Entschädigung für entgangenen Gewinn: Energieversorger siegt im Rechtsstreit um Kabelbeschädigung
In einem komplexen Fall, der vor dem Landgericht Landshut verhandelt wurde, ging es um die Frage, ob ein Energieversorger Anspruch auf Entschädigung für entgangenen Gewinn hat, nachdem sein Stromkabel bei Kanalbauarbeiten beschädigt wurde. Die Klägerin, ein regionales Energieversorgungsnetz, forderte von der Beklagten, einem Bauunternehmen, eine Entschädigung in Höhe von 36.428,18 € nebst Zinsen. Der Fall drehte sich um die rechtliche Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Schadensersatz für entgangenen Gewinn hat, der durch die Versorgungsunterbrechung und die daraus resultierende Herabsetzung der Erlösobergrenze durch die Bundesnetzagentur entstanden ist.
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Übersicht:
- Entschädigung für entgangenen Gewinn: Energieversorger siegt im Rechtsstreit um Kabelbeschädigung
- Beweislage und Argumente der Parteien
- Gerichtliche Bewertung und Sachverständigengutachten
- Rechtliche Grundlagen und Urteilsbegründung
- Auswirkungen und Schlussfolgerungen
- Haben Sie einen entgangenen Gewinn durch Kabelbeschädigung? Rechtliche Unterstützung ist greifbar!
- Sachfolgeschaden wegen entgangenen Gewinns – kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Beweislage und Argumente der Parteien
Die Klägerin argumentierte, dass die Beklagte bei Kanalbauarbeiten ein 20-kV-Kabel beschädigt habe, was zu einer Versorgungsunterbrechung führte. Diese Unterbrechung hatte negative Auswirkungen auf das sogenannte Qualitätselement, das wiederum die Erlösobergrenze beeinflusst, die von der Bundesnetzagentur festgelegt wird. Die Beklagte hingegen behauptete, dass die Versorgungsunterbrechung nicht zwangsläufig zu einem Stromausfall führen müsse und dass die Herabsetzung der Erlösobergrenze nicht automatisch zu einem Gewinnentgang führe.
Gerichtliche Bewertung und Sachverständigengutachten
Das Gericht zog zur Klärung der Sachlage einen Sachverständigen hinzu. Dieser bestätigte, dass die Versorgungsunterbrechung tatsächlich zu einem Ausfall an installierter Leistung geführt hat und dass die Klägerin dadurch finanzielle Einbußen erlitten hat. Das Gericht folgte dieser Einschätzung und stellte fest, dass die Klägerin Anspruch auf Schadensersatz hat.
Rechtliche Grundlagen und Urteilsbegründung
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf § 823 Abs. 1 BGB, der besagt, dass bei einer Eigentumsverletzung der dadurch verursachte Schaden zu ersetzen ist. In diesem Fall umfasste der Schaden den entgangenen Gewinn der Klägerin, der durch die Versorgungsunterbrechung und die daraus resultierende Herabsetzung der Erlösobergrenze entstanden ist.
Auswirkungen und Schlussfolgerungen
Das Urteil könnte weitreichende Folgen für ähnliche Fälle haben, in denen es um die Frage geht, ob und in welchem Umfang Energieversorger Anspruch auf Schadensersatz für entgangenen Gewinn haben, der durch Versorgungsunterbrechungen entstanden ist. Es verdeutlicht die Bedeutung der sorgfältigen Planung und Durchführung von Bauarbeiten in der Nähe von kritischen Infrastrukturen wie Stromnetzen.
Haben Sie einen entgangenen Gewinn durch Kabelbeschädigung? Rechtliche Unterstützung ist greifbar!
