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Dieselskandal in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung

OLG München – Az.: 21 U 3457/19 – Urteil vom 30.11.2020

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 21.05.2019, Az.: 21 O 1939/17, abgeändert und wie folgt neu gefasst :

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 8.861,27 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.01.2018 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q5 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …69 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. 1. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klagepartei 40% und die Beklagte 60%.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Klagepartei 45% und die Beklagte 55%.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 16.099,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines vom sog. Dieselabgasskandal betroffenen Fahrzeugs geltend.

1.

Mit Kaufvertrag vom 11.04.2014 erwarb die Klagepartei von einem Autohaus den hier streitgegenständlichen gebrauchten Audi Q5, 2.0 TDI, Euro 4, 125 kw, Erstzulassung 14.01.2009, zu einem Kaufpreis von 20.500,00 € brutto. Der Kilometerstand zum Zeitpunkt des Kaufs betrug 134.800 km, zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat 200.204 km. Die Nummer der EG-Typengenehmigung für das Gesamtfahrzeug lautet: e1*2001/116*0473*1. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs, in dem ein Motor vom Typ EA 189 der VW-AG verbaut ist.

Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Grundlage der Erteilung der Typgenehmigung waren die Abgasmessungen auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

Die Verwendung der von der Beklagten als „Umschaltlogik“ bezeichneten Steuerungssoftware wurde dem Kraftfahrtbundesamt weder von der VW-AG noch von der Beklagten im Rahmen der Tests bzw. Antragstellung zur Erreichung der EG-Typgenehmigung offengelegt. Erst am 22.09.2015 veröffentlichte die VW-AG eine Ad-hoc-Mitteilung, mit der Auffälligkeiten bei Fahrzeugen mit dem Motor vom Typ EA 189 eingeräumt wurden.

Dieselskandal in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung
(Symbolfoto: Von gopixa/Shutterstock.com)

Nach Bekanntwerden der Softwareproblematik verpflichtete das Kraftfahrtbundesamt die Beklagte zur Entfernung der als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten „Umschaltlogik“ und dazu, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin wurde ein Software-Update entwickelt, welches auf das Fahrzeug der Klagepartei am 12.01.2017 aufgespielt worden ist.

Mit Anwaltsschreiben vom 22.12.2017 forderte die Klagepartei die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung und damit in Höhe von 16.099,00 € Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf; der Kilometerstand des Fahrzeugs als Grundlage der Berechnung der Nutzungsentschädigung war mitgeteilt worden. Es wurde eine Frist von zwei Wochen ab 22.12.2017 gesetzt.

Die Klage vom 22.12.2017, bei Gericht eingegangen am 27.12.2017, wurde der Beklagten am 24.01.2018 zugestellt. Mit der Klage forderte die Klagepartei die Verurteilung zur Zahlung von 16.099,00 € nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Außerdem beantragte sie die Verurteilung zur Freistellung von der Zahlung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.149,26 €.

Die Klagepartei vertritt die Ansicht, dass sie von der Beklagten vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden sei. Der im Fahrzeug verbaute Motor sei mit Wissen des Vorstands der Beklagten mit einer Betrugssoftware versehen worden, um preiswerte und scheinbar saubere Dieselfahrzeuge in hoher Stückzahl veräußern zu können und gegenüber der Konkurrenz über den geringeren Preis einen entscheidenden Marktvorteil zu haben. Die Beklagte habe bei der Entwicklung des streitgegenständlichen Motors eine tragende Rolle gespielt. Sie sei selbst mit der Fertigung des Motors betraut gewesen und habe die Manipulationssoftware mitentwickelt. Es stehe außer Zweifel, dass der Vorstand der Beklagten und führende Mitarbeiter von der Manipulation des Motors Kenntnis gehabt hätten, da sie selbst für die Entwicklung zuständig gewesen seien bzw. den Auftrag erteilt hätten. Auch unter dem Gesichtspunkt Organisationsverschulden sei eine Haftung der Beklagten anzunehmen, ebenso greife die Zurechnung nach § 31 BGB bzw. § 831 BGB. Die Klagepartei habe ein Fahrzeug erhalten, das wegen des überhöhten Schadstoffausstoßes nicht den Anforderungen der EG-Typgenehmigung genüge. Damit habe die Gefahr bestanden, dass das Fahrzeug stillgelegt werden muss. Das Fahrzeug habe zudem einen erheblichen Wertverlust erlitten. Die Klagepartei hätte den Wagen nicht gekauft, wenn ihr diese Umstände bekannt gewesen wären.

Die Beklagte hingegen hält Schadensersatzansprüche der Klagepartei nicht für gegeben. Sie meint, dass das Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung enthält und es wurde bestritten, dass der Klagepartei ein Schaden entstanden sei. Das Fahrzeug verfüge über eine wirksame EG-Typengenehmigung und Übereinstimmungsbescheinigung. Eine sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte liege nicht vor, auch fehle es an der Kausalität zwischen angeblicher Täuschung und Schaden. Jedenfalls sei ein etwaiger Schaden durch das Aufspielen des Updates entfallen. Eine – unterstellt von der Beklagten verursachte – Fehlvorstellung der Klagepartei über die Schadstoffemission sei für deren Kaufentscheidung nicht maßgeblich gewesen. Eine Haftung der Beklagten scheide auch deshalb aus, weil sie den Motor nicht entwickelt habe. Die Klagepartei trage schon nicht substantiiert vor, dass die Beklagte von der Verwendung der als unzulässig gerügten Software Kenntnis gehabt habe. Abgesehen davon habe die Beklagte nach dem Stand der Ermittlungen keine Erkenntnisse dazu, dass Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinn zum Kaufvertragszeitpunkt von der Programmierung oder von der Verwendung der streitgegenständlichen Software in Fahrzeugen mit einer EG-Typgenehmigung Kenntnis hatten bzw. die Entwicklung oder Verwendung der Software in Auftrag gegeben haben, an ihrer Entwicklung beteiligt waren oder von der Entwicklung der Software wussten bzw. deren Einsatz billigten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

2.

