OLG Hamburg entscheidet über Streitwert bei Beweissicherungsverfahren
In einem Verfahren vor dem OLG Hamburg, Az.: 4 W 45/23, ging es um die Anfechtung eines Streitwertbeschlusses im Zusammenhang mit einem Beweissicherungsverfahren wegen behaupteter Mängel an einer Dieselkraftstoff-Netzersatzanlage und daraus resultierenden Schäden. Das Gericht wies die Beschwerde zurück und legte den Streitwert auf Basis der Mängelbeseitigungskosten und geringfügiger zusätzlicher Schäden fest, ohne weitere geltend gemachte Vermögensschäden zu berücksichtigen.
Übersicht:
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Der Streitwert für das Beweissicherungsverfahren wurde vom OLG Hamburg mit bis zu 320.000 € festgesetzt, basierend auf den Schätzungen eines Sachverständigen für die Mängelbeseitigung und minimalen zusätzlichen Kosten.
- Das Gericht berücksichtigte nicht die von der Antragstellerin geforderten höheren Vermögensschäden, da diese im ursprünglichen Antrag nicht ausreichend thematisiert wurden.
- Die Festsetzung des Streitwerts orientiert sich am Hauptsachewert, wobei das Gericht nach Einholung des Gutachtens den „richtigen“ Wert festlegt, der sich grundsätzlich auf die Mängelbeseitigungskosten bezieht.
- Für eine Berücksichtigung über die Mängelbeseitigung hinausgehender Schäden ist erforderlich, dass diese bereits im Beweisverfahren thematisiert wurden.
- Die Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss wurde zurückgewiesen, da die weiteren Vermögensschäden nicht im Verfahren thematisiert wurden und somit nicht berücksichtigt werden können.
- Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung der genauen Darlegung und Begründung von Ansprüchen im Rahmen des Beweisverfahrens für die Streitwertfestsetzung.
Komplexe rechtliche Angelegenheiten verständlich erklärt
Die Streitwertbemessung bei Beweissicherungsverfahren ist ein wichtiges, aber oft kompliziertes Thema. Es geht dabei um die Frage, welchen Wert ein Gericht einem Verfahren beimisst, in dem Beweise für mögliche spätere Rechtsstreitigkeiten gesichert werden sollen.
Dieser Streitwert hat große Bedeutung, da er die Höhe der anfallenden Gerichtskosten und Anwaltsgebühren bestimmt. Besonders bei Mängelbeseitigungskosten für mangelhafte Produkte oder Leistungen ist die korrekte Streitwertfestsetzung von hoher Relevanz. Denn hier geht es oft um erhebliche Summen, die die Parteien im Vorfeld nur schätzen können.
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➜ Der Fall im Detail
Streit um die Bemessung des Streitwerts bei einem Beweissicherungsverfahren
Im Zentrum dieses Falls steht ein Beweissicherungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamburg, bei dem es um die Bemessung des Streitwerts für die Mängelbeseitigung einer Dieselkraftstoff-Netzersatzanlage (NEA) geht.
Die Antragstellerin, Eigentümerin eines Gebäudes, beauftragte die Antragsgegnerin mit der Lieferung und Montage der NEA. Nach einem unkontrollierten Austritt von Dieselkraftstoff, der erhebliche Schäden am Gebäude verursachte, strebte die Antragstellerin ein Beweisverfahren an, um den mangelhaften Zustand der Anlage und die dadurch entstandenen Schäden feststellen zu lassen.
Die rechtliche Auseinandersetzung und die Herausforderung
Die Antragstellerin forderte die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens, um ihre Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche zu untermauern. Der Streit entzündete sich insbesondere an der Frage, welche Kosten für die Beseitigung der Schäden und Kontaminationen am Gebäude im Rahmen der Streitwertbemessung zu berücksichtigen seien. Während die Antragstellerin einen Streitwert in Höhe von rund 4 Mio. € geltend machte, legte das Landgericht den Streitwert vorläufig auf bis zu 320.000,00 € fest, gestützt auf die Schätzungen des beauftragten Sachverständigen.
