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Ehrverletzung – Abgrenzung zur Meinungsäußerung


Ehrverletzung

Zusammenfassung:

Im anliegenden Urteil grenzte das Oberlandesgericht Frankfurt eine Ehrverletzung von einer noch von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerung im Zusammenhang mit Rassismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit ab. Insoweit war der Kläger als anerkanntes Sprachrohr des Rechtsextremismus bezeichnet worden. Im konkreten Fall hielt das Oberlandesgericht Frankfurt diese Äußerung für von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt.


Oberlandesgericht Frankfurt

Az: 16 U 87/15

Urteil vom 21.01.2016


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Limburg – 1. Zivilkammer – vom 20. April 2015, Az. 1 O 213/14, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 12.000,- € festgesetzt.


Gründe

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten – neben der Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten – Unterlassung und Widerruf einer Passage in der von den Beklagten herausgegebenen Broschüre „A“, in der es in Kapitel 3 unter dem Titel „B“ heißt:

„…Rassismus, Nationalismus u. Fremdenfeindlichkeit sind tief verwurzelt in unserer Gesellschaft und finden (…) Sprachrohre, sei es der „C“ des (…) Abgeordneten D oder Veröffentlichungen des (…) E-Verlags…“

Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 129 bis 131 d.A.). verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagten keinen Unterlassungsanspruch. Zwar könnten grundsätzlich auch juristische Personen zivilrechtlichen Ehrschutz gegenüber Angriffen in Anspruch nehmen, durch die ihr Ruf in der Öffentlichkeit in unzulässiger Weise herabgesetzt werde. Die in der Broschüre durch die Beklagten gegenüber dem Kläger getätigten Aussagen seien jedoch von der freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Der Schwerpunkt der Aussagen der Beklagten liege darin, dass sie dem Kläger unterstellten, Meinungen zu vertreten – oder zumindest unkritisch wiederzugeben -, die rassistische, nationalistische und fremdenfeindliche Inhalte haben. Insoweit handele es sich um ein bloßes Werturteil. Die Worte Rassismus, Nationalismus u. Fremdenfeindlichkeit seien keine feststehenden Begrifflichkeiten, die dem Mittel des Beweises zugänglich seien. Zwar handele es sich um Begrifflichkeiten, die von der weit überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft als negativ empfunden würden. Wie die Grenzen rassistischer, nationalistischer und fremdenfeindlicher Gesinnung jedoch konkret gefasst seien, entziehe sich völlig einem gesellschaftlichen Konsens. Hierbei sei es der Bevölkerung auch durchaus bewusst, dass es – je nach politischem Standpunkt – differenzierte Meinungen gebe, welche Ansichten als rassistisch, nationalistisch oder fremdenfeindlich zu werten seien.

In der Aussage liege auch keine unzulässige Schmähkritik. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit erlaube auch eine scharfe, auch übersteigerte Kritik. Weder sei erkennbar, dass es den Beklagten vorrangig darum gehe, den Kläger zu beleidigen, noch dass die Kritik aus der Perspektive der Beklagten keinerlei Grundlage habe. Inwieweit diese subjektive Perspektive der Beklagten mit der Perspektive eines durchschnittlichen Bürgers korrespondiere, sei gerade nicht erheblich.

Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.

Gegen dieses ihm am 22. April 2015 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 4. Mai 2015 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 17. Juni 2015 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts stelle die streitgegenständliche Behauptung, der Kläger fungiere als anerkanntes Sprachrohr des Rechtsextremismus, eine unwahre Tatsachenbehauptung dar, die ihn in seinen Rechten verletze. Die Bezeichnung als Sprachrohr enthalte nicht bloß eine Wertung, sondern vermittle dem unvoreingenommenen Leser den Eindruck, als wäre es Fakt, dass der Kläger als „Sprachrohr“ für rechtsextremistische Ideologien fungiere. Ein Sprachrohr stelle nach allgemeinem Verständnis und Sprachgebrauch ein Organ dar, wie z.B. eine Zeitung oder eine Nachrichtenagentur, welches die Meinungen und Wünsche einer Person oder Gruppe nach außen hin vertrete und dementsprechend auch nach dieser Ideologie lebe oder diese zumindest unkritisch und unreflektiert wiedergebe. Die Bezeichnung vermittele dem objektiven Leser demnach den Eindruck, als hätte der Kläger in der Vergangenheit des Öfteren rechtsextremistische Ansichten vertreten bzw. diese verfolgt. Dies sei jedoch nachweislich falsch. Durch die fälschliche Annahme einer unter die freie Meinungsäußerung zu subsumierenden Aussage habe das Landgericht auch unberücksichtigt gelassen, dass derjenige, der nachteilige Tatsachenbehauptungen über andere aufstelle, Sorgfaltspflichten zu beachten habe, die sich nach den Aufklärungsmöglichkeiten richteten, und die für Medien strenger seien als für Privatleute.

Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass eine Tatsachenbehauptung vorliege, wenn die Äußerung bei den Empfängern die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorrufe, die als solche einer Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich seien. Eine Tatsachenbehauptung könne sogar dann vorliegen, wenn die Schilderung des konkreten Sachverhalts fehle, die Verwendung eines Rechtsbegriffs für den verständigen Durchschnittsadressaten den Vorwurf eines tatsächlichen Geschehens jedoch impliziere. Der Kläger werde durch die Bezeichnung als „anerkanntes Sprachrohr“ für den objektiven Leser als angesehener Vertreter der genannten Ideologien dargestellt. Auch stellten Begriffe wie Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nicht bloß Werturteile dar. Sie seien zumindest in ihrem Grundgehalt zweifelsfrei dem Beweis zugänglich. Der Kläger verweist auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt, nach der der Begriff des deutschen Nationalsozialismus aufgrund der konkreten historischen Entwicklung in Deutschland geprägt worden und inhaltlich in einer Weise negativ belastet sei, die keinen Raum für Diskussionen lasse, inwieweit eine auch nur teilweise Akzeptanz einer solchen Ideologie vertretbar sei. Sollte es sich dessen ungeachtet um eine Meinungsäußerung handeln, habe das Landgericht rechtsirrig das Vorliegen einer unzulässigen Schmähkritik verneint. Soweit das Landgericht angegeben habe, dass nicht erkennbar sei, dass die Kritik aus der Perspektive der Beklagten keinerlei sachliche Grundlage habe, fehle es an einer Begründung, worin konkret die sachliche Grundlage dieser extrem abwertenden Negativbewertung liegen solle. Es wäre eine einzelfallgerechte und substantiierte Prüfung der Annahme einer zulässigen Meinungsäußerung aufgrund von Sachbelegen erforderlich gewesen. Zudem werde als naheliegende Deutungsmöglichkeit der Eindruck erweckt, der Kläger verbreite bzw. unterstütze bewusst eine rechtsextremistische Weltanschauung. Insoweit verweist der Kläger ergänzend auf eine Entscheidung des LG München, das in der Bezeichnung eines Vereins als neonazistisch eine unzulässige Schmähkritik gesehen hat. Der Kläger habe sich in exemplarisch zitierten Artikeln fortlaufend vom Rechtsextremismus und Linksextremismus distanziert.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Limburg vom 20. April 2015 unter Az. 1 O 213/14, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollziehen an einem der Geschäftsführer bzw. Vorstand, es zu unterlassen,

sich in Bezug auf den Kläger wörtlich oder sinngemäß wie folgt zu äußern und/oder äußern zu lassen und/oder solche Äußerungen zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,

a) Der Kläger sei ein anerkanntes Sprachrohr für Rassismus, Nationalismus u. Fremdenfeindlichkeit und solidarisiere sich demnach mit dem Rechtsextremismus;

b) insbesondere, wenn dies geschieht wie in der Broschüre zum A, …, in der es wörtlich heißt:

(Von der Darstellung der nachfolgenden Textpassage wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes abgesehen – die Red.)

2. ferner die in Ziff. 1 genannten Behauptungen zu widerrufen und den Widerruf in der nächsten Auflage der Broschüre „A“ in einer durch das Gericht zu bestimmenden Aufmachung zu veröffentlichen, alternativ den Widerruf auf einer sonst durch das Gericht zu bestimmenden geeigneten Plattform (bspw. Internetauftritt) zu erklären. Darüber hinaus die oben genannte Passage „…“ bei den noch nicht verkauften Broschüren unkenntlich zu machen,