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 21.05.2019 im Wesentlichen stattgegeben. Lediglich in Bezug auf die Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten blieb der Urteilsausspruch in der Höhe des zugesprochenen Betrages hinter dem Klageantrag zurück.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich der klägerische Anspruch aus § 826 BGB ergibt. Die Beklagte habe die Klagepartei getäuscht. Sie habe zunächst das Kraftfahrtbundesamt getäuscht, indem sie bei der Beantragung der EG-Typengenehmigung das Vorliegen der unzulässigen Abschalteinrichtung verschwiegen habe. In der Folge seien die weiter von der Beklagten erstellten Übereinstimmungsbescheinigungen ungültig. Mit der Ausgabe dieser Bescheinigung sei die Klagepartei dahingehend getäuscht worden, dass das Fahrzeug mit allen gesetzlichen Bestimmungen übereinstimme. Diese Täuschung sei kausal geworden für die Kaufentscheidung. Das Landgericht hielt es für ausgeschlossen, dass die Klagepartei das Fahrzeug erworben hätte, wenn ihr das Vorliegen der unzulässigen Abschalteinrichtung mit den daraus folgenden rechtlichen Konsequenzen bekannt gewesen wäre. Die jeweils verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten hätten die Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt in Kenntnis der Tatsache, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Typzulassung nicht vorgelegen hätten. Die Täuschungshandlung sei nur vorsätzlich denkbar, weil die Beklagte als etablierte Fahrzeugherstellerin Kenntnis von den einschlägigen Rechtsnormen gehabt haben müsse. Ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht Repräsentanten der Beklagten sind, sei nicht vorstellbar. Im Übrigen sei die Beklagte auch der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen. Welcher konkrete Repräsentant der Beklagten vorsätzlich gehandelt habe, müsse vor diesem Hintergrund nicht festgestellt werden. Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen die guten Sitten, weil um den Preis der bewussten Täuschung die Kunden geschädigt worden seien. Durch die Bindung an den nicht erwartungsgerechten Vertrag sei der Klagepartei ein Schaden entstanden, der den Anspruch auf Rückabwicklung auslöse. Die Klagepartei müsse sich aber den Abzug von Gebrauchsvorteilen in Form einer Nutzungsentschädigung gefallen lassen. Der Anspruch sei wegen Verzug zu verzinsen. Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten seien nur in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zuzusprechen.

3.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie an ihrem erstinstanzlichen Begehren festhält. Sie ist der Ansicht, dass das Landgericht der Klage rechtsfehlerhaft stattgegeben und zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch bejaht habe. In der Berufungsbegründung vom 03.09.2019 (Bl. 223 ff. d.A.) und Schriftsatz vom 03.01.2020 (Bl. 323 ff. d.A.) wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihren bereits erstinstanzlich erfolgten Vortrag und stellt insbesondere darauf ab, dass sie nur Herstellerin des Fahrzeugs ist, den im Fahrzeug verbauten Motor des Typs EA 189 aber nicht (mit-)entwickelt habe.

In den Schriftsätzen vom 06.03.2020, Bl. 361 ff. d.A., und vom 21.09.2020, Bl. 394 ff. d.A., vertieft die Beklagte ihren Vortrag insbesondere zur Art der Entwicklung und Produktion ihrer Fahrzeuge und legt dar, weshalb aus ihrer Sicht die inzwischen ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Haftung der VW-AG auf die vorliegende Fallgestaltung nicht übertragen werden könne.

Die Beklagte habe als Herstellerin des Fahrzeugs in den Jahren 2005/2006 durch ihr Produkt-Strategie-Komitee, dem jeweils auch einzelne Mitglieder des Vorstands angehörten, beschlossen, dass der von VW entwickelte Motor in bestimmten Fahrzeugen der Beklagten serienmäßig eingebaut wird. Der erste Einsatz sei im Jahr 2007 erfolgt. Im Nachgang zu der grundsätzlichen Entscheidung zur Verwendung des Motors EA 189 habe die Beklagte jeweils mit der Entwicklung weiterer Fahrzeugtypen erneut die Entscheidung zum Einsatz des Motors EA 189 getroffen. Die Beklagte habe den Motor samt Software als externes Produkt von der VW-AG zur Verwendung in ihren Fahrzeugen erworben. Die Hardware der Motorsteuerungsgeräte habe die Beklagte von den Zulieferern B. und C. erhalten. Ohne Einflussmöglichkeit von Mitarbeitern der Beklagten sei die auf das jeweilige Fahrzeug abgestimmte Software ab 2008 auf den automatisierten Fertigungslinien der Beklagten vom Konzernserver der VW-AG heruntergeladen worden. Die Software sei dabei zur Vermeidung von Einflussnahme außerhalb der Entwicklungsverantwortung verriegelt gewesen.

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Im Auftrag der Beklagten habe die Konzernmutter das Emissions-Typgenehmigungsverfahren organisiert. Von Mitarbeitern der VW-AG seien die entsprechenden Fahrzeuge der Beklagten dem Technischen Dienst vorgestellt worden, die Beklagte habe lediglich die Rechnungen und die Protokolle mit den Testergebnissen bekommen.

Die Beklagte habe keinen Anlass gesehen, die von der VW-AG entwickelten Motoren im Rahmen oder in Vorbereitung des Typgenehmigungsverfahrens eigenständig zu überprüfen. Eine entsprechende Verpflichtung habe nicht bestanden. Dem Kraftfahrtbundesamt sei es mit den damals zur Verfügung stehenden Tests nicht möglich gewesen, die Umschaltlogik zu erkennen. Im Rahmen der Qualitätskontrolle der laufenden Produktion sei das grundsätzliche Funktionieren des Emissionskontrollsystems überprüft und überwacht worden, dass die Serienfahrzeuge mit den EG-Typgenehmigungsunterlagen übereinstimmen. Im Rahmen dieses „Conformity of Production (CoP)“ Tests habe die „Umschaltlogik“ nicht erkannt werden können.

Die Beklagte habe von der Programmierung keine Kenntnis gehabt, weil sie nicht an der Entwicklung des Motors beteiligt gewesen sei. Es handele sich um ein bloßes Zuliefererprodukt wie auch andere von der Beklagten bezogene Bauteile von Zulieferern. Sie habe der VW-AG vertrauen können und keine Verpflichtung gehabt, eigene Tests durchzuführen, zumal mit den damaligen Tests die Manipulation nicht erkannt habe werden können.

Die Haftung der Beklagten könne weder auf angebliche Sorgfaltspflichtverletzungen, vermeintliches Organisationsverschulden noch auf eine konzernweite Wissenszusammenrechnung gestützt werden. Insoweit verweist die Beklagte auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten von Prof. Dr. G. vom 21.09.2020. Sie habe im EG-Typengenehmigungsverfahren keine Angabepflichten verletzt; insbesondere sei in dem Antrag auf Erteilung der EG-Typengenehmigung keine Erklärung dahingehend zu sehen, dass das Fahrzeug sämtlichen gesetzlichen Anforderungen entspricht; im Rahmen des EG-Typengenehmigungsverfahrens sei vielmehr nur relevant gewesen, dass die erforderlichen Grenzwerte in den vorgeschriebenen Prüfstandstestverfahren eingehalten würden. Die Anträge auf Typengenehmigung enthielten gerade nicht die Aussage, dass das Fahrzeug über keine Abschalteinrichtungen verfügt.

