LG Bad Kreuznach – Az.: 3 O 155/13 – Urteil vom 13.06.2014
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Unfallversicherungsvertrag geltend.
Zwischen den Parteien bestand unter der Versicherungsscheinnummer UP-SV … eine Unfallversicherung. Auf Anlagen K1 bis K3 wird Bezug genommen.
Am 27.09.2010 fiel der Kläger während Gartenarbeiten auf seinem Anwesen in L. von einem Leitergerüst aus ca. 2,50m Höhe. Eine der grundsätzlich massiven Holzdielen des Gerüsts brach durch, der Kläger verlor aus diesem Grund das Gleichgewicht.
Am 28.09.2010 stellte sich der Kläger wegen anhaltender Schmerzen aufgrund des Falles bei seiner Hausarztpraxis, der Gemeinschaftspraxis S., P. und Dr. K. in L. vor. Zu diesem Zeitpunkt verspürte er Beschwerden im Bereich des rechten Brustkorbs, weshalb er mit Überweisungsschein vom selben Tage an die Chirurgie überwiesen wurde. Auf dem Überweisungsschein ist vermerkt „Rippenfraktur, re., V.a.“ auf die Anlage K16 wird Bezug genommen.
Der Kläger meldete der Beklagten den Unfall mit Schadensanzeige vom 30.09.2010, auf die Anlage K4 einerseits und die Anlage BLD1 (Bl. 45 und 46 d.A.) wird hingewiesen.
Das Hinweisblatt „Wichtige Fristhinweise“ (Anlage BLD2) erhielt der Kläger. Ferner wies die Beklagte mit Schreiben vom 08.10.2010 (Anlage BLD3) auf die Invaliditätsfristen hin.
Mit ärztlichem Attest vom 04.10.2010 des Facharztes für Chirurgie, Dr. H. aus B. K., wurden sodann Prellungen des Thorax sowie eine Rippenfraktur diagnostiziert. Auf Anlage K5 wird hingewiesen.
Mit erneutem Attest des Dr. H. vom 17.01.2011 findet sich unter Befund u.a. folgender Hinweis:
„Bewegung der Schulter schmerzhaft eingeschränkt“. Auf Anlage K6 wird Bezug genommen.
Im Bericht der radiologischen Gemeinschaftspraxis in B. vom 04.02.2011 findet sich bei der Beurteilung folgender Vermerk:
„Kombinierter relativer spinaler Engpass des Segment LWK 3/4 und 4/5. Enge Neuroforamina beidseits im Segment LWK 4/5.“ Auf Blatt 72 d.A. wird Bezug genommen.
Alsdann stellte sich der Kläger auch bei der radiologischen Gemeinschaftspraxis des St. M. vor; ein MRT wurde angeordnet. In dem Attest vom 01.03.2011 (Anlage K7) ist unter „klinischen Angaben“ vermerkt:
„Z.n. Schultertrauma, therapieresistente Schulterschmerzen rechts, V.a. Rotatorenmanschettenruptur“.
Bei der Beurteilung ist zu lesen, dass ein posttraumatisches Schultersyndrom mit signalreicher Schwellung der Kapsel und der synovialen Membran, besonders im Bereich des Recessus axillaris vorliegt. Im Rahmen der abschließenden Zusammenfassung wird ausgeführt, dass die Beschwerden des Klägers einerseits durch die posttraumatischen Tendinitis sowie ein frozen-shoulder-Syndrom, andererseits durch ein mäßiges Impingement der Supraspinatussehne und gedeckter Verletzung der langen Bizepssehne auch die SLAP-Läsion erklärbar seien.
Schließlich wurde eine Operation an der rechten Schulter erforderlich, die am 12.05.2011 im W.-Klinikum des Standortes in K. durchgeführt wurde. Im Rahmen dieser Operation fand eine athroskopische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenks statt. Im Zusammenhang mit dem nach der Operation erfolgten stationären Aufenthalt des Klägers vom 11.05. bis 19.05.2011 wurde eine entsprechende Entlassungsmitteilung gefertigt, in der die Diagnose einer Verletzung des Schultergelenks in Form einer Bankart-Läsion angegeben wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K8 verwiesen.