Die Beschädigung eines 20-kV-Kabels kann weitreichende finanzielle Folgen haben, insbesondere wenn es zu entgangenen Gewinnen kommt. Das Urteil des LG Landshut zeigt, dass die Rechtslage nicht immer einfach ist. Wenn auch Sie von einem ähnlichen Fall betroffen sind, sollten Sie nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wir bieten eine fundierte Ersteinschätzung Ihrer Situation und beraten Sie anschließend umfassend zu Ihren rechtlichen Optionen. Unsere Expertise in Handels- und Zivilrecht macht uns zum idealen Partner für Ihr Anliegen. Nehmen Sie jetzt Kontakt mit uns auf, um Ihre Ansprüche sicherzustellen.
Sachfolgeschaden wegen entgangenen Gewinns – kurz erklärt
Ein Sachfolgeschaden wegen entgangenen Gewinns bezieht sich auf den finanziellen Verlust, der einem Unternehmen oder einer Person durch ein schädigendes Ereignis entsteht, das über den unmittelbaren Sachschaden hinausgeht. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn durch die Beschädigung einer Maschine oder eines Kabels der Betrieb gestört wird und dadurch Einnahmen ausbleiben. Der entgangene Gewinn ist in § 252 BGB geregelt und gehört zum zu ersetzenden Schaden. Er gilt als entgangen, wenn er nach den besonderen Umständen oder dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
In der Rechtsprechung gibt es Fälle, in denen Unternehmen den Ersatz von Sach- und Sachfolgeschäden, einschließlich entgangenen Gewinns, vor Gericht geltend gemacht haben. Beispielsweise können Netzbetreiber, die durch die Herabsetzung der Erlösobergrenzen oder durch Kabelschäden Gewinneinbußen erleiden, Schadensersatzansprüche stellen. Die Geltendmachung von entgangenem Gewinn als Schadenersatz kann komplex sein und erfordert in der Regel den Nachweis, dass der Gewinn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erzielt worden wäre, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Dies kann durch betriebswirtschaftliche Auswertungen, Gutachten oder andere Belege erfolgen.
Es ist auch wichtig zu beachten, dass der entgangene Gewinn sowohl Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 280 I BGB als auch Schadensersatz statt der Leistung sein kann, je nach Phase und Umständen des Einzelfalls.
In bestimmten Branchen wie dem Eisenbahnverkehr oder dem Energiesektor können Sachfolgeschäden wegen entgangenen Gewinns besonders relevant sein, da hier die Betriebsabläufe stark von der Funktionsfähigkeit technischer Anlagen abhängen und Ausfälle zu erheblichen finanziellen Einbußen führen können.
Das vorliegende Urteil
LG Landshut – Az.: 53 O 4178/18 – Endurteil vom 19.10.2020
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 36.428,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 26.768,68 € seit dem 20.01.2018 und aus einem Betrag in Höhe von 9.659,50 € seit dem 11.03.2020 zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 36.428,57 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt im Rahmen des § 11 Energiewirtschaftsgesetzes ein regionales Energieversorgungsnetz. Mit der Klage verfolgt die Klägerin den Sachfolgeschaden wegen entgangenen Gewinns aufgrund der Beschädigung eines 20-kV-Kabels durch die Beklagte.
Am 14.05.2015 beschädigte die Beklagte bei Kanalbauarbeiten ein 20-kV-Kabel in – – mit einem Bagger. Daraufhin bezahlte die Beklagte auf den entstandenen Sachschaden zur Reparatur des Kabels einen Betrag in Höhe von € 3.221,93.
Den behaupteten entgangenen Gewinn hat die Klägerin gegenüber der Beklagten als Schaden mit Rechnung vom 04.12.2017 geltend gemacht und diese mit Anschreiben vom 13.12.2017 übermittelt. Mit Schreiben vom 09.01.2018 (Anlage K5) wurde die Beklagte durch die Klägerin nochmals zur Zahlung unter Fristsetzung bis zum 19.01.2018 aufgefordert.
