ArbG Hamburg
Az: 9 Ga 12/03
Urteil vom 19.08.2003
Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, zu vollziehen an den Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten aufgegeben, die Verfügungsklägerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu ihren bisherigen Arbeitsbedingungen als Vorarbeiterin im Objekt „B.“ in der Arbeitszeit von 8-12 Uhr zu einem Stundenlohn in Höhe von EUR 9,20 weiter zu beschäftigen.
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 782,– festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Weiterbeschäftigung der Verfügungsklägerin zu einer bestimmten Arbeitszeit im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens.
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen des Gebäudereinigerhandwerks.
Die Verfügungsklägerin ist gemäß schriftlichen Arbeitsverträgen vom 04. April 2001 und 11. Juni 2003 seit dem 04. April 2001 bei der Beklagten als Vorarbeiterin, zuletzt zu einem Bruttostundenentgelt in Höhe von EUR 9,20 an 20 Stunden in der Woche in der Zeit von 8.00 bis 12.00 Uhr im Objekt „B.“ beschäftigt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlagen A 1 – 2 zur Antragsschrift verwiesen.
Auf das Arbeitsverhältnis kommen die Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks in der jeweiligen Fassung kraft Allgemeinverbindlichkeitserklärung zur Anwendung.
Die Verfügungsklägerin ist alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes, welches sie morgens um 7.00 Uhr in den Kindergarten bringt und um 13.00 Uhr wieder abholen muss, da sie einen Kindergartengutschein für die Zeit von 7.00 bis 13.00 Uhr erhielt. Die Verfügungsklägerin lebt seit längerer Zeit in einer eheähnlichen Gemeinschaft.
Mit einem auch von der Verfügungsklägerin unterzeichnetem „Protestschreiben“ brachten die Mitarbeiterinnen zum Ausdruck, dass die nach der Tariferhöhung zum 01. März 2003 in Kraft getretene Anweisung der Verfügungsbeklagten, künftig entsprechend mehr zu arbeiten, nicht umzusetzen sei. Insoweit wird auf die Anlage A 4 zur Antragsschrift verwiesen.
Mit Schreiben vom 02. Juli 2003 erteilte die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin eine Abmahnung und wies ihr das Reinigungsobjekt NDR als Reinigerin mit einer Arbeitszeit vom 5.00 bis 9.00 Uhr zu. Insoweit wird auf die Anlage A 3 zur Antragsschrift verwiesen.
Die Verfügungsklägerin ist seit dem 02. Juli 2003 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Insoweit wird auf die Anlagen B 3 zur Antragserwiderung verwiesen.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 und 07. August 2003 begehrte die Verfügungsklägerin erfolglos die Rückgängigmachung der Versetzung. Insoweit wird auf die Anlagen A 5 – 7 zur Antragsschrift verwiesen.
Ihr Begehren verfolgt die Verfügungsklägerin mit dem am 11. August 2003 eingeleiteten Verfahren weiter.
Die Verfügungsklägerin meint, selbst wenn die Verfügungsbeklagte zur Umsetzung berechtigt gewesen sei, sei diese gemäß § 315 BGB unbillig und verstoße gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB. Auch die Degradierung von der Vorarbeiterin zur einfachen Reinigungskraft entspreche nicht billigem Ermessen.
Die Verfügungsklägerin behauptet, der Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass sie als alleinerziehende Mutter die elterliche Sorge für ihre kleine Tochter habe.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
der Verfügungsbekl. bei Meinung eines empfindlichen Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Verfügungsbekl., aufzugeben, die Verfügungskl. bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu ihrem bisherigen Arbeitsbedingungen als Vorarbeiterin im Objekt “ B. “ in der Arbeitszeit von 8:00 bis 12:00 zu einem Stundenlohn in Höhe von Euro 9,20 weiter zu beschäftigen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte bestreitet, dass die Arbeitsverträge im Hinblick auf die persönliche Situation der Verfügungsklägerin geschlossen worden seien. Die Klägerin sei nach den Verträgen verpflichtet, die gemäß Direktionsrecht der Verfügungsbeklagten zugeordnete Arbeit zu verrichten. Das umfasse sowohl die Arbeitszeit als auch den Arbeitsplatz. Die Verfügungsbeklagte sei auch nicht in der Lage, einen festen Arbeitsplatz in einem Reinigungsobjekt zu garantieren. Hätte die Verfügungsbeklagte gewusst, dass die Verfügungsklägerin nur zu einer bestimmten Zeit arbeiten könne, wäre sie nicht eingestellt worden.
