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Arbeitsplatzangebot bei Arbeitsplatzwegfall – Ablehnung durch Arbeitnehmer


Bundesarbeitsgericht

Az: 2 AZR 222/05

Urteil vom 02.02.2006


In Sachen hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. Februar 2006 für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 1. März 2005 – 11 Sa 665/04 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist ausgesprochenen Kündigung der Beklagten.

Die 1950 geborene, geschiedene Klägerin stand seit 1. Oktober 2002 bei der Beklagten, einem Unternehmen des DB-Konzerns, als „Mitarbeiterin zur beruflichen Neuorientierung“ in einem Arbeitsverhältnis. Sie war zuvor seit 1969 bei der Reichsbahn bzw. bei anderen Unternehmen des DB-Konzerns beschäftigt. Vor Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten hatte sie das damals mit der DB Regio AG bestehende Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag beendet. Aufgabe der Beklagten ist es, Mitarbeiter der ehemaligen Reichs- bzw. Bundesbahn, deren Arbeitsplätze weggefallen sind, auf einen Arbeitsplatz insbesondere im DB-Konzern zu vermitteln und sie hierfür entsprechend vorzubereiten bzw. umzuschulen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer der DB Vermittlung GmbH (TV) in der zur Zeit der Kündigung gültigen Fassung des 1. Änderungstarifvertrags DB Vermittlung vom 10. September 2002 Anwendung.

Nach § 19 Abs. 5 TV ist der Arbeitnehmer verpflichtet, seine Vermittlung auf einen neuen Arbeitsplatz aktiv zu unterstützen und in diesem Rahmen insbesondere eine Reihe von im TV näher konkretisierten Mitwirkungsmaßnahmen zu ergreifen. Nach § 22 Abs. 2 TV ist der Arbeitnehmer verpflichtet, ein zumutbares Angebot zu einer dauerhaften Beschäftigung in einem Unternehmen des DB-Konzerns anzunehmen. Eine Beschäftigung ist nach § 23 Abs. 1 für den Arbeitnehmer zumutbar, wenn er diese nach seiner Befähigung, Ausbildung und Eignung ausführen kann. Grundsätzlich sind dem Arbeitnehmer nach § 23 Abs. 2 TV auch längere Wegezeiten, ein Wohnortwechsel und eine Beschäftigung unterhalb seines bisherigen Qualifikationsniveaus zuzumuten. Die Zumutbarkeit kann auch dadurch hergestellt werden, dass zum Ausgleich von Nachteilen Ausgleichszahlungen erfolgen.

Im Rahmen ihres Arbeitsvertrags absolvierte die Klägerin ein berufsvorbereitendes Praktikum als Sachbearbeiterin bei der DB Service Süd-Ost GmbH in Frankfurt/Main. Am 31. Juli 2003 wurde der Klägerin der Abschluss eines Arbeitsvertrags zum 1. September 2003 bei der Service Süd-Ost GmbH für eine Tätigkeit als Sachbearbeiterin in Frankfurt/Main angeboten. Die Klägerin wurde auf die Möglichkeit einer Beendigungskündigung im Fall der Ablehnung dieses Angebots hingewiesen. Am 25. August 2003 lehnte die Klägerin das Angebot mit der Begründung ab, auf Grund einer fehlenden kaufmännischen Ausbildung sei sie nicht in der Lage, die gestellten Anforderungen zur vollsten Zufriedenheit zu erfüllen. Sie sei auch nicht bereit, ihr Wohneigentum in der Nähe von Halle aufzugeben. Der Betriebsrat wurde gemäß § 27 Abs. 3 TV über die Ablehnung unterrichtet und erhob keine Bedenken gegen die Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzangebots. Daraufhin wurde der Klägerin am 9. September 2003 eine Abmahnung erteilt und unter Androhung einer Kündigung erneut das Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages für die fragliche Tätigkeit in Frankfurt/Main unterbreitet. Die Klägerin lehnte dieses Angebot mit der vorher gegebenen Begründung erneut ab.

Mit Schreiben vom 18. September 2003 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist zum 30. April 2004 an. Der Betriebsrat widersprach der beabsichtigten ordentlichen Kündigung und erhob Bedenken gegen die hilfsweise außerordentliche Kündigung. Mit Schreiben vom 29. September 2003, der Klägerin am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2003 ordentlich, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist zum gleichen Termin.