Im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung sowie die weiteren Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren, das am 21.05.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Ingolstadt, Az.: 21 O 1939/17, im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klagepartei beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klagepartei verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Rechtsfehlerfrei sei ein für die Klagepartei nachteiliger Vertragsschluss angenommen worden. Der Schaden sei auch nicht durch das Software-Update entfallen, welches im Übrigen nicht zu besseren Emissionswerten geführt habe und mit dem eine neue Abschalteinrichtung implementiert worden sei. Zutreffend habe das Landgericht die Kausalität bejaht. Ebenso korrekt habe das Landgericht eine Repräsentantenhaftung angenommen. Die Klagepartei vertieft hierzu ihren Vortrag. Im Einzelnen wird auf die Berufungserwiderung, Schriftsatz vom 15.10.2019, Bl. 295 ff. d.A., sowie die weiteren Schriftsätze verwiesen.

4.

Der Senat hat über den Rechtsstreit am 13.01.2020 sowie am 26.10.2020 mündlich verhandelt und den Kläger als Partei angehört. Die Beklagte hielt den Antrag auf Vernehmung der Klagepartei als Partei zur Frage der Kausalität nicht aufrecht. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll, Bl. 467 ff. d.A., verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat nur insoweit Erfolg, als sich die vom Kaufpreis in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung (u.a.) aufgrund der unstreitig erfolgten weiteren Nutzung des Fahrzeugs erhöht hat; auch die Rechtsanwaltskosten sind nicht ersatzfähig. Im Ergebnis hat das Landgericht aber zu Recht angenommen, dass die Beklagte der Klagepartei nach § 826 BGB haftet. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Der Senat berücksichtigt bei seiner Entscheidung den ergänzenden Sachvortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 21.09.2020, dem die Klagepartei mit Schriftsatz vom 19.10.2020 nur in wenigen Einzelheiten, so etwa hinsichtlich der Auslesbarkeit der zugelieferten Software durch die Beklagte (S. 24 des Schriftsatzes vom 19.10.2020 = Bl. 461 d.A.), entgegen getreten ist. Zu dem Vortrag der Beklagten zu den Abläufen heißt es insoweit nur, „die weiteren Ausführungen der Beklagten zu den Entwicklungsprozessen können daher nicht über die klägerischen Ansprüche hinweghelfen“ (S. 2 des Schriftsatzes = Bl. 439 d.A.). Allerdings hat sich die Klagepartei bereits erstinstanzlich wiederholt dazu geäußert, dass und warum ihrer Ansicht nach die Beklagte (mit-)verantwortlich ist für den Einsatz der manipulativen Software in dem von ihr hergestellten Fahrzeug. Auch die Rechtsausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 25.11.2020 hat der Senat geprüft und zur Kenntnis genommen. Der Senat hält aus nachfolgenden Erwägungen eine Beweisaufnahme nicht (mehr) für erforderlich, vielmehr ist auch auf der Basis des ergänzenden Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 21.09.2020 zu den Arbeitsabläufen und der arbeitsteiligen Aufgabenverteilung zwischen der Beklagten und der VW-AG eine Haftung der Beklagten zu bejahen. Im Einzelnen:

1.

In weiten Teilen kann bezüglich der Haftung der Beklagten nach § 826 BGB auf die grundsätzliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Bezug auf die Konzernmutter, die VW-AG, Bezug genommen werden, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19. Die dort getroffenen Aussagen zur Frage der Täuschung, der Sittenwidrigkeit, des Vorliegens eines Schadens, der Kausalität, der Verpflichtung zu einer sekundären Darlegungslast und Teilen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen können auch auf vorliegende Fallgestaltung übertragen werden. Gründe, die Sach- und Rechtslage vorliegend anders zu beurteilen, sind nicht ersichtlich. Insoweit sind die Ausführungen des Senats in den Hinweisen vom 18.03.2020 (Bl. 378 ff. d.A.) im Hinblick auf eine gegebenenfalls nötige Beweisaufnahme zur subjektiven Seite der Haftung der Beklagten teilweise überholt (vgl. auch Hinweise zur Ladung vom 07.08.2020, Bl. 388 f. d.A.). Anders als die Beklagte meint, ist die Frage der sekundären Darlegungslast hier nicht abweichend zu beurteilen im Hinblick auf die von ihr geltend gemachte fehlende Schutzbedürftigkeit der Klagepartei wegen des Bestehens eines anderen Schuldners, nämlich der VW-AG. Die Reichweite der sekundären Darlegungslast unter dem Aspekt des fairen Verfahrens ist bezogen auf das konkrete Prozessrechtsverhältnis zu beurteilen; Dritte spielen dabei keine Rolle (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.02.2019, Az.: 1 BvR 2556/17, Rdnr. 12 f.).

Zentraler und höchstrichterlich noch nicht geklärter Streitpunkt des Verfahrens ist die Frage, ob für den unstreitigen Einsatz der „Umschaltlogik“ im Fahrzeug der Klagepartei auch die Beklagte deliktisch haftet oder nur die in diesem Verfahren nicht beteiligte VW-AG. Der Senat sieht eine Haftung der hiesigen Beklagten nach §§ 826, 31 BGB gegenüber der Klagepartei nicht allein aufgrund einer Zurechnung fremden Fehlverhaltens, sondern im Kern aufgrund eigenen deliktischen Handelns. Dies beruht auf dem von der Beklagten zu verantwortenden Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einer manipulativen, auf Täuschung ausgerichteten unzulässigen Abschalteinrichtung.

a)

Das Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit einem Motor, der über eine nicht offen gelegte Abschalteinrichtung bzw. Umschaltlogik verfügt, stellt eine konkludente Täuschung der Klagepartei durch die Beklagte dar, weil die Käufer der bemakelten Fahrzeuge, gleichgültig, ob sie das Fahrzeug neu oder gebraucht erwarben, arglos davon ausgingen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Die Käufer durften darauf vertrauen, dass das erworbene Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden kann, über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt und die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren rechtmäßig durchlaufen worden sind. Tatsächlich enthielt der Motor – wie dargelegt – zum Zeitpunkt des Kaufs eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007, weil der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb gezielt durch den Einsatz einer entsprechenden Motorsteuerungssoftware reduziert worden ist. Die Technik war nicht nur zweifelsfrei unzulässig, sie diente vielmehr der gezielten Täuschung über die Einhaltung der zulässigen Abgaswerte. Dies hatte zur Folge, dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestand und ein weiterer Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr möglicherweise nicht (mehr) möglich war, vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19.

b)

Durch diese Täuschung entstand der Klagepartei als Käuferin eines vom sog. Dieselabgasskandal betroffenen Fahrzeugs ein Schaden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags als ungewollte Verbindlichkeit zu sehen ist. Dieser Schaden ist auch nicht durch das später durchgeführte Software-Update entfallen, vgl. BGH, Urteil vom 25.05.20, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 44 ff.

c)

Der Schaden in Form des Kaufvertragsabschlusses wurde durch das Handeln der Beklagten verursacht. Die haftungsbegründende Kausalität zwischen schädigender Handlung der Beklagten und dem Eintritt des Schadens bei der Klagepartei ist zu bejahen, weil bereits die allgemeine Lebenserfahrung die Annahme rechtfertigt, dass ein Käufer, der ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte, vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 51. Der Senat ist darüber hinaus von der Kausalität der Täuschungshandlung durch die Beklagte für den Vertragsschluss durch die Klagepartei überzeugt aufgrund der Angaben des Klägers im Rahmen der Anhörung durch den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26.10.2020 und aufgrund des dort gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Kläger. Die Beklagte hat im Termin vom 26.10.2020 ihren Antrag auf Parteieinvernahme der anwesenden Klagepartei nicht aufrechterhalten. Der Senat hat bereits in der Verhandlung darauf hingewiesen, dass er die Kausalität für gegeben ansieht.

d)

Das Verhalten der Beklagten war sittenwidrig, auch wenn sie – anders als die VW-AG – den Motor EA 189 nicht (mit-)entwickelt haben sollte.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft, vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (ständige Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az.: VI ZR 536/15, vom 07.05.2019, Az.: VI ZR 512/17, zuletzt 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19).

