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Benachteiligung behinderter Menschen – Entschädigung

Bundesarbeitsgericht

Az: 8 AZR 515/10

Urteil vom: 28.04.2011


In Sachen hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. April 2011 für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. März 2010 – 11 Sa 1618/09 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen.

Seit Oktober 2000 ist der Kläger bei der Beklagten als Kommissionierer für eine Bruttomonatsvergütung von zuletzt etwa 2.700,00 Euro beschäftigt. Er war vom 3. September 2007 bis 12. August 2008 arbeitsunfähig erkrankt und vom 13. August 2008 bis 9. Februar 2009 in Untersuchungshaft. Auch während der Haft war er arbeitsunfähig krank. Nach Angaben seiner Krankenkasse vom 7. April 2008 litt der Kläger seit dem 3. September 2007 an „Angst und Depressionen“.

Mit Schreiben vom 18. April 2008 hatte die Beklagte den Kläger zu einem „Wiedereingliederungsgespräch“ eingeladen. In diesem Schreiben heißt es ua.:

„Einladung zum Wiedereingliederungsgespräch

Guten Tag Herr ….,

uns ist aufgefallen, dass Sie in den letzten Jahren häufiger Ihre Arbeitsleistungen nicht erbringen konnten, da Sie arbeitsunfähig erkrankt waren.

Dabei handelt es sich im Einzelnen um folgende Fehltage:

Jahr AbwT

2007-2008 seit 03.09.2007

2007 60 Tage

2006 37 Tage

2005 37 Tage

2004 18 Tage

2003 43 Tage

2002 25 Tage

2001 2 Tage

Wir möchten mit Ihnen ein Gespräch zum Wiedereingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchführen und dabei mit Ihnen Ihre Fehlzeiten erörtern.

In diesem Gespräch sollen Möglichkeiten besprochen werden, wie Ihre Fehlzeiten in der Zukunft gesenkt werden können.

Das Gespräch findet statt am:

26. Mai 2008, um 10:00 Uhr

Neben der Betriebs- und Personalleitung wird auch der Betriebsrat und ein Mitarbeiter des Integrationsamtes Essen teilnehmen.

Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie diesen Termin wahrnehmen.

…“

Der Kläger ließ daraufhin mit Anwaltsschreiben vom 23. Mai 2008 erwidern:

„…

Unser Mandant ist derzeit leider aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, Ihrer Einladung zu einem Eingliederungsgespräch zu folgen.

Diese Erörterung kann entweder schriftlich stattfinden oder mit dem Unterzeichner als Vertreter unseres Mandanten nach vorheriger telefonischer Terminsabstimmung.

Hinsichtlich der seit dem 03.09.2007 bestehenden Arbeitsunfähigkeit geben wir Ihnen bekannt, dass der behandelnde Arzt unseres Mandanten eine Kur bei der Krankenkasse beantragt hat, so dass insofern mit einer dauerhaften Besserung zu rechnen ist.

Hinsichtlich der vom 01.07. bis 12.07.2002, vom 18.04.2003 bis 01.07.2003, vom 14.10. bis 08.11.2004, vom 13.07. bis 04.09.2005, vom 20.11. bis 30.12.2006, vom 08.03. bis 24.03.2007, vom 13.04. bis 06.05. und vom 10.07. bis 26.08.2007 bestehenden Erkrankung, einer Lumboischialgie und einer Sehnenerkrankung am Arm teilen wir Ihnen mit, dass diese durch die besonderen Bedingungen der Arbeitstätigkeit, die durch schwere Arbeit unter Zeitdruck, häufiges Bücken und Arbeiten in der Zwangshaltung verursacht sind, insofern aber durch die länger dauernde Schonung eine deutliche Besserung eingetreten ist, sodass voraussichtlich in absehbarer Zeit mit wesentlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten auch insofern nicht zu rechnen ist.

Wenn Sie unseren Mandanten auf einem Arbeitsplatz mit geringeren körperlichen Belastungen, z. B. als Staplerfahrer, einsetzen, ist zudem in keinem Fall mehr mit erheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten zu rechnen.