§ 26 TV enthält zur Kündigung wegen Ablehnung eines Vermittlungsangebots folgende Regelung:

„§ 26

Ablehnung des Angebots

(1) Die Ablehnung der Vermittlung und/oder die Ablehnung der Übernahme einer zumutbaren Tätigkeit für die DB Vermittlung GmbH oder bei einem anderen Unternehmen stellen Gründe zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses dar. § 9 Abs. 2 und entsprechende Bestimmungen der Tarifverträge nach § 29 sowie die Regelungen des § 3 Abs. 1 und 2 KonzernRTV finden in diesen Fällen keine Anwendung.

(2) Hat der Arbeitnehmer die Annahme eines zumutbaren Angebots abgelehnt, weil dieses mit einem Wohnortwechsel verbunden war, sieht die DB Vermittlung GmbH von der nach Abs. 1 zulässigen Kündigung ab und bietet sie innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten dem Arbeitnehmer eine Beschäftigung in einem Unternehmen des DB Konzerns an, besteht kein Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. 6 KonzernZÜTV; insoweit findet § 24 keine Anwendung. Bezüglich der Zumutbarkeit gilt insoweit folgendes:

Die Zumutbarkeit des weiteren Angebots ist in jedem Fall auch dann gegeben, wenn die Minderung bei einem bisherigen Monatstabellenentgelt von

– bis zu 1.570,69 EUR 10 %

– über 1.570,69 EUR bis zu 2.356,03 EUR 15 %

– über 2.356,03 EUR bis zu 3.141,38 EUR 20 % und

– über 3.141,38 EUR 25 %

– nicht überschreitet. …“

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Sie macht geltend, mit der Weigerung, die Stelle in Frankfurt/Main anzunehmen, habe sie nicht gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen. Der notwendige Ortswechsel mache ihr die Annahme des Angebots unzumutbar. Eine doppelte Haushaltsführung durch Anmietung einer Wohnung in Frankfurt/Main sei für sie finanziell nicht tragbar. Auch unter Berücksichtigung des von der Beklagten für acht Monate angebotenen Mietzuschusses reiche das bei einer Tätigkeit in Frankfurt/Main zu zahlende, rund 140,00 Euro höhere monatliche Nettoeinkommen nicht aus, neben ihrem Einfamilienhaus in A eine Zweitwohnung in Frankfurt/Main zu finanzieren. Die Veräußerung ihres Einfamilienhauses sei ihr nicht zumutbar. Ihre beiden erwachsenen Söhne arbeiteten zwar in Frankfurt/Main bzw. in W, sie nutzten jedoch an den Wochenenden unentgeltlich das Haus in A zu Wohnzwecken. Aus § 26 Abs. 2 TV folge im Übrigen, dass bei Ablehnung eines Angebots wegen Ortswechsels eine Kündigung zunächst ausgeschlossen sei und die Beklagte innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten eine andere Beschäftigung anzubieten habe. Erst bei Ablehnung eines zweiten – ihr nicht unterbreiteten – Angebots sei überhaupt eine Kündigungsmöglichkeit eröffnet.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. September 2003, noch durch die hilfsweise außerordentliche Kündigung aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, sie sei auch schon bei erstmaliger Ablehnung eines zumutbaren Angebots – auch wenn dieses einen Ortswechsel beinhalte – zur Kündigung berechtigt. Die Annahme des Arbeitsplatzes in Frankfurt/Main sei der Klägerin zumutbar gewesen. Es habe zu den Hauptpflichten der Klägerin in dem besonderen, auf Vermittlung gerichteten Arbeitsverhältnis gehört, die Vermittlungsbemühungen auf einen geeigneten Arbeitsplatz aktiv zu unterstützen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist unbegründet. Die ordentliche Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die ordentliche Kündigung der Beklagten sei rechtswirksam. Ein in einem früheren Arbeitsverhältnis erreichter tarifvertraglicher Kündigungsschutz stehe einer Kündigung wegen Ablehnung eines Vermittlungsangebots nicht entgegen. Aus § 26 Abs. 2 TV lasse sich auch nicht herleiten, dass eine Kündigung erst nach Ablehnung des zweiten Angebots eines zumutbaren Arbeitsplatzes zulässig sei. Die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG lägen vor. Durch die Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzangebotes habe die Klägerin schuldhaft ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Der angebotene Arbeitsplatz sei in fachlicher Hinsicht zumutbar gewesen. Der Zumutbarkeit habe auch nicht der hiermit verbundene Wohnortwechsel der Klägerin entgegengestanden. Jedenfalls wäre es der Klägerin zumutbar gewesen, nach Frankfurt/Main umzuziehen und ihr Einfamilienhaus bis zum Eintritt in das Rentenalter zu vermieten. Eine Sozialauswahl im Hinblick auf den zu besetzenden Arbeitsplatz in Frankfurt/Main sei nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte habe der Klägerin auch hinreichend deutlich gemacht, dass bei einer weiteren Weigerung, die Stelle in Frankfurt/Main anzutreten, eine Kündigung erfolgen werde. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung lasse sich ein vorrangiges Interesse der Klägerin am Erhalt ihres Arbeitsplatzes nicht begründen. Da die von der Klägerin geltend gemachten Weigerungsgründe auch für weitere Stellenangebote, die mit einem Wohnortwechsel verbunden wären, Gültigkeit behielten, habe die Gefahr bestanden, dass die Beklagte weiterhin die volle Arbeitsvergütung an die Klägerin hätte zahlen müssen, ohne dass dem auf absehbare Zeit ein wirtschaftlicher Gegenwert gegenüber gestanden hätte. Auch die Betriebsratsanhörung sei nicht zu beanstanden.

B. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch weitgehend in der Begründung.

I. Die ordentliche Kündigung der Klägerin war tariflich zulässig.

1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass bei einer Kündigung wegen Ablehnung der Vermittlung bzw. der Übernahme einer zumutbaren Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen nach § 26 Abs. 1 Satz 1 TV, um die es hier allein geht, nach § 26 Abs. 1 Satz 2 TV ein etwa im Wege der Besitzstandswahrung für die Klägerin fortgeltender Sonderkündigungsschutz nicht eingreift. Dies sieht auch die Revision so. Wenn also trotz des Ausscheidens der Klägerin aus der DB Regio AG und der Neueinstellung bei der Beklagten auf Grund besitzstandswahrender Tarifverträge nach § 29 TV grundsätzlich eine ordentliche Unkündbarkeit der Klägerin gegeben sein sollte, ist eine ordentliche Kündigung wegen Ablehnung der Übernahme einer zumutbaren Tätigkeit nach § 26 Abs. 1 Satz 2 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrages jedenfalls ungeachtet dieses Sonderkündigungsschutzes möglich.

2. Im Gegensatz zu der Auffassung der Revision ist dem Landesarbeitsgericht auch darin zu folgen, dass nach § 26 TV eine ordentliche Kündigung grundsätzlich schon dann möglich ist, wenn die Arbeitnehmerin ein zumutbares Beschäftigungsangebot abgelehnt hat. Die Auslegung der tariflichen Regelung ergibt keinen hinreichen den Anhaltspunkt für einen Willen der Tarifvertragsparteien, eine Kündigung erst zuzulassen, nachdem die Beklagte in zeitlichem Abstand erfolglos zwei voneinander verschiedene anderweitige Beschäftigungen angeboten hat.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, über die hier zwischen den Parteien Streit besteht, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 23. Februar 2005 – 4 AZR 172/04 – EzA TVG Luftfahrt § 4 Nr. 12; 14. Januar 2004 – 4 AZR 581/02 – BAGE 109, 153).

b) Schon der Wortlaut des § 26 Abs. 1 TV weist eindeutig darauf hin, dass die Ablehnung, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch also die einmalige Ablehnung der Vermittlung und/oder die Ablehnung der Übernahme einer zumutbaren Tätigkeit für die DB Vermittlung GmbH oder bei einem anderen Unternehmen einen Kündigungsgrund darstellen soll. Eine Einschränkung in der Form, dass erst zwei verschiedene Tätigkeiten angeboten werden müssten, ehe gekündigt werden kann, enthält diese Vorschrift nicht.

c) Die Revision macht auch zu Unrecht geltend, eine solche Einschränkung ergebe sich aus § 26 Abs. 2 TV. Das Landesarbeitsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass gerade § 26 Abs. 2 TV von der Zulässigkeit einer Kündigung bereits nach einmaliger Ablehnung einer zumutbaren anderen Beschäftigungsmöglichkeit ausgeht.

