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Beseitigung des Grenzüberbaus einer Terrasse

Gerichtsurteil: Grenzüberbau einer Terrasse für nichtig erklärt

Das Landgericht Kassel entschied, dass der Beseitigungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten wegen eines Terrassenüberbaus verjährt ist. Das Gericht wies die Klage ab, da keine ausreichenden Beweise für eine wesentliche Veränderung der Terrasse seit ihrer ursprünglichen Errichtung vor mehr als 30 Jahren vorgelegt wurden. Die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen, und eine Revision wurde nicht zugelassen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 S 211/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Beseitigungsanspruch: Der Anspruch der Klägerin auf Beseitigung des Terrassenüberbaus wurde als verjährt angesehen.
  2. Verjährungsfrist: Die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB fand keine Anwendung; stattdessen galt die Regelverjährung nach § 195 BGB.
  3. Unveränderte Terrasse: Das Gericht erkannte keine wesentlichen Veränderungen an der Terrasse seit ihrer Errichtung an.
  4. Keine Neuerrichtung: Die Behauptung der Klägerin, dass die Terrasse neu errichtet und somit verändert wurde, konnte nicht bewiesen werden.
  5. Kosten des Rechtsstreits: Die Klägerin wurde zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verurteilt.
  6. Keine Revision zugelassen: Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und eine Revision wurde nicht zugelassen.
  7. Beweislast: Die Klägerin konnte die behauptete wesentliche Veränderung der Terrasse nicht nachweisen.
  8. Keine Duldungspflicht: Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin keine Duldungspflicht des Überbaus gemäß § 912 Abs. 1 BGB hat.

Grenzstreitigkeiten im Fokus: Die Bedeutung von Verjährungsfristen

Im Bereich des Nachbarrechts treten häufig Konflikte auf, die sich um Grenzüberbauten und deren Beseitigungsansprüche drehen. Solche Streitigkeiten sind nicht nur für die betroffenen Parteien von Bedeutung, sondern werfen auch grundlegende Fragen hinsichtlich der Verjährungsfristen und der rechtlichen Handhabung von Überbauten auf. Speziell im Kontext von Terrassenüberbauten entstehen oft komplexe rechtliche Herausforderungen, die sowohl das Baurecht als auch das Nachbarrecht tangieren.

In der Praxis zeigt sich, dass die Entscheidungen in solchen Fällen stark von den spezifischen Umständen abhängen, wie etwa der Dauer des Überbaus und dessen Beeinträchtigung auf das Nachbargrundstück. Besonders interessant sind dabei Urteile, die sich mit der Verjährung von Beseitigungsansprüchen befassen. Diese können maßgeblich darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang ein Überbau geduldet werden muss. Wir betrachten im Folgenden einen Fall, in dem solche Fragen zentral sind. Lassen Sie uns gemeinsam ergründen, wie das Gericht entschieden hat und welche Implikationen dies für ähnliche Fälle in der Zukunft haben könnte.

Der Streit um den Grenzüberbau einer Terrasse

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Landgericht Kassel stand der Grenzüberbau einer Terrasse im Zentrum einer rechtlichen Auseinandersetzung. Ausgangspunkt war die Klage einer Grundstückseigentümerin, die geltend machte, ihr Nachbar habe mit seiner Terrasse die Grenze zu ihrem Grundstück überschritten. Dieser Grenzüberbau stellte das Kernproblem dar und führte zu einer gerichtlichen Überprüfung der Rechtslage.

Die juristische Bewertung des Überbaus

Das Amtsgericht Fritzlar hatte ursprünglich der Klägerin Recht gegeben und den Beklagten zur Beseitigung des Überbaus verurteilt. Die Terrasse des Beklagten ragte nachweislich über die Grenze hinaus. Dabei berief sich das Gericht auf § 903 BGB, der grundsätzlich das Recht des Eigentümers betont, andere von Einwirkungen auf sein Grundstück auszuschließen, sowie auf § 1004 Abs. 1 BGB, der die Beseitigung eines solchen Überbaus ermöglicht. Die Klägerin war nicht verpflichtet, den Überbau gemäß § 912 Abs. 1 BGB zu dulden, da kein einheitliches Gebäude überbaut wurde und der Teil der Terrasse, der über die Grenze hinausging, ohne Beeinträchtigung des Wesens oder der Funktion des Gebäudes zurückgebaut werden konnte.

