AG Frankenthal, Az.: 3a C 328/14, Urteil vom 27.11.2014
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 4.7.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt als ehemalige Eigentümerin und Halterin des Pkw Citroen C 3 1.4 16V Comfort, Erstzulassung 31.7.2007, von der beklagten Haftpflichtversicherung aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 4.6.2014 in B… die Zahlung weiteren Schadensersatzes.
Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Die Klägerin bezifferte aufgrund des Schadensgutachtens der D… vom 11.6.2014 (Blatt 7 ff der Akten) ihren Schaden auf insgesamt 2.725,00 € (Blatt 6 der Akten).
Der Sachverständige der D… hat den Wiederbeschaffungswert mit 2.700,00 € (Differenzbesteuert 2.634,15 €) sowie „Restwert: keinen“ festgestellt.
Das Gutachten wurde der Beklagten mit Eingang 12.6.2014 übermittelt.
In einem Telefonat am 15.6.2014 soll nach der Behauptung der Beklagten die Klägerin allgemein auf die Möglichkeit eines Restwertangebotes nach Eingang des Gutachtens, das gegebenenfalls höher als der dort genannte Wert sei, hingewiesen worden sein.
Unstreitig erfolgte kein konkretes Restwertangebot zu diesem Zeitpunkt.

Die Beklagte zahlte am 23.6.2014 unter Abzug der Differenzbesteuerung und Verweis auf das am 18.6. abgegebene Restwertangebot über 1.800,00 € insgesamt 859,15 € an die Klägerin (Blatt 18 der Akten).
Nach der Übermittlung des D… Gutachtens an die Beklagte verkaufte die Klägerin am 15.6.2014 ihr verunfalltes Fahrzeug unrepariert an ihre Tochter für 50,00 € (Blatt 19 der Akten).
Die Klägerin hat ihr etwa zustehende Ansprüche gegen die D.. -der dort begutachtende Sachverständige hat aufgrund eines Eingabefehlers einen Restwert nicht bestimmt- an die Beklagte abgetreten.
Die Klägerin trägt vor, im Zeitpunkt des Restwertangebotes am 18.6.2014 sei das Fahrzeug bereits verkauft gewesen, da das D… Gutachten unstreitig keinen Restwert auswies habe die Klägerin das Unfallfahrzeug auch verkaufen dürfen.
Die Beklagte sei daher zur Zahlung weiterer 1.815,85 € verpflichtet.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.815,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 4.7.2014 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und führt hierzu aus, dass der Abrechnung ein differenzbesteuerter Wiederbeschaffungswert zugrunde zu legen sei. Aufgrund des allgemeinen Hinweises an die Klägerin habe diese ihr Fahrzeug nicht vor Eingang des Restwertangebotes in Höhe von 1.800,00 € verkaufen dürfen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von 1.800,00 € gemäß § 7 StVG, §§ 823Abs. 1, 249 ff BGB, § 115 VVG.
Nach den §§ 249 ff BGB durfte die Klägerin den Schaden an ihrem Fahrzeug auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen der D… berechnen und den Pkw auch verwerten.
Unstreitig haftet die Beklagte dem Grunde nach für den Verkehrsunfall zu 100 %.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwandes. Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Totalschadens kann die Klägerin den Wiederbeschaffungswert minus Restwert ersetzt verlangen. Auszugehen ist nach dem Gutachten der D… vom 11.6.2014 bei dem Wiederbeschaffungswert von differenzbesteuerten 2.634,15 €. Bei einer Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis ist gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB eine in dem vom Sachverständigengutachten im Wiederbeschaffungswert enthaltene Mehrwertsteuer nur dann zu erstatten, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Bei einer fiktiven Abrechnung ist nur der Wiederbeschaffungswert netto ohne Mehrwertsteuer erstattungsfähig, sofern keine Mehrwertsteuer angefallen ist. Entscheidend ist daher, in welchem Umfang in dem angegebenen Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist. Der außergerichtliche Sachverständige hat in seinem Gutachten den Wiederbeschaffungswert differenzbesteuert angegeben. Für die Frage, ob sich die anfallende Umsatzsteuer nur auf die Händlerspanne bezieht oder die Voraussetzungen einer Differenzbesteuerung gemäß § 25a UstG zu bejahen sind, sind die Gegebenheiten des Gebrauchtwagenmarktes maßgeblich. Allgemein wird eine Differenzbesteuerung gemäß § 25a UstG angenommen, wenn ein gebrauchtes Fahrzeug beim Händler erworben wird, welches dieser in der Regel oder typischerweise von einem Privatmann erworben hat (AG Kaiserslauern, Urteil vom 27.5.2003 -1 C 761/03-; BGH NJW 2004, 1943; NZV 2006, 462 ff). Von einer Differenzbesteuerung kann in der Regel ausgegangen werden bei Gebrauchtfahrzeugen, die älter als drei Jahre sind (vgl. LG Rottweil, Urteil vom 7.6.2003, Beck RS 2003, 12282). Danach ist für die Berechnung des Mehrwertsteueranteils im Wiederbeschaffungswert von einer Differenzbesteuerung auszugehen, die von diesem in Abzug zu bringen ist, §§ 287 ZPO, 249 Abs. 2 Satz 2 BGB.
Danach hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung eines Wiederbeschaffungsaufwandes von insgesamt 2.634,15 €. Die Feststellungen des Gutachters werden durch die Beklagte insoweit nicht angegriffen.