Die Klägerin behauptet, sie bzw. deren Rechtsvorgängerin – sei am 14.05.2015 Eigentümerin eines 20-kV-Kabels in – – gewesen. Die Klägerin sei aktivlegitimiert. Die außergerichtliche Anspruchstellerin, die -, habe zum 03.07.2017 ihr gesamtes Netzgeschäft auf eine 100%ige Tochtergesellschaft, die Beklagte, übertragen. Durch die streitgegenständliche Versorgungsunterbrechung seien 1.098,708 MVAmin (Megvoltampereminuten) an Energie nicht an den Letztverbraucher ausgeliefert worden und ausgefallen. Die Bundesnetzagentur habe den aktuellen Monetarisierungsfaktor für Versorgungsunterbrechungen im hier betroffenen Kalenderjahr 2015 in Festlegungsperiode 2017-2018 auf EUR 0,21 pro Minute und Letztverbraucher beziehungsweise in Festlegungsperiode 2019-2020 auf EUR 0,22 festgelegt. Die Auswirkung im Qualitätselement errechne sich aus der Multiplikation des Monetarisierungsfaktors mit der Gesamtzahl der Letztverbraucher und dem Quotienten aus unterbrochenen Bemessungsscheinminuten und der Gesamtbemessungsleistung im Jahr. Diese Multiplikation ergebe eine Auswirkung der Versorgungsunterbrechung bei der Berechnung der Entgeltobergrenze in Höhe von insgesamt € 36.428,57.
Die Klägerin beantragt zuletzt, die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 36.428,57 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von € 26.768,68 Betrag seit dem 20.01.2018 und aus einem Betrag in Höhe von € 9.659,89 seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.
Der Ausfall einer Leitung führe keineswegs zu einem Stromausfall oder zu einer Versorgungsunterbrechung, weil über den Rest des Netzes grundsätzlich die Versorgungsleistungen übernommen werden können. Das Qualitätselement sei falsch und in unzulässiger Weise festgelegt worden. Allein die Tatsache, dass im Juli 2017 die Bundesnetzagentur rückwirkend für das Jahr 2017 einen Malus festgelegt hat, zeige, dass der Beschluss insgesamt unzulässig und somit unwirksam sei. Die Gesamtbemessungsscheinleistung sei nicht zutreffend ermittelt worden. Der Bescheid der Bundesnetzagentur sei im Übrigen von Wettbewerbern der Klägerin angegriffen worden, insoweit treffe die Klagepartei ein Mitverschulen. Die Gesamtzahl der Netzverbraucher sei nicht zutreffend ermittelt worden. Nicht allein die Herabsetzung einer Erlösobergrenze führe zu einem Gewinnentgang. Es wird zudem bezweifelt, ob nicht eine schnellere Wiedereinschaltung des Netzes hätte stattfinden können.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen -. Hierzu wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.10.2019 (Bl. 45ff.) Bezug genommen. Weiter wurde Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen – vom 27.03.2020 (Bl. 81ff.) sowie vom 03.08.2020 (Bl. 113ff.), das dieser in der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2020 (Bl. 140ff.) erläuterte.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von EUR 36.428,18 aus § 823 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hatte unstreitig bei Kanalbauarbeiten das Eigentum der – an dem 20-kV-Kabel in – mit einem Bagger zumindest fahrlässig verletzt. Nach dem vorgelegten Handelsregisterauszug (Anlage K1) steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass der daraus resultierende deliktische Anspruch als Bestandteil des Vermögens Teilbetrieb Netz der – gemäß Ausgliederungsvertrag vom 30.05.2017 sowie Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 30.05.2017 und Beschluss der Hauptversammlung der – vom 30.05.2017 gemäß § 123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG auf die Klägerin im Rahmen einer Ausgliederung zur Aufnahme übertragen wurde, mithin die Klägerin im Ergebnis auch aktivlegitimiert ist.
I. Die Klägerin kann von der Beklagten Ersatz des Gewinns verlangen, der ihr entging, weil die Beschädigung ihres Stromkabels eine Versorgungsunterbrechung verursachte, die zu einer Verschlechterung ihres Qualitätselements und – in der Folge – zu einer Herabsetzung der von der Bundesnetzagentur festgelegten Erlösobergrenzen führte (hierzu grundlegend: BGH, Urteil vom 08. Mai 2018 – VI ZR 295/17 -, Rn. 11, juris).