Die Entscheidung des OLG Hamburg
Das Oberlandesgericht Hamburg wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück und bestätigte den vom Landgericht festgesetzten Streitwert. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Streitwert des Beweisverfahrens nach dem vollen Hauptsachewert zu bemessen sei, welcher sich grundsätzlich auf die vom Sachverständigen ermittelten Kosten der Mängelbeseitigung stützt. Wichtig ist hierbei, dass das Interesse des Antragstellers nicht zwingend auf die Durchführung der Mängelbeseitigung beschränkt ist, sondern auch ein darüber hinausgehendes Rechtsschutzziel berücksichtigt werden kann.
Die Bedeutung der Verfahrenseinleitung
Eine entscheidende Rolle spielte, dass bereits zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung im selbständigen Beweisverfahren das weitere Rechtsschutzziel des Antragstellers klar zum Ausdruck gebracht werden muss. Das Gericht betonte, dass ohne entsprechende Angaben im Antrag die über die unmittelbar begutachteten Mängelbeseitigungskosten hinausgehenden Schadenspositionen nicht nachträglich in die Streitwertbemessung einfließen können.
Konsequenzen der Entscheidung
Das OLG Hamburg machte deutlich, dass für eine Anhebung des Streitwerts über die initial ermittelten Mängelbeseitigungskosten hinaus konkrete Angaben erforderlich sind, die bereits im Beweisverfahren thematisiert werden müssen. Dieser Fall illustriert die Komplexität der Streitwertbemessung in Beweisverfahren und unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen und vorausschauenden Prozessführung.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Was ist ein Beweissicherungsverfahren und wann wird es angewendet?
Ein Beweissicherungsverfahren, auch selbständiges Beweisverfahren genannt, ist ein gerichtliches Verfahren zur vorzeitigen Sicherung von Beweisen. Es findet vor allem in folgenden Fällen Anwendung:
- Wenn die Gefahr besteht, dass Beweise verloren gehen oder sich verändern könnten, bevor ein Hauptsacheverfahren (Gerichtsprozess) eingeleitet wird. Beispielsweise wenn Baumängel dokumentiert werden sollen, bevor sie beseitigt werden.
- Wenn ungeklärte Tatsachen zwischen den Parteien bestehen, die ein Sachverständiger zuverlässig feststellen kann. Dadurch kann oft ein langwieriger Gerichtsprozess vermieden und eine gütliche Einigung erzielt werden.
- Um in eilbedürftigen Fällen schnell Beweise zu sichern, auch wenn noch kein Rechtsstreit anhängig ist. Dafür muss ein rechtliches Interesse bestehen, z.B. dass die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.
Das Beweissicherungsverfahren ermöglicht die Erhebung folgender Beweismittel durch das Gericht: Einholung eines Sachverständigengutachtens, Vernehmung von Zeugen und Einnahme des Augenscheins.
Es dient somit der Prozessbeschleunigung und Prozessökonomie, da Beweise frühzeitig gesichert werden können. Zudem kann es die Verjährung hemmen, wenn der Antrag dem Gegner zugestellt wird.
Das Verfahren ist in den §§485ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Es findet vor allem im Baurecht häufig Anwendung, um Baumängel rechtzeitig zu dokumentieren und teure Bauprozesse zu vermeiden.
Wie wird der Streitwert in einem Beweissicherungsverfahren bestimmt?
Der Streitwert in einem selbstständigen Beweisverfahren (Beweissicherungsverfahren) wird wie folgt bestimmt:
- Maßgeblich ist grundsätzlich der volle mutmaßliche Hauptsachewert, der sich nach dem Interesse des Antragstellers richtet, wie es dem Antrag zu entnehmen ist. Der Streitwert orientiert sich also an den möglichen Hauptsacheansprüchen, die der Antragsteller zur Begründung seines Antrags konkretisiert.
- Für den Zeitpunkt der Streitwertbemessung ist die Einreichung des Antrags entscheidend, nicht das spätere Ergebnis der Beweisaufnahme. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts erfolgt aber erst nach Ende der Beweiserhebung.
