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Versetzung von Mitarbeitern – Untersagung

LAG Rheinland-Pfalz

Az.: 7 TaBVGa 4/10

Beschluss vom 26.01.2011


In dem Beschlussverfahren hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Anhörung vom 26. Januar 2011 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.12.2010, Az.: 4 BVGa 17/10 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in einem arbeitsgerichtlichen Eilverfahren um die Untersagung einer Versetzung und Beschäftigung von zuletzt noch 15 Arbeitnehmern.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) unterhielt bis zum 31.12.2010 einen Betrieb in C-Stadt mit ca. 170 Mitarbeitern. Einen weiteren Betrieb unterhält sie im 170 km entfernten A-Stadt mit etwa 267 Mitarbeitern. Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der örtliche Betriebsrat der Betriebsstätte C-Stadt.

Die Arbeitgeberin hat zum 31.12.2010 ihre Betriebsstätte in C-Stadt mit Auslaufen des dortigen Mietverhältnisses aufgelöst. Dem voraus ging eine Auseinandersetzung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin über die Verlegung der Arbeitsplätze der betroffenen Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin hat mit einigen Arbeitnehmern Änderungsverträge geschlossen; gegenüber den übrigen Arbeitnehmern hat sie Änderungskündigungen ausgesprochen. Ein Interessenausgleich war zuvor gescheitert; eine durch Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeberin eingerichtete Einigungsstelle hatte gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertretung am 16.09.2010 einen Sozialplan beschlossen. Der Spruch der Einigungsstelle ist Gegenstand eines Anfechtungsverfahrens.

Mit E-Mail vom 06.12.2010 hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber informiert, dass sie diejenigen Arbeitnehmer, welche der Änderungskündigung widersprochen hätten, mittels Ausübung ihres Direktionsrechts am 13.12.2010 an die Betriebsstätte A-Stadt versetzen würde. Der Betriebsrat hat der Versetzung und der Erklärung der Dringlichkeit durch die Arbeitgeberin am 09.12.2010 widersprochen.

Die von der Versetzung betroffenen Arbeitnehmer Z und Y sind Mitglieder des Betriebsrates in C-Stadt. Die Arbeitgeberin hat vor der Versetzung keinen Antrag nach § 103 Abs. 3 BetrVG gestellt.

Der Betriebsrat hat vorgetragen, er mache einen sich aus der Verletzung der §§ 99 bzw. 111 ff. BetrVG ergebenden Anspruch auf Unterlassung der Versetzungen geltend. Die Interessenausgleichsverhandlungen seien zu einer Betriebsverlagerung geführt worden, faktisch werde der Betrieb in C-Stadt jedoch stillgelegt. Die Versetzungen seien auch aus Gründen des Gesundheitsschutzes unzulässig. Eine Begehung der neuen Räumlichkeiten in A-Stadt habe ergeben, dass diese Räume asbest- und nitrosamitbelastet, die Treppenhäuser und – aufgänge unbeleuchtet und marode seien. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich daher auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Die Versetzung der betroffenen Betriebsratsmitglieder verstoße gegen § 103 Abs. 2 BetrVG.

Der Betriebsrat hat am 10.12.2010 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht Koblenz gestellt und beantragt,

der Arbeitgeberin zu untersagen, die Arbeitnehmer

………..an den Arbeitsort A-Stadt zu versetzen und dort zu beschäftigen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Zusammenfassung im Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.12.2010 (dort Seite 2 bis 7 = Bl. 117 bis 122 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat den Antrag ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss vom 14.12.2010 teilweise zurückgewiesen und der Arbeitgeberin lediglich die Versetzung von vier namentlich bezeichneten Betriebsratsmitgliedern untersagt. Seine Entscheidung hat das Arbeitsgericht damit begründet, ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats komme weder nach § 99, noch nach § 87 Abs.1 noch über §§ 111 ff. BetrVG in Betracht. Die beabsichtigte Versetzung der Betriebsratsmitglieder ohne Zustimmung des Betriebsrats verletze allerdings § 103 Abs. 3 BetrVG.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gründe wird auf S. 7 – 11 (= Bl. 122 – 126 d. A.) der Begründung des Beschlusses verwiesen.

Der Betriebsrat hat mit Schriftsatz vom 27.12.2010 gegen den ihm am 17.12.2010 zugestellten Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Gegen den Beschluss hat die Arbeitgeberin Widerspruch eingelegt. Auf den Widerspruch hin hat das Arbeitsgericht Koblenz den Antrag des Betriebsrates vollständig zurückgewiesen (Beschluss vom 19.1.2011). Eine Anfechtung dieses Beschlusses erfolgte nicht.

