Gericht die Schriftformklausel auf ihre Angemessenheit und Vereinbarkeit mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen prüft. Die Klausel wurde als unangemessen benachteiligend eingestuft, weil sie den Eindruck erweckt, dass mündlich vereinbarte Liefertermine unwirksam seien.
  • § 305b BGB: Dieser Paragraph besagt, dass individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben. Im vorliegenden Fall ist er relevant, weil die Wirksamkeit einer mündlich getroffenen Vereinbarung über Liefertermine trotz der Schriftformklausel in den AGB diskutiert wird.
  • § 13 BGB: Definiert den Verbraucher als natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Dies ist wichtig für die Bestimmung des Anwendungsbereichs der verbraucherschutzrechtlichen Normen im vorliegenden Fall.
  • Unterlassungsklagegesetz (UKlaG): Speziell § 1 und § 3 UKlaG sind hier von Bedeutung. Sie ermöglichen es, gegen die Verwendung unzulässiger Klauseln in AGB durch einen Verbraucherverband vorzugehen. Das UKlaG wird aktiviert, weil die Klausel als rechtswidrig eingestuft und der Verbraucherverband als klageberechtigt angesehen wird.
  • Zivilprozessordnung (ZPO): §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO sind relevant für die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zu den Kosten des Verfahrens. Diese Regelungen beeinflussen die unmittelbaren finanziellen und prozeduralen Konsequenzen des Urteils für die beteiligten Parteien.
  • Bundesgerichtshof (BGH) Rechtsprechung: Die Urteile des BGH zur Wirksamkeit von Schriftformklauseln und zum Vorrang mündlicher Individualabreden über AGB bieten wichtige Präzedenzfälle, die zur Beurteilung ähnlicher Klauseln in AGB herangezogen werden. Insbesondere wird auf Urteile verwiesen, die die Grenzen und Möglichkeiten der Schriftformklauseln in Kaufverträgen und anderen AGB-Kontexten klarstellen.

Diese rechtlichen Grundlagen sind entscheidend für das Verständnis der Regelungen rund um AGB, Verbraucherschutz und die Rolle von Verbraucherverbänden in der Durchsetzung von Verbraucherrechten. Sie bilden das Fundament für die Beurteilung der Zulässigkeit spezifischer Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen und ihre Übereinstimmung mit dem deutschen Recht.


➜ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart

OLG Stuttgart – Az.: 2 U 196/22 – Urteil vom 11.04.2024

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 21.10.2022 wie folgt abgeändert:

1. Der Beklagten wird untersagt, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Verbrauchsgüterkaufverträgen über neue Wohnwagen und Wohnmobile zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:

„Liefertermine und Lieferfristen, die verbindlich oder unverbindlich vereinbart werden können, sind schriftlich anzugeben.“

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.

III.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Streitwert in beiden Rechtszügen: 2.500,00 Euro

Gründe

A

Der Kläger, ein eingetragener Verbraucherverein, verlangt von der Beklagten, die Verwendung einer Formularklausel zu unterlassen.

Wegen des Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts verwiesen. Zusammengefasst: Die Beklagte veräußert Reisemobile und verwendet in diesem Zusammenhang die folgende Klausel (Anlage K 2, Bl. 12 unter Ziff. IV.1):

„Liefertermine und Lieferfristen, die verbindlich oder unverbindlich vereinbart werden können, sind schriftlich anzugeben.“