Nicht nur das Verhalten der VW-AG, sondern auch der hiesigen Beklagten ist objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren, weil auch die beklagte Audi-AG auf der Grundlage einer strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse Fahrzeuge in den Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgaswerte auf dem Prüfstand nur mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung eingehalten wurden. Damit ging eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden einher und es bestand die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren, BGH, a.a.O. Rdnr. 16. Auch die hier beklagte Audi-AG hat nach Überzeugung des Senats das an sich erlaubte Ziel der Gewinnerhöhung ausschließlich dadurch erreicht, dass sie auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung die zuständige EG-Typgenehmigungsbehörde und die für sie handelnden Technischen Dienste arglistig getäuscht hat. Die Einwände der Beklagten, dass das Emissions-Zulassungsverfahren durch die VW-AG erfolgt ist und die Beklagte nur die Rechnungen und beanstandungsfreien Prüfberichte erhalten hat, greifen nicht durch.

Die Beklagte als Herstellerin des hier streitgegenständlichen Fahrzeugs hat gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt als zuständiger EG-Typengenehmigungsbehörde in dem erforderlichen EG-Typengenehmigungsverfahren eine eigene falsche Erklärung dahingehend abgegeben, dass der Fahrzeugtyp genehmigungsfähig ist und mithin nicht über die tatsächlich bestehende unzulässige Abschalteinrichtung verfügt. Sie handelte dabei arglistig.

aa)

Fahrzeuge dürfen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie einer amtlichen Genehmigung für das Gesamtfahrzeug entsprechen. Dabei ist für Personenkraftwagen die Richtlinie 2007/46/EG (Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge – Rahmenrichtlinie) maßgeblich. Diese enthält eine Vielzahl von Einzelvorschriften für die verschiedenen technischen Systeme und Bauteile der Fahrzeuge. Die an die Abgasemissionen der Fahrzeuge zu stellenden Anforderungen regelt die VO (EG) 715/2007 (Euro 5 und 6 – Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge) und die dazu erlassene Durchführungsverordnung (EG) Nr. 692/2008 (Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge). Diese Vorgaben sind in nationales Recht umgesetzt, soweit erforderlich, durch die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV – Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge). Aber auch vor Inkrafttreten der genannten Normen war zur Zulassung eine EG-Typengenehmigung erforderlich, und zwar auf der Grundlage der Richtlinie 70/156/EWG (Richtlinie 70/156/EWG des Rates vom 6. Februar 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger), geändert durch die Richtlinie 2001/116/EG (Richtlinie 2001/116/EG der Kommission vom 20. Dezember 2001 zur Anpassung der Richtlinie 70/156/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger an den technischen Fortschritt). Die Anforderungen im Hinblick auf die Abgase regelte hierzu ergänzend die Richtlinie 70/220/EWG (Richtlinie 70/220/EWG des Rates vom 20. März 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Abgase von Kraftfahrzeugmotoren mit Fremdzündung), geändert durch die Richtlinie 98/69/EG (Euro 4 – Richtlinie 98/69/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Emissionen von Kraftfahrzeugen und zu Änderung der Richtlinie 70/220/EWG des Rates). Diese Vorgaben waren im nationalen Recht umgesetzt in der Verordnung über die EG-Typengenehmigung für Fahrzeuge und Fahrzeugteile (EG-TypV).

Zuständige nationale Genehmigungsbehörde ist das Kraftfahrtbundesamt, § 2 Abs. 1 EG-FGV (davor gem. § 2 Abs. 1 EG-TypV). Verantwortlich für die Beantragung der EG-Typengenehmigung für das Gesamtfahrzeug in Bezug auf einen Fahrzeugtyp ist der Hersteller, hier die Beklagte, § 3 Abs. 5 S. 1 EG-FGV (davor § 2 Abs. 2 S. 1 EG-TypV).

bb)

Zur Überzeugung des Senats hat die Beklagte mit dem Antrag auf EG-Typengenehmigung gleichzeitig konkludent erklärt, dass der Fahrzeugtyp den materiell-rechtlichen Genehmigungsanforderungen genügt, mithin die vorgeschriebenen Grenzwerte auf dem Prüfstand gerade nicht nur mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung eingehalten werden, § 4 Abs. 4 EG-FGV i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Anhang IV Teil I Nr. 2a der Richtlinie 2007/46/EG i.V.m. Art. 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 und Abs. 2 VO (EG) 715/2007 (bzw. früher § 3 Abs. 1 EG-TypV i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. Anhang IV Teil I Nr. 2 Richtlinie 70/156/EWG i.V.m. Art. 2 und 2a i.V.m. Anhängen I bis VI der Richtlinie 70/220/EG).

Zum einen lässt sich dem Anhang III Teil I Ziffer 3 zu Richtlinie 2007/46/EG (früher Anhang III Teil I Ziffer 3 zu Richtlinie 70/156/EWG) entnehmen, dass bei der Antragstellung auch zur Antriebsmaschine eine ausführliche Beschreibung jedenfalls des Systems zu erfolgen hat. Diese Beschreibungsbögen waren zu unterzeichnen und mit Datum sowie Dienststellung des Unterzeichners zu versehen (siehe jeweils am Ende [nach dortigem Teil III] der eben genannten Fundstellen).