§ 22 Abs. 2 Satz 1 TV enthält nicht etwa die Formulierung, dass die Beklagte nach der (einmaligen) Ablehnung eines zumutbaren Angebots innerhalb von höchstens sechs Monaten eine weitere Beschäftigungsmöglichkeit anbieten muss. Die tarifliche Vorschrift spricht im Gegenteil von einer bei (einmaliger) Ablehnung eines zumutbaren Angebots „nach Abs. 1 zulässigen Kündigung“. Damit setzt auch § 26 Abs. 2 Satz 1 TV selbst bei einem erforderlichen Wohnungswechsel voraus, dass grundsätzlich schon bei einmaliger Ablehnung eines zumutbaren Angebots nach § 26 Abs. 1 eine Kündigung zulässig ist. Allerdings wird bei einem vorgesehenen Arbeitgeberwechsel, wenn der Arbeitnehmer das Angebot ablehnt, zusammen mit dem Betriebsrat und ggf. einer tariflich vorgesehenen Clearingstelle verstärkt geprüft, ob das erste Angebot aufrechterhalten werden kann oder ein zweites Angebot erforderlich ist (§ 27 TV). Sinn und Zweck der Regelung in § 26 Abs. 2 TV ist es nur – worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend hinweist – in dem Fall, dass die Beklagte bei einem erforderlichem Wohnungswechsel nach der ersten Ablehnung von einer sofortigen Kündigung absieht, dann für das zweite Angebot die Zumutbarkeitskriterien herabzusetzen. Diese Regelung hindert die Beklagte nicht, je nach den Umständen auch schon nach der ersten Ablehnung einer zumutbaren anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit ihr Kündigungsrecht nach § 26 Abs. 1 TV auszuüben, wenn das Verfahren nach § 27 TV durchgeführt ist. Aus § 26 TV lässt sich lediglich herleiten, dass ein erforderlicher Wohnungswechsel bei der Interessenabwägung mit erheblichem Gewicht zu Gunsten des/der Betroffenen zu berücksichtigen ist und die Beklagte in diesen Fällen nach dem ultima-ratio-Prinzip zu prüfen hat, ob nach der ersten Ablehnung anstatt einer sofortigen Kündigung ein zweites Angebot innerhalb von sechs Monaten mit entsprechend herabgesetzter Zumutbarkeitsgrenze zu erfolgen hat.

d) Auch der Hinweis der Revision auf den Gesamtzusammenhang des Tarifvertrags führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Mit dem Landesarbeitsgericht ist dabei davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Beklagten allein darauf angelegt ist, Arbeitnehmer, für die auf Grund der Umstrukturierungen im DB-Konzern betriebsbedingt keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr zur Verfügung steht, auf einen neuen Dauerarbeitsplatz möglichst im Bereich des DB-Konzerns zu vermitteln (§ 19 Abs. 1 TV). Deshalb hat der Arbeitnehmer beim Vorliegen betrieblicher Erfordernisse jede ihm übertragene Tätigkeit in Unternehmen des DB-Konzerns auszuüben, die ihm nach seiner Befähigung, Ausbildung, Eignung und seinen sozialen Verhältnissen zugemutet werden kann (§ 19 Abs. 2 TV). Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Vermittlung auf einen neuen Arbeitsplatz aktiv zu unterstützen (§ 19 Abs. 5 TV). Er ist ebenfalls verpflichtet, ein zumutbares Angebot einer solchen Beschäftigung in einem Unternehmen des DB-Konzerns anzunehmen (§ 22 Abs. 2 TV). Die Zumutbarkeit ist dabei im Einzelnen tariflich geregelt, wobei die finanziellen Aufwendungen im Zusammenhang mit einem erforderlichen Wohnungswechsel teilweise ausgeglichen werden (§§ 20 ff. TV). Diese Regelung ist insgesamt darauf zugeschnitten, für die betroffenen Arbeitnehmer einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und ihr möglichst zeitnahes Überwechseln in die andere Beschäftigung zu erleichtern. Anhaltspunkte für eine Wertung der Tarifvertragsparteien, bei erforderlichem Wohnungswechsel müsse die erste Ablehnung einer zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeit stets sanktionslos bleiben und erst die zweite Ablehnung könne kündigungsrelevant werden, sind auch bei einer Gesamtbetrachtung der tariflichen Regelung nicht erkennbar.