3. an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.101,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Antrag des Klägers unter lit. a) sei eine Schlussfolgerung, die er alleine ziehe und die in dem fraglichen Text nicht enthalten sei. Entgegen der Auffassung des Klägers liege keine Tatsachenbehauptung vor. Der Begriff des „Sprachrohrs“ habe keine feststehende Bedeutung. Der Kläger lege dem Absatz in der Broschüre durch eine völlig überspitze Interpretation einen Sinn bei, den dieser erkennbar nicht habe. Das Landgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich um subjektive Wertungen handele, dass keine objektiven Bewertungen erfolgen könnten und dass eine Einschätzung im politischen Bereich davon abhänge, welche Ansicht man selbst vertrete. Es sei den Beklagten darum gegangen, aufzuzeigen, dass bestimmte Meinungen in der Mitte der Gesellschaft vorhanden seien und durchaus als salonfähig angesehen würden, obwohl sie deutlich ausgrenzenden Charakter hätten. Der Kläger verwechsle die Wörter Nationalismus und Nationalsozialismus. Von Nationalsozialismus sei keine Rede. Es liege auch keine unzulässige Schmähkritik vor.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da das Landgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da die Äußerungen den Schutz der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG genießen.

a) Allerdings ist durch die beanstandete Passage der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers berührt. Der Kläger (…) genießt insoweit Ehrschutz, als er aufgrund seines Wesens als Zweckschöpfung des Rechts und seiner Funktion dieses Rechtsschutzes bedarf (vgl. Palandt/Sprau, 74. A., § 823 BGB Rn. 91). Durch die Äußerung, er sei anerkanntes Sprachrohr für Rassismus, Nationalismus u. Fremdenfeindlichkeit, wird er in der Öffentlichkeit in seiner Ehre als Nachrichtenagentur und Publikationsorgan herabgesetzt.

b) Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers ist jedoch nicht rechtswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein offener Tatbestand, dessen Rechtswidrigkeit positiv festzustellen ist, und zwar im Rahmen eines im Spannungsfeld zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit anzusiedelnden Abwägungsvorgangs.

aa) Eine Rechtswidrigkeit läge von vornherein vor, wenn es sich bei der Äußerung, der Kläger sei anerkanntes Sprachrohr für Rassismus, Nationalismus u. Fremdenfeindlichkeit, um eine Tatsachenbehauptung handelte, deren Unwahrheit feststehe (vgl. BGH, Urteil vom 18.6.1974, VI ZR 16/73 = NJW 1974, 1762). Das ist jedoch nicht der Fall.

(1) Maßgeblich für die Deutung einer Äußerung ist die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Dabei ist stets vom Wortlaut der Äußerung auszugehen. Dieser legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest; er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und von den erkennbaren Begleitumständen, unter denen sie fällt, bestimmt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 11.12.2013, 1 BvR 194/13 = NJW 2014, 764).

(a) In dem beanstandeten Artikel stellen die Beklagten unter der Überschrift des Kapitels 3 „B“ u.a. zunächst die These auf, dass Rechtsextremismus alle Bevölkerungsschichten und Generationen betreffe. Rassismus, Nationalismus u. Fremdenfeindlichkeit seien tief verwurzelt in unserer Gesellschaft und fänden immer wieder anerkannte Sprachrohre. In diesem Zusammenhang wird auf die Veröffentlichungen des Klägers hingewiesen. Jemandes Sprachrohr zu sein bedeutet im übertragenen Sinne, jemandes Meinung nachzureden oder öffentlich zu vertreten (Bertelsmann, Die deutsche Rechtschreibung, 1999). Unter Bezugnahme auf die Veröffentlichungen des Klägers bedeutet die Bezeichnung des Klägers als Sprachrohr demnach, dass der Kläger in der Öffentlichkeit durch seine Tätigkeit rassistische, nationalistische und fremdenfeindliche Meinungen nachredet bzw. selbst vertritt.