…“

Nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 2. Januar 2009 kündigte die Beklagte dem Kläger am 12. Januar 2009 schriftlich „aus krankheitsbedingten Gründen“ zum 31. Mai 2009. Nachdem der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben hatte, nahm die Beklagte mit Zustimmung des Klägers die Kündigung zurück. Seit 16. Februar 2009 war der Kläger wieder arbeitsfähig.

Er behauptet, seine Erkrankungen stellten eine Behinderung dar. Die Beklagte habe ihm gerade wegen dieser Erkrankungen und nicht wegen der sich daraus ergebenden betrieblichen Auswirkungen gekündigt. So habe sie im Rahmen der Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG lediglich pauschal auf betriebliche Auswirkungen hingewiesen.

Der Kläger meint, ihm stehe eine Entschädigung zu, weil er durch den Ausspruch der Kündigung aufgrund seiner Behinderung ungerechtfertigt diskriminiert worden sei. Indiz für eine Benachteiligung sei insbesondere, dass die Beklagte kein betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX (im Folgenden: BEM) durchgeführt habe. Außerdem habe die Beklagte im Rahmen der Betriebsratsanhörung Sachverhalte vorgebracht, welche im vorliegenden Falle nicht gegeben seien. So seien wegen der Langzeiterkrankung des Klägers keine Entgeltfortzahlungsansprüche mehr entstanden und Störungen des Produktionsprozesses seien deshalb nicht eingetreten, weil die Beklagte gewusst habe, dass der Kläger dauerhaft arbeitsunfähig gewesen sei.

Als Entschädigung hält der Kläger einen Betrag in Höhe von 30.000,00 Euro für angemessen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine angemessene, ins Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie beruft sich darauf, ihre ihr nach § 84 Abs. 2 SGB IX obliegende Pflicht erfüllt zu haben. Auch würde eine gesetzwidrige Nichtdurchführung des BEM kein Indiz für eine Verknüpfung zwischen Diskriminierungsmerkmal und Kündigungsentscheidung darstellen. Im Übrigen sei die Kündigung gegenüber dem Kläger auch nicht wegen einer Behinderung, sondern deshalb ausgesprochen worden, weil aus Sicht der Beklagten die in der Vergangenheit aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitszeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen geführt hätten. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass sie gegenüber einem anderen, nicht behinderten Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten in gleichem oder ähnlichem Umfange wie beim Kläger keine Kündigung ausgesprochen habe oder aussprechen werde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Ihm steht die geltend gemachte Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG nicht zu.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Es könne offenbleiben, ob wegen einer Kündigung überhaupt ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in Frage kommen könne, weil die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Entschädigungsanspruchs im Streitfalle nicht erfüllt seien. Zugunsten des Klägers könne unterstellt werden, dass eine Anwendung des § 15 Abs. 2 AGG trotz der Ausschließlichkeitsanordnung des § 2 Abs. 4 AGG in Fällen der Unwirksamkeit einer diskriminierenden Kündigung zulässig sei. Die Beklagte habe den Kläger aber nicht wegen einer Behinderung unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG benachteiligt. Ungeachtet einer zugunsten des Klägers angenommenen Behinderung stelle die Kündigungserklärung der Beklagten vom 12. Januar 2009 keine Benachteiligung des Klägers dar, weil sich die Beklagte eines zulässigen Gestaltungsmittels zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses bedient habe. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte gegenüber einem anderen, nicht behinderten Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten in gleichem oder auch nur ähnlichem Umfange keine Kündigung ausspricht, ausgesprochen hat oder aussprechen würde. Das Vorbringen des Klägers lasse auch keinen Schluss auf die Vermutung einer Ursächlichkeit zwischen der (zu seinen Gunsten als Benachteiligung gewerteten) Kündigungserklärung und einer (ebenso zu seinen Gunsten angenommenen) Behinderung zu. So spreche der äußere Anschein dafür, dass es der Beklagten allein um eine mit den krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers begründete Kündigung gegangen sei. Die Nichtdurchführung des BEM habe nur Bedeutung im Rahmen der dem Arbeitgeber für die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG obliegenden Darlegungslast. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (im Folgenden: RL 2000/78/EG) verbiete keine Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen Krankheit.

