Landgericht Potsdam
Az: 3 S 81/07
Beschluss vom 29.11.2007
In dem Rechtsstreit hat das LG Potsdam am 29. November 2007 einstimmig beschlossen:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG Potsdam vom 21. März 2007, 33 C 245/06, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten war aus den zutreffenden Gründen des Beschlusses vom 21. Oktober 2007 zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg bot und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO nicht vorlagen.
Ergänzend wird auf den Schriftsatz vom 29.11.2007 auf folgendes hingewiesen:
Die Pflichtenlage des Verkehrssicherungspflichtigen richtet sich nach dem jeweiligen Bautenstand des Verfahrens. Erst recht, wenn Termine verschoben werden, muss auf die Kontrolle des Bauablaufes geachtet werden. Dabei oblag es der Beklagten im Rahmen der Einhaltung aller Verkehrssicherungspflichten auch – egal durch wen – die Kontrolle des Bauzaunes sicherzustellen. Mit der Tatsache, dass Drittunternehmen zur Durchfahrt Veränderungen am Bauzaun durchführen würden, musste die Beklagte auch aufgrund der Baubesprechungen rechnen. Sie musste nicht nur in der Regel pro Tag 3 Kontrollen durchführen, sondern auch am streitigen Tag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Az: 33 C 245/06
Urteil vom 21.03.2007
In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Potsdam auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2007 für Recht erkannt:
Das Versäumnisurteil vom 18. Dezember 2006 bleibt aufrechterhalten.
Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte aufgrund eines Schadensfalles in Anspruch, der sich am 26.06.2006 gegen 15.00 Uhr auf dem Gelände ###-Gymnasiums in ###, ###-Straße 4 ereignet hat. Die Beklagte war zum vorgenannten Zeitpunkt als Bauunternehmerin auf dem Schulgelände, auf dem Baumaßnahmen durchgeführt wurden, tätig. In ihrer Funktion als Bauunternehmerin hatte die Beklagte zuvor im Auftrag des Bauherrn, des Landkreises Potsdam-### eine Baustellensicherung errichtet; diese bestand aus einzelnen, 2 m hohen und 2,5 m breiten Bauzaunelementen. Durch diesen Bauzaun wurde auch der Baustellenbereich zur Schulhofzufahrt abgegrenzt. Als die Zeugin S### mit dein Pkw des Klägers an dem Bauzaun vorbeifuhr, um auf das Schulgelände zu gelangen, stürzte ein Bauzaunelement aufgrund eines Windstoßes um und fiel auf die linke vordere Seite des Klägerfahrzeuges. Das Zaunelement, an dem ein großflächiges Hinweisschild angebracht war, war zuvor nur auf einer Seite durch einen Betonfuß gesichert.
Durch den Anstoß des Zaunelementes wurde die Motorhaube sowie der vordere linke Kotflügel des Klägerfahrzeuges beschädigt. Die Kosten für die Instandsetzung des Fahrzeuges belaufen sich auf netto 1.140,41 €. Darüber hinaus sind dem Kläger Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Höhe von 319,00 € und allgemeine Kosten von pauschal 20,00 € entstanden.
Nachdem der Kläger die Beklagte vorgerichtlich mit anwaltlichen Schreiben vom 06.07. und 21.08.2006, zuletzt unter Fristsetzung bis zum 31.08.2006 erfolglos zur Erstattung seines Schadens aufgefordert hat, verfolgt der Kläger seinen Anspruch im vorliegenden Rechtsstreit weiter.
Er vertritt die Auffassung, die Beklagte habe den von ihr errichteten Zaun nicht ausreichend gesichert. Da sie für die Sicherung zuständig sei, hafte sie für den eingetretenen Schaden. Die Beklagte könne sich auch nicht auf ein schuldhaftes Verhalten einer Drittfirma berufen, da die Mitarbeiter der Beklagten verpflichtet gewesen seien, den Zaun regelmäßig zu kontrollieren.
Der Kläger, der neben den vorstehenden Schadenspositionen in Höhe von insgesamt 1.479,41 € auch die Erstattung seiner vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten in Höhe von 102,37 € verlangt, hat in der mündlichen Verhandlung am 18.12.2006 ein Versäumnisurteil gegen die säumige Beklagte erwirkt, durch das diese verurteilt wird, an den Sachverständigen ### H### 319,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 sowie an den Kläger 1.160,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 und weitere 102,37 € zu zahlen.