16

Im Beschwerdeverfahren begehrt der Betriebsrat die Abänderung der Entscheidung, soweit das Arbeitsgericht seinen Antrag zurückgewiesen hat und wiederholt zur Begründung seinen erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend führt er aus, der Beschluss zur Einleitung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens samt Beauftragung des Prozessbevollmächtigten und der Beschluss, sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts einzulegen und hierfür den Prozessbevollmächtigten zu beauftragen sei ordnungsgemäß zustande gekommen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die zur Akte gereichten Unterlagen (Bl. 475-480) Bezug genommen

Der Betriebsrat beantragt unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung der Arbeitgeberin zu untersagen, die Arbeitnehmer ……….an den Arbeitsort A-Stadt zu versetzen und dort zu beschäftigen.

Die Arbeitgeberin beantragt die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, soweit der Antrag zurückgewiesen wurde und führt aus, die Beschwerde sei bereits unzulässig, da ihrer Erhebung kein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss zugrunde liege. Darüber hinaus sei die Beschwerde aber auch unbegründet, da auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig gewesen sei und überdies ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrates nicht bestehe. Eine gesundheitliche Gefahr sei für die Mitarbeiter an der Betriebsstätte in A-Stadt nicht gegeben, Asbest- und Nitrosamitbelastungen seien beseitigt worden. Die Verlegung der Arbeitsplätze sei am 13.12.2010 abgeschlossen worden.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde des Betriebsrates nicht abgeholfen

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht waren, sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde des Betriebsrats ist gem. § 87 Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 85 Abs. 2, 89 ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, mithin insgesamt zulässig.

Es war vorliegend im Beschwerdeverfahren nach §§ 87 ff. ArbGG und nicht im Verfahren nach §§ 78 ArbGG, 567 Abs. 1 Nr. 2. ZPO zu entscheiden, da das Beschwerdegericht mündliche Verhandlung angeordnet hat und folglich so zu verfahren hatte, als habe die 1. Instanz auf mündliche Verhandlung hin einen Beschluss nach § 84 ArbGG erlassen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 922, Rn. 14).

Ob der Einleitung des Beschwerdeverfahrens und der Vollmachtserteilung an den Verfahrensvertreter ein wirksamer Beschluss des Betriebsrats zugrunde liegt, kann offen bleiben. Zwar hat der Betriebsrat hat in der mündlichen Anhörung Protokoll, Einladung und Anwesenheitsliste der entscheidenden Sitzung vom 22.12.2010 vorgelegt. Angesichts dieses detaillierten Vorbringens zur Beschlussfassung scheint das Bestreiten der Arbeitgeberin mit Nichtwissen nicht mehr erheblich und damit nicht mehr ausreichend. Die Frage kann jedoch offen bleiben, weil dem Betriebsrat keine durch einstweilige Verfügung zu sichernden Rechte zustehen.

Gegenstand des Verfahrens sind allein die Beteiligungsrechte des Betriebsrates, nicht Individualansprüche der einzelnen Arbeitnehmer

2.

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zumindest mittlerweile unzulässig geworden.

Ob die Einleitung des Verfügungsverfahrens auf einem nach § 33 BetrVG ordnungsgemäß zustande gekommenen Betriebsratsbeschluss basierte, kann vorliegend dahinstehen. Der Antrag ist, soweit er die Unterlassung der Versetzungen von Arbeitnehmern nach A-Stadt betrifft, bereits wegen des fehlenden Rechtschutzbedürfnisses des Betriebsrats unzulässig. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet, da der Betriebsrat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Unterlassung der Beschäftigung der im Antrag benannten Arbeitnehmer am Betriebsstandort A-Stadt hat.

a) Bei einem Unterlassungsantrag entfällt das Rechtschutzbedürfnis, wenn der Vorgang, welcher unterlassen werden soll abgeschlossen ist, keine Wiederholungsgefahr besteht und keine Rechtswirkungen mehr erzeugt werden (vgl. Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 11. Aufl. 2008, Einl. Rn. 175; Musielak, ZPO, 8. Aufl. 2011, § 926, Rn. 8). Die Arbeitgeberin hat mittlerweile alle Versetzungen, deren Unterlassung der Betriebsrat begehrt hatte, vollständig durchgeführt. Der Antrag geht daher ins Leere. Eine Wiederholungsgefahr ist nicht ersichtlich und der Vorgang erzeugt auch keine Rechtswirkungen mehr, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis des Betriebsrats an der verlangten Untersagung nicht mehr gegeben ist.

b) Der Antrag auf Unterlassung der Beschäftigung der im Antrag genannten Arbeitnehmer in A-Stadt ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dem Betriebsrat einen entsprechenden Anspruch auf Unterlassung abgesprochen.

Ein Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassen der Beschäftigung in der Betriebsstätte in A-Stadt kann vorliegend nicht aus § 99 BetrVG hergeleitet werden, da mit § 101 BetrVG eine abschließende Regelung zur Sicherung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates existiert und somit kein Raum für einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gegen betriebsverfassungswidrig durchgeführte personelle Einzelmaßnahmen bleibt (vgl. BAG, NZA 2009, 1430; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 06.05.2010 – 10 TaBV 8/10, juris). Überdies handelt es sich bei der Beschäftigung der Arbeitnehmer in A-Stadt nicht um eine personelle Einzelmaßnahme i.S.d. § 99 BetrVG. Die Beschäftigung am neuen Betriebsort ist lediglich Folge, nicht aber Inhalt einer Versetzungsanordnung wegen Betriebsänderung.