I) Bei einer Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB ist der dadurch adäquat verursachte Schaden zu ersetzen, wobei sich der Umfang des Ersatzanspruchs nach den §§ 249 ff. BGB bemisst. Der Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung richtet sich auf das negative Interesse. Der Geschädigte ist deshalb so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten stünde (BGH, Urteil vom 17. Juli 2001 – X ZR 65/99, NJW-RR 2001, 1599, 1600). Der danach zu ersetzende Schaden umfasst den entgangenen Gewinn (§ 249 Abs. 1, § 252 Satz 1 BGB). Entgangener Gewinn ist ein mittelbarer Schaden, der vom Schädiger gemäß §§ 249 Satz 1, 252 Satz 1 BGB zu ersetzen ist. Er umfasst alle Vermögensvorteile, die dem Geschädigten im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zwar noch nicht zustanden, ohne dieses Ereignis aber angefallen wären. Entgangener Gewinn ist daher stets anzunehmen, wenn der Geschädigte infolge Beeinträchtigung seines Eigentums etwaige Produktionsmittel nicht gewinnbringend nutzen kann (BGH, Urteil vom 08. Mai 2018 – VI ZR 295/17 -, Rn. 16f., juris).
I) Der Klägerin sind infolge der Eigentumsverletzung Vermögensvorteile entgangen.
I) Aufgrund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Klägerin infolge der Beschädigung ihres 20-kV-Kabels in – – durch einen Bagger der Beklagten ein Schaden entstanden ist, dass die durch die Arbeiten eingetretene Versorgungsunterbrechung im Mittelspannungsnetz der Klägerin zu einem Ausfall an installierter Leistung in Höhe von 1.098,708 MVAmin geführt hat, sich das Qualitätselement gem. § 19 Anreizregulierungsverordnung verschlechtert und sich dadurch die Erlösobergrenze nach § 4 Anreizregulierungsverordnung gesenkt hat, sowie dass im Ergebnis der Klägerin Netzentgelte in Höhe von EUR 36.428,18 entgangen sind.
I) Nach Anhörung des sachverständigen Zeugen -, dessen Aufgabe darin bestand, als Mitarbeiter der Klägerin in der Abteilung Störungsmanagement alle Störungsunterbrechungen zu sammeln und an die Bundesnetzagentur zu übermitteln, bestehen keine Zweifel daran, dass die beklagtenseits verursachte Beschädigung der streitgegenständlichen Leitung am Schadensort zu einer Versorgungsunterbrechung von 1.098,708 MVAmin geführt hat.
(I) So erklärte der Zeuge im Rahmen seiner Einvernahme am 25.10.2019 anhand des vom Netzleitsystem automatisch erstellten Störungsberichts unter Ziffer 4 (Anlage K7), dass es sich bei dem Ereignis am 14.05.2015 um eine Fremdeinwirkung mit Störungsbeginn 14.26 Uhr gehandelt hat. Demnach hatte das Störungsleitsystem einen Fehler festgestellt und einen Alarm ausgelöst. Das im Störungsbericht genannte Fehlerobjekt der „- 20 TH304405“ im Zusammenhang mit der genannten Station „- UW UWYMKOF“ legt hierbei genau den Bereich fest, in dem der Schaden durch den Bagger stattgefunden hat. Zwar ist im Störungsbericht unter „Fehlerort Nr.: 2“ ein weiteres Fehlerobjekt „-“, „Station -“ genannt, das belegt, dass es einen weiteren Fehlerort gegeben hat. Der Zeuge, der an der Störungsbeseitigung vor Ort nicht beteiligt war, konnte indes anhand des vorgelegten Störungsberichts glaubhaft darlegen, dass die Ursache für das zweite Fehlerobjekt darin lag, dass durch die Beschädigung des Kabels ein sogenannter Erdschluss im Netz entstanden war, mit der Folge, dass eine überhöhte Spannung eingetreten war. Jedenfalls hat die Zeugeneinvernahme die Angaben im Störungsbericht bestätigt, wonach im genannten Gebiet keine zweite Fremdeinwirkung bekannt geworden ist.