Die Wendung im Berufungsverfahren

Die Entscheidung des Amtsgerichts wurde jedoch vom Landgericht Kassel im Berufungsverfahren revidiert. Der Beklagte argumentierte erfolgreich, dass der Beseitigungsanspruch der Klägerin nach § 1004 BGB bereits verjährt sei. Das Gericht stellte fest, dass für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche die Regelverjährung des § 195 BGB gilt und nicht die 30jährige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Entscheidend war hierbei, dass die Terrasse bereits mehr als 30 Jahre bestand und keine wesentlichen Veränderungen erfahren hatte, die eine Neubewertung der Verjährungsfrist gerechtfertigt hätten.

Verjährung und die Folgen für die Klägerin

Das Gericht ließ keine Revision zu und wies darauf hin, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Durch diese Entscheidung wurde deutlich, dass in Fällen von Grenzüberbauten die Verjährungsfristen eine wesentliche Rolle spielen und dass die Duldung eines Überbaus über Jahrzehnte hinweg zu einem rechtlichen Bestandsschutz führen kann. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen dieses Urteil auf ähnliche Fälle in der Zukunft haben wird, insbesondere im Hinblick auf die Rechte von Grundstückseigentümern und die Bedeutung von Verjährungsfristen im Nachbarrecht.

In diesem speziellen Fall des LG Kassel hat sich gezeigt, wie komplex und vielschichtig rechtliche Auseinandersetzungen im Bereich des Nachbarrechts sein können, insbesondere wenn es um langjährige Grenzüberbauten und die damit verbundenen rechtlichen Ansprüche geht.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was beinhaltet der Begriff Grenzüberbau im Baurecht?

Der Begriff „Grenzüberbau“ im Baurecht bezieht sich auf eine Bebauung, die die Grenzen eines Grundstücks überschreitet und sich somit (teilweise) auf einem Nachbargrundstück befindet. Dies kann sowohl oberirdisch, beispielsweise durch einen Balkon oder eine Terrasse, als auch unterirdisch, etwa durch einen Keller, geschehen.

Ein Grenzüberbau kann durch verschiedene Umstände entstehen, beispielsweise durch Vermessungs- oder Ausführungsfehler oder wenn sich die Beteiligten vor der Bauausführung keine Gedanken zum Grenzverlauf machen.

Die rechtlichen Regelungen zum Grenzüberbau sind in Deutschland in den Bauordnungen der Bundesländer sowie im Baugesetzbuch (BauGB) festgelegt. Grundsätzlich gilt, dass Eigentümer nur innerhalb ihrer Grenze bauen dürfen und dabei Abstandsvorschriften zum Nachbarsgrundstück einhalten müssen.

Es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen ein Grenzüberbau zulässig ist. So kann beispielsweise ein Überbaurecht auf freiwilliger Basis durch Einräumung einer Dienstbarkeit entstehen. Zudem kann der betroffene Nachbar vom bauenden Nachbarn den Abkauf des überbauten Grundstücks verlangen, wobei der Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Überbaus maßgebend ist.

Trotz eines Grenzüberbaus bleibt der überbaute Teil weiterhin Eigentum des Bauenden und gilt nicht als Bestandteil des überbauten Grundstücks. Bei einem rechtzeitigen Nachbarwiderspruch können in einzelnen Fällen die ganz oder teilweise erstellten Gebäudeteile abgerissen oder verschoben werden müssen, was umfangreiche Streitigkeiten zwischen den am Bau Beteiligten verursachen kann.

Welche Rolle spielt § 1004 BGB bei Streitigkeiten um Überbauten?

Der § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) spielt eine zentrale Rolle bei Streitigkeiten um Überbauten. Dieser Paragraph regelt den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch. Wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird, kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

In Bezug auf Überbauten kann ein Grenzüberbau als eine partielle Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB angesehen werden. Der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks kann daher vom Verursacher des Überbaus die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.

Es gibt jedoch Ausnahmen, bei denen der Eigentümer zur Duldung des Überbaus verpflichtet ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Überbaurecht auf freiwilliger Basis durch Einräumung einer Dienstbarkeit entstanden ist oder wenn gesetzliche Regelungen eine Duldungspflicht vorsehen.

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Es ist zu beachten, dass der Anspruch auf Beseitigung des Überbaus ausgeschlossen ist, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Dies kann beispielsweise aufgrund rechtsgeschäftlich begründeter Duldungspflichten oder gesetzlich begründeter Duldungspflichten der Fall sein.

