Oberlandesgericht Rostock
Az: 3 U 16/09
Beschluss vom 19.05.2009
In dem Rechtsstreit hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 19.05.2009 beschlossen:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 20.01.2009 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Gründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet und durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Auf das Hinweisschreiben des Senats vom 21.04.2009 wird verwiesen. Die Stellungnahme der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.05.2009 gibt lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
1. Die Klägerin zeigt nicht auf, dass die Beweiswürdigung und damit die Feststellung einer mündlichen Aufhebungsvereinbarung fehlerhaft ist. Das Landgericht hat seine Feststellung nicht allein auf die Aussage der Zeugin T. gestützt, sondern diese im Zusammenhang mit den Urkunden nach Anhörung des Beklagten (§ 141 ZPO) gewürdigt. Der Senat hält daran fest, dass vor dem Hintergrund der unstreitigen Mängel und der Schwierigkeiten im Mietvertragsverhältnis eine Aufhebungsvereinbarung durchaus plausibel und keinesfalls wenig wahrscheinlich ist.
2. Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, die festgestellte Aufhebungsvereinbarung sei unwirksam, weil sie nicht schriftlich erfolgt sei. Dieser – in der Berufungsbegründung keinerlei Anklang findende – Gesichtspunkt greift nicht durch, weil § 18 Ziff. 2 des Mietvertrages als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin zu qualifizieren und deshalb gem. § 307 Abs. 1 BGB (= § 9 Abs. 1 AGBG a.F.) unwirksam ist. Die problematische Frage, ob eine Aufhebungsvereinbarung überhaupt einer „Änderung oder Ergänzung dieses Vertrages“ im Sinne der doppelten Schriftformklausel entsprechend § 18 Ziff. 2 des Mietvertrages gleichsteht, kann deshalb unbeantwortet bleiben.
a. Dass es sich bei § 18 Ziff. 2 des Mietvertrages um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 305 Abs. 1 BGB (= § 1 Abs. 1 AGBG a.F.) handelt, ergibt sich aus dem äußeren Anschein des Mietvertrages (vgl. hierzu Palandt/Grüneberg, Komm. zum BGB, 68 Aufl., § 305 Rn. 24 m.w.N. zur Rspr.). Wie das Rubrum des Mietvertrages mit seinem aufgedruckten Markenzeichen der T. zeigt, rührt er von der T. – der seinerzeitigen Vermieterin – her. Da es sich bei der T. bzw. der Klägerin um eine gewerbsmäßige Vermieterin handelt, ist auch davon auszugehen, dass das Vertragsexemplar bzw. § 18 Ziff. 2 des Mietvertrages mehrmals Verwendung gefunden hat.
b. Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene doppelte Schriftformklausel ist unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB = § 9 Abs. 1 AGBG a.F.). Eine Schriftformklausel, die nicht nur für Vertragsänderungen die Schriftform vorschreibt, sondern auch Änderungen der Schriftformklausel ihrerseits der Schriftform unterstellt (sog. doppelte Schriftformklausel) erweckt den Eindruck, als könnte sie nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden. Sie käme dann einer konstitutiven Schriftformklausel gleich, weil bei einer solchen Klausel Änderungen und Ergänzungen des Vertrags ohne Beachtung der Schriftform unwirksam wären. Dies widerspräche dem in § 305b BGB (= § 4 AGBG a.F.) niedergelegten Grundsatz des Vorrangs der Individualvereinbarung. Unwirksam ist deshalb eine Schriftformklausel, wenn sie dazu dient, nach Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305b BGB unwirksam. Solche Klauseln sind geeignet, den Vertragspartner von der Durchsetzung der ihm zustehenden Rechte abzuhalten. Die Bedeutung der Schriftformklausel liegt in einer stets unzutreffenden Belehrung über die Rechtslage. Diese Irreführung des Vertragspartners benachteiligt ihn unangemessen i.S. von § 307 Abs. 1 BGB, weil sie intransparent ist. Der Klauselgegner wird davon abgehalten, sich auf die Rechte zu berufen, die ihm auf Grund einer wirksamen mündlichen Vereinbarung zustehen (vgl. ausführlich BAG, Urt. v. 20.05.2008, 9 AZR 382/07, NJW 2009, 316 m.w.N.). Das gilt auch für sog. doppelte Schriftformklauseln wie hier § 18 Ziff. 2 des Mietvertrages. Sieht man es im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB bereits als unzulässig an, Klauseln in Formularverträgen aufzunehmen, durch die ein genereller Formzwang für individuelle Vertragsänderungen begründet werden soll, so kann erst recht eine Verwendung von Klauseln nicht zulässig sein, durch die einem solchen Formzwang ein erhöhter Bestandsschutz verliehen werden soll.
Mit dieser Rechtsauffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. Dieser hat bislang nur mit Urteil vom 02.06.1976 (VIII ZR 97/74, BGHZ 66, 378 = MDR 1976, 925) entschieden, dass eine zwischen Kaufleuten individuell ausgehandelte doppelte Schriftformklausel keinen rechtlichen Bedenken begegnet.
c. Selbst dann, wenn der Senat hiervon abweichend die Formularklausel des § 18 Ziff. 2 des Vertrages für wirksam erachten wollte, stünde diese der Wirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung nicht entgegen. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat in solchen Fällen den Vorrang der späteren Individualvereinbarung einer Vertragsänderung oder Vertragsaufhebung aus § 305b BGB (§ 4 AGBG a.F.) den Vorrang eingeräumt, wenn diese dem festgestellten Willen der Parteien entsprach (KG, Urt. v. 20.11.2000, 20 U 421/99, GE 2001, 278; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.06.2006 10 U 1/06, ZMR 2007, 35). Dies dürfte durch die Feststellung des Landgerichts und die ergänzenden Ausführungen des Senats gleichermaßen getragen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.