AG Köln, Az.: 142 C 545/15, Urteil vom 20.06.2016
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.145,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung der für einen Ballonflug gezahlten Vergütung in Anspruch.
Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Ballonfahrten anbietet. Die Klägerin wollte mit fünf anderen Teilnehmern eine derartige Ballonfahrt unternehmen. Am 10.07.2014 kaufte die Klägerin insgesamt sechs Tickets für eine Gruppenballonfahrt Tarif „Gruppe Spezial“ zu einem Gesamtpreis in Höhe von 1.145,00 Euro bei der Beklagten. Vereinbart war die Durchführung einer Ballonfahrt sowohl im Kölner Raum als auch im Raum Frankfurt. Ein fester Termin der Ballonfahrt wurde zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgelegt.
In dem Ticket heißt es unter Hinweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, dass das Ticket ein Jahr ab Ausstellungsdatum gültig ist; und weiter:
„Sollte innerhalb dieser Frist ein vom Kunden vereinbarter Termin aufgrund der Wetterbedingungen abgesagt werden, verlängert sich das Ticket um ein Jahr“.
In dem Allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es in § 3 Abs. 5:
„Das Ticket ist ein Jahr ab Ausstellungsdatum gültig. Sollte innerhalb dieser Frist ein vereinbarter Termin aufgrund der Wetterbedingungen abgesagt werden müssen, verlängert sich das Ticket automatisch um ein weiteres Jahr. Die Beweislast liegt beim Kunden. Ausdrücklich erklären wir, dass Ballonfahrten wetterabhängig sind und wetterbedingte Absagen leider üblich.“
Wegen der weiteren Einzelheiten der AGB wird auf Bl. 58 d.A. Bezug genommen.
Die Parteien vereinbarten einen Termin für die Ballonfahrt, der am 02.08.2014 im Raum Frankfurt stattfinden sollte. Dieser Termin wurde wetterbedingt abgesagt. Auch ein weiterer Termin für die Ballonfahrt für den 11.10.2014 im Raum Köln wurde von der Beklagten wetterbedingt abgesagt. Die Parteien vereinbarten am 23.03.2015 einen neuen Termin für die Ballonfahrt für Samstag den 11.07.2015 um 13:00 Uhr. An diesem Tag fuhr die Klägerin in die Büroräume der Beklagten in Köln, um sich bei dem Geschäftsführer der Beklagten zu beschweren. Dieser händigte der Beklagten den Ballonwetterbericht (vgl. Bl. 50 d. A.) aus. Auch dieser Termin wurde wetterbedingt abgesagt. Anschließend wurden seitens der Beklagten keine neuen Termine mehr für etwaige Ballonfahrten angeboten. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 13.07.2015 den Rücktritt vom Vertrag (Bl. 14 d. A.). Mit Schreiben vom 03.09.2015 (Bl. 16 ff. d. A.) kündigte die Klägerin den Vertrag gegenüber der Beklagten fristlos und forderte sie zur Rückzahlung von 1.145,00 Euro auf.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.145,00 Euro gegen die Beklagte zu, da sie den Vertrag wirksam fristlos gekündigt habe. Zudem sei sie durch die Klausel § 3 Ziffer der AGB unangemessen benachteiligt.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.145,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.09.2015 Zug um Zug gegen Herausgabe der 6 Ballonfahrten-Tickets mit den Nummern: 34720, 34721, 34722, 34723, 34724 und 34725 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 207,71 Euro außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Es wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist überwiegend begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung ein Anspruch auf Zahlung von 1.145,00 Euro aus § 812 Abs. 1 Satz 2 1. Alt BGB zu.
I.
Die Beklagte ist in Höhe des von der Klägerin für eine Ballonfahrt gezahlten Ticketpreises von 1.145,00 Euro ungerechtfertigt bereichert. Der Rechtsgrund für das Einbehalten des Geldes ist am 10.07.2015 entfallen. Zu diesem Zeitpunkt endete der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag, da die von der Beklagten auf dem Ticket und in § 3 Ziffer 5 der AGB verwandte Vertragsverlängerungsklausel unwirksam ist. Sie benachteiligt den Kunden der Beklagten gemäß § 307 Abs. 2 BGB in unangemessener Art und Weise.
Klauseln, die eine Verlängerungsfrist von bis zu einem Jahr vorsehen, sind nicht von vornherein zulässig, weil sie nicht § 309 Nr. 9 lit. b BGB unterfallen, der eine Verlängerung der Laufzeit von mehr als einem Jahr untersagt, sondern sie unterliegen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Es ist maßgeblich, ob nach den Umständen des Einzelfalls der in Rede stehende Verlängerungszeitraum eine angemessene Regelung darstellt. Ob dies der Fall ist, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der schützenswerten Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen. Bei dieser Abwägung ist der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen. Notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten und der Vergleich mit den Vorschriften, die nach dem dispositiven Recht gelten würden. Unangemessenheit liegt vor, wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass der Verwender der AGB durch einseitige Vertragsgestaltung versucht eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen, ohne dabei die Interessen des anderen zu berücksichtigen.
