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Bei Mängel am Gemeinschaftseigentum hat Einzelerwerber ein Zurückbehaltungsrecht

Käufer können bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum Rechnungen zurückhalten

Bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum besteht für den Einzelerwerber ein Zurückbehaltungsrecht, was das Oberlandesgericht Oldenburg in seinem Urteil bestätigte, indem es die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Landgerichts Osnabrück zurückwies. Im Kern ging es um die nicht vertragsgemäße Errichtung einer Zugangsrampe und eines Trafohäuschens, was zu einem Rechtsstreit zwischen dem Käufer einer Gewerbeeinheit und dem Bauträger führte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 U 114/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Fall betrifft den Streit über Mängel am Gemeinschaftseigentum zwischen einem Käufer und einem Bauträger.
  • Kernpunkt ist die nicht vertragsgemäße Errichtung einer Zugangsrampe und eines Trafohäuschens.
  • Der Käufer hat aufgrund der Mängel ein Zurückbehaltungsrecht.
  • Der Bauträger muss die Rampe vertragsgemäß umsetzen und das Trafohäuschen versetzen.
  • Die Berufung des Bauträgers gegen das Urteil des Landgerichts wurde abgewiesen.
  • Das OLG Oldenburg bestätigt die Rechte des Einzelerwerbers bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum.
  • Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen und die Rechte von Käufern bei Mängeln.

Anspruch auf mangelfreie Gemeinschaft

Die Errichtung von Gebäuden mit zugehörigem Gemeinschaftseigentum wie Gängen, Zugangswegen oder Nebengebäuden folgt strengen rechtlichen Vorgaben. Bauträger müssen die vertraglichen Vereinbarungen mit Erwerbern zwingend einhalten. Bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum stehen Käufern gesetzliche Rechte wie ein Zurückbehaltungsrecht zu.

Bei der Übertragung des Sondereigentums an Wohnungen oder Gewerbeeinheiten muss der Gemeinschaftsbesitz mängelfrei und vertragsgemäß sein. Andernfalls können Erwerber Ansprüche auf Nachbesserung, Schadensersatz oder Rücktritt geltend machen. Ein zentrales Rechtsinstrument ist das Zurückbehaltungsrecht der Restzahlung bis zur Mängelbeseitigung.

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➜ Der Fall im Detail


Zurückbehaltungsrecht bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Oldenburg stand die Frage, ob ein Käufer einer Gewerbeeinheit ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann, wenn Mängel am Gemeinschaftseigentum vorliegen. Der Kläger, Erwerber einer Gewerbeeinheit, sah sich mit verschiedenen Mängeln konfrontiert, darunter eine nicht vertragsgemäß errichtete Zugangsrampe und ein an falscher Stelle gebautes Trafohäuschen. Diese Mängel führten zu einer Auseinandersetzung mit dem Bauträger, der Beklagten.

Die rechtliche Auseinandersetzung

Die juristische Auseinandersetzung eskalierte, als der Kläger die Zahlung weiterer Rechnungen verweigerte, die von der Beklagten für die Erstellung der Stellplätze und die Mehrkosten für ein Behinderten-WC gestellt wurden. Die Beklagte erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Rückübertragung der Gewerbeeinheit. Der Kläger wiederum verlangte die Behebung der Mängel und machte ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Das Landgericht Osnabrück gab dem Kläger teilweise recht, woraufhin die Beklagte Berufung beim OLG Oldenburg einlegte.

Entscheidung des OLG Oldenburg

Das Oberlandesgericht Oldenburg bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung und wies die Berufung der Beklagten zurück. Das Gericht befand, dass dem Kläger tatsächlich ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, da die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllt hatte. Besonders hervorgehoben wurde, dass die Verlegung der Rampe und der Bau des Trafohäuschens ohne Zustimmung der Eigentümergemeinschaft erfolgten und somit nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprachen.

Juristische Begründung und Implikationen

Das Gericht legte dar, dass die Verpflichtungen aus dem Bauträgervertrag nicht erfüllt wurden, was dem Käufer ein Zurückbehaltungsrecht einräumt, bis die Mängel behoben sind. Dieses Urteil stärkt die Rechte von Einzelerwerbern innerhalb einer Eigentümergemeinschaft und betont die Wichtigkeit der Vertragstreue.