- Hat sich der Antragsteller bei Antragstellung auf einen bestimmten Streitwert festgelegt, ist das Gericht daran nicht gebunden. Vielmehr ist der objektiv zur Mängelbeseitigung erforderliche Kostenaufwand laut Sachverständigengutachten für die Streitwertfestsetzung maßgeblich.
- Theoretisch denkbare weitergehende Ansprüche, die nicht Gegenstand der Antragsbegründung waren, spielen für die Wertfestsetzung keine Rolle.
Die Bestimmung des Streitwerts ist wichtig, um das Kostenrisiko des Verfahrens einschätzen zu können, da sich die Gerichtskosten und Anwaltsvergütung danach richten. Die Kenntnis der Grundsätze der Streitwertfestsetzung hilft Antragstellern und ihren Anwälten, eine sorgfältige Antragsbegründung zu erstellen.
Können im Beweissicherungsverfahren auch zukünftige Schäden geltend gemacht werden?
Ein selbstständiges Beweisverfahren dient primär dazu, den aktuellen Zustand einer Sache festzustellen und zu dokumentieren, um Beweise für einen möglichen späteren Rechtsstreit zu sichern. Zukünftige Schäden oder hypothetische Kausalverläufe sind daher grundsätzlich nicht Gegenstand des Verfahrens.
Allerdings kann das Gericht den Sachverständigen beauftragen, im Rahmen der technischen Begutachtung auch eine Prognose über die voraussichtliche weitere Entwicklung von Schäden oder Mängeln abzugeben, soweit dies aufgrund des festgestellten Ist-Zustands möglich ist. Eine solche Prognose kann beispielsweise Aussagen dazu treffen, ob bestehende Mängel sich voraussichtlich noch verschlimmern werden oder welche Folgeschäden drohen, wenn die Mängel nicht fachgerecht beseitigt werden.
Derartige Zukunftsprognosen haben aber nur indiziellen Beweiswert und entfalten keine Bindungswirkung für ein späteres Hauptsacheverfahren. Sie können dem Antragsteller jedoch wertvolle Anhaltspunkte liefern, um das Prozessrisiko besser einzuschätzen und außergerichtliche Vergleichsverhandlungen zu führen.
Letztlich kommt es auf die konkrete Formulierung des gerichtlichen Auftrags an den Sachverständigen an, inwieweit auch prospektive Einschätzungen zu möglichen künftigen Schäden in das Gutachten einfließen. Der Antragsteller sollte daher sorgfältig prüfen, welche Fragen in dieser Hinsicht zielführend sein können.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im selbstständigen Beweisverfahren der Fokus klar auf der Begutachtung des aktuellen Zustands liegt, auch wenn begrenzt Prognosen zu zukünftigen Entwicklungen möglich sind. Für die Durchsetzung von Ansprüchen wegen zukünftiger Schäden bedarf es aber regelmäßig eines Hauptsacheverfahrens.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 631 BGB – Werkvertragsrecht: Dieses Gesetz regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer bei der Erstellung eines Werks, wie z.B. der Montage einer Anlage. Es ist relevant für die Beurteilung von Gewährleistungsansprüchen bei Mängeln am Werk.
- § 633 BGB – Sachmängelhaftung: Bestimmt die Voraussetzungen, unter denen ein Werk frei von Sachmängeln zu erbringen ist. Im Kontext der Montage einer mangelhaften Anlage ist dieses Gesetz zentral für die Ansprüche auf Nachbesserung oder Schadensersatz.
- § 634 BGB – Rechte des Bestellers bei Mängeln: Bietet einen Überblick über die Rechte des Bestellers, wie z.B. Nacherfüllung, Minderung oder Schadensersatz, wenn das Werk mangelhaft ist.
- § 823 Abs. 1 und 2 BGB – Deliktsrecht: Regelt die Schadensersatzpflicht bei der Verletzung eines Rechtsguts einer Person (z.B. Eigentum). Im vorliegenden Fall wichtig für die Ansprüche wegen der durch den Austritt von Dieselkraftstoff entstandenen Schäden.
- § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO – Streitwertfestsetzung: Legt die Grundlagen für die Bestimmung des Streitwerts in gerichtlichen Verfahren fest. Im Beweissicherungsverfahren bestimmt der Streitwert unter anderem die Höhe der Gerichtskosten.
- § 68 GKG – Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung: Ermöglicht den Beteiligten, gegen die Festsetzung des Streitwerts Beschwerde einzulegen. Im Kontext des vorliegenden Falls ist diese Vorschrift relevant, da die Beschwerde gegen den vom Landgericht festgesetzten Streitwert ein zentrales Thema darstellt.
Das vorliegende Urteil
OLG Hamburg – Az.: 4 W 45/23 – Beschluss vom 21.06.2023
1. Die Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 14.04.2023, Az. 313 OH 2/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Gebäudes ### in ###, welches sie der ### zur Nutzung überlassen hat. Im Zuge der Errichtung des Gebäudes beauftragte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zu 1) mit der Lieferung und Montage einer mit Dieselkraftstoff betriebenen Netzersatzanlage (NEA). Die Abnahme erfolgte am 17.03.2014. Die ### und die Antragsgegnerin zu 1) schlossen für die Anlage überdies einen Wartungsvertrag. Die Antragsgegnerin zu 2) war für das Bauvorhaben ### von der Antragstellerin mit Ingenieurleistungen für den Bereich der Technischen Gebäudeausrüstung zu erbringen, und zwar für sämtliche Leistungsphasen nach der HOAI.
In der Nacht vom 26.05. auf den 27.05.2018 kam es zu einem unkontrollierten Austritt von Dieselkraftstoff aus dem Dieselkraftstoff-Tagestank der NEA in das Gebäude ###.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 11.02.2019 die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens beantragt, und zwar im Hinblick auf einen behaupteten mangelhaften Zustand der NEA, die Ursachen der Havarie vom 26./27.05.2018 und insbesondere im Hinblick auf die durch den Austritt von Dieselkraftstoff am Gebäude entstandenen Schäden und die zur Beseitigung noch vorhandener Schäden und Kontaminationen am Gebäude erforderlichen Maßnahmen (Frage II.5). Zur Begründung ihres Antrags hat die Antragstellerin darauf verwiesen, dass ihr Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche wegen etwaiger Mängel und der entstandenen Schäden gemäß §§ 631, 633, 634 BGB sowie § 823 Abs.1 und 2 BGB gegen die Antragsgegnerin zu 1) zustünden (Seite 5 des Schriftsatzes vom 11.02.2019, Bl. 5 d.A.). Mit Schriftsatz vom 25.03.2019 hat die Antragstellerin beantragt, das selbständige Beweisverfahren auf weitere Beweisfragen zu erstrecken und auch gegen die Antragsgegnerin zu 2) zu führen. Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, die Antragsgegnerin zu 2) sei möglicherweise neben der Antragsgegnerin zu 1) für den Austritt des Dieselkraftstoffs am 26./27.05.2018 verantwortlich und zum Ersatz der dadurch entstandenen Schäden verpflichtet (Seite 3 des Schriftsatzes vom 25.03.2019, Bl. 21 d.A.). Mit Schriftsatz vom 30.04.2019 (Bl. 49 f. d.A.) hat die Antragstellerin eine Abtretungsvereinbarung vorgelegt, in welcher die ### an die Antragstellerin sämtliche etwaigen Ansprüche wegen Mängeln der o.a. NEA und des Austritts von Dieselkraftstoff, insbesondere Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche aus dem zwischen der ### und der Antragsgegnerin zu 1) geschlossenen Wartungsvertrag, abtritt.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 11.06.2019 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet und mit Beschlüssen vom 01.10.2019, 29.01. und 07.05. 2020 die Sachverständigen ### und ### bestellt. Der Sachverständige ### hat am 29.06.2021 und 02.02.2022 schriftliche Gutachten vorgelegt. Er ist im Termin vom 02.03.2023 mündlich angehört worden. Der Sachverständige ### hat am 30.03. und 31.10.2021 und 29.06.2022 schriftliche Gutachten vorgelegt. Der Sachverständige ### hat in seinem Ausgangsgutachten (Seite 92, Bl. 374 d.A.) zur Beweisfrage II.5 u.a. ausgeführt, die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden am Gebäude würden sich grob geschätzt auf einen niedrigen bis mittleren sechsstelligen Betrag belaufen.