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Die Klage ist zulässig.

Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger eine „angemessene“ Entschädigung begehrt. Der Sache nach stellt der Kläger die Höhe der begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Dem Gericht wird damit hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Steht dem Gericht ein solcher hinsichtlich der Entschädigungshöhe zu bzw. hängt die Bestimmung eines Betrages vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Der Kläger muss allerdings Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrages heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (Senat 22. Oktober 2009 – 8 AZR 642/08 – AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4).

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht die Festsetzung der Höhe einer Entschädigung ermöglicht, und Angaben zur Größenordnung dieser Entschädigung, nämlich 30.000,00 Euro, gemacht.

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG sind nicht erfüllt. Deshalb kann dahinstehen, ob § 2 Abs. 4 AGG, der für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz für anwendbar erklärt, dazu führt, dass § 15 AGG bei unzulässig diskriminierenden Kündigungen nicht anwendbar ist (offengelassen unter Darstellung des Meinungsstreits: Senat 22. Oktober 2009 – 8 AZR 642/08 – AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4 und BAG 6. November 2008 – 2 AZR 523/07 – BAGE 128, 238 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 82; problematisiert unter europarechtlicher Sicht: Temming Anm. 2 zu BAG 6. November 2008 – 2 AZR 523/07 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 182).

2. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann der Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Der Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG voraus. Dies stellt zwar § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG nicht ausdrücklich klar, ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG (Senat 22. Januar 2009 – 8 AZR 906/07 – BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

3. Gemäß § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt werden. Gegen dieses Benachteiligungsverbot hat die Beklagte nicht verstoßen.

a) § 7 Abs. 1 AGG knüpft an die in § 1 AGG angeführten Merkmale an. Der Kläger beruft sich auf das Merkmal der Behinderung.

aa) Nach der Gesetzesbegründung entspricht der Begriff der Behinderung des AGG den sozialrechtlich entwickelten gesetzlichen Definitionen in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und § 3 BGG (BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union versteht den Begriff „Behinderung“ im Sinne der RL 2000/78/EG dahingehend, dass er eine Einschränkung erfasse, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen sei und die ein Hindernis für die Teilhabe der Betreffenden am Berufsleben bildeten. Die Begriffe „Behinderung“ und „Krankheit“ ließen sich nicht schlicht und einfach einander gleichsetzen. Die Bedeutung, welche der Gemeinschaftsgesetzgeber Maßnahmen zur Einrichtung des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Behinderung beigemessen habe, zeige, dass er an Fälle gedacht habe, in denen die Teilhabe am Berufsleben über einen langen Zeitraum eingeschränkt sei. Damit die Einschränkung unter den Begriff „Behinderung“ falle, müsse wahrscheinlich sein, dass sie von langer Dauer sei (EuGH 11. Juli 2006 – C-13/05 – [Chacón Navas] Slg. 2006, I-6467).

bb) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers eine „Behinderung“ iSd. Rechtsprechung des EuGH unterstellt.

b) Die Beklagte hat durch den Ausspruch der krankheitsbedingten Kündigung vom 12. Januar 2009 den Kläger nicht wegen einer (als vorliegend unterstellten) Behinderung unzulässig iSd. AGG benachteiligt.

aa) Eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten verpönten Merkmals eine weniger günstige Behandlung erleidet als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Es ist erforderlich, dass die betreffende Person einer weniger günstigen Behandlung ausgesetzt ist als eine in einer vergleichbaren Situation befindliche Person, bei der das Merkmal nicht vorliegt (Senat 22. Oktober 2009 – 8 AZR 642/08 – AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4).