Des Weiteren begab sich der Kläger bei Dr. M., Facharzt für Orthopädie und Rheumatologie in B., in Behandlung. Seitens eines Befundes des Orthopäden vom 28.06.2011 wurden Einschränkungen im Hinblick auf den rechten Schulterbereich in Form einer schmerzhaften Störung in der unmittelbaren Umgebung des Schultergelenks festgestellt. Unter dem Stichwort Anamnese ist dort u.a. ausgeführt: „Rippenfraktur, Schulter rechts Schmerzen, LWS“. Hinsichtlich der Diagnose ist vermerkt: „PHS rechts nach Unfall. Myofaszielles Nacken-Schulter-Arm-Syndrom rechts-betont.“. Im Übrigen wird auf Anlage K9 Bezug genommen.
Von Seiten der Gemeinschaftspraxis S., P. und Dr. K. wurde unter dem 25.07.2011 ein weiteres ärztliches Attest ausgestellt. Dort ist ausgeführt:
„Herr R. zog sich im September 2010 eine Verletzung des rechten Schultergelenks zu. Es erfolgte eine operative Therapie am 12.05.2011. Aufgrund der körperlichen Untersuchung am 25.07.2011 findet sich weiterhin eine deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der Schulter in allen Ebenen.“ Auf Anlage K10 wird Bezug genommen.
In der gutachterlichen Äußerung des W. Klinikums vom 14.09.2011 für die Beklagte ist unter der Rubrik „Wie lautet Diagnose?“ zu lesen:
„Vordere Labrumläsion mit Bankart-Läsion rechtes Schultergelenk und begleitender Tendinitis des Musculus biceps brachii rechts.“ Hinsichtlich der weiteren Details, insbesondere zum dort geschilderten Unfallereignis und zum Erstbefund sowie zu den Punkten Kausalität und Mitwirkung, Prognose und Invalidität nach Gliedertaxe wird auf die Anlage K11 Bezug genommen.
Im Schreiben der Gemeinschaftspraxis S., P. und Dr. K. vom 15.10.2011 wird u.a. ausgeführt, dass „eine erneute Konsultation am 27.01.2011 stattfand. Herr R. klagte über Schmerzen im Bereich des rechten Schulterarmgelenkes. Zum Ausschluss einer Rotatorenmanschettenruptur erfolgte die Überweisung zum MRT…“. Auf Blatt 55 f. d.A. wird Bezug genommen.
Unter dem 20.07.2011 findet sich ein Bericht hinsichtlich der MRT rechtes Schultergelenk vom 19.07.2011. Auf Blatt 57 d.A. wird Bezug genommen.
Mit Attest vom 07.12.2011 bescheinigte Dr. S. ebenfalls eine Bankart-Läsion der rechten Schulter. Auf Anlage K12 wird hingewiesen.
Im Attest des Dr. M. vom 17.12.2011 wird ausgeführt, dass ein zuvor eruierter gutachterlicher Befund nicht mehr dem aktuellen Krankheitsbild entspreche. Da die neurologische Begutachtung von Dr. S. noch nicht berücksichtigt worden sei, empfehle er außerdem eine gutachterliche Nachuntersuchung. Weiter wird ausgeführt, dass eine Besserung der Situation nicht mehr erwartet werden könne. Die in dem Gutachten des W.-Klinikums angegebene Invalidität von zum damaligen Zeitpunkt 3/10 Armwert und voraussichtlich dauernd insgesamt 2/10 Armwert könne folglich nicht mehr mit den aktuellen Gegebenheiten übereinstimmen. Auf Anlage K13 wird hingewiesen.
Im Therapieverlaufsbericht des Physiotherapeuten O. D. vom 28.12.2011 ergibt sich, dass der Kläger bei jeder krankengymnastischen Behandlung unter sehr starken Schulter-Arm-Beschwerden gelitten habe, weshalb die letzten Behandlungen nicht mehr durchgeführt werden konnten. Auf Anlage K14 wird Bezug genommen.
