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Eintragung Sicherungshypothek oder Einleitung Zwangsversteigerungsverfahrens – Erforderlichkeit

VG Gelsenkirchen – Az.: 5 L 1304/10 – Beschluss vom 10.01.2011

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die Zwangsversteigerung in das Grundstück des Antragstellers T. . 31, WE Nr. 21, G1 wegen rückständiger Grundsteuern aus der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 30. Juni 2009 in Höhe von 287,47 EUR vorläufig einzustellen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

2. Der Streitwert wird auf 681,63 EUR festgesetzt.

Gründe

Der sinngemäß gestellte, aus dem Entscheidungstenor ersichtliche Antrag ist zulässig und begründet.

Der Antragsteller hat gemäß § 123 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO – glaubhaft gemacht, dass ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht.

Die Antragsgegnerin betreibt zu Unrecht die Zwangsversteigerung in das Grundstück des Antragstellers.

Die Kammer hat bereits Zweifel, ob die öffentliche Zustellung der Grundsteuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009, mit der die Antragsgegnerin für die beiden Jahre jeweils Grundsteuern in Höhe von 164,27 EUR festgesetzt hat, rechtmäßig erfolgt ist und die Bescheide damit wirksam geworden sind. Die Zweifel ergeben sich daraus, dass in beiden Fällen die öffentliche Zustellung aufgrund der Regelungen in „§ 1 LZG i.V.m. § 15 VerwZG“ erfolgt ist. Damit hat sich die Antragsgegnerin auf Vorschriften bezogen, die zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Kraft waren. Im Jahre 2009 war für das Zustellungsverfahren des Landes und der Gemeinden das seit dem 1. Februar 2006 gültige Landeszustellungsgesetz – LZG – vom 7. März 2006 (GV NRW S. 94) maßgeblich, das in § 10 eine eigene Regelung für die öffentliche Zustellung hat. Diese Regelung enthält in Abs. 2 Satz 4 weitergehende Anforderungen an den Inhalt der Benachrichtigung über die öffentliche Bekanntmachung, als sie in dem bis dahin geltenden § 15 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes (des Bundes) – VwZG – vorgesehen waren. Ob der Wortlaut der öffentlichen Bekanntmachungen inhaltlich den Anforderungen des § 10 Abs. 2 Satz 4 LZG entspricht, mag hier dahinstehen. Denn das Betreiben der Zwangsversteigerung ist – jedenfalls gegenwärtig – unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Welche der zulässigen Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelfall zu treffen sind, entscheidet die Vollstreckungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie hat hierbei die allgemeinen Grundsätze über die Ausübung des Ermessens, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit haben Maßnahmen zu unterbleiben, deren Wirkungen über das öffentliche Interesse an der Vollstreckung erheblich hinausgehen. Dieser Grundsatz gilt im gesamten Vollstreckungsverfahren. Jeder Vollstreckungseingriff muss geeignet und erforderlich sein, um seinen Zweck zu erreichen. Ebenso wenig darf er den Betroffenen übermäßig belasten. Er muss diesem zumutbar sein.

Vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Kommentar, Stand: Oktober 2010, § 249, Rdnr. 13 f.

Vorliegend geht die Kammer schon davon aus, dass bereits die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens wegen rückständiger Grundsteuern von 287,47 EUR gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstieß. Dafür spricht schon die Regelung in § 866 Abs. 3 ZPO, wonach eine Sicherungshypothek nur für einen Betrag von mehr als 750 EUR eingetragen werden darf. Da die Beeinträchtigung für den Grundstückseigentümer bei einer Zwangsversteigerung gegenüber der Eintragung einer Sicherungshypothek ungleich höher ist, erscheint die Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens bei einem geringeren Betrag kaum verhältnismäßig.

Hinzu tritt ein weiterer Grund, der vorliegend zur Unverhältnismäßigkeit führt: Gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit verstößt das Betreiben der Zwangsversteigerung des Grundstückes in der Regel, wenn die Vollstreckungsbehörde nicht zuvor alle anderen Möglichkeiten der Vollstreckung geprüft hat. Zwar hat die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Einleitung der Zwangsversteigerung keine anderen Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Steuerforderung mehr gesehen, weil der Antragsteller unbekannten Aufenthalts und sein bislang bekanntes Konto aufgelöst war. Spätestens aber in dem Zeitpunkt, in dem das Amtsgericht F. mit der Anforderung des Auslagenvorschusses von 2.000 EUR für ein Wertgutachten zum Ausdruck brachte, dass die Durchführung des Zwangsversteigerungsverfahrens im Verhältnis zu den rückständigen Grundsteuerforderungen zu unverhältnismäßigen Mehrkosten führen würde, hätte die Antragsgegnerin Veranlassung gehabt, sich zur Vermeidung dieser Mehraufwendungen an den Antragsteller zu wenden. Denn als die Anforderung des Auslagenvorschusses vom 23. September 2009 bei der Antragsgegnerin einging, war dort die neue Anschrift des Antragstellers bekannt. In diesem Zeitpunkt hätte es sich für die Antragsgegnerin geradezu aufgedrängt, vor der Vergabe eines kostenträchtigen Wertgutachtens unter der nun bekannten neuen Anschrift des Antragstellers nachzufragen, ob dies erforderlich sei oder ob die Steuerrückstände auch ohne weitere Zwangsmaßnahmen beglichen würden. Sie hat zwar die Beauftragung des Gutachters nicht selbst veranlasst. Da die Auftragsvergabe aber von der Zahlung des Auslagenvorschusses durch die Antragsgegnerin abhängig war, hatte sie es in der Hand, die Auftragsvergabe für die Dauer der Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu verzögern. Den Einwand der Antragsgegnerin in ihrem Schreiben an die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vom 13. August 2010 (Bl. 93 Beiakte 1), der Antragsteller habe seine neue Anschrift „nur“ dem Stadtsteueramt, aber nicht der für dem Zahlungsverkehr zuständigen Fachdienststelle mitgeteilt, hält die Kammer für abwegig. Der Bürger und Steuerpflichtige kann erwarten und darauf vertrauen, dass die mit der Erhebung der Gemeindesteuern befassten Fachdienststellen Hand in Hand arbeiten, wenn die Zuständigkeit dort behördenintern auf verschiedene Stellen aufgeteilt wird.

Die weitere Betreibung des Zwangsversteigerungsverfahrens, das nach – soweit ersichtlich – vollständiger Zahlung der rückständigen Forderung allein noch der Vollstreckung der allein von der Antragsgegnerin zu vertretenden Gutachterkosten dient, ist nach alledem rechtswidrig, die vorläufige Einstellung deshalb angezeigt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG -. Dabei hat die Kammer im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahren ein Viertel der dem Antragsteller mit Schreiben vom 2. Juli 2010 (Blatt 48 Beiakte 1) präsentierten Forderung, wegen derer die Antragsgegnerin das Zwangsversteigerungsverfahren weiter betreiben will, zugrunde gelegt.

 

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