Insgesamt spielt der § 1004 BGB eine wichtige Rolle bei der Regelung von Streitigkeiten um Überbauten, indem er den Eigentümern das Recht gibt, die Beseitigung von Eigentumsbeeinträchtigungen zu verlangen und gegebenenfalls auf Unterlassung zu klagen.


Das vorliegende Urteil

LG Kassel – Az.: 1 S 211/21 – Urteil vom 24.03.2023

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Fritzlar vom 27.07.2021 – Az. 8 C 806/19 (15) – abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin hat mit ihrer Klage, soweit zweitinstanzlich noch streitgegenständlich, die Beseitigung des Grenzüberbaus einer Terrasse geltend gemacht.

Das Amtsgericht hat der Klage diesbezüglich stattgegeben und den Beklagten verurteilt, die von ihm auf dem Grundstück der Klägerin, Gemarkung „…“, errichtete Terrasse nebst Unterbau bis zur nördlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks der Beklagten, „…“, ab der unmittelbaren Linie vom Grenzpunkt an der westlichen Wand des Hauses des Beklagten seitlich der Terrassentür bis zum nächsten westlichen Grenzpunkt des Grundstücks des Beklagten zu entfernen. Zum Tatbestand wird auf Seite 2 ff. des Urteils (Bl. 274 ff. der Akte) verwiesen.

Das Amtsgericht hat zur Begründung angeführt, dass die auf dem Grundstück des Beklagten befindliche Terrasse mit ihrer Nordseite die Südgrenze des klägerischen Grundstücks unstreitig überbaue, wobei das Gericht keinen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Beklagten in Bezug auf die Überbauung dieser Grundstücksgrenze erkenne. Gemäß § 903 BGB sei die Klägerin grundsätzlich berechtigt, den Beklagten von jeder Einwirkung auf ihr Grundstück auszuschließen und dementsprechend gemäß § 1004 Abs. 1 BGB die Beseitigung des Überbaus zu verlangen. Die Klägerin treffe keine Pflicht zur Duldung des Überbaus gemäß § 912 Abs. 1 BGB. Der Anspruch der Klägerin auf Beseitigung des Überbaus sei auch nicht gemäß §§ 194 ff., 197 Abs. 1 Z. 2 BGB verjährt. Die Pflicht zur Duldung eines Überbaus setze voraus, dass ein einheitliches Gebäude übergebaut werde, wobei es ausreiche, dass der grenzüberschreitende Teil mit dem Teil auf dem Stammgrundstück bautechnisch so verbunden sei, dass er von diesem nicht getrennt werden könne, ohne dass einer der Teile zerstört oder im Wesen und/oder Funktion verändert werde. Der Überbau der Terrasse auf dem Grundstück der Klägerin betreffe jedoch nicht den Bereich der Verbindung der Terrasse mit dem Haus des Beklagten, sondern nur den Verlauf der Terrasse vom Haus des Beklagten in westliche Richtung. Ein Rückbau der Terrasse auf den Bereich des in seinem Eigentum stehenden Grundstücks sei problemlos möglich, ohne Wesen und Funktion des übergebauten Gebäudes, gleichgültig ob hiermit nur die Terrasse oder das gesamte Wohngebäude gemeint sind, zu beeinträchtigen. Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe dem Überbau zugestimmt, sei nicht bewiesen. Zum weiteren Inhalt der diesbezüglichen Entscheidungsgründe wird auf Seite 6 des Urteils (Bl. 278 der Akte) verwiesen.

Es könne dahingestellt bleiben, ob bereits vor den Umbauarbeiten des Beklagten die nach Norden gerichtete Abstützung der Terrasse das klägerische Grundstück seit mehr als 30 Jahren überbaut habe, da der Verjährungsbeginn im Sinne des § 200 BGB erst die Grenzüberbauung durch den Beklagten im Rahmen der Erneuerung der Abstützung der nördlichen Wand der Terrasse im Frühjahr und Sommer 2019 bilde. Unstreitig sei die nördliche Seite der Terrasse des Beklagten ursprünglich von einer Holzkonstruktion abgefangen worden, die der Beklagte vollständig entfernt habe. Mit Abbau der nördlichen Abfangung dieser Terrasse sei eine streitige, jedoch mögliche Grenzüberbauung der früheren Terrasse solange beseitigt, bis der Beklagte die Terrasse und hierbei insbesondere auch die nördliche Abfangung mittels Betonsteinen ebenso wieder neu errichtet habe wie die westliche Abfangung sowie den Belag der Terrasse. Erst mit Neuerrichtung der nördlichen Abfangung der gegenüber dem klägerischen Grundstück erhöhten Terrasse sein erneut ein Anspruch der Klägerin auf Beseitigung des Überbaus ihres Grundstücks und damit der Lauf der 30-jährigen Frist der Verjährung eines solchen Anspruchs entstanden. Zum weiteren Inhalt des Urteils wird auf Bl. 273 ff. der Akte verwiesen.

