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Direktunterrichtungsvertrag – Kündigungsmöglichkeit bei einer Vertragslaufzeit von 24 Monaten

LG Gießen – Az.: 1 S 251/11 – Urteil vom 28.03.2012

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.07.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Gießen abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Berufung der Beklagten, mit der sie die überwiegende Klagestattgabe durch das Amtsgericht angreift, ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von 3.094,24 €.

Wegen des zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO). Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, oder neue, in der Berufungsinstanz berücksichtigungsfähige Tatsachen bezeichnet die Berufungsbegründung nicht (§ 529 ZPO).

Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhalts besteht ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 3.094,24 € nebst Zinsen aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB nicht, weil der zugrundeliegende Vertrag nach den Regelungen der Studienordnung erst zum Ende des 14. Studienmonats gekündigt werden konnte.

Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt ergibt sich nicht aus den §§ 620 Abs. 2, 621 Nr. 3 BGB. Da die Parteien eine bestimmte Studiendauer von 24 Monaten vereinbart haben, haben sie die Anwendung des § 621 BGB ausgeschlossen.

Der Ausbildungsvertrag ist durch die mit Schreiben vom 04.01.2011 ausgesprochene Kündigung auch nicht gem. § 627 BGB sofort beendet worden, weil der Studiengang mangels eines besonderen Vertrauens keine Dienste höherer Art zum Gegenstand hatte.

Schließlich ist der Vertrag auch nicht durch eine fristlose Kündigung nach § 626 BGB mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Nach § 626 Abs. 1 BGB liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Hierbei scheiden allerdings regelmäßig solche Umstände aus, die im Rahmen des von dem Kündigenden vertraglich übernommenen Risikos liegen oder gar von ihm zu verantworten sind (vgl. BGH NJW 1984, 2091). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien rechtfertigt die von der Klägerin vorgetragene Erkrankung keine fristlose Kündigung. Eine solche liegt nämlich ausschließlich im Bereich des von ihr vertraglich übernommenen Risikos. Andernfalls müsste die Beklagte das Risiko für Umstände übernehmen, die völlig außerhalb ihrer Einwirkungsmöglichkeit liegen.

Die Vereinbarung der erstmaligen Kündigungsmöglichkeit des Direktunterrichtsvertrages nach Ablauf von 14 Monaten in der Studienordnung der Beklagten, welche Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB darstellen, ist nicht gem. § 307 BGB unwirksam.

Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Bestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchsetzen will, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGHZ 90, 280; 120, 108).

In § 309 Nr. 9 a) BGB ist geregelt, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte, den anderen Vertragsteil länger als 2 Jahre bindende Vertragslaufzeit des Vertrags unwirksam ist. Das bedeutet hingegen nicht, dass eine unterhalb der 2 Jahre liegende bindende Vertragslaufzeit immer wirksam ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJWE 1984, 1531) lässt sich eine allgemeine Regel für angemessene Laufzeiten und notwendige ordentliche Kündigungsfristen nicht festlegen, es kommt vielmehr auf eine Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls an.

Eine Kündigungsmöglichkeit erst zum Ablauf des 14. Monats kann bei dem Kursteilnehmer zwar dann, wenn er relativ schnell nach Aufnahme des Unterrichts feststellt, dass die angestrebte Ausbildung für ihn nicht geeignet ist, oder wenn sich sonstige Veränderungen in seinen persönlichen Verhältnissen ergeben, zu einer erheblichen Belastung führen. Unter Abwägung der Interessen des Veranstalters, aber auch der übrigen Kursteilnehmer an einer längerfristigen Bindung ergibt sich indes, dass die hierdurch bestehende Benachteiligung nicht unangemessen ist. Die Vermittlung des breitgefächerten Lehrstoffs zur Zulassung als Heilpraktiker verlangt die Bereitstellung umfassenden Unterrichtsmaterials und ausreichend Lehrkräfte, sowie Unterrichtsräume mit der erforderlichen Ausstattung. Um die Durchführung des Kurses für alle Kursteilnehmer gewährleisten zu können, ist eine sichere Kalkulationsbasis für die Veranstalterin erforderlich, andernfalls wäre bei Herabsinken der Teilnehmerzahl die weitere Durchführung des Unterrichts wirtschaftlich nicht mehr möglich. Die Kammer gibt insoweit die in der Entscheidung vom 02.02.2000, 1 S 490/99 (NJW-RR 2001, 1714) geäußerte Rechtsauffassung auf (vgl. schon Hinweisbeschluss 1 S 47/11 zur 1-jährigen Bindung). Denn hierbei ist nicht ausreichend berücksichtigt, dass die längere Kündigungsfrist auch dem wirtschaftlichen Interesse des Schülers dient, weil bei einer kürzeren Bindungsfrist das Ausfallrisiko durch die Klägerin höher zu bemessen wäre und auf sämtliche Schüler betragsmäßig umzulegen wäre. Bei geringerem Ausfallrisiko sinkt daher auch die Teilnahmegebühr (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 2011, 1355).