Zum anderen lassen die europäischen Bestimmungen – anders als die Beklagte meint – schon nach Wortlaut, Sinn und Zweck keinen Raum für die von der Beklagten vorgenommene Auslegung, der Antrag auf Erteilung der Typengenehmigung habe nur den Erklärungswert, dass das Fahrzeug die vorgeschriebenen Abgaswerte in den Testprüfstandsverfahren einhalte und umfasse gerade nicht die Erklärung, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen vorliegen. Zwar hat der europäische Gesetzgeber die Anforderungen im Laufe der Zeit weiter verschärft und stellt nunmehr das Abgasverhalten im realen Betrieb in den Vordergrund. Gleichwohl war schon nach der bis dahin geltenden Rechtslage klargestellt, dass Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig sind, mithin Grenzwerte in den vorgeschriebenen Testverfahren gerade nicht allein wegen einer solchen Abschalteinrichtung eingehalten werden dürfen. Ausgangspunkt der europäischen Rechtssetzung bereits in den 1970er Jahren war die Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Gemeinsamen Marktes; unter anderem die deutschen Bestimmungen in der Straßenverkehrszulassungsordnung zu Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Kraftfahrzeugmotoren gaben den Anstoß (Erwägungsgründe der Richtlinien 70/156/EWG und 70/220/EWG). Mit dem ersten Aktionsprogramm der EG für den Umweltschutz, das bereits 1973 vom Rat gebilligt wurde, wurde dazu aufgerufen, den neuesten wissenschaftlichen Fortschritten bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung durch Abgase von Fahrzeugen Rechnung zu tragen und das bereits bestehende europäische Recht entsprechend anzupassen (Erwägungsgrund Nr. 2 der Richtlinie 98/69/EG). Seither und bis heute ist das Ziel der Verbesserung der Luftqualität durch Verringerung von Abgasen mittels Verschärfung von Emissionsvorschriften – unter anderem Stickoxidemissionen – fortwährend Teil der Agenda der europäischen Rechtsetzung (Erwägungsgründe Nr. 3, 4, 5, 11, 12 Richtlinie 98/69/EG, Erwägungsgründe 4, 5, 6 Verordnung (EG) 715/2007). Ziel der Maßnahmen ist die Eindämmung der Luftverschmutzung und damit die Reduktion der Emissionen bei normalem Fahrzeugbetrieb und -gebrauch. Bereits mit der Richtlinie 98/69/EG, d.h. schon Ende der 1990er Jahre, sah sich der Europäische Gesetzgeber gezwungen, Abschalteinrichtungen für emissionsmindernde Einrichtungen zu begrenzen und nur dann nicht als solche zu werten, wenn sie u.a. zum Motorschutz notwendig sind (Art. 1 Nr. 2 i.V.m. Anhang zur Änderung der Anhänge der Richtlinie 70/220/EWG – Anhang I, dort Nr. 4 der Richtlinie 98/69/EG). Im Rahmen der VO (EG) 715/2007 fand dies seinen Niederschlag in Art. 5: Art. 5 Abs. 1 verpflichtet den Hersteller, dass das Fahrzeug so auszurüsten ist, dass die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussenden Bauteile so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Gemeint sind damit die realen Betriebsbedingungen, die sich unter Umständen im Labor nicht vollständig nachbilden lassen. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 (so auch bereits Art. 1 Nr. 2 i.V.m. Anhang zur Änderung der Anhänge der Richtlinie 70/220/EWG – Anhang I, dort Nr. 4 der Richtlinie 98/69/EG) definiert „Abschalteinrichtungen“ als ein Konstruktionsteil, das bestimmte Parameter ermittelt, um die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, zu verringern. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 bestimmt, dass die Verwendung solcher Abschalteinrichtungen grundsätzlich unzulässig ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten zitierten Erwägungsgrund Nr. 5 der VO (EU) 2016/646 (Verordnung (EU) 2016/646 der Kommission vom 20. April 2016 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 6)). Dieser lautet: „‘Abschalteinrichtungen‘ im Sinne von Artikel 3 Absatz 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zur Verringerung der Emissionsminderungsleistung sind verboten. Die jüngsten Ereignisse haben deutlich gemacht, dass die Durchsetzung von Rechtsvorschriften in dieser Hinsicht verstärkt werden muss. Daher ist es angemessen, eine bessere Überwachung der vom Hersteller bei der Typgenehmigung angewandten Emissionsminderungsstrategie zu verlangen, gemäß den Grundsätzen, die nach der Verordnung (EG) Nr. 595/2009 und ihren Durchführungsbestimmungen bereits für schwere Nutzfahrzeuge gelten (Euro 6).“ Nach dem klaren Wortlaut steht das Verbot außer Frage, lediglich seine Durchsetzung soll verstärkt werden.

Schließlich lassen die europäischen Vorgaben keinen Zweifel an der umfassenden Verantwortlichkeit des Herstellers im Typengenehmigungsverfahren, derer die Beklagte sich als weltweit tätiger großer Motoren- und Automobilhersteller zur Überzeugung des Senats bewusst war: Art. 3 Nr. 27 Richtlinie 2007/46/EG (früher ähnlich bereits in Art. 2 Richtlinie 70/156/EWG) definiert den Hersteller als die „Person oder Stelle, die gegenüber der Genehmigungsbehörde für alle Belange des Typengenehmigungsverfahrens- oder … verantwortlich ist. Die Person oder Stelle muss nicht notwendigerweise an allen Stufen der Herstellung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbständigen technischen Einheit, das bzw. die Gegenstand des Genehmigungsverfahrens ist, unmittelbar beteiligt sein.“ Dies wird unter der Überschrift „Pflichten des Herstellers“ in Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2007/46/EG wiederholt. Nach Art. 4 „Pflichten des Herstellers“ der VO (EG) 715/2007 bzw. Art. 3 Abs. 1 und Abs. 6 VO (EG) 692/2008 „weist (der Hersteller) nach“, dass alle von ihm verantworteten Neufahrzeuge über eine Typengenehmigung verfügen, die Grenzwerte eingehalten werden und die Fahrzeuge den ausführlichen Prüfanforderungen entsprechen, bzw. er „gewährleistet, dass die bei der Emissionsprüfung ermittelten Werte unter den in dieser Verordnung angegebenen Prüfbedingungen den geltenden Grenzwert nicht überschreiten.“ (Anm.: Hervorhebungen durch den Senat). Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 verpflichtet den Hersteller, dass das Fahrzeug so auszurüsten ist, dass die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussenden Bauteile so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Art. 5 Abs. 2 legt die grundsätzliche Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen fest.

cc)

Diese eigene und falsche Erklärung der Beklagten gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt als zuständiger EG-Genehmigungsbehörde ist der Beklagten als arglistige Täuschung vorwerfbar. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass allein die VW-AG Pflichten verletzt hätte, was ihr verborgen geblieben sei und ihr nicht zurechenbar sei, obwohl vorgetragen wird, dass die VW-AG im Auftrag der Audi-AG gehandelt hat.

(1) Der Beklagten ist vorzuwerfen, dass die Abgabe einer eigenen Erklärung gegenüber der EG-Typgenehmigungsbehörde die Verpflichtung einschloss, den Motor eigenständig auf Funktionsmäßigkeit und Gesetzesmäßigkeit zu überprüfen, weil – wie ausgeführt – mit dem Antrag auf Erteilung einer EG-Typgenehmigung zumindest konkludent erklärt wird, dass das Fahrzeug die gesetzlichen Vorschriften einhält, insbesondere über keine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt, und der Hersteller im EG-Typengenehmigungsverfahren umfassend verantwortlich ist.