Gegen dieses ihm am 02.08.2021 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten vom 01.09.2021, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, die nach fristgerecht beantragter und bewilligter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 02.11.2021, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, begründet worden ist. Der Beklagte, der seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, ist der Ansicht, der Beseitigungsanspruch der Klägerin nach § 1004 BGB sei verjährt. Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach mit Abbau der nördlichen Abfangung der früheren Terrasse eine mögliche Grenzüberbauung solange beseitigt gewesen sei, bis er die Terrasse wieder neu errichtet habe, sei unzutreffend. Er habe unstreitig den vormals bestehenden Zaun entfernt und einen neuen errichtet, der unstreitig auf der Terrasse befestigt sei. Die Terrasse, die den Überbau darstelle, sei jedoch stets unverändert geblieben, was sämtliche Zeugen bestätigt hätten. Die Terrasse sei weder vergrößert noch erhöht noch in sonstiger Form räumlich verändert worden. Die Betonsteine, die er zur Abfangung eingebaut habe, seien unterhalb der bestehenden Terrasse eingebaut worden und hätten deren Ausmaß nicht verändert. Die Beseitigung des Überbaus der eigentlichen Terrasse, die die Klägerin verlange, sei verjährt. Dabei könne dahinstehen, ob der Anspruch der 30-jährigen Verjährung der §§ 195, 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB oder nach § 199 BGB der Regelverjährung unterliege. Zudem seien die Ansprüche der Klägerin auch verwirkt. Die Klägerin wisse seit über 30 Jahren, wie die Terrasse verlaufe, und habe sich an dem Überbau nie gestört. Zudem gehe das Amtsgericht auf seinen Einwand, die Klägerin verhalte sich rechtsmissbräuchlich, nicht ein. Das Eigentum der Klägerin werde durch den Überbau von 0,37 m², das entsprech 0,01 Prozents der gesamten Grundstücksfläche der Klägerin, nicht erheblich beeinträchtigt und diese in der Nutzung ihres Grundstücks in keiner Weise eingeschränkt. Zum weiteren Vortrag des Beklagten wird auf die Berufungsbegründung vom 02.11.2021 (Bl. 327 ff. der Akte) verwiesen.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 27.07.2021 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Fritzlar (Az. 8 C 806/19 (15)) die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht, Verjährung sei nicht eingetreten. Der Beklagte habe das Gelände auf ihrem Grundstück aufgefüllt, um seine Terrasse zu verlängern und habe drei Reihen der grauen Betonsteine übereinandergesetzt und mit Beton ausgegossen. Hierbei handele es sich um einen kompletten Neubau. Bei der Behauptung des Klägers, die Ausmaße der Terrasse seien nicht verändert worden, handle es sich um frei erfundenen, völlig unzutreffenden neuen Vortrag. Die Grenzüberbauung sei beseitigt worden, indem die ursprünglich vorhandene Holzkonstruktion vollständig entfernt und dann erneut die nördliche Abfangung mittels Betonsteinen errichtet worden sei. Mit der Entfernung der Holzkonstruktion sei eine Zäsur eingetreten. Zudem werde bestritten, dass zuvor überhaupt ein Überbau vorhanden gewesen sei. Dagegen spreche insbesondere die Aussage des Zeugen „…“, wonach es eine Verschiebung von 50-70 cm gegeben habe.

Der Beklagte habe den zunächst vorhandenen Sichtschutzzaun von dessen ursprünglichem Standort in Richtung ihres Grundstücks verschoben. Die Holzpalisade sei dort an der Hauswand des Beklagten angebracht gewesen, wo diese an die Hauswand angeschlossen habe. Dort schließe die Terrasse nach der Veränderung nicht mehr ab. Die Terrassenplatten endeten vielmehr heute erst dort, wo sich auf der Hauswand der Grenzpunkt befinde. Genau dort habe der Beklagte auf den Terrassenplatten einen neuen Zaun errichtet, der deutlich nach links, d.h. in nördliche Richtung auf ihr Grundstück versetzt worden sei. Dort hätten zuvor auch keine Platten gelegen. Sämtliche Zeugen hätten bestätigt, dass die Terrasse zuvor bereits dort geendet habe, wo der dunkle Streifen an der Hauswand zu sehen sei. Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 08.03.2022 (Bl. 360 ff. der Akte) verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Der Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der streitgegenständlichen Grenzüberbauung gegen den Beklagten gemäß §§ 903, 1004 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Terrasse des Beklagten ist gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt. Die 30jährige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB gilt vorliegend nicht, da für Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (§ 1004 Abs. 1 BGB) die Regelverjährung des § 195 BGB gilt (vgl. Grüneberg BGB, 82. Aufl. § 197 Rn 3).

