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Anschaffungsgeschäft: Rückabwicklung ist kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft

 BUNDESFINANZHOF

Az.: IX R 47/04

Urteil vom 27.06.2006


Leitsätze:

Die Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts wegen irreparabler Vertragsstörungen stellt kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar.


Tatbestand:

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, erwarben durch notariellen Vertrag vom 7. August 1997 von einem Bauträger für einen Festpreis von 230 000 DM eine noch zu errichtende Eigentumswohnung.

Nach Fertigstellung wurde die Wohnung ab März 1998 vermietet. Im Juli 2000 forderten die Kläger den Bauträger unter Fristsetzung auf, die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu ihren Gunsten zu bewirken; eine Erfüllung nach Fristablauf lehnten sie ab. Nach fruchtlosem Fristablauf und der Insolvenz des Bauträgers forderten die Kläger vom Bürgen, der H-Bank, Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises. Daraufhin zahlte die H-Bank an die Kläger 230 000 DM Zug um Zug gegen Herausgabe der Wohnung.

Im Einkommensteuerbescheid 2000 beurteilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) Erwerb und Herausgabe als privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Unter Berücksichtigung der in den Jahren 1998 bis 2000 in Anspruch genommenen Absetzungen für Abnutzung (AfA) ermittelte das FA einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von 20 381 DM.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das Vertragsverhältnis zwischen Bauträger und Kläger sei nicht rückabgewickelt worden, denn die Herausgabe der Wohnung an den Bürgen sei auf Grund einer eigenständigen Absprache erfolgt. Auch bestehe das wirtschaftliche Ergebnis des ursprünglichen Kaufvertrages fort, da die Mieteinnahmen den Klägern verblieben und ihnen keine Aufwendungen erstattet worden seien.

Das FA beantragt, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Rückabwicklung des Grundstückkaufvertrages kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft ist.

1.

Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder ihnen gleichgestellten Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Es handelt sich hierbei um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsguts beginnt und mit dessen Veräußerung endet (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284).

Als Anschaffung und Veräußerung werden im Regelfall der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf eine andere Person aufgefasst (vgl. BFH-Urteile vom 10. September 2003 XI R 26/02, BFHE 203, 448, BStBl II 2004, 218; vom 8. April 2003 IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171, und vom 2. Mai 2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614). Darüber hinaus können aber auch andere marktoffenbare Vorgänge als Veräußerung i.S. von § 23 Abs. 1 EStG zu beurteilen sein, etwa der Tausch eines Fremdwährungsguthabens (BFH-Urteil in BFHE 192, 435, BStBl II 2000, 614) oder das Glattstellungsgeschäft, mit dem ein Optionsberechtigter sich von seiner Option, die er nach den Handelsbedingungen der Börse nicht an Dritte veräußern kann, trennt und dadurch auf dem einzig möglichen Vertragsweg die Werterhöhungen des Wirtschaftsgutes realisiert (BFH-Urteil vom 24. Juni 2003 IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752).

2.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Vorentscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Zwar ist die Annahme des FG, ein Anschaffungsvorgang setze eine zivilrechtlich wirksame Eigentumsübertragung voraus, unzutreffend (so aber noch Urteil des Reichsfinanzhofs vom 1. Februar 1933 VI A 516/32, RStBl 1933, 424; FG Düsseldorf, Urteil vom 7. Mai 1957 II 234/56 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 1957, 364; Riewald, Reichsabgabenordnung und Steueranpassungsgesetz, Teil I, 1941, § 11 StAnpG Anm. 1), da für eine Anschaffung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bereits die Übertragung wirtschaftlichen Eigentums gemäß § 39 der Abgabenordnung (AO 1977) –wie im Streitfall– ausreichend ist (vgl. BFH-Beschluss vom 16. April 1998 X B 207/97, BFH/NV 1998, 1352; BFH-Urteile vom 19. Oktober 1971 VIII R 84/71, BFHE 104, 513, BStBl II 1972, 452, und vom 27. Oktober 1967 VI R 127/66, BFHE 90, 478, BStBl II 1968, 142; Crezelius, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 23 Rdnr. B 69; Jacobs-Soyka in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 23 Rn. 64; Warnke in Lademann, EStG, § 23 EStG Anm. 128).

b) Dessen ungeachtet ist dem FG im Ergebnis zuzustimmen. Eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG liegt nicht vor, wenn sich das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft lediglich in ein Abwicklungsverhältnis verwandelt (Jansen in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 57; Kube in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 23 Rn. 17; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 25. Aufl., § 23 Rz. 49 – ausdrücklich nur zum Rücktritt; P. Fischer, Finanzrundschau –FR– 2000, 393, 394; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Dezember 1993 X R 49/91, BFHE 173, 144, BStBl II 1994, 687, unter 3. b). Denn die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsgutes stellt hierbei keinen gesonderten marktoffenbaren Vorgang, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar (Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 17. November 2005 III ZR 350/04, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 2006, 499, BFH/NV 2006, Beilage 2, 187). Im vorliegenden Fall, auf den das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB a.F.) in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung findet (Art. 229 § 5 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch –EGBGB–), ist es zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. erfüllt sind. Es kann daher dahinstehen, ob die Kläger den Betrag in Höhe von 230 000 DM als Schadensersatz (§ 326 Abs. 1 Satz 2  1. Alternative BGB a.F.) vereinnahmt oder ob sie hiermit lediglich ihre Gegenleistung zurückerhalten (Rücktritt, § 326 Abs. 1 Satz 2  2. Alternative BGB a.F.) haben.

Gegenteiliges folgt weder aus der Herausgabe der Wohnung an die H-Bank als Bürgen, noch aus der Verteilung von Nutzen und Lasten während des zweijährigen Besitzes der Wohnung. Denn zum einen ist die H-Bank bereits mit ihrer Bürgschaftserklärung in das spätere Rückabwicklungsverhältnis einbezogen worden. Zum anderen sind die den Klägern verbliebenen Mieteinnahmen und die von ihnen getragenen Betriebskosten und AfA lediglich Ausdruck der Tatsache, dass das wirtschaftliche Eigentum übergegangen war; sie ändern aber nichts an der Rückabwicklung des irreparabel gestörten Vertragsverhältnisses.

c) Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von dem Urteil des I. Senats vom 21. Oktober 1999 I R 43, 44/98 (BFHE 190, 377, BStBl II 2000, 424) ab. Denn die Beurteilung der Rückübertragung von Gesellschaftsanteilen im Zuge der Rückabwicklung des ursprünglichen Anschaffungsgeschäfts als Veräußerung der Anteile i.S. des § 17 EStG ist Ausdruck eines besonderen normspezifischen Begriffsverständnisses, um den wirtschaftlichen Gehalt des § 17 EStG zur Geltung zu bringen (BFH-Urteil in BFHE 190, 377, BStBl II 2000, 424, unter II. 2. b dd ddd). Auch verwendet das Einkommensteuergesetz den Begriff der Veräußerung an weiteren Stellen, so z.B. in § 2a Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 7, § 4 Abs. 3, §§ 6b, 7b, 13a, 14, 14a, 15a, 16, 17, 18, 20, 21, 23, 34d, 43, 43a EStG, ohne dass er innerhalb des Einkommensteuergesetzes einheitlich ausgelegt würde (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1982 VIII R 54/81, BFHE 137, 456, BStBl II 1983, 315; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz. 97).

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