Juristische Personen sind verpflichtet, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete, hier dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge, ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig sein muss, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft, vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1980, Az.: VI ZR 158/78, Rdnr. 61 ff. Die Beklagte kann damit einen so elementaren Teilbereich wie das Emissions-Typgenehmigungsverfahren nicht auf die Konzernmutter übertragen und sich so einer Haftung entziehen. Sie muss sich dann das Wissen der VW-AG von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Denn die Beklagte schildert selbst, dass die VW-AG in ihrem Auftrag im behördlichen Verfahren tätig geworden ist, mithin eine rechtsgeschäftliche Handlung des Vertreters vorliegt, vgl. Art. 3 Nr. 28 Richtlinie 2007/46/EG. Wer sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr bei der Abgabe von Willenserklärungen, hier dem Antrag auf Erteilung einer EG-Typgenehmigung, eines Vertreters bedient, muss es im schutzwürdigen Interesse des Adressaten hinnehmen, dass ihm die Kenntnis des Vertreters als eigene zugerechnet wird. Oder anders ausgedrückt, wer sich zur Erledigung eigener Angelegenheiten Dritter bedient, muss sich deren Wissen zurechnen lassen, vgl. BeckOK, BGB Hau/Poseck, 55. Edition, Stand 01.08.2020, Rdnr. 1 zu § 166 BGB.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass im Zulassungsverfahren die Emissionsgrenzwerte nur auf dem Rollenprüfstand geprüft werden und ihr es nicht möglich gewesen wäre, Prüfungen im realen Fahrbetrieb vorzunehmen bzw. es damals kein Prüfverfahren gab, mit dem das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen hätte ermittelt werden können. Unabhängig von den zur Verfügung stehenden Überprüfungsmöglichkeiten hätte die Beklagte jedenfalls bei der VW-AG nachfragen können – und müssen, wie die Motorsteuerungssoftware programmiert ist, damit die vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten werden können. Die Beklagte hätte sich auch ohne Weiteres von der Konzernmutter die entsprechenden Unterlagen geben lassen können. Insoweit wird nicht vorgetragen, dass man dies versucht hätte, aber von Seiten der Konzernmutter dies abgelehnt worden sei oder dass man solche Unterlagen bekommen hätte, die aber geschönt gewesen seien. Selbst das von der Beklagten vorgelegte Rechtsgutachten von Prof. Dr. G. geht auf S. 23 davon aus, dass „die Möglichkeit der Aufdeckung der Abschalteinrichtung durch die AUDI-eigene Entwicklungsabteilung – vermittels einer grundlegenden Prüfung der Software bzw. einer Neuentwicklung von Testverfahren – nicht vollständig ausgeschlossen werden kann…“.

Zum Zeitpunkt der Entwicklung und des Einbaus des streitgegenständlichen Motors war das Spannungsverhältnis zwischen kostengünstiger Produktion und Begrenzung der Stickoxidemissionen – wegen der strengen EU-Vorgaben notwendig – außerdem allgemein bekannt, was die Beklagte – die selbst aufgrund ihrer eigenen Entwicklung und Herstellung von u.a. Dieselmotoren sachkundig ist – zum Anlass für eine genaue Prüfung hätte nehmen müssen, als aus Sicht der für die Motorenentwicklung zuständigen Konzernmutter die Auflösung dieses Konflikts angeblich gelungen war. Zudem stand bereits zum Zeitpunkt der Entwicklung des streitgegenständlichen Motors, dem der Einbau durch die Beklagte folgte, die Problematik der Verwendung von Abschalteinrichtungen lange und fortwährend auf der Agenda des europäischen Gesetzgebers (auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen), was der Beklagten als weltweit tätiger (Diesel-)Motoren- und Fahrzeughersteller zur Überzeugung des Senats bekannt war.

(2) Aber auch unabhängig hiervon ist der Senat davon überzeugt, dass eine entsprechende Kenntnis von der Funktionsweise der Software bei der Beklagten vorhanden war.

Die Beklagte schildert, dass die grundsätzliche Entscheidung in Bezug auf die Verwendung des Motors EA 189 in den Jahren 2005/2006 von dem Produkt-Strategie-Komitee getroffen worden ist, dem auch Mitglieder des Vorstands angehört haben. Dass das vorgenannte Komitee der Beklagten keine Kenntnis von den Details des Motors – das Herzstück eines Autos, und eben nicht nur ein Zuliefererteil wie jedes andere – gehabt hat, dessen serienmäßiger Einsatz ab 2007 beschlossen worden ist, hält der Senat nicht für plausibel. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Einsatz des Motors in einer großen Vielzahl von Fahrzeugen angeordnet wird, die beteiligten Vorstandsmitglieder sich bei dieser Entscheidung, die die Beklagte selbst als „Meilenstein“ bezeichnet, – trotz der im Raum stehenden auch persönlichen Haftungsrisiken – nicht darüber informiert haben, welche Eigenschaften der Motor hat und wie es gelingt, den bekannten Zielkonflikt zwischen kostengünstiger Produktion und strengen EU-Vorgaben zu Stickoxidwerten zu lösen.

Die Beklagte trägt hier aber nicht einmal vor, welche Vorstände dem Produkt-Strategie-Komitee angehört haben, ob diese in Bezug auf ihren Kenntnisstand befragt worden sind und was gegebenenfalls die Antwort war. Der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast ist die Beklagte hier damit nicht in ausreichendem Maß nachgekommen. Die Kenntnis gilt damit als zugestanden, § 138 Abs. 3 ZPO. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Senat auf die Notwendigkeit zum weiteren Vortrag sogar explizit im Hinblick auf die Behauptung des „blinden Erwerbs“ wie auch der Maßgeblichkeit der Typengenehmigung vorab hingewiesen hat (Anlage zum Protokoll der Sitzung vom 13.01.2020 = Bl. 353 ff. d.A., dort S. 6 und Hinweis mit Verfügung vom 07.08.2020, Bl. 388 f. d.A.).

Ergänzend untermauert wird dies durch den folgenden von der Klagepartei vorgetragenen Aspekt: Die Klagepartei hat in erster Instanz unbestritten vorgetragen, dass von der Beklagten selbst entwickelte V6-Diesel-Motoren nach Feststellungen des Kraftfahrbundesamtes über unerlaubte Abschalteinrichtungen verfügen (siehe Bl. 7 d.A. a.E, Bl. 37 f. d.A.). Zwar beruft sich die Beklagte darauf, dass es sich dabei um andere Motoren (Sechszylinder mit 3 Litern Hubraum im Gegensatz zu den Zwei-, Drei- und Vierzylindermotoren mit 1,2, 1,6 oder 2,0 Litern Hubraum beim Typ EA 189.) handelt. Es handelt sich aber jedenfalls um Dieselmotoren, für die auch einheitliche gesetzliche Stickoxidgrenzwerte gelten (vgl. Anhang I zu VO (EG) 715/2007 – Fahrzeugklasse M).

dd)

Auch die Käufer von Fahrzeugen der hiesigen Beklagten vertrauten darauf, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und wurden darin arglistig getäuscht. Die Sittenwidrigkeit des Handelns ergibt sich aus dem nach Ausmaß und Vorgehen besonders verwerflichen Charakter der Täuschung von Kunden, der Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes unter Inkaufnahme nicht nur der Schädigung der Käufer, sondern auch der Umwelt allein im Profitinteresse.

e)

Die subjektiven Voraussetzungen der Haftung nach § 826 BGB sind ebenfalls erfüllt. In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB einen Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Kausalität des eigenen Verhaltens für den Eintritt des Schadens und der das Sittenwidrigkeitsurteil begründenden tatsächlichen Umstände voraus. Der Schädigungsvorsatz enthält ein Wissens- und Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchsstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben und mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben, BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az.: VI ZR 536/15.