Dr. F., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie erstellte für die Beklagte unter dem 23.01.2012 und unter dem 31.03.2012 ein Unfallchirurgisches Gutachten. Er kommt zu dem Ergebnis, dass aus unfallchirurgischer Sicht ein Erstkörperschaden im Vollbeweis für die rechte Schulter nicht zu belegen sei. Die festgestellte Invalidität ist Folge degenerativer Schäden und nicht unfallbedingt. Auf Anlage BLD 9 und BLD 11 wird im Übrigen hingewiesen. Auch die unfallchirurgische Stellungnahme des Privatdozenten Dr. H. vom 17.01.2013 schlussfolgert, dass der Beurteilung des kausalen Zusammenhangs gemäß dem vorgenannten Gutachten vom 23.01.2012 unfallmedizinisch uneingeschränkt zuzustimmen sei. Auf Blatt 77 f. d. A. wird hingewiesen.
Ein weiteres Attest der Gemeinschaftspraxis S., P. und Dr. K. vom 11.05.2012 (Anlage K18) führt aus, dass der Kläger sich am 28.10.2010 in der Sprechstunde vorgestellt habe und von einem Sturz von der Leiter berichtet habe. Er klage über Schmerzen im Bereich des rechten Brustkorbs. Ferner ist ausgeführt, dass „laut Patient nach Abklingen der Brustschmerzen Beschwerden in der rechten Schulter dominierten.“ Auf Anlage K18 wird hingewiesen.
Dr. S. schreibt in einem weiteren Attest vom 08.10.2012 (Anlage K20), dass die Schulterverletzung „am 28.10.2010 erstmalig eine Schultersymptomatik hervorgerufen hat, die wir im Jahr 2011 im Bericht vom 07.12.2011 dokumentiert haben. Bei meinen früheren Untersuchungen, bei denen ich, wenn ich körperlich untersucht habe, den ganzen Körper untersucht habe, habe ich keinen Hinweis auf eine Schulterverletzung rechts dokumentiert.“ Auf Anlage K20 wird hingewiesen.
Die Beklagte zahlte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.000,00 EURO und ein Krankenhaustagegeld in Höhe von 450,00 EURO.
Der Kläger trägt vor, dass er bei seinem Sturz am 27.09.2010 mit der rechten Körperhälfte auf dem mit Steinplatten belegten Boden aufgeschlagen sei. Als Folge hiervon habe er, der Kläger, für einen kurzen Moment das Bewusstsein verloren.
Bei der Exploration durch Dr. F. habe dieser sich abwertend gegenüber ihm, dem Kläger, geäußert und auch die Untersuchung an sich sehr grob durchgeführt.
Es sei von einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der Verletzungen mit dem Unfallereignis im September 2010 auszugehen. Tatsächlich sei von einer Invalidität gemäß der Gliedertaxe von 4/10 Armwert auszugehen (Beweis: Einholung eines Sachverständigengutachtens).
Zum Zeitpunkt des Sturzes mit dem Fahrrad am 19.08.2012, der unstreitig erfolgt ist, sei jedoch bereits eine Schulterverletzung diagnostiziert worden, die auf den hier streitgegenständlichen Unfall zurückzuführen sei. Auch die Arthrose sei auf die vorangegangene, hier streitgegenständliche Erstverletzung der Schulter zurückzuführen (Beweis: Einholung eines Sachverständigengutachtens).
Die Feststellungen des Dr. F. stünden nicht im Einklang mit den gutachterlichen Feststellungen der W.-Klinik. Vielmehr werde durch die gutachterliche Äußerung des W.-Klinikums vom 14.09.2011 die Kausalität zwischen der Schulterverletzung und dem Sturz bestätigt.
Bis zum 17.01.2011 seien die Schulterschmerzen der Rippenserienfraktur zugeordnet worden. Die Stellungnahme des Dr. H. sei nicht verwertbar, da dieser unterstellt habe, dass der Kläger erstmalig im März 2011 über Schmerzen im Schultergelenk geklagt habe.
Der Kläger hat zunächst beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.575,00 EURO nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Zuletzt beantragt der Kläger, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.500,00 EURO nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, dass sie die unfallbedingte Invalidität und deren behauptetes Maß mit Nichtwissen bestreite. Ein Anspruch bestehe schon aufgrund fehlender fristgerechter ärztlicher Invaliditätsfeststellung nicht. Denn bei Invaliditätseintritts (27.12.2011) und Feststellungsfrist gemäß Ziffer 2.1.1.1. AUB 2008 handele es sich um objektive Anspruchsvoraussetzungen.