Die Verfügungsbeklagte behauptet, die Verfügungsklägerin habe ihre weiteren Arbeitsunfähigkeiten am 15. Juli, 05. August und 11. August 2003 telefonisch nicht angezeigt. Die Verfügungsbeklagte meint, sie die Verfügungsklägerin sei bereits aus diesem Grund nicht geeignet, als Vorarbeiterin tätig zu sein.
Die Verfügungsbeklagte behauptet, die Verfügungsklägerin habe am 19. Juni 2003 in grober Art und Weise ihre Verpflichtungen als Vorarbeiterin verletzt. Eine Mitarbeiterin, die eine Gruppe von mehr als zehn Arbeitnehmern zu leiten habe und nicht in der Lage zu sein, bei Fehlbesetzungen sowohl das Büro ihres Arbeitgebers um Unterstützung zu bitten als auch aus dem Kreis der dort tätigen Arbeitnehmer entsprechende Abhilfe zu schaffen, sei nicht in der Lage weiterhin Vorarbeiterin zu sein. Sie könne als besondere Vertrauensperson nicht dem Kunden mitteilen, „heute werden 22 Zimmer nicht gereinigt, wir haben keine Arbeitskräfte“.
Die Verfügungsbeklagte behauptet, die Verfügungsklägerin habe wiederholt die andere Vorarbeiterin in diesem Reinigungsobjekt ab 6.00 Uhr morgens vertreten, so zuletzt vom 10. Juni bis 27. Juni 2003.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie wegen ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 313 Abs. 2 ZPO).
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zulässig und begründet, §§ 935, 936, 940 ZPO.
1. Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung im Objekt T als Vorarbeiterin in der Zeit von 8 bis 12 Uhr. Die Verfügungsbeklagte war nicht berechtigt, die Verfügungsklägerin im Wege des Direktionsrechts eine Tätigkeit als Reinigerin beim NDR in der Zeit von 5 bis 9 Uhr zuzuweisen.
Das auf dem Arbeitsvertrag beruhende Weisungsrecht gehört zum wesentlichen Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Bei der Ausübung dieses Rechts steht dem Arbeitgeber regelmäßig ein weiter Raum zur einseitigen Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu (BAG, Urteil vom 14. Dezember 1961 – 5 AZR 180/61 – AP Nr. 17 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Insbesondere hat der Arbeitgeber das Recht, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht des Arbeitnehmers im Einzelnen festzulegen. Auf der Grundlage dieses Weisungsrechts bestimmt der Arbeitgeber Zeit, Art und Ort der Arbeitsleistung. Auf der anderen Seite können Umfang und Grenzen des Weisungsrechts eingeschränkt sein, nicht nur durch Gesetz und Kollektivrecht (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen), sondern auch durch den Einzelarbeitsvertrag, soweit er Näheres über die Dienstleistungspflicht festlegt (BAG, Urteil vom 12. April 1973 – 2 AZR 291/72 – AP Nr. 24 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Für die Frage der von dem Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit kommt es auf den Inhalt des Arbeitsvertrages und die dort getroffenen Regelungen an.
Die Verfügungsklägerin ist gemäß schriftlichen Arbeitsverträgen vom 4. April 2001 und 11. Juni 2003 bei der Beklagten als Vorarbeiterin, zuletzt zu einem Bruttostundenentgelt in Höhe von Euro 9,20, an 20 Stunden in der Woche von 8 bis 12 Uhr im Objekt „B.“ beschäftigt. Die Tätigkeit als „Vorarbeiterin“, die Arbeitszeit von 8 Uhr bis 12 Uhr sowie der Stundenlohn und die Objektnummer sind ausdrücklich handschriftlich in den Formulararbeitsvertrag der Beklagten eingetragen. Damit haben die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich vereinbart, dass die Klägerin als Vorarbeiterin in der Zeit von 8 bis 12 Uhr täglich in dem Objekt T beschäftigt werden sollte.
Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten konnte sie die Verfügungsklägerin auch nicht aufgrund des unter C „Allgemeines“ Vereinbarten des schriftlichen Arbeitsvertrags mit einer Tätigkeit als Reinigerin in dem Objekt NDR in einer Zeit von 5 bis 9 Uhr beschäftigen.
Dort heißt es: „Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, gemäß „Direktionsrecht“ die vom Arbeitgeber zugeordnete Arbeit zu verrichten. Das umfasst sowohl die Arbeitszeit und die Tätigkeit als auch den Arbeitsplatz, einschließlich der Disposition der Arbeitstage, wenn weniger als 5 Tage/Woche gearbeitet wird“.
Diese Formulierung ist nach Ansicht der Kammer zum einen nur dahingehend auszulegen, dass die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin nur mit vergleichbaren Arbeiten beschäftigen kann, wie sie eine Vorarbeiterin ausübt, selbst wenn sie bei anderen Arbeiten die alten Bezüge weiter erhalten sollte. Denn der Arbeitgeber muss den Arbeitsvertrag nicht nur insoweit einhalten, als er das vereinbarte Arbeitsentgelt nicht einseitig herabsetzen kann, sondern auch insoweit, als er den Arbeitnehmer nicht mit einfacheren als den vertraglich vereinbarten Arbeiten betrauen darf (BAG, Urteil vom 14. Dezember 1961 – 5 AZR 180/61 – AP Nr. 17 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Urteil vom 8. Oktober 1962 – 2 AZR 550/81 – AP Nr. 18 zu § 611 BGB Direktionsrecht). Nach den schriftlichen Arbeitsverträgen wurde die Klägerin als Vorarbeiterin eingestellt, so dass die Herabsetzung zur „Reinigerin“ nicht von dem in den schriftlichen Arbeitsverträgen geregelten Direktionsrecht der Beklagten gedeckt ist.
Offen bleiben kann, ob die Verfügungsbeklagte einseitig berechtigt ist, die vertraglich geregelte Arbeitszeit sowie das Reinigungsobjekt einseitig zu ändern. Jedenfalls hat die Verfügungsbeklagte ihr Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsplatzes nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt.
Der Arbeitgeber, der von seinem Direktionsrecht Gebrauch macht, muss billiges Ermessen wahren (§ 315 BGB). Er darf nicht willkürlich vorgehen, sondern hat die Interessen beider Seiten zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 27. September 1994 – 5 AZR 1031/94 – NZA 1996, 1088).
Die Anweisung an die Verfügungsklägerin, statt im Objekt T von 8 bis 12 Uhr in dem Objekt NDR von 5 bis 9 Uhr tätig zu werden, verstößt gegen die Grundsätze billigen Ermessens. So hat die Verfügungsbeklagte nicht substantiiert dargelegt, wem gegenüber die Verfügungsklägerin am 01. Juli 2003 mitgeteilt habe, dass „heute 22 Zimmer nicht gereinigt würden“. Weiterhin wurde der Klägerin vorgeworfen, dass sie am 19. Juni 2003 abgemahnt worden sei, da die Verfügungsklägerin das Fehlen der Tagesfrau seinerzeit dem Büro nicht mitgeteilt habe. Nach Ansicht der Kammer wäre die Verfügungsbeklagte verpflichtet gewesen, vor einer Versetzung der Verfügungsklägerin die Möglichkeit zu geben, auf die ihr mit Schreiben vom 2. Juli 2003 erteilte Abmahnung zu reagieren.
2. Die Verfügungsklägerin hat auch einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Nach der eidesstattlichen Versicherung der Verfügungsklägerin ist der Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendig, da sie alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes ist, welches sie morgens um 7 Uhr in den Kindergarten bringen und um 13 Uhr wieder abholen muss. Bei einer Arbeitszeit von 5 bis 9 Uhr wäre die Unterbringung ihres Kindes nicht gewährleistet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
4. Die Entscheidung über die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes richtet sich nach § 61 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO. Dabei wurde ein Bruttomonatsentgelt zugrunde gelegt.