Ein aus der Verletzung der §§ 111 ff. BetrVG abgeleiteter Anspruch auf Unterlassung der Betriebsänderung scheidet, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, aus. Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine Verletzung der §§ 111 ff BetrVG einen solchen, nicht kodifizierten allgemeinen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Betriebsänderung selbst begründen kann (a.A. LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30.03.2006 – 11 TaBV 53/05 sowie Beschl. v. 24.11.2004 – 9 TaBV 29/04), kann ein Anspruch auf Unterlassung der Beschäftigung in einer anderen Betriebsstätte nach der Betriebsänderung nicht auf eine Verletzung der § 111 ff. BetrVG gestützt werden. §§ 111 ff. BetrVG sichern die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Umsetzung einer Betriebsänderung durch die vorgesehene Beteiligung des Betriebsrats im Vorfeld der Änderung. Ist die Betriebsänderung bereits unter Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts vollzogen, wäre ein Verbot des Arbeitsbetriebs an einem anderen Betriebsort als Folge der Änderung völlig ungeeignet, die Mitbestimmungsrechte aus §§ 111 ff. BetrVG dennoch zu sichern. Es kann daher keinen allgemeinen Anspruch des Betriebsrats i.V.m. §§ 111 ff. BetrVG auf Unterlassung von der Betriebsänderung folgenden Maßnahmen des Arbeitgebers geben. Abgesehen davon hat die Arbeitgeberin die Beteiligungsrechte des Betriebsrates durch Information, , Interessenausgleichsverhandlung, Sozialplanverhandlung und Einigungsstelle gewahrt. Dass der Betriebsrat der Auffassung ist, in Wirklichkeit liege eine Betriebsschließung und keine -verlagerung vor, ändert hieran nicht, weil die organisatorische Maßnahme Stilllegung von Arbeitsorganisation in C-Stadt Gegenstand der Verhandlungen war und nicht deren letztlich richtige juristische Qualifizierung

Ein Anspruch des Antrag stellenden Betriebsrates auf Unterlassung der Beschäftigung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG scheitert bereits daran, dass durch die Versetzungen bzw. die Beschäftigung keine Regelungen über den Gesundheitsschutz getroffen werden. Ein grundsätzlich möglicher allgemeiner Unterlassungsanspruch aus § 87 Abs. 1 BetrVG müsste sich auf das Unterlassen einer solchen Regelsetzung richten. Überdies hat der Betriebsrat die Tatsachen, die eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer begründen könnten nicht glaubhaft gemacht. Die Arbeitgeberin hat zuletzt dargetan, dass die Asbest- und die Nitrosamitbelastung durch entsprechende Reinigungsarbeiten beseitigt worden ist; eine mögliche Gefährdung ist danach nicht mehr erkennbar.

Auch die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 23 Abs. 3 S. 1 BetrVG liegen im Streitfall nicht vor. Anhaltspunkte für eine grobe Verletzung der Pflichten aus dem BetrVG durch die Arbeitgeberin sind nicht erkennbar.

Schließlich scheitert ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Versetzung und Beschäftigung der betroffenen Betriebsratsmitglieder bereits an einer fehlenden Verletzung der Vorschrift des § 103 Abs. 3 BetrVG durch die Arbeitgeberin. Es kann dahingestellt bleiben, ob Grundlage der Versetzungsanordnung eine Betriebsverlegung nach A-Stadt oder eine Betriebsschließung ist, da beide Fälle jedenfalls keinen Verlust des Amtes i.S.d. § 24 Nr. 4 BetrVG zur Folge haben. Bei Verlegung eines Betriebs existiert dieser einschließlich des Betriebsrats an der neuen Betriebsstätte weiter. Bei einer Betriebsstillegung verbleibt dem Betriebsratsmitglied ein Restmandat nach § 21 b BetrVG. Sinn und Zweck der Regelung des § 103 Abs. 3 BetrVG ist es, den Mandatsträger vor einer unmittelbaren Einflussnahme des Arbeitsgebers auf den Bestand seines Amtes zu schützen (vgl. hierzu Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 11. Auflage 2008, § 103, Rn. 64). Solange den versetzten Betriebsratsmitgliedern folglich ihr Amt im vollem Umfang, wenn auch mit zeitlicher Begrenzung wie bei einem Restmandat verbleibt, ist dem Sinn und Zweck der Vorschrift Genüge getan. Die Funktionsfähigkeit des Betriebsrates wird hierdurch nicht in Frage gestellt.

Die Beschwerde musste daher erfolglos bleiben. Gegen diese Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§§ 92 Abs. 1 S. 3, 85 Abs. 2 ArbGG).

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