Erst im März 2011 habe der Kläger mitgeteilt, dass sich auch eine weitere Verletzung an der rechten Schulter durch ein MRT am 01.03.2011 sowie ein CT am 04.02.2011 an der Bandscheibe LWS ergeben habe.
Der Arztbericht Dr. J. vom 14.09.2011 habe – unstreitig – die dort angegebenen handschriftlichen Anmerkungen nicht enthalten.
Es werde bestritten, dass es unfallbedingt zu einer Bankart-Läsion und einer posttraumatischen Sehnenentzündung sowie einem frozen-shoulder-Syndrom gekommen sein soll. Ebenso werde bestritten, dass sich diese unfallbedingt durch das Sturzereignis verschlechtert haben sollten. Die mit der Klage behaupteten Befunde seien nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Es bestehe keine adäquate Kausalität. Sie, die Beklagte, bestreite auch, dass das neben einer Schulterläsion bestehende Sulcus-Ulnaris-Syndrom rechts wahrscheinlich als indirekte Folge der Schulterverletzung anzusehen sei und sich der Krankheitszustand des Klägers erheblich verschlechtert habe.
Gegen eine Unfallkausalität sprächen bereits die vorliegenden Vorerkrankungen namentlich:
- Karpaltunneloperation rechts 1987 (Anlage BLD9)
- Schulterbeschwerden seit Jahren (Anlagenkonvolut K22)
- Bursitis subdeltoidea/subacromialis (Anlage K7)
- Tendinitis der Supra- und Infraspinatussehnen (Anlage K7)
- AC-Gelenksarthrose und Omarthrose (Anlage K7)
- Impingement der Supraspinatussehne (Anlagen K7 und BLD8)
- Degeneration des Bizepssehnenankers (Anlage BLD8)
- vorbestehend mäßig eingeengter subacromialer Gleitraum und tendinitische Signalveränderung (Anlage BLD8).
Dass es unfallbedingt zu einem Hämarthros gekommen sein solle, werde in Abrede gestellt.
Es werde darauf hingewiesen, dass spätestens seit 2006 Wirbelsäulenbeschwerden bestünden, wobei es offenbar im Jahr 2008 zu einem Bandscheibenvorfall gekommen sei und eine schwere depressive Störung im Vordergrund stehe. Insoweit lasse sich im Arztbericht vom 04.02.2011 (Anlage BLD10) eine Osteochondrose, eine Spondylarthrose und ein spinaler Engpass des Segment LWK 3/4 und 4/5 mit engen Neuroforamina beidseits im Segment LWK 4/5 bei Dorsalvorwölbung entnehmen.
Bandscheibenschäden und deren Folgen sowie psychische Reaktionen seien vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, wie sich Ziffer 5.2.1 und 5.2.6 AUB 2008 entnehmen lasse.
Zudem seien deutlich degenerative Veränderungen vorhanden. Aus unfallchirurgischer Sicht sei ein Erstkörperschaden für die rechte Schulter nicht zu belegen.
Mit Nichtwissen werde bestritten, dass der Kläger nach dem streitgegenständlichen Unfallereignisses an einer Schultersteife leide. Hilfsweise berufe sie, die Beklagte, sich angesichts der Ausführungen zur mangelnden Kausalität auf den Leistungskürzungsbestand der Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen gemäß Ziffer 3 AUB 2008 zu 100%.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze und Schriftstücke, die zwischen den Parteien gewechselt und zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurden, Bezug genommen.
Die Kammer hat den Kläger informatorisch angehört in der Sitzung vom 16.04.2014. Auf Bl. 111ff. d.A. wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage in ihrer zuletzt erhobenen Form ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig.
Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bad Kreuznach ergibt sich aus § 215 VVG.