(I) Der Sachverständige – bestätigte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2020, dass eine Zuordnung zwischen Folgeschaden und eingetretener Störung aufgrund des vorliegenden zeitlichen sehr engen und netzräumlichen sehr nahen Zusammenhangs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben ist (Bl. 142). Zwar könne bei einem geplanten Ausfall einer Stromleitung durchaus der Fall eintreten, dass eine Störung nicht auftritt. Im vorliegenden Fall führte gemäß der vorliegenden Unterlagen der Ausfall/die Beschädigung jedoch zu einer Unterbrechung (Bl. 85). Das in Anlage K7 als Fehlerort Nr. 2 erwähnte Ereignis „Mehrfacherdschluss mit Mehrfachausfall“ sei demnach ein üblicher Folgefehler, resultierend aus dem ersten Fehler „Erdarbeiten“. Aufgrund der örtlichen und zeitlichen Nähe ist dieser weitere Fehler als Folgefehler dem Ereignis „Erdarbeiten“ zuzuordnen (Bl. 115). Das Gericht macht sich die widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen zu eigen, so dass im Ergebnis die Kabelbeschädigung in – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als die einzige Ursache für die klägerseits dargelegte Versorungsunterbrechung angesehen werden kann.
(I) Der Zeuge – erklärte zudem anhand des Störungsberichts, dass sich aus der dortigen Ziffer „5. Versorgungsunterbrechungen“ die unterschiedlichen betroffenen Trafostationen, das sind Ortsnetztransformatoren einerseits und andererseits Letztverbrauchertransformatoren, entnehmen lassen. Aus der dritten Spalte „Beginn“ ergibt sich der Beginn der Unterbrechung, aus der Spalte „Ende“ das Ende der Unterbrechung. Aus der Spalte „unterbrochene installierte Trafoleistung (Unterbr. Sr)“ ergibt sich demnach die konkrete Leistung des Trafos. Multipliziert mit der konkreten Dauer der Versorgungsunterbrechung ergeben sich hieraus dann die in der Spalte „Unterbr. MVAmin.“ genannten Megavoltampereminuten. Summiert man diese im Störungsbericht aufgeführten Unterbrechungen, ergeben sich die in Ziffer 5 genannten „Unterbrochene MVAMinuten (Netztr.)“ von 1.002,2692 sowie „Unterbrochene MVA (LV-Trafo)“ von 96,4388, mithin ein Ausfall von insgesamt 1.098,708 MVAMin. Der Sachverständige – bestätigte im Übrigen die Höhe der klägerseits vorgetragenen Versorgungsunterbrechung.
I) Die streitgegenständliche Stromunterbrechung am 14.05.2015 in – – führte in der Folge zu einer erhöhten Dauer der Versorgungsunterbrechungen im Netzgebiet und nachfolgend zu einer Verschlechterung des Qualitätselementes des Netzbetreibers und somit zu einer Absenkung der Erlösobergrenze in späteren Jahren.
(I) Der Sachverständige bestätigte in dem Zusammenhang, dass sich ein im Kalenderjahr 2015 erfolgter Unterbrechungsschaden – wie im hiesigen Fall – gemäß der Vorgaben der Bundesnetzagentur in zwei Festlegungsperioden des Qualitätselementes auswirkt, und zwar sowohl in das 3. Qualitätselement der Jahre 2017 und 2018, als auch in das 4. Qualitätselement der Jahre 2019 und 2020. Der Sachverständige bestätigte zudem, dass die von der Beklagten verursachte Versorgungsunterbrechung über das Qualitätselement nach § 19 ARegV in der Regulierungsformel dazu geführt hat, dass die von der Bundesnetzagentur für die Klägerin festgelegte Erlösobergrenze nach § 4 Anreizregulierungsverordnung um den Klagebetrag niedriger ausgefallen ist, als es ohne die Versorgungsunterbrechung der Fall gewesen wäre.
