Landgericht Osnabrück
Az: 2 O 1793/07
Urteil vom 14.12.2007
In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatz hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück auf die mündliche Verhandlung vom 23.11.2007 für R e c h t erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird bis zum 2.11.2007 auf 7.396,87 Euro, danach auf 6.071,85 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Schadensersatz geltend wegen eines (behaupteten) Schadens am Pkw in Folge eines Betankungsfehlers.
Am 13. 10. 2006 wurde dem Beklagten das Fahrzeug Modell Ford S- Max mit dem amtlichen Kennzeichen .., in … zum Zwecke einer Probefahrt übergeben.
Im schriftlichen Benutzungsvertrag vom 13.10.2006 (BI. 33 d.A.) vereinbarten die Parteien eine unbeschränkte Haftung des Kunden, soweit ein etwaiger Schaden am Fahrzeug grob fahrlässig verursacht wurde; im übrigen eine Haftung des Kunden i.H.d. Selbstbeteiligungsbetrages (1.000,– €) bei Kaskoschäden.
Am 16. 10.2006 gab der Beklagte das Fahrzeug wie vereinbart vollgetankt mit einem Kilometerstand von 6.994 km in … zurück. Zum Betanken des Fahrzeugs verwendete der Beklagte den Kraftstoff Bio- Diesel. Eine besondere Aufklärung darüber, mit welchem Kraftstoff das Fahrzeug zu betanken ist, ist seitens der Klägerin nicht erfolgt. Laut der im Fahrzeug befindlichen Betriebsanleitung (BI. 8 d.A:) durfte das Fahrzeug mit „Dieselkraftstoff nach EN 590 oder eine gleichwertige Spezifikation“ betankt werden.
Die Aufschrift auf dem Tankdeckel wies die Beschriftung „Diesel“ aus. Auf der Rückfahrt zum Betrieb der Klägerin blieb das Fahrzeug mit einem Motorschaden liegen.
Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug habe einen Motorschaden erlitten, und müsse mit einem Kostenaufwand von mehr als 6.000,– € netto repariert werden. Das seI darauf zurückzuführen, dass der Kläger den Wagen fälschlicher Weise mit Biodiesel betankt habe. Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe sich durch einen Blick in das Betriebshandbuch vergewissern müssen, welcher Kraftstoff für das Fahrzeug zulässig sei. Außerdem sei ihm ein Blick auf den Tankdeckel möglich gewesen, der den Hinweis gebe; dass „Diesel“ zu tanken sei. Sein Verhalten sei der Ansicht der Klägerin zufolge grob fahrlässig. Es sei allgemein bekannt, dass Bio- Diesel nur dann getankt werden dürfe, wenn der Hersteller besonders darauf hinweise.
Nachdem die Klägerin in ihrer Klageschrift zunächst angekündigt hatte, eine Schadensersatzzahlung i.H.v. 7.396,87€ zu fordern, beantragt sie nach teilweiser Klagerücknahme i.H.v. 1.225, 02 €, sowie nach einer Erweiterung des Antrags zu 2. um weitere außergerichtliche Kosten i.H.v. 316,68 € mit dem Schriftsatz vom 3.9.2007 nunmehr,
1. den Beklagten zu, verurteilen, an sie 6.171, 85 € nebst Zinsen i.H.v. 5% Zinspunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.5.2007 zu zahlen.
2: den Beklagten weiter zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Anwaltsgebühren i.H.v. 661, 16 € nebst Zinsen i.H.v. 5% Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab dem 27.7.2007 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass er das Fahrzeug nicht mit Bio-Diesel betanken dürfe. Er sei selbst im Besitz eines Fahrzeugs Audi A4 Diesel, das sowohl mit gewöhnlichem Diesel, als auch mit Bio- Diesel betankt werden könne. Es sei in keiner Weise erkennbar gewesen, dass dies bei dem Probefahrzeug anders sein könnte. Im übrigen bestreitet er einen Zusammenhang zwischen einer etwaigen Falschbetankung und dem von der Klägerin behaupteten Schaden.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Ersatz des durch die Falschbetankung entstandenen Schadens im Rahmen der Probefahrt gemäß §§ 611, 280 I, 249 ff. bzw. §§ 823 I, II, 249 ff. BGB zu. Dem Beklagten kann eine grob fahrlässige Verletzung von Schutz- und Obhutspflichten nicht zum Vorwurf gemacht werden, indem er ein im Eigentum der Klägerin stehendes Fahrzeug versehentlich mit Biodiesel betankt hat.
Im Einzelnen:
Dass eine Einstandspflicht nur bei grober Fahrlässigkeit in Betracht kommt, folgt neben der zwischen den Parteien konkreten Vereinbarung auch aus allgemeinen Erwägungen im Hinblick auf die Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts (vgl. § 599 BGB).
Das Verhalten des Beklagten, der versehentlich Biodiesel getankt hat, ist nicht als grob fahrlässig zu bewerten. Unter dem Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit wird ein Handeln oder Unterlassen verstanden, bei dem nach den gesamten Umständen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonderes schwerem Maße verletzt worden ist, d.h. schon einfache, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt oder beiseite geschoben worden sind, und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was sich im gegebenen Fall jedem hätte aufdrängen müssen. Dies erfordert sowohl einen objektiv groben Pflichtverstoß als auch ein in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (Palandt/Heinrichs, § 277 Rn. 5).
Davon ist nicht auszugehen.