Nachdem die Beklagte gegen dieses ihr am 23.12.2006 zugestellte Versäumnisurteil mit Schreiben vom 05.01.2007, bei Gericht eingegangen am 08.01.2007, Einspruch eingelegt hat, beantragt der Kläger nunmehr, das Versäumnisurteil vom 18. Dezember 2006 aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Bauzaun sei von ihren Mitarbeitern ordnungsgemäß errichtet und regelmäßig kontrolliert worden. Sowohl der für die Baustelle zuständige Bauleiter, der Zeuge F###, als auch der auf der Baustelle tätige Polier, der Zeuge G### sei damit betraut gewesen, den Zustand des Zaunes regelmäßig zu kontrollieren. Der Zeugen ### habe die Zaunanlage täglich bei Arbeitsbeginn und bei Arbeitsende kontrolliert. Am Schadenstag seien trotz ordnungsgemäßer Kontrollen am Morgen, am Vormittag und am Mittag keinerlei Veränderungen feststellbar gewesen.
Der Unfall sei allein darauf zurückzuführen, dass die Baustellenzufahrt am Schadenstag durch eine Drittfirma genutzt worden sei. Bei Eintreffen des Zeugen F### auf der Baustelle habe dieser festgestellt, dass sich ein 100-Tonnen-Kran sowie mehrere Lkw .mit Containern auf dem Baugrundstück befanden, dass die Drittfirma eigenmächtig die Baustellenzufahrt erweitert und hierbei die Bauzaunelemente nicht ordnungsgemäß gesichert hatte. Zu diesem Zeitpunkt sei der Schaden am Klägerfahrzeug schon eingetreten gewesen. Da auch dem Zeuge G###, der sich am 26.06.2006 ab ca. 6.15 Uhr auf der Baustelle befunden habe, eine Veränderung des Bauzaunes nicht aufgefallen sei und er über den Einsatz der Drittfirma auch nicht vorab informiert gewesen sei, sei der Eingriff in die Standsicherheit des Zaunes durch die Drittfirma für sie, die Beklagte, weder vorherzusehen noch zu verhindern gewesen.
Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die gewechselten und zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F### und G###. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 21.02.2007 (Bl 69 ff. der Akte).
Entscheidungsgründe
Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 18.12.2006 ist zulässig. Der Einspruch ist insbesondere rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. Das Versäumnisurteil ist der Beklagten am 23.12.2006 zugestellt worden, der Einspruch ist am 08.01.2007 und damit fristgerecht eingegangen.
Der Einspruch hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die zulässige Klage begründet ist. Die Beklagte haftet gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 BGB für den dem Kläger durch das Umfallen des Bauzaunelementes entstandenen Schaden, da sie die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt hat.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte den Bauzaun errichtet hat, dass durch den Sturz dieses Zaunes das Klägerfahrzeug beschädigt wurde und dass der Beklagten als der bauausführenden Unternehmerin die Verkehrssicherungspflicht für den Zaun oblag. Die Verkehrssicherungspflicht beinhaltet die Verpflichtung, im Hinblick auf die von der Baustelle ausgehenden Gefahren die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer, die vorhersehbar mit der Baustelle in Berührung kommen, zu verhindern. Dabei bezieht sich die Verpflichtung zur Absicherung nicht nur auf die Vermeidung vorhersehbarer Gefahren, die von der Baustelle selbst ausgehen, sondern auch auf solche, die sich aus dem von der Beklagten errichteten Bauzaun ergeben (OLG Köln, VersR 2003, 1185).
Dieser Verpflichtung ist die Beklagte vorliegend nicht nachgekommen. Allerdings ist nach der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass der Bauzaun im Bereich der Unfallstelle zunächst ausreichend sicher aufgestellt wurde. Denn die Zeugen G### und F### haben übereinstimmend bekundet, die Zaunfelder der Baustelleneinfahrt seien jeweils an der einen Seite mit Draht an den Pfosten einer alten Zaunanlage befestigt gewesen, an der anderen Seite seien die Zaunfelder jeweils in einen Betonsockel eingestellt gewesen. Diese Maßnahmen waren grundsätzlich ausreichend zur Sicherung der Zaunfelder.