(I) Die von der Beklagtenseite bestrittene Datengrundlage zur Berechnung des konkreten Mindererlöses lässt sich den klägerseits übermittelten Anlagen entnehmen. Die Gesamtheit der angeschlossenen Letztverbraucher im Versorgungsgebiet (LV gesamt), Arithmetisches Mittel 2013-2015, lässt sich hierbei für das Gericht der Anlage 6 entnehmen, mithin 2.331.236,6667. Die Gesamtheit der angeschlossenen Letztverbraucher im Versorgungsgebiet (LV gesamt), Arithmetisches Mittel 2015-2017, betrug gemäß Anlage K9 2.314.239,6667. Die installierte Leistung im Netz der Klägerin lag im Jahr 2015 bei 20.081 MVA, vgl. Anlage K3. Der Monetarisierungsfaktor auf Basis der Daten der Kalenderjahre 2013 bis 2015 beträgt gemäß Anlage K8 0,21 €/min/Letztverbraucher/a, der Monetarisierungsfaktor auf Basis der Daten der Kalenderjahre 2015 bis 2017 beträgt gemäß Anlage K9 0,22 €/min/Letztverbraucher/a. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die der Berechnung des Mindererlöses zugrundeliegenden Werte, wie beispielsweise die Gesamtbemessungsscheinleistung falsch sind, sind für das Gericht nicht erkennbar geworden.
(I) Nach den Ausführungen des Sachverständigen ergibt die Auswirkung der Versorgungsunterbrechung bei der Berechnung der Entgelt-Obergrenze (= Erlösobergrenze) einen Betrag von EUR 36.428,18. Bei dem zu Grunde gelegten Rechenweg, den der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft mit seinem Leitfaden (Anwendungshilfe) zur Ermittlung von Sachfolgeschäden durch fremdverursachte Versorgungsunterbrechungen mit Datum vom 28. September 2018 vorgelegt hat, handelt es sich nach Erläuterung des Sachverständigen um eine näherungsweise Ermittlung eines Sachfolgeschadens. Diese sei als gute fachliche Praxis anerkannt. Der Schaden berechnet sich wie folgt (Bl. 86/87):
1.098,708 MVA min * 2.331.237
Letztverbraucher * 0,21 € * 2/3 20.081 MVA min Letztverbraucher
= 17.857,12 €
Gemäß Anwendungshilfe bezieht sich die so ermittelte Schadenssumme auf einen 3-jährigen Wirkungszeitraum und muss für die zweijährige Festlegungsperiode (2017 – 2018) um den Faktor 2/3 ergänzt werden.
Da der Schaden aus 2015 auch in die 4. Festlegungsperiode (2019 – 2020) hineinwirkt, muss dies noch wie folgt ergänzt werden:
1.098,708 MVA min * 2.314.240
Letztverbraucher * 0,22 € * 2/3 20.081 MVA min Letztverbraucher
= 18.571,06 €
Somit ergibt sich der gesamte Schaden zu 17.857,12 € + 18.571, 06 € = 36.428,18 €.