Der Kläger ist der Auffassung, die Klausel verstoße gegen § 307 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB, weil nach dem Wortlaut der Klausel auch nach Vertragsschluss getroffene mündliche Abreden über Liefertermine und Lieferfristen für unwirksam erklärt würden. Damit werde der Vorrang der Individualabrede (§ 305 lit. b BGB) unterlaufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Bundesgerichtshof habe eine entsprechende Klausel für wirksam erachtet. In dem dort entschiedenen Sachverhalt sei auf der Vorderseite des Bestellscheins unmittelbar unter der Unterschrift des Bestellers eine Spalte vorgesehen gewesen, in der Lieferzeit bzw. Liefertermin einzutragen gewesen seien; in zwei dafür vorgesehenen Feldern sei zudem anzukreuzen gewesen, ob die Frist unverbindlich oder verbindlich sein sollte (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1981 – VIII ZR 229/80, juris Rn. 27). Zu der weiteren Frage, ob der von der Beklagten verwendete Bestellschein für die Individualabrede, die die Parteien bei Vertragsschluss über die Lieferzeit treffen, an deutlich sichtbarer Stelle einen besonderen Raum vorsehe, habe der Kläger keinen Vortrag gehalten. Daher könne im Verbandsverfahren nicht zweifelsfrei von einer unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern ausgegangen werden.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Der vorliegende Fall weise die vom Bundesgerichtshof entschiedene Vertragsgestaltung nicht ansatzweise auf. Der einzige Hinweis dort habe im Fließtext gelautet: „Liefertermin vorbehaltlich Pandemieverlauf.“ Bei der Beurteilung der Klausel müsse der gesamte Vertragsinhalt mitberücksichtigt werden.

Der Kläger beantragt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.10.2022 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen – Az.: 4 O 152/22 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert:

I. Der Beklagten wird untersagt, gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Verbrauchsgüterkaufverträgen über neue Wohnwagen und Wohnmobile zu verwenden oder sich auf diese Klausel zu berufen:

Liefertermine und Lieferfristen, die verbindlich oder unverbindlich vereinbart werden können, sind schriftlich anzugeben.

II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu € 250.000,00 (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Die Klausel vermittle dem Kunden nicht den Eindruck, dass die Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses zur Ungültigkeit einer mündlichen Abrede führe. Sie diene nur der Beweisfunktion.

B

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

I.

Der Kläger kann gem. § 1 i.V.m. § 3 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG verlangen, dass die Beklagte es unterlässt, die beanstandete Klausel zu verwenden oder sich auf diese zu berufen. Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, verwendet, kann gemäß § 1 UKlaG auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Aus der – unstreitigen – Verwendung der Klausel in unzulässiger Weise resultiert die tatsächliche Vermutung ihrer zukünftigen Verwendung und ihrer Anwendung bei der Vertragsdurchführung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 2012 – IV ZR 201/10, juris Rn. 72).

II.

Die beanstandete Klausel verstößt gegen § 307 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB. Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind demnach unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

1.

Schriftformklauseln sind jedoch nicht schlechthin unzulässig. Ihre Wirksamkeit hängt vielmehr von der Ausgestaltung und dem Anwendungsbereich der konkreten Klausel ab. Unwirksam ist eine Schriftformklausel, wenn sie dazu dient, insbesondere nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen den allgemeinen Grundsätzen unwirksam (BGH, Urteil vom 15. Februar 1995 – VIII ZR 93/94, juris Rn. 19). Da gemäß § 305b BGB individuelle Abreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben, kann eine Schriftformklausel nämlich dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass die Vertragsparteien deutlich den Willen zum Ausdruck bringen, die mündlich getroffene Abrede solle ungeachtet dieser Klausel gelten (BGH, Urteil vom 15. Februar 1995 – VIII ZR 93/94, juris Rn. 19). Eine Klauselgestaltung, die dem Verwender die Gelegenheit eröffnet, begründete Ansprüche unter Hinweis auf eine in der Sache nicht – stets – zutreffende Darstellung der Rechtslage in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen abzuwehren, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (BGH, Urteil vom 15. Februar 1995 – VIII ZR 93/94, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 27. September 2000 – VIII ZR 155/99, juris Rn. 25).

2.

Für eine der vorliegenden Fallgestaltung entsprechenden Klausel hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass sie zumindest die Möglichkeit nahelegt, ein Käufer werde mit seinem Vorbringen, ihm sei mündlich ein Lieferzeitpunkt zugesagt worden, vom Verwender der Klausel unter Verweisung auf diese Klausel zurückgewiesen, was für sich genommen eine Unterlassungsklage rechtfertigen würde (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1981 – VIII ZR 229/80, juris Rn. 25). Dies überzeugt auch im vorliegenden Fall.