(b) Soweit der Kläger nach seinem Antrag zu Ziff. 1a) auch Unterlassung einer Äußerung dahingehend begehrt, „sich demnach mit dem Rechtsextremismus zu solidarisieren“, haben die Beklagten eine solche Äußerung ausdrücklich nicht getätigt. Die Beklagten haben mit ihrer beanstandeten Äußerung auch nicht den Eindruck erweckt, der Kläger solidiere sich mit dem Rechtsextremismus bzw. (so der Klägervortrag S. 10 der Berufungsbegründung, Bl. 181 d.A.) er verbreite/unterstütze bewusst eine rechtsextremistische Weltanschauung. Zwar wird der Kläger in einem Zusammenhang als anerkanntes Sprachrohr für Rassismus, Nationalismus u. Fremdenfeindlichkeit bezeichnet, in dem es um den heutigen Rechtsextremismus geht. Allerdings wird bei gehöriger Aufmerksamkeit auch für einen unvoreingenommenen und verständigen Leser deutlich, dass die Beklagten zwar im – ihrer Auffassung nach in der Mitte der Gesellschaft tief verwurzelten – Rassismus, Nationalismus u. Fremdenfeindlichkeit einen Nährboden für ebenfalls in der Mitte der Gesellschaft vorhandenen Rechtsextremismus sehen, dennoch aber zwischen diesen Ausprägungen unterscheiden und den Kläger gerade nicht selbst als rechtsextrem bezeichnen. Vor diesem Hintergrund verfängt auch der Hinweis des Klägers auf die Urteile des OLG Frankfurt vom 20.12.1995 (17 U 202/94, zitiert nach juris) und des LG München I vom 7.7.2014 (9 O 15709/13, BeckRS 2014, 17711) nicht, bei denen es um die Bezeichnung einer Person als Nazi bzw. eines Vereins als neonazistisch ging. Derartige Vorwürfe werden dem Kläger nicht gemacht. (2) In der Deutung, dass der Kläger in der Öffentlichkeit durch seine Tätigkeit rassistische, nationalistische und fremdenfeindliche Meinungen nachredet bzw. selbst vertritt, handelt es sich nach zutreffender Meinung des Landgerichts nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung. Tatsachenbehauptungen werden durch die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit charakterisiert und sind der Überprüfung mit Mitteln des Beweises zugänglich; Meinungsäußerungen sind dagegen durch das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 17.9.2012, 1 BvR 2979/10 = NJW 2012, 3712).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die beanstandete Äußerung nicht des Beweises zugänglich. Zwar können die verwandten Begrifflichkeiten wie Rassismus, Nationalismus u. Fremdenfeindlichkeit in ihrer grundsätzlichen Bedeutung allgemein definiert werden. Ob dagegen eine konkrete Äußerung oder Veröffentlichung als rassistisch, nationalistisch oder fremdenfeindlich anzusehen ist, unterliegt einer – nicht der Beweiserhebung zugänglichen – Bewertung, die auch vom eigenen politischen Standpunkt abhängig ist (BVerfG, Beschluss vom 17.9.2012, aaO., für „rechtsextrem“ und „rechtsradikal“; vgl. auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 4.6.2014, 5 U 81/13, zitiert nach juris). Die beanstandete Äußerung ist demnach durch das Element der Stellungnahme und der Meinung geprägt. Dies wird auch aus dem Umstand deutlich, dass die Beklagten aus den vorgelegten Veröffentlichungen des Klägers hinsichtlich dessen Gesinnung eine andere Schlussfolgerung ziehen als der Kläger selbst, es insoweit aber keine beweisbare Wahrheit oder Unwahrheit gibt. Die Äußerung wird auch nicht durch die Bezeichnung des Klägers als „Sprachrohr“ zu einer Tatsachenbehauptung. Jemandes Sprachrohr zu sein, ist – wie bereits oben dargelegt – die bildliche Umschreibung dessen, dass jemand bestimmte Meinungen nachredet bzw. selbst vertritt. Dies ist jedoch ebenfalls nicht mit Mitteln des Beweises feststellbar. Hinzu kommt, dass der Kläger als anerkanntes Sprachrohr bezeichnet wird. Auch ob jemand in einem bestimmten Bereich anerkannt ist, unterliegt der individuellen Meinung und Bewertung.

bb) Das Landgericht hat auch zu Recht angenommen, dass in der Aussage der Beklagten keine Schmähkritik liegt. Im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG sind an den Begriff der Schmähkritik strenge Anforderungen zu stellen. Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt. Eine Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern stattdessen die Diffamierung der angegriffenen Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss vom 17.9.2012, aaO.).

Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Landgericht habe nicht dargelegt, worin konkret die sachliche Grundlage für die extrem abwertende Negativbewertung liegen solle. Zwar haben die Beklagten – anders als bei den ebenfalls in der Broschüre als „Sprachrohr“ bezeichneten Personen und Institutionen (…) – hinsichtlich des Klägers in der Broschüre keine weiteren Details aufgeführt, die sie zu der beanstandeten Annahme gebracht haben. Abgesehen davon, dass durch die Bezugnahme auf die „Veröffentlichungen“ des Klägers deutlich wird, dass sie ihre Auffassung auf eine Bewertung der Veröffentlichungen des Klägers stützen, kann die Berechtigung der Beklagten zu der den Kläger abwertenden Äußerung jedoch nicht von vornherein schon deshalb abgesprochen werden, weil dem Leser keine Tatsachen an die Hand gegeben werden, um die beanstandete Aussage kritisch nachvollziehen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 18.6.1974, aaO.). Zudem befasst sich die Broschüre mit dem Dritten Reich in O1 und der aktuellen Situation. Der Kläger hat aber in seinen Veröffentlichungen immer wieder auch zu links- und rechtsextremen Fragen Stellung bezogen, so dass ein sachlicher Zusammenhang mit dem politischen Meinungskampf nicht von der Hand zu weisen ist und den Beklagten nicht vorgehalten werden kann, auch von ihrem Standpunkt aus eine vollkommen grundlose und willkürliche Kritik geäußert zu haben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18.6.1974, aaO.). Damit scheidet eine stigmatisierende Anprangerung aus.

cc) Über die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Äußerung ist – da es sich weder um eine unwahre Tatsachenbehauptung noch um eine Schmähkritik handelt – im Rahmen einer Gesamtabwägung der berührten Rechtspositionen zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 17.9.2012, aaO.). Eine solche Abwägung, die das Landgericht rechtsfehlerhaft unterlassen hat, führt dazu, dass die Meinungsfreiheit überwiegt.

In die Abwägung ist zunächst einzustellen, dass der Kläger im Kern seiner Tätigkeit betroffen ist. Dabei handelt es sich nicht um einen politischen Meinungskampf durch Rede und Widerrede; vielmehr wird er in einer Broschüre genannt, die auch insoweit einen offiziellen Charakter hat, als ihr ein Grußwort des (…) vorangestellt ist, und die im Zusammenhang mit einer antifaschistischen Stadtführung erstellt worden ist, für die mit einem Flyer geworben wird, der auf eine Förderung durch das Bundesprogramm „Toleranz Fördern – Kompetenz stärken“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hinweist. Die Broschüre ist zudem immerhin in einer Auflage von 4xx Stück erstellt worden, und der Kläger hat kaum eine Möglichkeit, bei den Empfängern für seine eigene Sicht der Dinge zu werben. Auf der anderen Seite ist die Meinungsfreiheit der Beklagten im Kern betroffen, wenn ihnen die Äußerung ihrer Meinung untersagt wird; die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung muss aber im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (BVerfG, Beschluss vom 17.9.2012, aaO.). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Beiträge öffentlich zur Diskussion gestellt hat. Derjenige, der sich mit verschiedenen Stellungnahmen in die öffentliche Diskussion eingeschaltet hat, muss eine scharfe Reaktion grundsätzlich auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert (BVerfG, Beschluss vom 17.9.2012, aaO.). Zudem kann die beanstandete Bewertung durchaus auf objektive Anknüpfungstatsachen zurückgeführt werden. So haben die Beklagten Veröffentlichungen des Klägers vorgelegt, die sie inhaltlich kritisch im Sinne des erhobenen Vorwurfs bewerten. Mitarbeiter des Klägers sind zugleich Autoren der Zeitschrift „Junge Freiheit“, welche in der öffentlichen Diskussion in einem Grenzbereich zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus angesiedelt wird (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 4.6.2014, aaO.). Und der Kläger ist auch in der ihn unterstützenden Evangelischen Kirche nicht unumstritten, wie beispielsweise der als Anlage K7 vorgelegten Pressemittelung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland vom 21.1.2019 (Bl. 89 d.A.) entnommen werden kann, deren Anlass die Entgegennahme des Gerhard-Löwenthal-Preises (der in Zusammenarbeit mit der Jungen Freiheit von der Förderstiftung konservative Bildung und Forschung vergeben wird) durch den Chefredakteur des Klägers war. Dies alles macht deutlich, dass der streitige Sachverhalt dem politischen Leben zuzuordnen ist, in dem sich der Kläger letztlich den nicht willkürlich geäußerten Meinungen über ihn stellen muss, auch wenn sie unbequem sind.

2. Mangels unrichtiger Tatsachenbehauptung scheidet auch ein Widerrufs- oder Schwärzungsanspruch aus.

Nach alledem hat die Berufung keinen Erfolg.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.


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