Die Klage ist indes unbegründet, da dem Kläger kein Anspruch aus dem Unfallversicherungsvertrag aus dem Versicherungsschein UP-SV … zusteht. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Dahinstehen kann, ob, wie die Beklagte meint, die Invaliditätseintritts- und Feststellungsfrist gemäß Ziffer 2.1.1.1 AUB 2008 vom Kläger eingehalten wurde. Dafür, dass der Kläger diese Fristen eingehalten hat, könnten die auch der Beklagten vorliegenden Berichte des Dr. H. vom 17.01.2011 (Anlage K6), das Schreiben des Dr. M. vom 28.06.2011 (Anlage K9), das ärztliche Attest der Gemeinschaftspraxis S., P. und Dr. K. vom 25.07.2011 (Anlage K10) und der Arztbericht des W. Klinikums von 14.9.2011 (Anlage K11) sprechen. Hierin ist nämlich von einer Verletzung des rechten Schultergelenks die Rede. Fraglich ist aber, ob diesen Schreiben, insbesondere Anlagen K10 und K11, eine Prognosemitteilung zu entnehmen ist, da in Anlage K11 hierzu nur „zur Zeit noch nicht absehbar“ vermerkt ist. Denn es ist darauf hinzuweisen, dass bereits die Formulierung in einem Durchgangsarztberichts „Nachschau ist aus medizinischen Gründen erforderlich, sofern dann noch Arbeitsunfähigkeit vorliegen sollte“ keine Prognose eines Dauerschadens darstellt (vgl. OLG Zweibrücken vom 14.04.2005 – 1 U 5/05). Auch die Formulierung in einer ärztlichen Bescheinigung „Möglichkeit von Dauerfolgen in Form von chronischen Schmerzen“, die keine weiteren Angaben zu den damit verbundenen Auswirkungen auf den Versicherungsnehmer beinhaltet, erlaubt nicht zwingend den Rückschluss auf eine dauernde Beeinträchtigung (vgl. OLG Zweibrücken a.a.O.). Selbst dann aber, wenn man dies aufgrund der vorliegenden Unterlagen anders sähe und zugunsten des Klägers von der Einhaltung der Invaliditätseintritts- und Feststellungsfrist nach Ziffer 2.1.1.1 AUB 2008 ausgeht, hat der Kläger keinen Anspruch aus dem Unfallversicherungsvertrag.
Zwar haben auch die von der Beklagten eingeholten Gutachten bestätigt, dass der Kläger unter folgenden Gesundheitsstörungen leidet:
Mäßige Omarthrose und Schultereckgelenkarthrose rechts
Knöcherne Veränderung proximaler Humerus rechts
Refixierte vordere Gelenkpfannenlippe rechte Schulter. Schulterstreife rechts.
Aufgrund der Gesundheitsstörung besteht bei dem Kläger ferner eine Minderung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Arms nach funktionell anatomischen Gesichtspunkten gemäß der Gliedertaxe von 3/10 Armwert.
Allerdings ergibt sich daraus nicht, dass ein Erstkörperschaden für die rechte Schulter belegt ist. In diesem Zusammenhang erstaunen schon die von den Parteien vorgelegten – unterschiedlichen – Unfallschadenanzeigen des Klägers vom 30.09.2010 (Anlage K4) und vom 01.10.2010 (Bl. 45 f. d.A.). Während die Unfallschadenanzeige vom 01.10.2010, die die Beklagte vorgelegt hat, unter dem Thema „Verletzte Körperteile und Art der Verletzung“ lediglich Rippenfraktur – Nierenkontusion“ enthält, sieht die Unfallschadenanzeige, die vom Kläger vorgelegt wurde und vom 30.09.2010 datiert, neben Rippenbruch und Nierenschadenkontusion noch der Hinweis auf Schulter rechts vor. Auch die genaue Schilderung des Unfallhergangs differiert.
Dabei hat die informatorische Anhörung des Klägers am 16.04.2014 die Kammer zu der Überzeugung gebracht, dass der Kläger tatsächlich auf die rechte Seite des Kopfes und auch auf die rechte Seite seines Körpers gefallen ist. Die Kammer hat an dem Vortrag des Klägers insoweit keine Zweifel.