Die Haftung einer juristischen Person nach § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB setzt zudem voraus, dass ihr „verfassungsmäßig berufender Vertreter“ den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat. Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen dabei kumuliert bei einem solchen Vertreter vorliegen, der auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat, eine mosaikartige Zusammensetzung der kognitiven Elemente bei verschiedenen Personen ist hingegen nicht zulässig, vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2019, Az.: VI ZR 536/15. Darauf weist zutreffend auch das von der Beklagten vorgelegte Rechtsgutachten hin, S. 15.

Der Senat geht nicht davon aus, dass eine Wissenszurechnung im Konzern die Haftung der Beklagten begründet. Der Umstand, dass die beteiligten Gesellschaften in einem Konzern verbunden sind, genügt nämlich für sich genommen nicht, um eine Wissenszurechnung zu begründen, vgl. BGH, Urteil vom 13.12.1989, Az.: IV a ZR 177/88, Rdnr. 14, OLG Stuttgart, Urteil vom 04.09.2019, Az.: 13 U 136/18, Müko-BGB, 7. Auflage 2018, § 166 Rdnr. 61.

Die Haftung der Beklagten beruht vielmehr – wie schon ausgeführt – auf ihrem eigenen deliktischen Handeln, dem von ihr zu verantwortenden Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Im Hinblick auf den neuen Vortrag im Schriftsatz vom 21.09.2020 ist die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast in größerem Umfang als bisher nachgekommen, weil sie zur Organisationsstruktur, der Arbeitsorganisation, den damaligen internen Zuständigkeiten, den Berichtspflichten und den von ihr veranlassten Ermittlungen näher vorgetragen hat. Die Beklagte argumentiert allerdings damit, dass schon keine belastbaren Anhaltspunkte für eine Kenntnis der Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinn oder von potentiellen Repräsentanten bestünden, weshalb ein vertieftes Vorgehen nicht angezeigt sei und keine Verpflichtung zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen von Seiten des Aufsichtsrats bestehe. Dies teilt der Senat in Bezug auf die Vorstände, die in dem Produkt-Strategie-Komitee mitgewirkt haben, aus nachfolgenden Gründen nicht:

Zur Produktion erklärt die Beklagte nunmehr, dass bereits in den Jahren 2005/2006 vom Produkt-Strategie-Komitee, dem auch nicht namentlich benannte Vorstände angehört haben, die grundsätzliche Entscheidung getroffen worden ist, dass in bestimmten Fahrzeugen der Beklagten der von der Konzernmutter entwickelte Motor vom Typ EA 189 eingebaut wird, was letztlich ab 2007 zu einem serienmäßigen Einsatz geführt hat. Die Beklagte behauptet dazu weiter, dass weder Organe noch Repräsentanten, nicht einmal Werksmitarbeiter der Beklagten Kenntnis von den Details des Motors, insbesondere der Software gehabt hätten, weil diese verschlossen und verriegelt war und so vom Konzernserver in der Fertigung aufgespielt worden ist. Dies hält der Senat – wie oben bereits ausgeführt – nicht für plausibel. Es ist nicht nachvollziehbar, dass das oben genannte Komitee, dem auch ein Organ der Beklagten angehört hat, den Einsatz eines Motors in eigenen Fahrzeugen befürwortet, sich aber keine Gedanken darüber macht, wie der Motor funktioniert, welche Eigenschaften er hat und wie es gelingt, die entsprechenden Stickoxidgrenzwerte einzuhalten. Bei dem Motor handelt es sich um das Kernstück des Fahrzeugs und bei der Verwendung um eine grundlegende, eine Vielzahl von Fahrzeugen betreffende Strategieentscheidung, die mit erheblichen persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden ist. Da die Beklagte auch selbst Dieselmotoren entwickelt und die Frage, wie die gesetzlichen Grenzwerte technisch und wirtschaftlich kostengünstig eingehalten werden können, unter Kfz-Herstellern zu der damaligen Zeit ein Hauptthema war, kann nicht nachvollzogen werden, dass die Beklagte kein Interesse daran hatte zu wissen, wie es der Mutterkonzern geschafft hat, die strengen Grenzwerte einzuhalten. Es scheint ausgeschlossen, dass die Beklagte den von der Konzernmutter entwickelten Motor ohne eigene Prüfung und Kenntnis der wesentlichen Merkmale „blind“ in ihre eigenen Fahrzeuge eingebaut hat. Es liegt vielmehr auf der Hand, dass im Unternehmen der Beklagten mindestens ein handelnder Repräsentant an der Entscheidung über die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung beteiligt war. Dies folgt schon aus der Tragweite der Entscheidung, aber auch aus den gesamten Umständen.

Deshalb kann auch vorliegend – entgegen den Ausführungen im Rechtsgutachten Grigoleit, Seite 17 ff. – in Bezug auf die Frage der personalen Anknüpfung – wie es der BGH in dem Urteil vom 25.05.2020 getan hat – auf die bewusste Beteiligung eines Organmitglieds an der grundlegenden strategischen Entscheidung abgestellt werden.

Die Beklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, dass sie den Motor samt Software nur als externes Produkt von der VW-AG zugekauft hat und dieser vertrauen durfte. Der Bundesgerichtshof hat in der von der Beklagten zitierten Entscheidung vom 03.06.1975, Az.: VI ZR 192/73, ausgeführt, dass einem Unternehmer, der für die von ihm hergestellten Geräte vorgefertigte Einbauteile verwendet, grundsätzlich die Sorgfaltspflichten eines Herstellers obliegen. Davon kann es zwar Ausnahmen geben, wovon hier allerdings schon wegen der Bedeutung des Motors für das Fahrzeug keine Rede sein kann. Der Motor eines Fahrzeugs ist eben nicht bloß ein Zuliefererteil wie jedes andere. Die Beklagte durfte sich vorliegend nicht allein auf die fachliche Betriebserfahrung ihrer Konzernmutter und deren durchgeführte Prüfungen verlassen. Sie hätte vielmehr die konkreten Eigenschaften bei der VW-AG erfragen müssen und sich selbst von der mangelfreien Beschaffenheit des Motors im Hinblick auf ihre eigene Verantwortlichkeit im EG-Typgenehmigungsverfahren überzeugen müssen. Der Auffassung von Prof. Dr. G. auf Seite 22 ff. des Gutachtens folgt der Senat aus den obigen Gründen, letztlich wegen der abweichenden Wertung des Sachverhalts, nicht.