Bedeutung für die Praxis

Das Urteil des OLG Oldenburg verdeutlicht, dass Mängel am Gemeinschaftseigentum nicht zu Lasten einzelner Eigentümer gehen dürfen. Es unterstreicht die Notwendigkeit für Bauträger, vertragliche Vereinbarungen präzise einzuhalten und bei Änderungen im Bauvorhaben die Zustimmung aller Beteiligten einzuholen. Für Käufer bietet das Urteil eine wichtige Rechtssicherheit: Sie können bei Vertragsabweichungen wirksam ihre Rechte geltend machen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist ein Zurückbehaltungsrecht?

Ein Zurückbehaltungsrecht ermöglicht es einem Schuldner, seine eigene Leistung so lange zu verweigern, bis der Gläubiger eine ihm gegenüber dem Schuldner obliegende Leistung erbracht hat. Es dient als Druckmittel, um den Vertragspartner zur Erfüllung seiner Pflichten zu bewegen.

Das allgemeine Zurückbehaltungsrecht ist in § 273 BGB geregelt. Demnach steht es dem Schuldner zu, wenn ihm aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, ein fälliger Gegenanspruch gegen den Gläubiger zusteht. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang ist weit gefasst. Beispielsweise kann ein Restaurantbesucher bei Diebstahl aus der Garderobe die Zahlung der Rechnung verweigern, bis der Betreiber Schadensersatz leistet.

Wichtige Aspekte des Zurückbehaltungsrechts:

  • Der Gläubiger kann es durch Sicherheitsleistung abwenden, jedoch nicht durch Bürgschaft.
  • Es führt nicht zur Klageabweisung, sondern zur Verurteilung Zug-um-Zug.
  • In AGB darf das Zurückbehaltungsrecht nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (§ 309 Nr. 2 BGB).
  • Es entfällt, wenn der Schuldner die Erfüllung der Gegenleistung selbst vereitelt, z.B. indem er Nachbesserungsversuche des Verkäufers nicht zulässt.

Spezielle Ausprägungen sind das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht nach § 369 HGB sowie das Zurückbehaltungsrecht bei gegenseitigen Verträgen gemäß § 320 BGB. Letzteres erlaubt einem Käufer, den Kaufpreis einzubehalten, bis der Verkäufer Mängel im Rahmen der Nacherfüllung beseitigt hat.

Zusammengefasst ist das Zurückbehaltungsrecht ein wichtiges Instrument, um in gegenseitigen Schuldverhältnissen einen Ausgleich der Interessen und die Erfüllung der jeweiligen Vertragspflichten sicherzustellen. Es muss aber im Rahmen von Treu und Glauben ausgeübt werden.

Wann kann bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden?

Ein Wohnungseigentümer kann unter folgenden Bedingungen ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum ausüben:

  • Der Mangel befindet sich am Gemeinschaftseigentum, nicht am Sondereigentum. Gemeinschaftseigentum sind alle konstruktiven Bauteile, die für den Bestand und die Sicherheit der Wohnungseigentumsanlage erforderlich sind.
  • Der einzelne Eigentümer kann das Zurückbehaltungsrecht am Restkaufpreis ausüben, auch wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) die Beseitigung der Mängel verlangt und Klage gegen den Bauträger erhoben hat.
  • Das Zurückbehaltungsrecht besteht in der Regel nur in Höhe des jeweiligen Miteigentumsanteils des Eigentümers. Dieser Anteil ist maßgeblich für die Mithaftungsquote bezüglich der Mängelbeseitigungskosten.
  • Ein Einbehalt ist regelmäßig in Höhe der doppelten Mängelbeseitigungskosten möglich. Allerdings ist nicht höchstrichterlich geklärt, ob sich der Einbehalt nur auf die Miteigentumsanteile bezieht.
  • Das Zurückbehaltungsrecht kann auch bei geringfügigen Mängeln ausgeübt werden. Der Besteller braucht die Mängel nicht zu beseitigen und dann Regress zu nehmen, sondern kann direkt den Werklohn mindern.
  • Voraussetzung ist, dass die Mängel dem Bauträger angezeigt wurden und er eine angemessene Frist zur Nachbesserung hatte. Erst wenn er die Mängel nicht fristgerecht beseitigt, kann der Erwerber den Einbehalt vornehmen.