bb) Mit der Kündigungserklärung hat sich die Beklagte eines zulässigen Gestaltungsmittels zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bedient. Sie hat die Kündigung auf Gründe in der Person des Klägers – konkret: die in der Vergangenheit aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitszeiten, welche aus ihrer Sicht die Befürchtung auch künftiger Fehlzeiten in einem erheblichen Maße begründen – gestützt. Dies ergibt sich ua. auch aus dem Anhörungsschreiben der Beklagten vom 2. Januar 2009 an den Betriebsrat im Rahmen der Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG. In diesem Schreiben hat die Beklagte im Einzelnen unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dargelegt, dass sie aufgrund der bisherigen Fehlzeiten des Klägers mit weiteren Erkrankungen in bisherigem Umfange rechne und dass diese „zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen“ führen würden.

Die Äußerung des Willens zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mag für den Erklärungsempfänger ungünstig und nachteilig sein. Es sind aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte gegenüber einem anderen, nicht behinderten Arbeitnehmer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten in gleichem oder auch nur ähnlichem Umfange, wie sie beim Kläger vorgelegen haben, keine Kündigung ausspricht, ausgesprochen hat oder aussprechen würde. Dies trägt der Kläger auch nicht konkret vor.

cc) Es liegt auch keine mittelbare Benachteiligung des Klägers nach § 3 Abs. 2 AGG vor. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Behinderung und zu Ausfallzeiten führende Arbeitsunfähigkeit nicht gleichzusetzen sind. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung basiert auf den Fehlzeiten des Klägers. Der Schluss, dass die Beklagte bei den von ihr ausgesprochenen personen- bzw. krankheitsbedingten Kündigungen überproportional behinderte Menschen trifft, kann nicht gezogen werden. Dies hat der Kläger auch weder behauptet noch ist solches anderweitig ersichtlich.

dd) Rechtsfehlerfrei ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht wegen einer Behinderung benachteiligt worden ist.

Da für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erforderlich ist, muss ein Kausalzusammenhang vorliegen. Dieser ist dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist, dass ein in § 1 AGG genannter Grund Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (Senat 22. Januar 2009 – 8 AZR 906/07 – BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Nach den gesetzlichen Beweisregelungen in § 22 AGG genügt es, dass der Anspruchsteller im Streitfalle Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Sodann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Die mit Revisionsrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen keinen Schluss auf die Vermutung einer Ursächlichkeit zwischen der (zugunsten des Klägers als Benachteiligung gewerteten) Kündigungserklärung und einer (wiederum zugunsten des Klägers angenommenen) Behinderung zu. Der Kläger beruft sich auf die ausgesprochene, später jedoch zurückgenommene Kündigung und auf das in seiner Person erfüllte Diskriminierungsmerkmal der Behinderung. Dies vermag eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine gesetzwidrige Motivation der Kündigungsentscheidung oder deren Verknüpfung mit einem verpönten Merkmal nach § 1 AGG nicht zu begründen. Es bedarf bei einem ua. mit dem Entschädigungsanspruch sanktionierten Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zwar keiner „subjektiven Komponente“ im Sinne einer Benachteiligungsabsicht. Allerdings muss eine Anknüpfung der Handlung des Benachteiligenden an ein Diskriminierungsmerkmal zumindest in Betracht kommen können (Senat 22. Oktober 2009 – 8 AZR 642/08 – AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4).

Als gestaltende Willenserklärung knüpft die Kündigungserklärung als solche nicht an ein Diskriminierungsmerkmal an. Insoweit können aber etwa die Kündigungsmotivation bzw. die der Kündigungsentscheidung zugrunde liegenden Überlegungen durchaus Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Erklärung und einem Merkmal nach § 1 AGG sein. Auf einen solchen kann aus der Kündigungsbegründung oder aus anderen äußeren Umständen geschlossen werden. Derartige Umstände sind aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hier nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Der äußere Anschein spricht vorliegend gerade dafür, dass es der Beklagten allein um eine mit den krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers begründete Kündigung gegangen ist. Soweit sie aus „krankheitsbedingten Gründen“ gekündigt hat, ist die Krankheit als solche kein Grund, dessentwegen Personen zu benachteiligen die RL 2000/78/EG verbietet (vgl. EuGH 11. Juli 2006 – C-13/05 – [Chacón Navas] Slg. 2006, I-6467).