Ebenso steht nach den Aussagen der Zeugen fest, dass am Schadenstag Veränderungen an der Baustellenzufahrt vorgenommen worden sein müssen, da von beiden Zeugen nach dem Schadensfall festgestellt wurde, dass das umgestürzte Zaunfeld nicht mehr mit dem Zaunpfosten verdrahtet war und nicht mehr in seiner Verankerung steckte. Nach den Bekundungen beider Zeugen war das Zaunfeld zum Zwecke der Erweiterung der Zufahrt beseitigt worden, da von einer Drittfirma Containerburgen als Ersatzunterrichtsräume auf dem Schulhof installiert werden sollten und hierfür das Schulgelände mit Sattelzügen und einem Autodrehkran befahren werden musste. Dieses unsachgemäße Versetzen der Zaunfelder durch die Drittfirma kann allerdings die Beklagte nicht entlasten, da sie für den Zustand des Zaunes mangels Absprache mit der Drittfirma oder der Bauherrin verantwortlich blieb.
Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass von ihren Mitarbeitern das Erscheinen der Drittfirma auf der Baustelle und die Veränderungen des Bauzaunes nicht wahrgenommen worden seien. Soweit der Polier der Beklagten, der Zeuge G### ausgesagt hat, er habe am Schadenstag ausschließlich auf der rückwärtigen Seite des Schulgebäudes gearbeitet und aus diesem Grunde die Containeraufstellarbeiten weder gesehen noch gehört, zweifelt das Gericht bereits an der Richtigkeit dieser Aussage. Die Angaben des Zeugen erscheinen wenig glaubhaft angesichts des Umstandes, dass die Drittfirma unstreitig das Schulgelände mit Sattelzügen und einem Autodrehkran befahren hat, mit dem die angelieferten Container von den Sattelzügen gehoben und auf der Baustelle platziert werden sollten. Diese Arbeiten dürften dem Zeugen, der sich eigenen Bekundungen zufolge in einer Entfernung von ca. 50 bis 60 m befand, auch dann nicht entgangen sein, wenn er sich im hinteren Bereich des Schulgeländes hinter dem Schulgebäude befunden hat. Ob die Angaben des Zeugen zutreffend sind, kann allerdings im Ergebnis dahinstehen, da jedenfalls keine ausreichende Überwachung der Baustelle durch den Zeugen stattgefunden hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Schulgelände nicht nur von Baufahrzeugen befahren wurde, sondern der Bereich unmittelbar neben dem Bauzaun auch für das Abstellen von Fahrzeugen der Lehrer geöffnet war.
Allein dieser Umstand sowie der weitere Umstand, dass den Mitarbeitern der Beklagten das Aufstellen der Containerburgen im Rahmen einer Baubesprechung – wenn auch nicht zu einem bestimmten Datum – angekündigt worden war, musste der Beklagten Veranlassung geben, für eine regelmäßige Überprüfung der Baustelle und damit auch des Zaunes Sorge zu tragen. Im Hinblick auf den angekündigten Beginn der Containerarbeiten durfte sich insbesondere der für die Sicherheit auf der Baustelle zuständige Zeuge G### nicht – wie von ihm bekundet – darauf beschränken, sich offenbar über mehrere Stunden ausschließlich auf der rückwärtigen Seite des Schulgebäudes aufzuhalten; er war vielmehr im Rahmen der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht gehalten, sich einen Überblick über die Vorgänge auf der Baustelle zu verschaffen. Hätte er dies getan, so hätte im Hinblick auf die Größe der auf der Baustelle erschienenen Baufahrzeuge auch konkrete Veranlassung bestanden, die Sicherheit des Bauzaunes im Bereich der Zufahrt zu kontrollieren. Da der Zeuge dies nicht getan hat, sich vielmehr ausschließlich im hinteren Bereich der Baustelle aufgehalten und sich um Sicherheitsfragen nicht gekümmert hat, entlastet es die Beklagte nicht, dass ihre Mitarbeiter die Veränderung des Bauzaunes nicht wahrgenommen habe.
Die Beklagte ist aus den vorgenannten Gründen verpflichtet, dem Kläger den Schaden in der unstreitigen Höhe von 1.479,41 € sowie die nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnenden Rechtsanwaltskosten zu erstatten, die für die außergerichtliche Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers angefallen und sich – ebenfalls unstreitig – auf 102,37 € belaufen.
Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen beruht auf § 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 Satz 2, 709 ZPO.