(I) Das Gericht macht sich die näherungsweise Ermittlung des Sachfolgeschadens zu eigen. Sowohl § 287 ZPO wie § 252 BGB verlangen für die Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen. Sie sind die Grundlage, auf der das Ermessen bei einer Beweiswürdigung nach § 287 ZPO und die Wahrscheinlichkeitsprüfung nach § 252 Satz 2 BGB gründen (BGH, Urteil vom 08. Mai 2018 – VI ZR 295/17 -, Rn. 37, juris). Ausgehend von der vorgelegten Datengrundlage der Klägerin liegen aus Sicht des Gerichts für eine näherungsweise Schadensberechnung ausreichend greifbare Tatsachen vor, um im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO die Schadenshöhe schätzen zu können, zumal der Sachverständige glaubhaft darlegte, dass er sich selbst in gleichartigen Fällen durch umfangreiche Kalkulationen von der Richtigkeit bzw. Zuverlässigkeit dieser näherungsweisen Rechenmethode überzeugen konnte. Der Sachverständige erläuterte hierzu, dass die wesentlich aufwändigere Ermittlung eines Sachfolgeschadens über fiktive Nachberechnung des Bonus-Males-Wertes aus dem jeweiligen Beschluss der Bundesnetzagentur rechnerisch zu nahezu identischen Ergebnissen führte. Insofern konnte der Sachverständige die näherungsweise Ermittlung eines Sachfolgeschadens nach Methode der bdew-Anwendungshilfe, wie sie von der Klägerin angestellt wurde, als hinreichend genau festhalten.
I) Der zu ersetzende Schaden ist auch nicht aufgrund eines Mitverschuldens der Klägerpartei wegen Verletzung ihrer Schadensgeringhaltungspflicht zu reduzieren gemäß § 254 Abs. 1 BGB.
I) Die Beklagtenseite, die der Klägerin ganz allgemein zum Vorwurf macht, dass diese den aus ihrer Sicht unzulässigen und daher unwirksamen Bescheid der Bundesnetzagentur aus dem Jahr 2017 nicht angegriffen habe, vermag den Beweis eines Mitverschuldens der Klagepartei nicht zu führen. Entgegen der Behauptung der Beklagtenpartei besteht kein Verbot der rückwirkenden Anpassung der Erlösobergrenze durch das Qualitätselement. Nach Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 07. November 2018 – 3 Kart 67/17) ist auch unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 4 Abs. 5 S. 2 ARegV, der von einer Anpassung zum 1. Januar des folgenden Kalenderjahres spricht, nicht von einem generellen Verbot rückwirkender Anpassungen auszugehen. Die Entscheidung über den Zeitpunkt der Anpassung steht vielmehr im Ermessen der Regulierungsbehörde.
I) Es bestehen zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerseite im Rahmen der Beseitigung der Versorgungsunterbrechung entgegen den allgemein anerkannten Regeln der Technik gehandelt, mithin eine Verzögerung der Schadensbeseitigung jedenfalls mitverursacht hätte. Die Beklagte vermochte den Beweis eines entsprechenden Mitverschuldens nicht zu erbringen. Der Zeuge -, der damals als Servicetechniker in Rufbereitschaft vor Ort war, räumte zwar im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme ein, dass er eine längere Anfahrt von 60 Minuten bis zum betreffenden Netzbereich hatte. Indes gab er glaubhaft an, dass er nach Eintreffen vor Ort nach seinem Dafürhalten sehr schnell mit der Fehlerbehebung beginnen konnte. So erinnerte er sich, dass die Schadstelle ohne weitere Verzögerungen gefunden werden konnte. Diese Annahme bestätigte auch der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2020, wonach die Zeit für die Behebung der Störung im Mittelspannungsbereich, wie sie vorliegend benötigt worden ist, in keinster Weise auffällig, sondern eher als zügige Bearbeitung zu bewerten ist.
I. Der klägerische Anspruch in Höhe von 26.768,68 € ist nach Mahnung vom 09.01.2018 zu verzinsen, §§ 288, 286 Abs. 1, 187 BGB. Die mit Klageerweiterung zusätzlich geltend gemachte und nach Erholung der gutachterlichen Berechnung begründete Hauptforderung in Höhe von noch 9.659,50 € ist gem. §§ 291, 288 BGB jedenfalls ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, d.h. ab dem auf die Zustellung der Klageerweiterung (10.03.2020) folgenden Tag, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 BGB analog.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1, 2 ZPO.