Was das Zulassungsverfahren betrifft, zu dem die Beklagte vorträgt, dass hier in Bezug auf den Motor nur Mitarbeiter der VW-AG gehandelt hätten, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Die Beklagte hat gegenüber der EG-Typgenehmigungsbehörde eine eigene Erklärung abgegeben und zumindest konkludent erklärt, dass die dem Technischen Dienst von der VW-AG vorgestellten Fahrzeuge keine unzulässigen Abschalteinrichtungen enthalten und den Gesetzen entsprechen. Da dies tatsächlich nicht zutraf, ist das Verhalten der Beklagten als vorsätzlich zu bewerten, weil die Folgen des Handelns bewusst in Kauf genommen worden sind. Selbst wenn man dies nicht so sehen wollte, hält der Senat aufgrund der Tatsache, dass die Beklagte sich im Hinblick auf das Emissions-Typengenehmigungsverfahren vollständig und ohne weitere Kontrolle auf die Konzernmutter verlassen hat, eine Zurechnung des bei der WV-AG zweifelsfrei vorhandenen Täuschungs- und Schädigungsvorsatzes entsprechend § 31 BGB für gerechtfertigt.

f)

Auf der Basis der getroffenen Feststellungen ist damit von einem Schädigungsvorsatz der handelnden Personen auszugehen, die von den sittenwidrigen, strategischen Unternehmensentscheidungen Kenntnis hatten. Nicht nur der objektive Tatbestand, sondern auch sämtliche für den Vorsatz nach § 826 BGB erforderlichen Wissens- und Wollenselemente sind damit bei den entsprechenden Entscheidungsträgern verwirklicht. Vorstandsmitglieder oder Repräsentanten, die in eigener oder zurechenbarer Kenntnis der Funktionsweise der Software ihren serienmäßigen Einsatz in Motoren anordnen oder nicht unterbinden, billigen ihn auch und sind sich der Schädigung der späteren Fahrzeugerwerber bewusst.

2.

Die Beklagte hat gemäß §§ 826, 31, 249 ff. BGB der Klagepartei sämtliche aus der sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden zu ersetzen. Die Klagepartei kann damit den von ihr aufgewendeten Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des erlangten Fahrzeugs an die Beklagte zurückverlangen.

Sie muss sich aber dasjenige anrechnen lassen, was ihr durch das schädigende Ereignis zugeflossen ist. Dass die Grundsätze der Vorteilsausgleichung auch bei einem Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB anzuwenden sind, hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, ausdrücklich bestätigt, Rdnr. 66 ff. Er hat auch ausgeführt, dass dem keine europarechtlichen Normen entgegenstehen. Der Senat nimmt auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs Bezug, a.a.O., Rdnr. 73 ff. Geklärt ist mit dieser Entscheidung weiter, dass eine lineare Berechnungsweise nach der Formel Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer / Restlaufleistung – insoweit fußt das erstinstanzliche Urteil auf einem Rechenfehler – keinen rechtlichen Bedenken unterliegt und die Höhe der gezogenen Vorteile nach § 287 ZPO geschätzt werden kann.

Vorliegend hatte das Fahrzeug beim Erwerb durch die Klagepartei einen Kilometerstand von 134.800 km. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat hatte das Fahrzeug einen Kilometerstand von 200.204 km. Dies hat die Beklagte im Termin vor dem Senat unstreitig gestellt. Damit ist die Klagepartei 65.404 km gefahren. Unter Zugrundelegung des Kaufpreises von 20.500 € und einer Restlaufleistung von 115.200 km bei Abschluss des Kaufvertrages ergibt sich damit eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer in Höhe von 11.638,73 €. Es verbleibt somit ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 8.861,27 €. Die zu erwartende Gesamtlaufleistung schätzt der Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens gemäß § 287 ZPO – abweichend vom Landgericht – auf 250.000 km, da von einer durchschnittlichen Laufleistung des hier verbauten Dieselmotors 2.0 TDI, 125 kw, auszugehen ist, der allerdings bereits unter der Euro-4-Norm erstzugelassen wurde.

3.

Der Klagepartei stehen die geltend gemachten Zinsen jedenfalls wegen Rechtshängigkeit zu, §§ 291, 288 Abs. 1 BGB, ab dem 25.01.2018.

 

4.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind vorliegend allerdings nicht erstattungsfähig.

Grundsätzlich können entstandene außergerichtliche Rechtsanwaltskosten als Teil des Schadens nach §§ 826, 249 ff. BGB verlangt werden. Vorliegend waren sie aber nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich und zweckmäßig. Angesichts der sich stellenden Rechtsfragen ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn sich die Klagepartei anwaltlich vorab hat beraten lassen und zunächst mit anwaltlicher Hilfe versucht hat, vorgerichtlich eine gütliche Einigung zu erzielen. Da sich die Beklagte im Lauf der Zeit durchaus auf außergerichtliche Lösungen eingelassen hat, musste ein betroffener Käufer nicht von vornherein davon ausgehen, dass ein anwaltliches Aufforderungsschreiben zwecklos ist. Vorliegend belegen aber die Datumskoinzidenz des vorgerichtlichen anwaltlichen Mahnschreibens und der Klageschrift sowie der Eingang der Klageschrift bei Gericht vor Ablauf der vorab anwaltlich gesetzten Frist, dass von vornherein ein unbedingter Klageauftrag erteilt worden und eine vorgerichtliche Streitbeilegung gerade nicht beabsichtigt war.

Eine Erstattung scheidet auch unter dem Gesichtspunkt des Verzugs aus, denn im Zeitpunkt der anwaltlichen Tätigkeit war noch kein Verzug begründet, §§ 286, 280 Abs. 2 BGB.

III.

Die Kostenquote entspricht dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien, §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung erster Instanz wurde abweichend festgesetzt, da die erstinstanzliche Berechnung einen Rechenfehler aufwies und der Senat die mögliche Gesamtlaufleistung abweichend schätzt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, Nr. 711, 713 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Einige wesentliche Punkte sind zwar durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 geklärt, offen ist jedoch die Frage, ob auch die Konzerntöchter der VW-AG, insbesondere die Beklagte, für die von ihnen hergestellten, mit einem Motor des Typs EA 189 (nebst unzulässiger Abschalttechnik) ausgestatteten Fahrzeuge deliktisch haften. Diese Frage ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (vgl. die von der Beklagten im Schriftsatz vom 25.11.2020 zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt einerseits – eine Haftung der Beklagten bejahend dagegen Senatsurteil vom 08.06.2020, Az. 21 U 4760/19, das von der Beklagten trotz Revisionszulassung nicht angefochten wurde).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

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