Allerdings ist die Kammer der Überzeugung, dass ein Erstkörperschaden für die rechte Schulter nicht zu belegen ist, mit dem Ergebnis, dass die festgestellte Invalidität Folge degenerativer Schäden und nicht unfallabhängig ist. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Gutachten des Dr. F. vom 23.01.2012. Zwar ist zutreffend, dass dieses Gutachten von der Beklagten eingeholt wurde, allerdings beschäftigt sich das Gutachten des Dr. F. vom 23.01.2012 mit sämtlichen Unterlagen, die der Beklagten und auch der erkennenden Kammer vorliegen, und es legt nach intensiver körperlicher Untersuchung des Klägers die vorgenannten Gesundheitsstörungen dar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, darf ein Privatgutachten als qualifizierter Parteivortrag verwertet werden und es kann eine eigene Beweisaufnahme des Gerichts entbehrlich machen, wenn die Beweisfrage allein schon aufgrund dieses substantiiertes Parteivortrags zuverlässig beantwortet werden kann (vgl. BGH NJW 1993, 2382, 2383 m.w.N.; OLG Köln vom 22.03.2000 – 5 U 218/99).
Diese Voraussetzungen hält die Kammer in vorliegendem Fall für gegeben. Die Beklagte hat mit der Erstattung der Gutachten zur Feststellung der Invalidität einen am chirurgischen Gutachteninstitut in T. tätigen Arzt, Dr. F., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, betraut; dessen Beauftragung ist der Kläger nicht entgegengetreten. Wenn der Kläger meint, dass Dr. F. bei der Exploration ihm, dem Kläger, anhand der Gespräche immer wieder unterbrochen, sich abwertend gegenüber ihm, dem Kläger, geäußert und auch die Untersuchung an sich sehr grob durchgeführt habe, vermag das am Ergebnis des Gutachtens nichts zu ändern. Die Feststellungen von Dr. F. sowohl in seinem Gutachten vom 23.01.2012 (Bl. 58 ff. d.A.) und vom 31.03.2012 (Bl. 73 ff. d.A.) sind in jeder Hinsicht nachvollziehbar und überzeugend. Denn Herrn Dr. F. standen sämtliche Unterlagen, die auch dem Gericht vorliegen, für die Beurteilung zur Verfügung; ebenso hat der Arzt den Kläger körperlich befundet und zwar sowohl röntgenologisch als auch sonographisch wie auch einer Beweglichkeitskontrolle durchgeführt. An dieser Befundung ist Dr. F. auch in seinem Gutachten vom 31.03.2012 festgehalten, nachdem weitere Unterlagen von Seiten des Klägers vorgelegt worden waren. Gestützt wird die Auffassung des Dr. F. von dem Privatdozenten Dr. Ulf H., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, in seiner unfallchirurgischen Stellungnahme vom 17.01.2013, der überzeugend ausführt, dass die Bankart-Läsion einen Defekt der Gelenkkapsel im unteren vorderen Ansatzbereich der Schultergelenkkapsel an der Schultergelenkpfanne darstellt. Unfallmechanisch kommt als Ursache einer derartigen Läsion eine erhebliche Überdehnung der Gelenkkapsel in Frage. Typischerweise tritt eine Bankart-Läsion in Verbindung mit einer Schulterluxation auf. Ein derartiger Unfallmechanismus mit Abriss der Gelenkkapsel im Sinne einer Bankart-Läsion führt zum sofortigen Funktionsverlust der betroffenen Schulter mit erheblicher Schmerzhaftigkeit. Bei fehlendem, primären verletzungstypischen Befund am rechten Schultergelenk des Klägers, aus dem eine Bankart-Läsion ableitbar wäre, kann in der unfallmedizinischen Kausalitätsprüfung die viel später gestellte Diagnose nur degenerativer Genese sein.