Insbesondere kann nicht der Auffassung der Beklagten gefolgt werden, die Klausel ziehe die Gültigkeit einer mündlichen Absprache nicht in Zweifel, sondern stelle lediglich sicher, dass eine solche aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Streitvermeidung stets schriftlich festgehalten werde. Dass sich die Regelung hierauf beschränken soll, ergibt sich nicht klar aus dem Wortlaut. Aus diesem Grunde kommt es entscheidend darauf an, wie die Klausel aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Wie der Verwender eine Klausel tatsächlich handhabt, ist dagegen für die Auslegung im Verbandsprozess ohne Belang; entscheidend ist vielmehr, wie der Verwender die Klausel nach ihrem objektiven Regelungsgehalt handhaben könnte (BGH, Urteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 289/19, juris Rn. 29). Bezüglich der fraglichen Klausel ist festzustellen, dass diese dem Verwender zumindest die Möglichkeit eröffnet, das Verlangen des Käufers auf Einhaltung eines mündlich vereinbarten Liefertermins zurückzuweisen.

3.

Soweit der Bundesgerichtshof in dem entschiedenen Fall die Klausel für wirksam erachtet hat, lag dies an einer besonderen Vertragsgestaltung, die sich von der vorliegenden unterscheidet: Dort war auf der Vorderseite des Bestellscheins unmittelbar unter der Unterschrift des Bestellers eine Spalte vorgesehen, in der Lieferzeit bzw. Liefertermin einzutragen waren; in zwei dafür vorgesehenen Feldern war zudem anzukreuzen, ob die Frist unverbindlich oder verbindlich sein sollte. Weil das Vertragsformular auf diese Weise für die zu treffende Individualabrede über die Lieferzeit an deutlich sichtbarer Stelle einen besonderen Raum vorsah, erkannte der Bundesgerichtshof in der Allgemeinen Geschäftsbedingung, Liefertermine und Lieferfristen seien schriftlich anzugeben, keine unangemessene Benachteiligung (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1981 – VIII ZR 229/80, juris Rn. 27).

Eine solche Gestaltung liegt in dem der Klage zugrundeliegenden Sachverhalt allerdings nicht vor. Da die beanstandete Klausel im Kontext des gesamten Formularvertrages zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juni 2020 – VIII ZR 289/19, juris Rn. 30), muss bei der vorliegenden Entscheidung das konkrete Vertragswerk berücksichtigt werden: Dieses Vertragsformular sieht – anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – keinen besonderen Raum für eine angeblich zu treffende Individualvereinbarung vor und hält die Vertragsparteien demzufolge auch nicht in besonderer Weise dazu an, über den Liefertermin eine solche Individualabrede zu treffen. Der Verbraucher kann demgemäß keinesfalls davon ausgehen, der Regelungsgehalt der streitgegenständlichen Klausel beschränke sich darauf, eine vorgesehene Vereinbarung des Liefertermins schriftlich niederzulegen.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts führt das Ergebnis, dass eine Klausel bei einer bestimmten, hier nicht gegebenen Vertragsgestaltung zulässig sein kann, auch nicht dazu, dass die Unterlassungsklage abzuweisen wäre. Dies würde die Rechtsschutzmöglichkeiten eines Verbraucherverbandes gegen eine unzulässige Klauselverwendung unterlaufen. Gegenstand des Verfahrens und damit der Untersagung sind vielmehr ausschließlich die von der Beklagten verwendeten Bestimmungen im Kontext ihres konkreten Vertragswerkes. Aus diesem Grunde ist es auch weder geboten noch zulässig, in die Entscheidungsformel aufzunehmen, unter welchen besonderen, hier nicht gegebenen Umständen die Klausel zulässig wäre (BGH, Urteil vom 7. Juni 1982 – VIII ZR 139/81, juris Rn. 44; BGH, Urteil vom 23. März 1988 – VIII ZR 58/87, juris Rn. 31).

C

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Absatz 2 Satz ZPO) liegen nicht vor. In dem Urteil vom 7. Oktober 1981 hat der Bundesgerichtshof klar entschieden, dass eine dem Streitfall entsprechende Klausel nur bei besonderer Vertragsgestaltung zulässig ist, die hier jedoch nicht gegeben ist.

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