II. Zu Unrecht macht die Revision geltend, die Beklagte habe bereits durch den Ausspruch einer Abmahnung auf ihr Kündigungsrecht verzichtet.

1. Zwar verzichtet der Arbeitgeber konkludent auf sein Kündigungsrecht, wenn er wegen eines abgeschlossenen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers lediglich eine Abmahnung ausspricht und ausdrücklich erklärt, bei künftigen gleichartigen Vertragsverletzungen sei der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet. Damit bringt er gleichzeitig zum Ausdruck, wegen des gerügten Fehlverhaltens werde noch keine Kündigung erfolgen. Der Arbeitgeber kann deshalb eine spätere Kündigung nicht allein auf die abgemahnten Gründe stützen, sondern hierauf nur unterstützend zurückgreifen, wenn weitere kündigungsrechtlich erhebliche Umstände eintreten oder ihm nachträglich bekannt werden (BAG 10. November 1988 – 2 AZR 215/88 – AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 3 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 18). Ein Verzicht kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn die Vertragsrüge deutlich und unzweifelhaft zu erkennen gibt, dass der Arbeitgeber den vertraglichen Pflichtverstoß hiermit als ausreichend sanktioniert und die Sache als „erledigt“ ansieht. Ein Verzicht auf ein Kündigungsrecht muss eindeutig sein, nur dann ist auch ein entsprechendes Vertrauen des Arbeitnehmers gerechtfertigt (BAG 6. März 2003 – 2 AZR 128/02 – AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 30 = EzA BGB 2000 § 626 Nr. 3).

2. Es ist danach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht in der durch die Beklagte ausgesprochenen Abmahnung keinen Verzicht auf das Kündigungsrecht gesehen hat. Entscheidend ist, dass es sich bei dem Fehlverhalten der Klägerin nicht um einen abgeschlossenen Vorgang gehandelt hat. Die Pflicht der Klägerin, einen zumutbaren Arbeitsplatz anzunehmen (§ 22 Abs. 2 TV), bestand auch nach ihrer ersten Weigerung fort und bezog sich nach wie vor auf den Arbeitsplatz in Frankfurt/Main. Die ohnehin revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbare Auslegung des Abmahnungsschreibens durch das Landesarbeitsgericht trifft zu. Durch den Ausspruch der Abmahnung hat die Beklagte die Klägerin nur auf die aus ihrer Sicht bestehende Pflicht hingewiesen, den Arbeitsplatz in Frankfurt/Main anzunehmen und ihr für den Fall der fortgesetzten Ablehnung dieses Arbeitsangebots die Kündigung angedroht. Die Klägerin konnte nach Treu und Glauben aus dieser Abmahnung nicht herleiten, die Beklagte wolle auf ein Kündigungsrecht auch für den Fall verzichten, dass die Klägerin bei ihrer Weigerung blieb, die Arbeit in Frankfurt/Main anzutreten.

III. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass die Kündigung nicht nach § 1 KSchG wegen Sozialwidrigkeit rechtsunwirksam ist.

1. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. etwa BAG 21. Mai 1992 – 2 AZR 10/92 – BAGE 70, 262).

2. Diesem Überprüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand.

a) Für eine verhaltensbedingte Kündigung genügen solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Umstände, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Als verhaltensbedingter Grund ist insbesondere eine rechts- bzw. vertragswidrige Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis geeignet, wobei regelmäßig Verschulden erforderlich ist; die Leistungsstörung muss dem Arbeitnehmer vorwerfbar sein. Insofern genügt ein Umstand, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG 11. Dezember 2003 – 2 AZR 667/02 – BAGE 109, 87).