Das Landgericht hat die Parteien nach Abschluss der Sachverständigenanhörung im Termin vom 02.03.2023 zur Streitwerthöhe angehört. Die Antragstellerin hat im Termin vom 02.03.2023 geltend gemacht, dass nicht nur die Kosten der Mängelbeseitigung, sondern darüber hinaus gehende Vermögensschäden, die zusammen mit den Mängelbeseitigungskosten einen Betrag von ungefähr 4 Mio € erreichten, bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen seien. Diesen Vortrag hat die Antragstellerin im Schriftsatz vom 20.03.2023 (Bl. 917 ff. d.A.) vertieft. Die Antragsgegner haben demgegenüber geltend gemacht, diese weiteren von der Antragstellerin angeführten Vermögensschäden seien bei der Streitwertbemessung nicht zu berücksichtigen.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 14.04.2023 (Bl. 928 ff. d.A.) den Streitwert auf bis zu 320.000,00 € festgesetzt. Es hat sich dabei auf die o.g. Angaben des Sachverständigen ### zur Schadenshöhe gestützt und zusätzlich die gemäß Beweisfrage I.11 festgestellten Kosten für die Herstellung der Entlüftungsleitung von wenigen hundert Euro berücksichtigt. Ansprüche wegen weiterer von der Antragstellerin aufgeführten Schäden durch den Kraftstoffaustritt seien nicht zu berücksichtigen, da sie von der Antragstellerin im Verfahren nicht thematisiert worden seien. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat gegen den ihm am 17.04.2023 zugestellten Beschluss am 02.05.2023 im eigenen Namen Beschwerde eingelegt und begehrt weiterhin eine Festsetzung des Streitwerts für das selbständige Beweisverfahren auf mindestens 4 Mio €. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
1. Die im eigenen Namen der Bevollmächtigten der Antragstellerin eingelegte Beschwerde vom 02.05.2023 gegen den Streitwertbeschluss vom 14.04.2023 ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 GKG, die Bevollmächtigten der Antragstellerin sind gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 Alt.2 RVG beschwerdebefugt und die Beschwerdefrist nach § 68 Abs. 1 S. 3 GKG ist eingehalten.
2. Die Streitwertbeschwerde ist indessen in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht den Streitwert für das selbständige Beweisverfahren gemäß § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auf bis zu 320.000,00 € festgesetzt.
Der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens bemisst sich nach dem vollen Hauptsachewert (BGH, Beschluss vom 16.09.2004, Az. III ZB 33/04, NJW 2004, 3488, 3489, unter III.2). Dabei ist der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert weder bindend noch maßgeblich; das Gericht hat nach Einholung des Gutachtens den „richtigen“ Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers festzusetzen (BGH, a.a.O., 3489 f., unter III.3; HansOLG, Beschluss vom 01.02.2000, Az. 9 W 2/00, NJW-RR 2000, 827, 828). Anknüpfungspunkt für die Streitwertbemessung sind daher grundsätzlich die vom Sachverständigen im Verfahren ermittelten Kosten der Mängelbeseitigung.