Ausgehend hiervon ist zum Vertragsinhalt zunächst festzustellen, dass es sich bei der Vereinbarung der Parteien um einen Beförderungsvertrag mit werkvertraglichen Elementen handelt – Transport mit dem Ballon als Erfolg geschuldet – , der zudem Dauerschuldcharakter hat, so dass insbesondere die dispositiven Normen der §§ 620 ff BGB über die Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, die Dienstleistungen zum Gegenstand haben, bei der Abwägung zu beachten sind.
Der Dauerschuldcharakter scheitert bei der hier vorliegenden Buchung einer Ballonfahrt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht daran, dass der Kunde Termine zur Durchführung der Fahrt vereinbart.
Unter einem Dauerschuldverhältnis ist zwar grundsätzlich ein Schuldverhältnis zu verstehen, das sich nicht in einmaligen Erfüllungshandlungen erschöpft, sondern eine Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen begründet, wodurch während der Laufzeit des Dauerschuldverhältnisses ständig neue Erfüllungs-, Neben- und Schutzpflichten entstehen. Allerdings kann durch besondere vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall auch bei einer einmalig geschuldeten Leistung ein Dauerschuldverhältnis vorliegen. Dem zeitlichen Charakter der Schuld ist insoweit eine essentielle Bedeutung beizumessen. Der Gesamtumfang der zu erbringenden Leistung ist dann abhängig von der Zeitdauer des Schuldverhältnisses und der Umfang der vertragstypischen Pflichten ist erst mit Hilfe der Zeit quantifizierbar. Aufgrund dieser ständigen Pflichtenaktualisierung ist auch in solchen Fällen ein Dauerschuldverhältnis anzunehmen.
Ausgehend hiervon liegen bei der Vereinbarung der Ballonfahrt im vorliegenden Fall die Voraussetzungen eines Dauerschuldverhältnisses vor.
Im Vordergrund dieser Vereinbarung steht nicht die lediglich einmalig geschuldete Erfüllungsleistung, die Fahrt, sondern das Zeitmoment. Zwar haben die Parteien vereinbart, dass lediglich die einmalige Durchführung einer Ballonfahrt im Raum Köln oder Frankfurt geschuldet ist. Allerdings ist darüber hinaus eine vertragliche Laufzeit von einem Jahr in § 3 Ziffer 5 der AGB geregelt. Ausbedungen ist dort zudem, dass die Beklagte aufgrund von schlechten Wetterbedingungen den vereinbarten Termin für eine Ballonfahrt absagen kann, wodurch sich die Vertragslaufzeit um ein weiteres Jahr verlängert. Dem Zeitmoment kommt hier eine wesentliche Bedeutung zu. Denn es steht nicht von vorneherein fest, wann die Ballonfahrt durchgeführt wird und die Leistung erbracht wird. Diese Konstellation ist vergleichbar mit einem sogenannten Kauf auf Abruf. Der Schuldner muss ständig in der Lage sein, die Leistung zu erbringen. Eine einzige Absage genügt um die Schuld der Erbringung der Ballonfahrt zu aktualisieren und den Zeitraum, in dem die Leistung erbracht werden kann, zu verlängern. Dadurch entsteht ein dauerhaftes gegenseitiges Schuldverhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin.