Insgesamt bietet das Zurückbehaltungsrecht dem einzelnen Wohnungseigentümer also einen effektiven Schutz, wenn der Bauträger oder Verkäufer seiner Pflicht zur mangelfreien Herstellung des Gemeinschaftseigentums nicht nachkommt. Es ist ein wichtiges Druckmittel, um eine zeitnahe Mängelbeseitigung durchzusetzen.

Welche Schritte sollten unternommen werden, bevor ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht wird?

Bevor ein Käufer ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht, sollten folgende Schritte unternommen werden:

  • Mängel genau dokumentieren: Der Käufer sollte die Mängel sorgfältig dokumentieren, am besten mit Fotos und einer detaillierten Beschreibung. Dies dient als Beweismittel für die Berechtigung des Zurückbehaltungsrechts.
  • Verkäufer schriftlich in Verzug setzen: Der Verkäufer muss schriftlich, am besten per Einschreiben mit Rückschein, über die Mängel informiert und aufgefordert werden diese zu beseitigen. Dabei sollte eine angemessene Frist gesetzt werden.
  • Höhe des Einbehalts beziffern: Der Käufer sollte die Höhe des Betrags, den er zurückbehalten möchte, genau beziffern. Dieser sollte in einem angemessenen Verhältnis zu den Mängeln stehen. Als Richtwert gelten oft die doppelten Mängelbeseitigungskosten.
  • Zurückbehaltungsrecht ausdrücklich erklären: Der Käufer muss dem Verkäufer unmissverständlich mitteilen, dass und warum er seine Zahlung vorübergehend zurückhält. Ohne ausdrückliche Erklärung hat das Zurückbehaltungsrecht keine Wirkung.
  • Grundsatz von Treu und Glauben beachten: Das Zurückbehaltungsrecht darf nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden, etwa wegen eines nur geringfügigen Mangels oder zur Unzeit, wenn dem Verkäufer ein unverhältnismäßig hoher Schaden droht.
  • Ansprüche vor Verjährung sichern: Der Käufer sollte darauf achten, das Zurückbehaltungsrecht noch vor Ablauf der Verjährungsfrist für Mängelansprüche geltend zu machen.

Durch sorgfältige Vorbereitung stellt der Käufer also sicher, dass er das Zurückbehaltungsrecht wirksam ausüben kann, um die Beseitigung von Mängeln durchzusetzen, ohne selbst vertragsbrüchig zu werden. Im Zweifel empfiehlt sich die Einschaltung eines spezialisierten Anwalts.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 536 BGB – Minderung bei Sach- und Rechtsmängeln: Dieser Paragraph regelt, dass bei Mängeln, die den Gebrauch der Mietsache erheblich beeinträchtigen, der Mieter berechtigt ist, die Miete zu mindern. Im Kontext des vorgegebenen Themas ist dieser Paragraph relevant, da er die Grundlage für das Recht des Klägers bildet, bei Vorliegen von Mängeln am Gemeinschaftseigentum, hier speziell bei der nicht vertragsgemäßen Errichtung einer Zugangsrampe und eines Trafohäuschens, eine Minderung oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen.
  • § 640 BGB – Abnahme: Dieser Paragraph beschäftigt sich mit der Abnahme des Werkes durch den Besteller. Im vorgegebenen Kontext ist er von Bedeutung, da die Abnahme der Gewerbeeinheit und des Gemeinschaftseigentums ein zentrales Element des Streits darstellt, insbesondere im Hinblick auf die festgestellten Mängel und die darauf basierende Verweigerung der vollständigen Zahlung durch den Kläger.
  • § 242 BGB – Treu und Glauben: Dieser allgemeine Grundsatz des deutschen Zivilrechts könnte im Kontext des Falls relevant sein, da er die Ausübung von Rechten und Pflichten nach Treu und Glauben verlangt. Im speziellen Fall könnte argumentiert werden, dass die Handlungen der Beklagten, insbesondere die Errichtung der Rampe und des Trafohäuschens ohne Zustimmung, diesem Grundsatz widersprechen.
  • § 648a BGB – Sicherheitsleistung für Bauforderungen: Dieser Paragraph ermöglicht es dem Besteller eines Bauwerks, Sicherheit für die Erfüllung der Werklohnforderung des Unternehmers zu verlangen. Im Kontext des Falls könnte dies relevant sein im Hinblick auf die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils und die Möglichkeit der Sicherheitsleistung durch den Vollstreckungsschuldner.
  • Wohnungseigentumsgesetz (WEG): Dieses Gesetz regelt die Teilung von Gebäuden in einzelne selbstständige Eigentumseinheiten und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Es ist besonders relevant für den vorliegenden Fall, da es die rechtliche Grundlage für das Eigentum am Gemeinschaftseigentum sowie für die Verwaltung und Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch die Eigentümergemeinschaft bietet.
  • Bauträgervertrag: Ein spezifisches Gesetz hierzu gibt es nicht, aber es handelt sich um einen Vertragstyp, der im Bau- und Immobilienrecht verankert ist und bei dem der Bauträger die Errichtung oder Sanierung von Immobilien übernimmt und diese dann verkauft. Im vorliegenden Fall ist der Bauträgervertrag zentral, da er die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beklagten enthält und die Basis für die rechtliche Auseinandersetzung bildet, insbesondere hinsichtlich der Mängel am Gemeinschaftseigentum und der daraus resultierenden Rechte und Pflichten beider Parteien.