Die Kammer folgt den überzeugenden Ausführungen des Dr. F. und des Dr. H., weil sie in sich widerspruchsfrei und schlüssig sind. Einleuchtend ist, dass degenerativ bedingte Schäden im Schultergelenk die knöchernen wie ligamentären Strukturen betreffen. Zwar meint Dr. H., dass die Diagnose der Bankart-Läsion nahezu ein Jahr nach dem Ereignis gestellt wurde, nämlich am 14.09.2011, obgleich in der Entlassungsmitteilung des W.-Klinikums vom 18.05.2011 diese Diagnose bereits gestellt wurde. Gleichwohl ist auch hier von Bedeutung, dass die Diagnose erst 7 Monate nach dem Ereignis gestellt wurde und es nach Dr. F. aus ärztlicher Erfahrung nicht erklärbar ist, dass eine schwere Schulterverletzung über Monate keine Beschwerden ausgelöst haben soll. Weder zeitnah zum Unfallereignis noch bei einer Vorstellung am 21.10.2010 wurden Schmerzen der rechten Schulter vorgetragen. Bei seiner Begutachtung hat Dr. F. zutreffend ausgeführt, dass erstmals unter dem 17.01.2011 Schmerzen der rechten Schulter seit wenigen Wochen dokumentiert sind, wobei hervorzuheben ist, dass diese Dokumentation (Anlage K6) unter der Rubrik Anamnese erfolgt ist und nicht aufgrund eigener Feststellungen des Dr. H.. In den erwähnten Gutachten des Dr. F. sind die erhobenen Befunde sehr eingehend beschrieben; dies lässt den Schluss auf eine lediglich oberflächliche Begutachtung nicht zu. Auch Ungereimtheiten in der Darstellung vermag die Kammer nicht zu erkennen.
Den in jeder Hinsicht überzeugenden Feststellungen des Dr. F. weiß der Kläger kein substantiiertes Vorbringen, das zu der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zwingen würde, entgegenzusetzen. Dazu reichen die Unterlagen, die der Kläger vorgelegt hat, nicht aus. Soweit der Kläger meint, dass Dr. H. davon spreche, dass der Kläger erstmals im März 2011 von Schulterschmerzen gesprochen habe, ist dies unzutreffend. Hierzu verhält sich dessen unfallchirurgische Stellungnahme nicht. Die vom Kläger vorgelegte Unfallschadenanzeige vom 30.09.2010 (Anlage K4) widerspricht, wie dargelegt, der Unfallschadenanzeige, die die Beklagte vorgelegt hat und vom 01.10.2010 datiert. Die jetzt erkennende Kammer braucht nicht zu erforschen, mit welcher Intention der Kläger die Anlage K4 in der in wesentlichen Punkten abweichenden Form zur Anlage BLD1 vorlegt. Jedenfalls ergibt sich aus den unterschiedlichen Schadensanzeigen, dass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger bereits unmittelbar nach dem Unfall am 01.10.2010 bzw. 30.09.2010 auf Schulterprobleme rechts hingewiesen hat.
Die vom Kläger vorgelegten Atteste datieren alle weit nach dem 17.01.2011; frühestens erst zu diesem Zeitpunkt klagte der Kläger über Schmerzen der rechten Schulter. Wenn der Kläger meint, dass „die Ärzte ganz offensichtlich die Ursachen der Schmerzen zunächst nicht hätten lokalisieren können“ (Bl. 131 d.A.) ist diese Behauptung reine Spekulation, durch nichts belegt und auch nicht unter Beweis gestellt. Dem Hinweis der Dr. F. und Dr. H., dass typischerweise eine Bankart-Läsion in Verbindung mit einer Schulterluxation auftritt und ein derartiger Unfallmechanismus mit Abriss der Gelenkkapsel im Sinne einer Bankart-Läsion zum sofortigen Funktionsverlust der betroffenen Schulter mit erheblicher Schmerzhaftigkeit führt, ist der Kläger schon nicht entgegengetreten.