Indessen muss das vom Bundesgerichtshof angesprochene Interesse des Antragstellers nicht stets die Durchführung der Mängelbeseitigung sein. Mit dem Verweis auf das sich anschließende Hauptsacheverfahren, dessen vorweggenommener Teil das Beweisverfahren ist, ist vielmehr im Prinzip Raum für die Berücksichtigung eines anderen oder zusätzlichen Rechtsschutzziels des Antragsstellers in der Hauptsache, ohne dass der unmittelbare Gegenstand der Beweiserhebung, d.h. die erforderlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen und deren Kosten, den Streitwert nach oben hin begrenzen würden (OLG Hamm, Beschluss vom 11.03.1997, Az. 21 W 17/96, BeckRS 1997, 30997850; OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.08.2011, Az. 12 W 36/11; BeckRS 2011, 20600; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2011, Az. 4 W 246/11, BeckRS 2011, 26640; ausdrücklich ablehnend OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.10.2010, Az. 10 W 43/10, NJOZ 776, 777). Dementsprechend ist bei entsprechender Zielsetzung des Käufers oder Bestellers einer mangelhaften Sache ggf. nicht auf die Mängelbeseitigung, sondern auf den (höheren) Wert der Rückabwicklung des Geschäfts abzustellen (OLG Saarbrücken, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG München, Beschluss vom 06.11.2001, Az. 28 W 2556/01, NJOZ 2002, 1652).
Entscheidend ist dabei jedoch die weitere Vorgabe aus dem o.a. Beschluss des Bundesgerichtshofs, wonach die Festsetzung des „richtigen“ Hauptsachewerts auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung bezogen sein muss. Deshalb ist Voraussetzung für die Berücksichtigung eines anderen oder zusätzlichen Rechtsschutzziels des Antragstellers in der Hauptsache, dass bereits im selbständigen Beweisverfahren – sei es in der Antragsschrift oder einer späteren Antragserweiterung – Angaben zu einem entsprechenden beabsichtigten klageweisen Vorgehen enthalten sind. Eine andere Sichtweise würde den eindeutigen Vorgaben von § 40 GKG bzw. §§ 48 Abs.1 GKG, 4 ZPO zuwiderlaufen und den Normzweck des § 4 ZPO, nämlich der Herstellung von Rechtssicherheit in Bezug auf das Kostenrisiko (vgl. Wendtland, in: Vorwerk/Wolf, BeckOKZPO, 48. Ed., 2023, § 4 ZPO, Rn. 2) missachten. Dementsprechend wird in der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung gefordert, dass über die unmittelbar begutachteten Kosten der Mängelbeseitigung hinausgehenden Schadenspositionen „im Antrag genannt“ werden müssen (OLG Koblenz, Beschluss vom 15.04.2019, Az. 1 W 68/19, NJOZ 2019, 1670), und zwar jedenfalls „in allgemeiner Form“ (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.02.2020, Az. 9 W 55/19, BeckRS 2020, 3273). Das weitergehende Rechtsschutzziel muss mithin im verfahrenseinleitenden Antrag vom Antragsteller „zum Ausdruck gebracht“ worden sein (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2011, Az. 4 W 246-11/36, BeckRS 2011, 26640). Wollte man es dem Antragsteller freistellen, durch die erstmalige Benennung weiterer Schadenspositionen nach Abschluss des Beweisverfahrens den Streitwert nachträglich zu modifizieren, würde dies zu einer einseitigen Bevorzugung des Antragstellers führen, der ohne eigenes Risiko zuwarten könnte, ob das Beweisverfahren einen für ihn günstigen Verlauf nimmt, um dann das Kostenrisiko für den Antragsgegner, namentlich im Hinblick auf die anwaltlichen Gebühren im Beweisverfahren, überraschend und nachträglich ggf. deutlich zu erhöhen.
Nach den vorstehenden Maßstäben hat das Landgericht die über 320.000,00 € hinausgehenden weiteren Vermögensschäden zu Recht unberücksichtigt gelassen. Weder in der Antragsschrift vom 11.02.2019 noch in den Schriftsätzen vom 25.03. und 30.04.2019 findet sich eine Klarstellung oder auch nur hinreichende Andeutung, dass über die Kosten der in der Beweisfrage II.5 ausdrücklich angesprochenen Maßnahmen zur Beseitigung der Schäden am Gebäude hinaus auch andere Vermögensschäden in der Hauptsache zum Gegenstand der Klage gemacht würden. Dass es für einen objektiven Betrachter naheliegend ist, dass insbesondere die fehlende Nutzungsmöglichkeit weitere Schäden verursacht, reicht nicht aus.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs.3 GKG.