b) Das Landesarbeitsgericht sieht in der von der Klägerin nachhaltig erklärten Ablehnung des ihr in Frankfurt/Main angebotenen Arbeitsplatzes eine schuldhafte Pflichtverletzung ihres Arbeitsvertrags mit Auswirkungen auf die zukünftige Vertragsgestaltung. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Nach dem Arbeitsvertrag und dem einschlägigen Tarifvertrag war die Klägerin verpflichtet, ein zumutbares Beschäftigungsangebot in einem Unternehmen des DB-Konzerns anzunehmen. Diese Verhaltenspflicht ersetzte in dem besonderen, mit der Beklagten als Vermittlungsgesellschaft begründeten Arbeitsverhältnis die ursprüngliche Arbeitspflicht der Klägerin, die wegen des betriebsbedingten Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeiten an ihrem früheren Arbeitsplatz nicht mehr realisiert werden konnte. Auf das Kündigungsrecht der Beklagten bei Ablehnung eines Arbeitsplatzangebots und mangelnder Mobilität war die Klägerin bei Abschluss des Arbeitsvertrags ausdrücklich hingewiesen worden. Es musste ihr, da der Arbeitsvertrag ausdrücklich auf eine berufliche Neuorientierung mit dem Ziel einer Vermittlung auf einen anderen Arbeitsplatz zielte, klar sein, dass sie mit der Ablehnung eines zumutbaren Beschäftigungsangebots möglicherweise riskierte, dass ihr die Beklagte kündigte.

bb) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass der angebotene Arbeitsplatz in Frankfurt/Main der Klägerin zumutbar war. Die Zumutbarkeit in fachlicher Hinsicht hat das Landesarbeitsgericht zutreffend daraus hergeleitet, dass die Klägerin schon im Rahmen ihres Praktikums mehrere Monate auf dem ihr nunmehr dauerhaft angebotenen Arbeitsplatz tätig war. Auch der erforderliche Wohnortwechsel steht der Zumutbarkeit nicht entgegen. Nach § 23 Abs. 2 TV ist dem Arbeitnehmer grundsätzlich ein Wohnortwechsel zuzumuten. Nach § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrags wäre selbst eine Vermittlung in eine Tätigkeit an wechselnden Arbeitsorten zulässig gewesen. Auch auf Grund des Vertrags über die Durchführung des berufsvorbereitenden Praktikums, der ausdrücklich eine Einstellung im Praktikumsbetrieb bei erfolgreicher Absolvierung des Praktikums vorsieht, musste die Klägerin damit rechnen, dass die Beklagte ihr die Tätigkeit in Frankfurt/Main zuwies und sie nicht anstatt dessen in der Form eines weiteren Praktikums auf eine andere Tätigkeit, möglicherweise bei einem anderen Unternehmen des DB-Konzerns vorbereitete, um sie später in diese Tätigkeit zu vermitteln.

cc) Angesichts der Ausgleichsmaßnahmen, die der Tarifvertrag bei einem erforderlichen Wohnungswechsel vorsieht, ist es nicht als rechtsfehlerhaft anzusehen, dass das Landesarbeitsgericht den der Klägerin zugemuteten Wohnungswechsel auch angesichts ihrer sozialen Umstände als zumutbar angesehen und dabei die durch eine Tätigkeit in Frankfurt/Main für die Klägerin erzielbare Gehaltserhöhung berücksichtigt hat. Es hält sich im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz, wenn das Landesarbeitsgericht die von der Klägerin geltend gemachten persönlichen Umstände, insbesondere ihren Hausbesitz, unter den gegebenen Umständen nicht als ausreichend angesehen hat, die Zumutbarkeit des Antritts der Beschäftigung in Frankfurt/Main zu verneinen.

dd) Auch der nach § 27 TV bei Ablehnung eines Arbeitsplatzangebots eingeschaltete Betriebsrat hat gegen die Aufrechterhaltung des Angebots keine Bedenken erhoben und geht deshalb offensichtlich von dessen Zumutbarkeit aus. Rügen hinsichtlich des Verfahrens nach § 27 TV hat die Klägerin auch nicht mehr vorgebracht.