Zwar hat der Kläger ein Schreiben vom 15.10.2011 der Gemeinschaftspraxis S., P. und Dr. K. (Bl. 55 d.A.) vorgelegt. Hierin ist ausgeführt, dass „Herr R. sich am 28.09.2010 in der Praxis vorstellte. Er berichtete von der Leiter gefallen zu sein und klagte über Schmerzen im Bereich der rechten Rippen“. Allerdings findet sich hier im dritten Absatz, dass eine erneute Konsultation lediglich am 27.01.2011 stattfand, in der der Kläger über Schmerzen im Bereich des rechten Schulterarmgelenkes klagte. Auch dem ärztlichen Attest des Dr. S. vom 08.10.2012 kann nichts anderes entnommen werden. Zwar wird dort von einer Steifstellung der HWS gesprochen und ferner ist dort ausgeführt:
„Hiermit kann bescheinigt werden, dass die Schulterverletzung am 28.10.2010 erstmalig eine Schultersymptomatik hervorgerufen hat, die wir im Jahr 2011 im Bericht vom 07.12.2011 dokumentiert haben.“
Allerdings muss auch in diesem ärztlichen Attest eingeräumt werden, dass Dr. S. bei seinen früheren Untersuchungen keinen Hinweis auf eine Schulterverletzung rechts dokumentiert hat. Ferner ist zu beachten, dass Dr. S. ein Arzt für Neurologie und Psychiatrie ist, nicht jedoch wie Dr. F. und Dr. H. Fachärzte für Chirurgie und Unfallchirurgie, die die größere Sachkunde bei dem hier zu beurteilenden Beschwerdebild besitzen.
Eine andere Entscheidung ergibt sich auch nicht aus der Entlassungsmitteilung des W.-Klinikums vom 18.05.2011 (Anlage K8) und der gutachterlichen Äußerung für die Beklagten des W.-Klinikums vom 14.09.2011 (Anlage K11). Denn in der Entlassungsmitteilung ist lediglich von einer Bankart-Läsion rechts die Rede, es findet sich dort jedoch keine Ausführung zur Kausalität im Hinblick auf den streitgegenständlichen Unfall.
Die gutachterliche Äußerung des W.-Klinikums vom 14.09.2011 weicht in seinen Feststellungen und sogar in seinen Schlussfolgerungen nicht immer wesentlich von den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Dr. F. ab. Denn sowohl Dr. F. als auch Dr. J. in der gutachterlichen Äußerung des W.-Klinikums befunden die Invalidität nach Gliedertaxe von zurzeit insgesamt 3/10 Armwert. Auch in ihren Diagnosen weichen beide Gutachten nicht voneinander ab, denn bei Dr. F. lautet diese wie folgt:
Mäßige Omarthrose und Schultereckgelenkarthrose rechts
Knöcherne Veränderung proximaler Humerus rechts
Refixierte vordere Gelenkpfannenlippe rechte Schulter. Schulterstreife rechts.
Bei Dr. J. vom W.-Klinikum lautet die Diagnose: Vordere Labrumläsion mit Bankart-Läsion rechtes Schultergelenk und begleitender Tendinitis des Musculus biceps brachii rechts.
Indes ist festzustellen, dass Dr. J. bei der Frage der Kausalität und Mitwirkung unter KM1 ein „ja“ angeführt hat, ohne dies näher darzulegen. Denn im Gegensatz zu Dr. F. lagen Dr. J. nicht sämtliche Unterlagen vor, die auch dem Gericht übergeben wurden. Jedenfalls lässt sich der gutachterlichen Äußerung (Anlage K11) nicht entnehmen, dass sich Dr. J. mit sämtlichen Attesten und Schriftstücken, die Dr. F. in seinem unfallchirurgischen Gutachten unter „Unfallanamnese und Krankengeschichte“ aufgeführt hat, beschäftigen konnte. Das trägt der Kläger auch nicht vor. Dem Kläger hätte es oblegen, sich – ggf. unter Hinzuziehung eines Facharztes für Chirurgie/Unfallchirurgie eingehend mit den in sich schlüssigen und fundierten Aussagen des Dr. F. und Dr. H. unter Zugrundelegung sämtlicher Arztbriefe auseinanderzusetzen und konkrete Anhaltspunkte für eine unzureichende oder fehlerhafte Begutachtung aufzuzeigen. Daran mangels es, sodass die Kammer nicht gehindert ist, aus den Begutachtungen des Dr. F. und des Dr. H. die Überzeugung zu gewinnen, dass ein Erstkörperschaden im Vollbeweis für die rechte Schulter nicht zu belegen und die Invalidität Folge degenerativer Schäden und nicht unfallabhängig ist.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.
Die Kammer hat beschlossen, den Streitwert bis zum 04.03.2014 auf 12.575,00 EURO und ab 05.03.2014 auf 20.500,00 EURO festzusetzen.