Das vorliegende Urteil

OLG Oldenburg – Az.. 12 U 114/22 – Beschluss vom 27.04.2023

In dem Rechtsstreit hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 27. April 2023 einstimmig beschlossen:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 07.07.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin des Landgerichts Osnabrück wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 443.738,25 Euro.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einem Bauträgervertrag auf Mängelbeseitigung in Anspruch, die Beklagte begehrt widerklagend die Rückabwicklung des Vertrages.

Der Kläger erwarb von der Beklagten mit notariellem Vertrag vom 19.12.2017 einen 3734/100000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück G1 in Ort2, verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbeeinheit (…) im Erdgeschoss des auf dem Grundstück zu errichtenden Wohn- und Geschäftshauses. In der Gewerbeeinheit sollte die Ehefrau des Klägers eine gynäkologische Praxis betreiben. Der Kaufpreis für die Einheit betrug 331.819,60 Euro und war gemäß § 3 des Vertrages nach Baufortschritt in 7 Teilbeträgen zu zahlen. Gemäß § 1 Nr. 4a) des Vertrages war der Kaufgegenstand in Bauausführung und -ausstattung entsprechend den beigefügten Bauzeichnungen und Baubeschreibungen zu errichten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrags wird auf die Anlage K1 zur Klage nebst Baubeschreibung und Bauzeichnungen Bezug genommen. Die Beklagte hatte das Objekt nach dem Wohnungseigentumsgesetz in 34 Einheiten geteilt, eine Ablichtung der Teilungserklärung vom 24.01.2017 war dem Vertrag beigefügt.

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Baubeginn für das Objekt war der 20.05.2017, gemäß § 7 Nr. 2 des Vertrages war eine Bauzeit von 15 Monaten vereinbart, drei Monate später sollte die vollständige Fertigstellung erfolgen. Nachdem die Beklagte mit der Fertigstellung in Verzug geraten war und die Ehefrau des Klägers ihre bisherige Praxis absehbar räumen musste, fand am 13.12.2018 eine Baubesprechung über das weitere Vorgehen statt. Dabei wurde u.a. vereinbart, dass die Räume für die gynäkologische Praxis bis zum 31.01.2019 fertiggestellt werden sollte und die Beklagte bis dahin eine behindertengerechte Zuwegung und zwei bis drei Stellplätze für Praxisbesucher herstellen sollte. Während in der Baubeschreibung und -zeichnung für das Gebäude eine schlangenförmige barrierefreie Zuwegung an der westlichen Seite des Haues Straße1 geplant war, errichtete die Beklagte nachfolgend eine Rampe vor der Fensterfront der verfahrensgegenständlichen Gewerbeeinheit des Klägers. An der ursprünglich für die Rampe vorgesehenen Stelle wurde dagegen ein (in den Plänen nicht verzeichnetes) Trafohäuschen der Stadtwerke für die Stromversorgung des Komplexes gebaut. Die Stromversorgung sollte ursprünglich im Keller des Gebäudes untergebracht werden. Weder für die Umplanung der Rampe noch für den Bau des Trafohäuschens holte die Beklagte eine Zustimmung der Eigentümergemeinschaft ein.