ee) Die Zumutbarkeit ist auch gegeben, wenn man berücksichtigt, dass nach § 26 Abs. 2 TV der Arbeitgeber stets zu prüfen hat, ob er bei einem erforderlichen Wohnungswechsel die erste Ablehnung einer neuen Beschäftigung durch die Arbeitnehmerin hinnimmt und erst nach der zweiten Ablehnung kündigt. Das Landesarbeitsgericht stellt insoweit zutreffend darauf ab, dass sich die ablehnende Haltung der Klägerin gegen den Wohnungswechsel an sich und nicht nur gegen eine Beschäftigung in Frankfurt/Main richtete. Wenn die Klägerin nach ihrem Gesamtverhalten nicht umzugsbereit war, so war im Zeitpunkt der Kündigung absehbar, dass ein weiteres Arbeitsplatzangebot, das ebenfalls mit einem Wohnungswechsel verbunden war, ggf. nach entsprechend kostenintensiver Schulung in einem weiteren Tätigkeitsbereich, lediglich geeignet sein würde, das Verfahren zu verzögern, ohne eine erfolgreiche Vermittlung der Klägerin in eine neue Tätigkeit zu bewirken. Auf einen Arbeitsplatz an ihrem Wohnort oder in dessen Einzugsbereich hatte die Klägerin aber nach dem Arbeitsvertrag und dem Tarifvertrag keinen Anspruch. Auf das Vorbringen der Beklagten, dass insoweit freie geeignete Arbeitsplätze nicht vorhanden waren und auch absehbar nicht frei würden, kommt es damit nicht mehr an.

ff) Gegen ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Annahme eines zumutbaren Arbeitsplatzes und damit gegen eine der wesentlichen Pflichten aus dem auf Vermittlung zielenden Arbeitsvertrag hat die Klägerin in erheblicher Weise verstoßen. Sie war auch durch den entsprechenden Hinweis im Arbeitsvertrag auf die einschlägige Tarifregelung und durch die spätere Abmahnung der Beklagten hinreichend informiert, dass bei einer Fortsetzung ihrer ablehnenden Haltung eine Kündigung erfolgen würde.

c) Es trifft nicht zu, dass die Beklagte – wie die Klägerin in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht hat – verpflichtet gewesen wäre, in der Form einer „Sozialauswahl“ die in Frage kommenden Arbeitsplätze je nach der Nähe zum bisherigen Wohnsitz der Betroffenen zuzuteilen. Eine solche Verpflichtung sieht der Tarifvertrag nicht vor. Auch aus anderen Rechtsvorschriften ergibt sich eine derartige Verpflichtung der Beklagten nicht. Sie würde darüber hinaus im Zweifel zu kaum mehr steuerbaren Schwierigkeiten bei der Vermittlung der zur Beklagten gewechselten Arbeitnehmer führen und tatsächlich geeignet sein, die Vermittlung in unzumutbarer Weise zu verzögern.

d) Auch die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat dabei durchaus die lange Betriebszugehörigkeit der Klägerin im DB-Konzern bzw. bei der Deutschen Reichsbahn und das angesichts ihres Alters beachtliche Interesse der Klägerin an der Beibehaltung ihres Hauptwohnsitzes in A berücksichtigt. Wenn es trotzdem das Interesse der Beklagten, sich von der Klägerin zu trennen, hat überwiegen lassen, so beruht dies vor allem auf der Berücksichtigung der speziellen Natur des von der Klägerin eingegangenen Arbeitsverhältnisses. Wenn die Gründe, die die Klägerin zur Ablehnung des Arbeitsangebots in Frankfurt/Main bewogen haben, nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ihre Gültigkeit auch für weitere Stellenangebote behielten, die mit einem Wohnortwechsel verbunden gewesen wären, so war der „Vermittlungszweck“ des bestehenden Arbeitsverhältnisses nachhaltig gefährdet. Deshalb ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Chancen der Beklagten, für die Klägerin einen auf ihre persönlichen Wohnortwünsche zugeschnittenen Arbeitsplatz im Laufe der nächsten Zeit zu finden, seien im Kündigungszeitpunkt als äußerst gering einzuschätzen gewesen. Nach der Prognose des Landesarbeitsgerichts war deshalb absehbar, die Beklagte würde ohne Ausspruch einer Kündigung weiterhin die volle Arbeitsvergütung an die Klägerin zahlen müssen, ohne hierfür auf absehbare Zeit einen wirtschaftlichen Gegenwert zu erhalten. Diese Bewertung der beiderseitigen Interessen lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

IV. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert auch nicht an § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Ohne erkennbaren Rechtsfehler geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass der Betriebsrat zur Kündigung ordnungsgemäß angehört worden ist. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.

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