Oberlandesgericht Karlsruhe
Az: 3 (5) SsBs 57/11 – AK 32/11
Beschluss vom 08.03.2011
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 30. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Konstanz zurückverwiesen.
Gründe:
Durch Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 30.11.2010 wurde der Betroffene wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines berauschenden Mittels zu einer Geldbuße von 500 € und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 1.12.2010.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
Das Urteil des Amtsgerichts hält in seiner Beweiswürdigung sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da sie die Feststellungen nicht zu tragen vermag.
Die Beweiswürdigung des Tatrichters unterliegt einer eingeschränkten Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Rechtsbeschwerdegerichte haben eine Prüfungsbefugnis dahingehend, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters plausibel, das heißt für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar ist. Die Beweiswürdigung muss somit die Tatsachenfeststellungen für das Rechtsbeschwerdegericht insgesamt nachvollziehbar machen. Mangelnde Plausibilität der Tatsachenfeststellungen ist als Rechtsfehler anzusehen. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung insbesondere, wenn sie in sich widersprüchlich oder lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt oder naheliegende Schlussfolgerungen nicht erörtert, wenn sie unklar ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, wenn sie eine Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vermissen lässt oder wenn der Tatrichter überspannte Anforderungen an die eine Verurteilung erforderliche Gewissheit stellt (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Rdn. 26 ff. zu § 337).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts nicht plausibel. Der innere Tatbestand des § 24a StVG erfordert, dass sich Vorsatz oder Fahrlässigkeit auch auf die fortbestehende Wirksamkeit des konsumierten Rauchmittels im Tatzeitpunkt bezieht. Liegt zwischen dem Konsum und dem Fahrt- antritt ein nicht unerheblicher Zeitraum, kann es an der Erkennbarkeit dieser fortbestehenden Wirksamkeit fehlen, so dass es näherer Ausführungen des Tatrichters bedarf, aufgrund welcher Umstände sich der Fahrzeugführer dennoch hätte bewusst machen können, dass der Konsum trotz des Zeitablaufs noch Auswirkungen haben kann; dies gilt insbesondere, wenn der Grenzwert nicht erheblich überschritten wurde (Senat, StV 2007, 307 und B. v. 16.9.2010 – 3 (7) SsBs 541/10 – AK 189/10; KG Berlin, NZV 2009, 572; OLG Saarbrücken, NJW 2007, 1373; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2007, 249; OLG Celle, NZV 2009, 89; OLG Hamm, NZV 2005, 428; OLG Braunschweig, StraFo 2010, 215).
Solche Ausführungen enthält das Urteil des Amtsgerichts nicht in ausreichender Weise. Es erschöpft sich vielmehr in der Erwägung, dass sich die Fahrlässigkeit aus dem leutseligen Auftreten des Betroffenen ergebe.
Die Überschreitung des Grenzwertes war nicht derart erheblich, dass auf konkrete Ausführungen zu dieser Frage hätte verzichtet werden können, zumal der vom Amtsgericht festgestellte zeitliche Abstand von 2 Tagen zwischen Konsum und Fahrt vergleichsweise groß ist.
Das amtsgerichtliche Urteil war deshalb mit den Feststellungen aufzuheben und an dieselbe Abteilung des Amtsgericht Konstanz zurückzuverweisen, da weitere oder abweichende tatsächliche Feststellungen nicht auszuschließen sind, die eine Verurteilung noch rechtfertigen könnten.
In der neuen Hauptverhandlung wird das Amtsgericht auf der Grundlage möglichst genauer Feststellungen zum Zeitpunkt und Umfang des Cannabiskonsums, zum Leistungsverhalten des Betroffenen im Kontrollzeitpunkt, seinem Konsumverhalten und zur spürbaren Wirkung der Konzentration von 6 ng Tetrahydrocannabinol im Blutserum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen zu klären haben, ob sich hieraus tragfähige Rückschlüsse auf die insgesamt konsumierte Menge Cannabis und die Bewusstseinslage des Betroffenen im Tatzeitpunkt ergeben.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die vielfach anzutreffende Bezugnahme auf verlesene Urkunden nicht zulässig ist und die Darstellung des Urkundeninhalts in den Urteilsgründen nicht zu ersetzen vermag. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO erlaubt lediglich die Verweisung auf Abbildungen.