Am 15.02.2019 wurde die Gewerbeeinheit schließlich an den Kläger übergeben. Unter dem 15.03.2019 stellte die Beklagte dem Kläger einen Betrag von 19.040,- Euro für die Herstellung von drei Stellplätzen in Rechnung. Unter dem 13.03.2020 rechnete die Beklagte gegenüber dem Kläger Mehrkosten für die Herstellung eines Behinderten-WC i.H.v. 4.019,63 Euro ab. Ebenfalls unter dem 13.03.2020 erstellte sie die Schlussrechnung für die Gewerbeeinheit, die unter Berücksichtigung der Abschlagszahlungen einen Forderungsbetrag von 57.264,- Euro auswies. Der Kläger leistete zunächst keine Zahlungen. Die Beklagte erklärte erstmals unter dem 20.08.2019 und nochmals unter dem 18.12.2020 wegen bestehender Zahlungsrückstände den Rücktritt vom Vertrag. Eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist bislang nicht erfolgt. Die Erschließungsbeiträge und Hausanschlusskosten sind von der Beklagten erst zu etwa 75 % beglichen, so dass nach dem Vertrag vom 19.12.2017 diesbezüglich ein anteiliges Zurückbehaltungsrecht besteht.

Der Kläger hat behauptet, dass bei dem errichteten Gebäude am Gemeinschaftseigentum verschiedene Mängel vorlägen. So habe die Beklagte u.a. die Rampe als barrierefreier Gebäudezugang nicht an der vertraglich vorgesehenen Stelle, sondern vor der Fensterfront der Gewerbeeinheit errichtet und an der für die Rampe vorgesehenen Örtlichkeit abweichend vom Vertrag ein Trafohäuschen gebaut. Für die Verlegung der Rampe ist, was unstreitig ist, ein Betrag von (mindestens) 17.255,- Euro aufzuwenden, für das erforderliche Versetzen des Trafohäuschens ist nach einem erstinstanzlich unstreitigen Privatgutachten des Klägers ein Betrag von 90.000,- Euro erforderlich. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte zur vertragsgemäßen Herstellung der Rampe verpflichtet ist. Im Hinblick auf die von der Beklagten abgerechneten Forderungen stehe ihm insoweit ein Zurückbehaltungsrecht zu, die Kosten der Stellplätze und die Mehrkosten für das Behinderten-WC seien von ihm nach den Vereinbarungen mit der Beklagten nicht zu tragen. Wegen einer nach dem Rücktritt angedrohten Räumung des Objekts habe er anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die in der Teilungserklärung des Notars DD vom 24.01.2017 (UR-Nr. (…)) im dortigen zur Anlage genommenen Freiflächenplan ersichtliche barrierefreie Zugangsrampe an der Westseite des Grundstücks wie in der Anlage T1 farblich blau umrandet, ordnungsgemäß herzustellen.