Mit der Argumentation des Klägers könnte letztlich bei jeder Kündigungserklärung gegenüber einem Arbeitnehmer, der ein Merkmal iSd. § 1 AGG aufweist (was beispielsweise beim Geschlecht immer der Fall ist), auch eine Kündigung wegen dieses Merkmals angenommen werden. Allein das Vorliegen eines Diskriminierungsmerkmals iSd. § 1 AGG in der Person des Benachteiligten reicht für die Annahme eines Kausalzusammenhanges jedoch grundsätzlich nicht aus (Senat 22. Oktober 2009 – 8 AZR 642/08 – AP AGG § 15 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 4).

4. An diesem Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn die Beklagte das BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX gesetzwidrig nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt hätte. Daher kommt es auf die streitige Frage, ob die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 18. April 2008 an den Kläger in Zusammenschau mit dessen Antwortschreiben vom 23. Mai 2008 ihren Verpflichtungen nach § 84 Abs. 2 SGB IX genügt hat, nicht an.

a) § 84 Abs. 2 SGB IX gilt nicht nur für behinderte, sondern für alle Arbeitnehmer (BAG 12. Juli 2007 – 2 AZR 716/06 – BAGE 123, 234 = AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28 = EzA SGB IX § 84 Nr. 3).

b) Aufgrund der Fehlzeiten des Klägers in den Jahren 2007 und 2008 lagen die Voraussetzungen einer Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung eines BEM nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vor.

c) Das Unterlassen eines vorgeschriebenen BEM führt nicht zur Unwirksamkeit einer aufgrund der Krankheitszeiten ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung (BAG 24. Januar 2008 – 6 AZR 96/07 – EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 7). Auch sonstige Rechtsfolgen für einen Verstoß gegen § 84 Abs. 2 SGB IX sieht das Gesetz nicht vor (BAG 12. Juli 2007 – 2 AZR 716/06 – BAGE 123, 234 = AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 28 = EzA SGB IX § 84 Nr. 3). Allerdings hat ein solcher Verstoß Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers in einem Kündigungsschutzprozess (vgl. dazu: BAG 10. Dezember 2009 – 2 AZR 198/09 – AP SGB IX § 84 Nr. 3 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 57).

Da die Beklagte die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung mit dessen Zustimmung zurückgenommen hat, spielt es im Streitfalle keine Rolle, ob und wie sich ein möglicherweise unterlassenes oder fehlerhaft durchgeführtes BEM auf die Wirksamkeit der Kündigung ausgewirkt haben könnte.

d) Ein Verstoß der Beklagten gegen § 84 Abs. 2 SGB IX würde auch kein Indiz iSd. § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen einer Behinderung darstellen. § 84 Abs. 2 SGB IX ist keine besondere Schutzvorschrift zugunsten Behinderter, weil sie für alle Arbeitnehmer gilt. Damit ist sie nicht vergleichbar mit besonders dem Schutz behinderter Arbeitnehmer dienenden Regelungen, wie §§ 81, 82, 83 oder 85 SGB IX.

Ein Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchzuführen, könnte mithin allenfalls ein Indiz für die Vermutung darstellen, dass sie sich nicht an ihre gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern mit längeren Krankheitszeiten hält, aber nicht dafür, dass sie behinderte Arbeitnehmer unzulässig benachteiligt.

Damit ist ein Verstoß gegen § 84 Abs. 2 SGB IX nicht vergleichbar mit Verstößen gegen ausschließlich zugunsten behinderter Arbeitnehmer bestehende Verpflichtungen, welche ein Indiz iSd. § 22 AGG für eine unzulässige Benachteiligung Behinderter darstellen können (vgl. BAG 21. Juli 2009 – 9 AZR 431/08 – AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1 – Verstoß gegen § 82 SGB IX – und 18. November 2008 – 9 AZR 643/07 – AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19 – Verstoß gegen § 81 SGB IX aF).

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

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