Für den Verjährungsbeginn kommt es nicht auf den Neubau an, wenn schon mit dem Vorgängerbau das Eigentum spürbar beeinträchtigt gewesen ist (OLG Brandenburg Urteil vom 08.11.2007 – 5 U 179/06). Die Entstehung des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 hängt nicht davon ab, dass der Eigentümer von der Existenz der in seinem Grund und Boden unberechtigt befindlichen Gegenstände bzw. von dem Überbau Kenntnis hat (BGH Urteil vom 01.02.1994 – VI ZR 229/92).

Die Verjährung hat mit Errichtung der Terrasse, die unstreitig mehr als 30 Jahre zurückliegt, begonnen. Auch mit dem Umbau bzw. der Instandsetzung der Terrasse im Jahr 2019 durch den Beklagten hat keine erneute Verjährungsfrist hinsichtlich Anspruchs begonnen. Der der Klägerin obliegende Beweis dafür, dass die Terrasse im Jahr 2019 mit veränderten, vergrößerten Ausmaßen errichtet worden sei, ist nicht geführt. Hierfür reicht insbesondere die bloße Angabe des Zeugen „…“, er gehe davon aus, dass der Beklagte die Terrasse um 50-70 cm verschoben habe (Protokoll vom 25.09.2020 Bl. 139 Bd. 1 der Akte) nicht aus. Der Zeuge hat auf ausdrückliche Nachfrage des Klägervertreters geäußert, er gehe davon aus, dass die Terrasse in Richtung des klägerischen Grundstücks verschoben worden sei. Die damalige Trockenmauer sei schräg verlaufen. Die neue Mauer sei senkrecht gesetzt, so dass er davon ausgehe, dass der Beklagte die Terrasse verschoben habe. Die Behauptung einer tatsächlichen Vergrößerung ist mit der als Vermutung geäußerten vagen Annahme des Zeugen nicht bewiesen. Hierzu ist die Angabe des Zeugen zu unbestimmt geblieben. Die Zeugen „…“, „…“ und „…“ haben dagegen eindeutig bekundet, die Terrasse sei nicht vergrößert worden. Die Angaben der Zeugen im Hinblick auf die Spuren des früheren Zauns der ursprünglichen Terrasse (auch bezeichnet als Palisaden oder Sichtschutz) führen zu keinem anderen Ergebnis der Beweiswürdigung. Insofern ist insbesondere auf die Aussage der Zeugin „…“ zu verweisen, die ausgesagt hat, die Terrasse sei so gebaut worden, wie sie früher gewesen sei. Hinter der Holzpalisade habe man sich auf der Holzkonstruktion, die sich damals dort befunden hätte, hinstellen können. Die Holzkonstruktion sei durch eine Stützmauer ersetzt worden. Bei der Holzkonstruktion hat es sich unstreitig um die Abfangung der Terrasse gehandelt, die nunmehr durch Betonelemente ersetzt ist. Auf die Frage, ob in dem Bereich Terrassenplatten verlegt worden sind, wie von der Klägerin im Schriftsatz vom 20.02.2023 vorgetragen, kommt es nicht an. Selbst wenn in diesem Bereich zuvor keine Terrassenplatten verlegt worden waren, ergibt sich daraus keine Vergrößerung der Terrassenfläche an sich.

Der Beseitigungsanspruch der Klägerin ist danach verjährt. Auf die Frage, ob es sich um einen entschuldigten und gegebenenfalls zu duldenden Überbau handelt, kommt es deshalb nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10, 711, 713.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, es könne keinen dauerhaften Bestandsschutz für den von ihr behauptete Überbau geben, ist darauf zu verweisen, dass die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich die Beseitigung des Überbaus, nicht jedoch die Herausgabe des überbauten Grundstücksteils geltend gemacht hat.

 

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