Im Gegensatz zu der von der Klägerin zitierten Entscheidung AG München, Urteil vom 22.10.2003, 231 C 13566/03) ist das Gericht der Ansicht, dass es nicht als allgemein bekannt anzusehen ist, dass Bio- Diesel nur im Ausnahmefall aufgrund entsprechender Hinweise getankt werden kann. Die Namensgebung führt sogar eher dazu, dass es sich bei Bio-Diesel für den Durchschnittsbürger, der keine speziellen technischen Kenntnisse hat, um einen Dieselkraftstoff handelt, der sich von herkömmlichem Dieseltreibstoff dadurch unterscheidet, dass er ökologisch vorteilhafter ist.
Auch der gegenüber dem herkömmlichen Dieselkraftstoff niedrigere Literpreis des Bio-Diesels lässt keine Schlüsse auf eine vermeintliche Minderwertigkeit des Produkts und dadurch bedingte Motorschädlichkeit bei bestimmten Typen zu. So besteht’zumindest die Möglichkeit, dass der Preisunterschied seinen Grund in staatlichen Subventionen hat.
Für die Feststellung, mit welchem Treibstoff das Probefahrzeug betrieben wird, reicht gemeinhin ein Blick auf den Tankdeckel. Dieser wies vorliegend als entsprechenden Kraftstoff für das Fahrzeug „Diesel“ aus. Ob darunter nur „Diesel“ im herkömmlichen Sinne zu verstehen ist oder auch sog. „Bio- Diesel“, kommt bei dieser Bezeichnung nicht zum Vorschein. In Ermangelung eines Hinweises zur Cetan-Zahl kann eine konkrete Zuordnung des Begriffs „Diesel“ nicht erfolgen. Auch Bio- Diesel ist, wie der Name dem Laien schon sagt, Diesel. Vor diesem Hintergrund können die z.T. auch von der Klägerin angeführten Entscheidungen, in denen z.T. eine grobe Fahrlässigkeit von Kraftfahrern bejaht wurde, die versehentlich Diesel statt Benzin/Super getankt hatten (und umgekehrt), nicht vergleichend herangezogen werden. Zu bedenken ist auch, dass sich sowohl Einfüll- als auch Tankstutzen bei Benzin- und Dieselkraftfahrzeugen deutlich unterscheiden, so dass es sich dem Kraftfahrer bereits während des Tankvorgangs aufdrängen muss, den falschen Kraftstoff zu verwenden.
Zu bedenken bleibt auch, dass es Fahrzeuge gibt, die sowohl mit Bio-Diesel als auch mit regulärem Diesel betankt werden dürfen, was durch entsprechende Hinweise im Benutzerhandbuch für einen Pkw des Herstellers Audi belegt wurde. Vor diesem Hintergrund wird umso deutlicher, dass das Verhalten des Beklagten zwar nachlässig war, aber die Schwelle zur groben Fahrlässigkeit nicht überschritten hat.
Anlass zur Befürchtung, dass die Betankung mit Bio- Diesel – unter Berücksichtigung der Ausnahmen im Betriebshandbuch zum Fahrzeug des Beklagten – ausnahmsweise nicht angezeigt ist, hatte der Beklagte nicht. Weder die Außentemperatur der Region Emsbüren im Oktober noch eine längere Standzeit mussten in diesem Fall befürchtet werden.
Selbst unter der Annahme, der Beklagte sei vor Antritt der Fahrt rechtlich dazu verpflichtet gewesen, sich durch einen Blick in das Henutzungshandbuch darüber zu vergewissern, welcher Kraftstoff zu tanken ist, führt dies zu keine anderen Bewertung der Sach- und Rechtslage. Denn der Inhalt des Betriebshandbuches ist für den Laien insoweit nicht eindeutig. Die Angabe „Dieselkraftstoff nach EN 590 oder eine ähnliche Spezifikation“ ist für sich genommen unverständlich. Denn ein nicht technisch vorgebildeter Kraftfahrer muss sich – um diese Beschreibung zu verstehen – zunächst darüber informieren, was sich hinter dem Kürzel „EN 590“ überhaupt verbirgt, die entsprechende DIN-Vorschrift nämlich (wie sich dem Gericht auch erst nach einer Internetrecherche erschlossen hat). Deutlicher wird der Eintrag auch nicht im Zusammenhang mit dem folgenden Satz. Aus der Formulierung „Dieselkraftstoff, der bis zu 5 % RME (Biodiesel) enthält, ist zulässig“, lässt sich erst nach einigem Nachdenken und im Umkehrschluss entnehmen, dass ein Kraftstoff, der. mehr als 5 % Biodiesel enthält, wohl nicht verwendet werden darf. Vor diesem Hintergrund hätte die Klägerin auch ohne weiteres auf die Empfindlichkeit des Motor gegenüber Bio-Diesel hinweisen können und müssen. Ihr hätte der Inhalt des Betriebshandbuches jedenfalls bekannt sein müssen.
Die Klägerin hat darüber hinaus weder einen Anspruch auf Ersatz eines etwaigen Selbstbeteiligungsbetrages i.H.v. 1.000,–, noch einen auf Freistellung insoweit.
Unklar bleibt, ob der von ihr behauptete Schaden überhaupt als sog. Kaskoschaden angesehen werden kann; entsprechender Vortrag fehlt insoweit.
Darüber hinaus hat die Klägerin nicht vorgetragen, überhaupt Leistungen ihrer Kaskoversicherung in Anspruch genommen zu haben, so dass allenfalls ein entsprechender Freistellungsanspruch schlüssig gewesen wäre.
Aus den eben genannten Gründen scheitern auch die Ansprüche aus §§ 823 I BGB und 823 II BGB i.V.m. § 303 StGB. Der Beklagte hat nicht in grob fahrlässiger Weise ihm obliegende Schutz- und Obhutspflichten im Hinblick auf fremdes Eigentum verletzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 269 ZPO; die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.