2. die Beklagte zu verurteilen, nach der Errichtung der nach Ziffer Nr. 1 geschuldeten Rampe, die vor dem Sondereigentum des Klägers an der Westseite gebaute barrierefreie Zugangsrampe, wie in der Anlage T2 farblich blau umrandet, zu entfernen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.293,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2021 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten und hat behauptet, dass die Verlegung des Trafohäuschens und der Rampe wegen der fehlenden Zustimmung eines Miteigentümers und einer Weigerung der Stadtwerke unmöglich sei. Dem Kläger stünde wegen des Umbaus der Rampe auch kein Zurückbehaltungsrecht in der geltend gemachten Höhe zu, weil wegen des Mangels auch andere Wohnungseigentümer Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht hätten. Im Übrigen habe der Kläger einer Verlegung der Rampe bei der Besprechung am 13.12.2018 zugestimmt. An diesem Termin sei die Gewerbeeinheit auch von dem Kläger abgenommen worden. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe dem Kläger nach dem Vertrag allenfalls in Bezug auf die letzte Kaufpreisrate (16.590,98 Euro) und wegen der Rampe in Höhe von 2.710,88 Euro zu. Die abgerechneten Stellplätze und das Behinderten-WC seien vom Kläger zu vergüten. Insgesamt habe der Kläger danach mit Blick auf die Gesamtforderung der Beklagten erhebliche Teile des Kaufpreises nicht gezahlt, so dass die Beklagte zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt gewesen und der Vertrag nunmehr zurückabzuwickeln sei.

Die Beklagte hat widerklagend beantragt, den Kläger zu verurteilen, das Teileigentum, Teileigentumsgrundbuch von Ort2, (…), Miteigentumsanteil von 3734/100.000stel, G1 verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbeeinheit im Erdgeschoss und Kellerraum im Untergeschoss jeweils (…) des Aufteilungsplans zur Größe von 139,39 qm Zug um Zug gegen Zahlung von 274.555,62 Euro an die Beklagte rückaufzulassen und zu übergeben.

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

Er ist der Widerklage entgegengetreten und die Ansicht vertreten, dass ein fälliger Zahlungsanspruch der Beklagten und damit ein wirksamer Rücktritt nicht gegeben sei.

Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung der weitergehenden Klage stattgegeben, soweit der Kläger die Errichtung einer neuen Rampe und den Abbau der vorhandenen Rampe gelten gemacht hat. Die Widerklage hat das Landgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nach dem Vertrag vom 19.12.2017 die Errichtung der Rampe an der geltend gemachten Stelle verlangen könne. Der von der Beklagten (mehrfach) erklärte Rücktritt vom Vertrag sei jeweils unwirksam. Nach dem ersten Rücktritt vom 20.08.2019 hätten beide Parteien erkennen lassen, am Vertrag festhalten zu wollen, so dass der Rücktritt nicht zur Rückabwicklung führe. Der am 18.12.2020 erklärte Rücktritt sei nicht wirksam, da dem Zahlungsanspruch der Beklagten ein den Forderungsbetrag übersteigendes Zurückbehaltungsrecht des Klägers gegenübergestanden hätte. Die geltend gemachten Kosten für die Stellplätze und die Mehrkosten für das Behinderten-WC könne die Beklagte dabei nach dem Vertrag nicht beanspruchen. Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, in der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 07.07.2022 abzuändern und den Kläger zu verurteilen, das Teileigentum, Teileigentumsgrundbuch von Ort2, (…), Miteigentumsanteil von 3734/100.000stel, G1 verbunden mit dem Sondereigentum an der Gewerbeeinheit im Erdgeschoss und Kellerraum im Untergeschoss jeweils (…) des Aufteilungsplans zur Größe von 139,39 qm Zug um Zug gegen Zahlung von 274.555,62 Euro an die Beklagte rückaufzulassen und zu übergeben.

2. Die Klage abzuweisen

Hilfsweise, das Verfahren unter Aufhebung des am 07.07.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Osnabrück an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und tritt der Berufung nach Maßgabe seiner Erwiderung entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

II.

Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurück, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 15.03.3023 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die weitergehenden Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 25.04.2023 geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Die Beklagte wiederholt hier lediglich ihren Vortrag zu einer vermeintlichen Unmöglichkeit der Verlegung der geschuldeten Rampe, mit dem sich der Senat im vorgenannten Hinweisbeschluss bereits hinreichend auseinandergesetzt hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt weder ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit vor, da der Verlegung der Rampe kein dauerndes Rechtshindernis entgegensteht, noch kann sich die Beklagte auf eine subjektive Unmöglichkeit berufen, da die fehlende Zustimmung eines Miteigentümers zur Verlegung oder auch eine erklärte Weigerung der Stadtwerke für sich genommen keine für die Beklagte unüberwindbaren Leistungshindernisse darstellen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 15.03.2023 wird insoweit verwiesen.

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 97 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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