Daneben durfte die Klägerin das Fahrzeug auch durch Verkauf an ihre Tochter zum Preis von 50,00 € verwerten. Bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeuges muss sich der Geschädigte zwar grundsätzlich im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten. Diesem Gebot der Wirtschaftlichkeit wird im allgemeinen damit genüge geleistet, dass der Verkauf auf der Grundlage des von dem Sachverständigen genannten Restwertes erfolgt. Soweit der Sachverständige keinen Restwert in seinem Gutachten angibt, erfolgte der Verkauf für den Preis von 50,00 € sogar über dem von dem Sachverständigen ausgewiesenen Restwert. Die Klägerin durfte im vorliegenden Fall das Fahrzeug unter Berücksichtigung des von dem Sachverständigen nicht festgestellten Restwertes verkaufen. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 6.4.1993 (NZV 1993, 305) ausgeführt, dass der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis nach § 249 BGB die Veräußerung seines beschädigten Kraftfahrzeuges grundsätzlich zu demjenigen Preis vornehmen darf, den ein von ihm eingeschaltener Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen Markt ermittelt hat. Auf höhere Einkaufspreise spezieller Wertaufkäufer braucht er sich in aller Regel nicht verweisen zu lassen. Wenn, wie hier, eine etwaige objektive Unrichtigkeit der Angaben des Sachverständigen vorliegt, kann dies dem Geschädigten nicht angelastet werden.
Nach einhelliger Auffassung der Rechtsprechung ist der eingeschaltene Privatgutachter nicht der Erfüllungsgehilfe des Geschädigten mit der Folge, dass er für etwaige Fehler im Rahmen der Begutachtung nicht gemäß § 278 BGB einzustehen hat. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn dem Geschädigten ein eigenes Verschulden bei Auswahl des Sachverständigen zur Last fällt, weil er etwa einen erkennbar ungeeigneten Sachverständigen beauftragt hat oder auch wissentlich falsche Angaben zum Zustand des Fahrzeuges macht, um die Höhe des ermittelten Schadens zu beeinflussen oder wenn aus sonstigen Gründen Anlass zu Misstrauen besteht.
Hierfür gibt es im vorliegenden Falle keinerlei Anhaltspunkte.
Ein Verstoß der Klägerin gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit aus § 254 Abs. 2 BGB liegt danach nicht vor. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Geschädigte unter besonderen Umständen gehalten sein kann, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn es dem Geschädigten bei dem Verkauf ohne überobligatorische Anstrengung möglich ist, einen tatsächlich höheren Preis zu erzielen. In diesem Fall ist dieser Betrag der Schadensabrechnung zugrunde zu legen. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, die Klägerin habe verfrüht das Fahrzeug weiterveräußert, ohne ein Restwertangebot der Beklagten abzuwarten, bleibt dies ebenso ohne Erfolg, wie der Einwand, dass die Klägerin nicht einmal die von ihr gesetzte Regulierungsfrist abgewartet habe. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht der Geschädigten liegt nicht bereits deshalb vor, wenn sie ihr beschädigtes Fahrzeug zu dem vom Gutachter ermittelten Restwert veräußert, ohne abzuwarten, ob der Haftpflichtversicherer ein höheres Kaufangebot übermittelt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2005 -1 U 128/05-). Da der Geschädigte ein berechtigtes Interesse daran hat, seinen Schaden so schnell wie möglich zu regulieren, kann er auch das Unfallfahrzeug zügig verwerten. Dies geschieht häufig, um mit dem erzielten Verkaufserlös schnell ein Ersatzfahrzeug zu finanzieren. Hierdurch wird auch der Nutzungsausfallschaden gering gehalten, was ebenfalls im Interesse der beklagten Versicherung ist. Selbst wenn die Klägerin schriftlich gebeten worden wäre, von der Veräußerung des verunfallten Fahrzeugs zunächst abzusehen, um der Beklagten die Möglichkeit zur Überprüfung des Restwertes zu geben, entsteht durch ein solches Schreiben keine Obliegenheit der Klägerin, mit der Verwertung ihres Fahrzeugs zuzuwarten. Mit einem allgemein gehaltenen Hinweis, bei dem nicht explizit angekündigt wird, dass ein Restwertangebot gemacht wird, ist die Klägerin nicht gehalten, mit der Veräußerung ihres Unfallfahrzeuges zuzuwarten, wenn der Sachverständige einen Restwert nicht feststellt, da sie in einem solchen Fall nicht wissen kann, wann ein Restwertangebot eingehen wird. Letztlich folgt auch aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin das Fahrzeug auch innerhalb der von ihr gesetzten Regulierungsfrist veräußert, kein Verstoß gegen ihre Schadensminderungsobliegenheit. Die Klägerin hat mit ihrem Schreiben vom 20.6.2014 zunächst zur unbedingten Erklärung der Einstandspflicht aufgefordert und daneben vorläufig abgerechnet auf Basis des eingeholten Schadensgutachtens der D…. Darin liegt nicht die Setzung eines Vertrauenstatbestandes für die Beklagte dahingehend, dass sie wenigstens bis zum Ablauf der in diesem Schreiben bis zum 4.7.2014 gesetzten Frist mit der Veräußerung ihres Fahrzeugs abwarten werde. Danach sind vorliegend auch nicht die erlangten 50,00 € durch den Verkauf des Pkw bei der Berechnung des Schadensersatzes in Abzug zu bringen, sodass ausgehend von dem differenzbesteuerten Wiederbeschaffungswert in Höhe von 2.634,15 € zuzüglich einer Auslagenpauschale von 25,00 € ein Schadensersatzanspruch in Höhe von insgesamt 2.659,15 € besteht. Abzüglich vorgerichtlich geleisteter 859,15 € – die durch den Verkauf des Fahrzeugs erzielten 50,00 € bleiben außer Betracht – sind danach noch 1.800,00 € zur Zahlung durch die Beklagte offen.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 ZPO.