Sind damit die Vorschriften der §§ 620 ff BGB als Maßstab bei der Beurteilung der Angemessenheit zu beachten. Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus der Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien, dass die Bestimmung § 3 Ziffer AGB die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen i.S.v § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligt. Nach § 621 Nr. 5 BGB ist bei Verträgen, bei denen die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen ist, jederzeit eine Kündigung möglich. Mit der vorliegenden Klausel wird der Kunde für ein Jahr an dem Vertrag gebunden, ohne eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit zu besitzen. Diese Regelung dient dazu, die Unsicherheiten auszugleichen, die sich aus den Schwierigkeiten der Vertragsdurchführung wegen der Wetterabhängigkeit der Ballonfahrt ergeben. Indes geht die Klausel darüber hinaus, indem bereits eine wetterbedingte Absage zu der Verlängerung des Vertrages ipso iure für ein weiteres Jahr führt. Dies gilt selbst dann, wenn die ursprüngliche Vertragslaufzeit von einem Jahr noch nicht beendet ist. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass bei mehreren wetterbedingten Absagen innerhalb der ersten Laufzeit bereits mehrjährige Vertragsverlängerungen zustande kommen, ohne dass die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung besteht. Diese Rechtsfolge ist auch unter Berücksichtigung des Interesses der Beklagten an Planungssicherheit nicht mehr angemessen. Zutreffend ist, dass die Beklagte ein Interesse daran hat, dass der Vertrag nicht bereits durch eine wetterbedingte Absage beendet wird. Denn in der Branche ist es üblich und auch aufgrund der tatsächlichen Begebenheiten unabdingbar, dass Ballonfahrten aufgrund von Wetterverhältnissen und Witterungsbedingungen zur Sicherheit der Teilnehmer häufiger abgesagt werden müssen. Auch wenn die Wetterabhängigkeit überwiegend das Betriebsrisiko der Beklagten darstellt, da sie diese Leistungen anbietet, ist es doch gerechtfertigt, ein Teil des Risikos auf den Kunden zu verlagern. Indes bietet bereits die einjährige Laufzeit Schutz dagegen, dass der Vertrag bereits bei einer Absage beendet wird und sich die Aufwendungen der Beklagten nicht amortisieren können. Demgegenüber hat der Kunde ein schützenswertes Interesse daran, dass der mit der Beklagten geschlossene Beförderungsvertrag in einem angemessenen Zeitraum durchgeführt bzw. abgewickelt wird. Dabei ist auch die Motivation eine solche Ballonfahrt zu buchen zu berücksichtigen die Buchung steht oft im Zusammenhang mit bestimmten zeitgebundenen Ereignissen wie familiären Feiern oder geschäftlichen Events, so dass für die Beklagte auch erkennbar ein Interesse der Kunden an einer zeitnahen Umsetzung besteht. Dieses Interesse besteht auch in Hinblick auf die nicht unerhebliche finanzielle Vorleistung seitens des Kunden. Dieses Interesse wird aber nicht ausreichend beachtet, wenn schon mehrere wetterbedingte Terminabsagen zu einer Vervielfachung der einjährigen Laufzeit führen, ohne dass der Kunde sich ordentlich aus dem Vertrag lösen könnte. Die Möglichkeit der Vertragsverlängerung entgegenzutreten, wenn nachgewiesen wird, dass die Terminsabsage der Beklagten nicht auf der Wetterlage beruht, stellt keinen Ausgleich für den faktischen Ausschluss des ordentlichen jederzeitigen Kündigungsrechtes nach § 621 Nr. 5 BGB dar. Dies schon deshalb, weil die Beklagte in § 3 Ziffer 5 AGB entgegen § 309 Nr.12 lit. a BGB dem Kunden die Beweislast auferlegt, dass die Terminsabsage auf Wettergründen beruht, obwohl die Prüfung der Wetterbedingungen gerade in den Verantwortungsbereich der Beklagten gehört. Damit wird dem Kunden zusätzlich zu dem faktischen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechtes auch noch die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten erschwert.
Nach dieser Abwägung erweist sich die Verlängerungsklausel als unwirksam mit der Folge, dass der vorliegende Vertrag nur eine Laufzeit von einem Jahr hatte, die am 10.07.2015 endete.
Die Parteien haben sich vorliegend auch nicht individualvertragliche auf eine Verlängerung des Vertrages nach Beendigung des Vertrages zum 10.07.2015 dadurch geeinigt, dass sie im März 2015 für den 11.07.2015 einen Termin für eine Ballonfahrt vereinbarten. Ein Rechtsbindungswille für eine Verlängerung des Vertrage ist hier auf beiden Seiten nicht erkennbar. Denn es handelte sich um eine noch während der Laufzeit des Vertrages getroffene Terminabsprache, bei der sich die Parteien keine Gedanken darüber machten, ob der Vertrag am 11.07.2015 überhaupt noch Bestand hat.
Aber selbst wenn man eine automatische Beendigung zum 10.07.2015 nicht annehmen wollte, wäre der Vertrag jedenfalls durch die Kündigung vom 03.09.2015 beendet worden, da der Klägerin wegen des unwirksamen Kündigungsausschlusses in den AGB wieder das Recht zur ordentliche Kündigung nach § 621 Nr. 5 BGB zustand.
II.
Der Zinsanspruch rechtfertigt sich vorliegend aus §§ 286, 288 BGB aus dem Gesichtspunkt des Verzuges auf Grundlage der Fristsetzung in dem Anwaltsschreiben vom 03.09.2015 bis zum 14.09.2015.
Ein Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 207,71 EUR aus § 286 BGB besteht nicht, da die Beauftragung des Anwalts vor Verzug erfolgte und nicht Folge des Verzuges ist.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 1145,00 Euro