Der vorliegende Fall ist auch nicht mit der Konstellation vergleichbar, in der der Schüler seine gesamten Lebensumstände dem Direktschulverhältnis unterordnet und deshalb besonderen Schutzes bedarf (BGH NJW 1985, 2585 zum Internatsvertrag). Der hier geschlossene Vertrag über ein berufsbegleitendes Abendstudium gab der Klägerin hinreichende Möglichkeiten der unabhängigen Lebensgestaltung. Nach der wohl überwiegenden Auffassung in der Rechtssprechung wird daher bei einem Direktunterrichtsvertrag eine einjährige und sogar 14-monatige Bindungsfrist bei einem zweijährigen Vertrag als angemessen angesehen (OLG Koblenz, Beschluss vom 08.12.2010, 5 U 1325/10, NJW-RR 2011, 1355; OLG Koblenz, Beschluss vom 17.05.2010, 1 U 1436/09; KG Berlin, Urteil v. 10.03.2003, 12 U 106/01; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2011, 11 U 94/10; LG Gießen, Beschluss v. 18.01.2012, 1 S 47/11 für 1-jährige Bindungsfrist).

Die Entscheidung des OLG Saarbrücken (OLGR 2004, 295), wonach eine 1-jährige Bindungsfrist bei einer Vertragsdauer von 18 Monaten unzulässig sein soll, wird auf die gesetzliche Wertung des § 5 Abs. 1 FernUSG gestützt. Der BGH hat jedoch die analoge Anwendung dieser Vorschrift bereits in seiner Entscheidung vom 08.03.1984 (NJW 1984, 1531) abgelehnt. Außerdem lag der Entscheidung des OLG Saarbrücken eine andere Berufsausbildung zugrunde und die Vertragsdauer betrug lediglich 18 Monate.

Die Abrechnung der Beklagten gemäß ihrem Schreiben vom 10.01.2011 ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht den vertraglichen Vereinbarungen, wie sie in der Studienordnung festgelegt sind. Danach werden bei einer Kündigung eines in Komplettbelegung belegten Lehrgangs diejenigen Gebühren in Ansatz gebracht, die bei Einzelbuchung angefallen wären, sodass der gewährte Nachlass bei Komplettbelegung entfällt. Genauso entfallen sonstige gewährte Nachlässe. Diese Vereinbarung hält einer inhaltlichen Kontrolle stand. Insbesondere stellt die nachträgliche Versagung des Preisvorteils keine unwirksame Vertragsstrafenregelung dar, sondern nur eine Anpassung an veränderte Umstände, die erst während der Vertragsabwicklung aufgetreten sind. Auch die unterschiedlichen Kostenansätze für die beiden Studienjahre waren vertraglich festgelegt und können einen sachlichen Grund haben. Eine willkürliche und damit unangemessene Benachteiligung ist damit nicht verbunden, § 307 BGB.

Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz von vorgerichtlichen Anwaltskosten nach §§ 286 BGB scheidet ebenfalls aus. Insbesondere war die Einschaltung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht etwa wegen eines Teilbetrages von 617,50 €, der nach Rechtshängigkeit der Klage an die Klägerin gezahlt wurde, erforderlich. Denn die Beklagte hat bereits vor Einschaltung der Prozessbevollmächtigten, mit Schreiben vom 10.01.2011, signalisiert, dass dieser Betrag an die Klägerin zurückerstattet werde.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die betreffend die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auf §§ 91, 91a ZPO. Die Klägerin hat auch im Hinblick auf den Betrag von 617,50 €, bezüglich dessen der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklär wurde, die Kosten zu tragen, § 91a ZPO. Zwar war die Klage im Umfang dieses Betrags bei Beginn des Rechtsstreits zulässig und begründet. Im Rahmen von § 91a ZPO ist aber der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu berücksichtigen (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 91a Rz. 25 m.w.N.). Vorliegend hat die Beklagte keine Veranlassung zur Klage gegeben, weil sie in den vorgerichtlichen Schreiben angekündigt hatte, diesen Betrag erstatten zu wollen. Zuletzt hatte sie mit Schreiben vom 03.03.2011 angefragt, auf welches Konto der Betrag überwiesen werden solle, ohne dass die Klägerin hierauf reagiert hätte. Damit hat das Verhalten der Beklagten vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses nicht rechtfertigt.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 BGB.

Die Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen; die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Wie dargelegt handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall. Die abweichenden Entscheidungen in der Rechtsprechung beruhen nicht auf unterschiedlichen rechtlichen Ausgangspunkten.

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